S 23 P 175/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Münster (NRW)
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
23
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 23 P 175/19
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid

Die Klage wird abgewiesen.

 

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

 

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten auf der Grundlage eines Höherstufungsantrages über die Gewährung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung. Streitig ist insbesondere, ob der Kläger Leistungen nach dem Pflegegrad 3 beanspruchen kann.

Der Kläger ist am 00.00.1956 geboren und bei der Beklagten pflichtversichert. Mit Bescheid vom 25.02.2013 stellte die Beklagte fest, dass bei dem Kläger die Voraussetzungen für die Pflegestufe 1 seit dem 01.09.2012 vorliegen und bewilligte dem Kläger auf seinen Antrag vom 14.09.2012 vom 01.09.2012 an ein monatliches Pflegegeld in Höhe von 235,00 €.

Mit Bescheid vom 10.12.2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass es ab dem 01.01.2017 eine Änderung bei den gesetzlichen Pflegeleistungen gebe und fünf Pflegegrade das System von drei Pflegestufen und Zusatzleistungen für Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz ablöse. Die Überführung in das neue System werde nach gesetzlichen Vorgaben vorgenommen. Bisher erhalte der Kläger Pflegeleistungen entsprechend der Pflegestufe 1. Ab dem 01.01.2017 werde er daher dem Pflegegrad 2 zugeordnet.

Der Kläger stellte mit Schreiben vom 06.04.2018 bei der Beklagten ein Antrag auf Erhöhung des Pflegegrades. Zur Begründung verwies er auf das durch das Sozialgericht Münster in der dort anhängigen Schwerbehindertenrechtsangelegenheit des Klägers – Az. S 00 SB 000/17 – in Auftrag gegebene Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. E. vom 02.03.2018, auf das insoweit Bezug genommen wird.

Die Beklagte ließ durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Westfalen-Lippe ein Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit gemäß SGB XI erstellen. Die Begutachtung erfolgte am 08.11.2018 im häuslichen Wohnumfeld des Klägers. Ausweislich dieses Gutachtens lag als pflegebegründende Diagnose eine Gehbehinderung bei Zustand nach mehrfachen komplikativen Knieoperationen und Protheseninfekten bei Gonarthrose vor. Als weitere Diagnosen wurden aufgeführt: Zustand nach multiplen Knierevisionen links mit zuletzt Implantation eines distalen Femurersatzes, im Sinne einer Tumorendoprothese bei einer periprothetischen Infektion mit 4-fachem Knie-TEP-Wechsel, Zustand nach mehreren Spacerimplantationen, bekannte multiple Allergien, Zustand nach Nekrosezwischenfall mit Reanimationspflichtigkeit 2011, bekannte Penicillin Allergie, Zustand nach septischem Schock, Koma sowie Adipositas.

Im vorgenannten Gutachten des MDK wurde anhand der Module des Begutachtungsinstruments eine Summe der gewichteten Punkte von 43,75 Punkten, die dem Pflegegrad 2 entspricht, seit dem 06.04.2018 ermittelt. Die Summe von 43,75 Punkten setzte sich hiernach wie folgt zusammen: Im Modul 1 – Mobilität – wurden 5 gewichtete Punkte ermittelt. Das Umsetzen und das Treppensteigen gelängen nur noch überwiegend unselbständig. Im Übrigen sei der Kläger noch als selbständig zu bezeichnen. Im Modul 2 – kognitive und kommunikative Fähigkeiten – und im Modul 3 – Verhaltensweisen und psychische Problemlagen – wurden 0 gewichtete Punkte ermittelt. Insoweit sei der Kläger in diesen beiden Modulen unbeeinträchtigt. Im Modul 4 – Selbstversorgung – wurden 20 gewichtete Punkte ermittelt. Das An- und Auskleiden des Unterkörpers gelänge nur noch unselbstständig, das Waschen des Intimbereichs, das Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare sowie das Benutzen einer Toilette gelänge nur noch überwiegend unselbstständig und das Waschen des vorderen Oberkörpers sowie das An- und Auskleiden des Oberkörpers nur noch überwiegend selbstständig. Im Modul 5 – Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen – wurden 15 gewichtete Punkte ermittelt. Der Kläger benötige Hilfe im Hinblick auf die Benutzung körpernaher Hilfsmittel, bei Arztbesuchen sowie bei Besuchen anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen. Im Modul 6 – Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte – wurden 3,75 gewichtete Punkte ermittelt. Der Kläger sei beim Ruhen und Schlafen überwiegend unselbstständig, im Übrigen sei der Kläger im Rahmen dieses Moduls als selbständig zu bezeichnen.

Mit Bescheid vom 12.11.2018 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf einen höheren Pflegegrad ab. Die Pflegeleistungen des Pflegegrades 2 würden dem Kläger selbstverständlich weiter zur Verfügung gestellt werden. Zur Begründung wurde angeführt, dass der Medizinische Dienst der Krankenversicherung in seinem Gutachten zu dem Ergebnis käme, dass der Pflegegrad 2 bestünde.

Der Kläger legte gegen diesen Bescheid am 14.11.2018 Widerspruch ein. Zur Begründung verwies er insbesondere auf das im Auftrag des Sozialgerichts Münster erstellte Gutachten des Dr. E. vom 02.03.2018 und führte überdies insbesondere an, dass im MDK-Gutachten ausgeführt würde: „Morgendliches Duschen mit Haare waschen und Hilfe beim Transfer in die Dusche“, ein Duschen jedoch nicht möglich sei aufgrund der Gegebenheiten baulicherseits. Er würde nicht einmal in die Dusche kommen, viel weniger könne dort Hilfe geleistet werden, wenn es möglich wäre. Es würde über Tag, wie auch nachts Hilfe benötigt werden, um auf die Toilette zu gelangen. Alleine nachts müsste zwei- bis dreimal die Toilette aufgesucht werden. Somit sei eine dauernde Präsenz einer Pflegeperson vor Ort notwendig. Die Angaben zum Pflegeaufwand würden nicht korrekt wiedergegeben werden.

Das Bad sei mit dem Rollstuhl erreichbar, aber nicht befahrbar im Sinne von Barrierefreiheit oder leidensgerecht bzw. rollstuhlgerecht. Ein Gehen sei nicht möglich. Die Fortbewegungsfreiheit in der Wohnung mit dem Rollstuhl sei mehr als eingeschränkt. Die Küche und das Bad seien nicht mit dem Rollstuhl nutzbar.

Im Hinblick auf die pflegebegründenden Diagnosen verweise er explizit auf die vorliegenden tatsächlichen Gutachten und Arztberichte der Kliniken, auch auf die zurückliegenden Berichte.

Die Körperpflege im Bereich des Kopfes könne nicht alleine bewerkstelligt werden. Waschen im Intimbereich sei gar nicht möglich. Zum Einleiten des Zubettgehens würde Hilfe benötigt werden und zwar unter totaler Mithilfe. Des Weiteren würde Hilfe benötigt werden für Planungen und Kontakt zur „Außenwelt“, denn ohne Hilfe würde er gar nicht außer Haus kommen. Er könne nicht selbständig einkaufen, da er nicht einmal selbstständig die Wohnung verlassen könne. Bei den örtlichen Gegebenheiten könne er keine Mahlzeiten zubereiten. Einfache Aufräum- und Reinigungsarbeiten könne er auch nicht überwiegend selbstständig erledigen bei dem Gesundheitsbild und den Räumlichkeiten.

Nach alledem sei eine andere Bewertung vorzunehmen, eben die Höherstufung des Pflegegrades.

Im Hinblick auf die weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben des Klägers vom 14.11.2018 sowie auf dessen E-Mail vom 19.11.2018 Bezug genommen.

Die Beklagte ließ durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Westfalen-Lippe ein weiteres Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit gemäß SGB XI erstellen. Die Begutachtung erfolgte am 07.01.2019 im häuslichen Wohnumfeld des Klägers.

Im vorgenannten Gutachten wurde anhand der Module des Begutachtungsinstruments eine Summe der gewichteten Punkte von 40 Punkten, die dem Pflegegrad 2 entspricht, seit dem 06.04.2018 ermittelt. Die Summe von 40 Punkten setzte sich hiernach wie folgt zusammen: Im Modul 1 – Mobilität – wurden 5 gewichtete Punkte ermittelt. Im Modul 2 – kognitive und kommunikative Fähigkeiten – und im Modul 3 – Verhaltensweisen und psychische Problemlagen – wurden 0 gewichtete Punkte ermittelt. Im Modul 4 – Selbstversorgung – wurden 20 gewichtete Punkte ermittelt. Im Modul 5 – Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen – wurden 15 gewichtete Punkte ermittelt. Im Modul 6 – Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte – wurden 0 gewichtete Punkte ermittelt.

Mit diesem Gutachten würde das Ergebnis des Vorgutachtens bestätigt werden. Es werde der gleiche Pflegegrad empfohlen.

Mit Schreiben vom 01.02.2019 übermittelte die Beklagte dem Kläger das vorgenannte Gutachten und wies darauf hin, dass auch nach dem neuen Gutachten die Voraussetzungen für den Pflegegrad 3 nicht vorlägen.

Der Kläger widersprach den Ausführungen in den Gutachten des MDK vom 07.01.2019 bzw. vom 08.11.2018. In den Gutachten seien grundsätzliche Fehler festzustellen. Im Hinblick auf die Einzelheiten wird auf das Schreiben des Klägers vom 08.02.2019 Bezug genommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.05.2019 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 12.11.2018 zurück. Zur Begründung führte sie insbesondere an, dass in dem im Widerspruchsverfahren erstellten Gutachten des MDK weitgehend die Feststellungen aus dem Erstgutachten bestätigt worden seien. Die Voraussetzungen des Pflegegrades 3 seien weiterhin nicht erfüllt. Der Pflegegrad 3 läge bei einem Punktwert von 47,50 bis unter 70,00 Punkten vor. Der MDK hätte beim Kläger allerdings das Vorliegen von 40,00 gewichteten Punkten festgestellt. Damit würden die Mindestvoraussetzungen für eine Eingruppierung in den Pflegegrad 3 nicht erreicht werden.

Im Hinblick auf die weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 15.05.2019 Bezug genommen.

Der Kläger hat am 29.05.2019 Klage erhoben, mit der er die Feststellung des Pflegegrades 3 sowie die Gewährung von Pflegegeld in der für den Pflegegrad 3 vorgesehenen Höhe ab Antragstellung begehrt. Zur Begründung führt er insbesondere an, dass er schwerstpflegebedürftig sei. Es läge eine schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit vor. Er könne alltägliche Aufgaben nicht selbstständig und unabhängig bewältigen, seine Alltagskompetenz sei in einem erheblichen Ausmaß eingeschränkt. Im Gutachten vom 07.01.2019 seien unzutreffende Werte ermittelt worden. Das Ausmaß des Beaufsichtigungs- und Betreuungsbedarfs sei unzutreffend festgestellt worden. Er benötige umfangreiche Hilfe beim Waschen und Kleiden sowie beim Ausscheiden. Ebenfalls sei er beim Umsetzen auf Hilfe angewiesen, auch wenn er sich – äußerst begrenzt – in der Wohnung bewegen könne. Das Gutachten, auf das sich die Beklagte in ihrer ablehnenden Entscheidung stütze, hätte nicht alle tatsächlich erforderlichen Hilfeleistungen erfasst. Im Bereich der Mobilität bestünde bereits die unzutreffende Angabe, er könne sich innerhalb des Wohnbereichs selbständig bewegen. Dies träfe nicht zu. Selbständig könnten lediglich die mit dem Rollstuhl befahrbaren Wohnbereiche erreicht werden. Im Bereich der Küche sowie im Bad sei er auf ständige Hilfe Angehöriger angewiesen. Auch das Treppensteigen sei ausschließlich unselbstständig möglich. Im Modul 2 – kognitive und kommunikative Fähigkeiten – bestünde seit der missglückten operativen Behandlung im Bereich des „Erinnerns an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen“ ebenfalls ein Defizit. Dies sei bei der Punktegewichtung völlig unberücksichtigt gelassen worden. Auch die Bewertung der Selbstversorgung sei unzureichend erfolgt. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass halbwegs eigenständige Handlungen lediglich dann möglich seien, wenn er im Rollstuhl sitze, sei das Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken ausschließlich unter Zuhilfenahme Dritter möglich. Der Küchenbereich sei mit dem Rollstuhl nicht erreichbar. Beim Verlassen der Wohnung sei der Kläger ebenfalls auf ständige Hilfe von Begleitpersonen angewiesen. Hierbei würden zwei Personen benötigt werden. Weiterhin sei er nicht nur “mehrmals täglich“ auf die Präsenz der Pflegepersonen angewiesen. Es werde durchgehende Betreuung benötigt. Werde die Pflege nicht von den beiden Pflegepersonen übernommen, würden Vertretungen in Form von Freunden organisiert werden.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

1. Der Bescheid der Beklagten vom 12.11.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2019 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, bei dem Kläger einen Pflegegrad 3 festzustellen und dem Kläger Pflegegeld in der für den Pflegegrad 3 vorgesehenen Höhe ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt sie insbesondere Bezug auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2019.

Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen und Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte bzw. Therapeuten eingeholt.

Zudem hat es von Amts wegen Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von Dr. O., N., vom 03.11.2020. Er ermittelte eine Gesamtpunktzahl von 43,75 gewichteten Punkten, womit die Bedingungen zur Anerkennung des Pflegegrades 2 erfüllt seien. Die Situation des Klägers hätte sich seit dem ersten angefochtenen MDK-Gutachten vom 08.11.2018 bis heute – dem Zeitpunkt seiner Begutachtung – nicht wesentlich geändert. Es sei insgesamt zu einer leichten Verstärkung der Beschwerdesymptomatik bei Gonarthrose rechts und degenerativen Veränderungen im rechten Sprunggelenk gekommen, woraus sich allerdings keine Änderung der Bewertung unter den jeweiligen Einzelpunkten unter den Modulen ergebe. Offenbar habe allerdings jeweils zu den Zeitpunkten der angefochtenen MDK-Gutachten eine Aktivierung der chronischen Bursitis am linken Ellenbogengelenk bestanden, weshalb ein etwas höherer Hilfebedarf im Bereich der Selbstversorgung zu den Zeitpunkten der angefochtenen MDK-Gutachten verglichen mit der heutigen Situation bestanden hätte. Diese sei allerdings retrospektiv betrachtet nicht als Dauerzustand zu bewerten. Aber auch bei potentieller Anrechnung der aus der Aktivierung der Bursitis am linken Ellenbogengelenk resultierenden höheren Hilfebedürftigkeit im Bereich der Selbstversorgung ergäben sich lediglich Änderungen bezüglich der Einzelpunkte und Modul 4. Es ergäbe sich allerdings keine Änderung der gewichteten Punkte unter Modul 4. Sowohl bezogen auf den Zeitpunkt des angefochtenen MDK-Gutachtens vom 08.11.2018 und auch bezogen auf den Zeitpunkt des angefochtenen MDK-Gutachtens vom 07.01.2019 sowie auch bezogen auf die heutige Situation ließen sich jeweils insgesamt 43,75 gewichtete Punkte ermitteln. Somit seien bezogen auf jede der oben genannten Situationen jeweils nur die Bedingungen zur Anerkennung eines 2. Pflegegrades als erfüllt anzusehen, womit die beiden oben genannten angefochtenen MDK-Gutachten retrospektiv betrachtet im Gesamtergebnis bestätigt werden könnten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten des Dr. O. vom 03.11.2020 Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 26.01.2021 wurde von Seiten des Klägers im Hinblick auf das Gutachten vom 03.11.2020 insbesondere ausgeführt, dass bereits der Sachverhalt und die Diagnosen nicht richtig erfasst worden seien. Bei ihm bestünde nicht nur eine vom Gutachter beschriebene Knie-TEP. Vielmehr seien bereits vier Knie-TEP nach mehrfachen Wechseln aufgrund wiederkehrender periprothetischer Infektion erfolgt. Zuletzt sei eine Tumorrevisionsendoprothese mit künstlichem Einsatz des distalen Schaftes implantiert worden. In beiden Anteilen bestünden behandlungsbedürftige Lockerungen. Nicht nachvollziehbar seien zudem die Ausführungen zur Beeinträchtigung der Selbstständigkeit. Hier würden ausführlich bei ihm vorhandene Bewegungseinschränkungen und daraus resultierender enormer Unterstützungsbedarf dokumentiert werden. Als Rückschluss solle jedoch kein Hilfe- oder Betreuungsbedarf in diesem Bereich bestehen. Weiterhin werde ausgeführt, er könne sich mäßig beschwerlich auf einem Rollstuhl erheben und sich wieder setzen. Insbesondere ergäbe sich aus den Feststellungen des Sachverständigen, dass der Kläger auf sichernde Unterstützung angewiesen sei. Wie der Sachverständige sodann zu dem Schluss kommen könne, das Fortbewegen innerhalb des Wohnbereiches sei überwiegend selbstständig zu bewerten, sei nicht nachvollziehbar und sogar widersprüchlich zu eigenen Ausführungen. Er befände sich nur an sogenannten „guten Tagen“ in einer normalen Stimmungslage. Bei schlechten Witterungsbedingungen hätte er kaum Beschäftigung. Dadurch würden sein Denken, Fühlen und Handeln äußerst negativ beeinflusst werden. Dann herrschte tiefe Herabgestimmtheit, Freudlosigkeit sowie erhöhte Ermüdbarkeit. Auch Modul 3 sei nicht hinreichend erfasst worden. Im Gutachten werde aufgezeichnet, dass er unter Ängsten leiden würde. Bei der Bewertung des Moduls 3 würden diese jedoch nicht mit einfließen. Auch im Bereich der Selbstversorgung sei die Gewichtung falsch gesetzt worden. Insbesondere das An- und Auskleiden des Unterkörpers sei nicht als überwiegend unselbständig, sondern vielmehr als unselbständig zu qualifizieren. Auch im Bereich der mundgerechten Zubereitung von Nahrung, die laut Gutachter selbständig erfolgen könne, sei die Bewertung nicht zutreffend. Aufgrund der besonderen Lagerung des linken Beines, welches ständig im ausgestreckten Zustand gelagert werden müsse, sei lediglich ein Aufwärmen der Nahrung in der Mikrowelle für ihn ausführbar. Dies könne kaum als selbständige Zubereitung von Nahrung gewertet werden. Im Bereich von Modul 6 sei zudem die Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen als selbständig eingestuft worden. Dies träfe lediglich für solche Aktivitäten zu, die im Elektrorollstuhl bewältigt werden könnten. Sobald sich die Umstände änderten, sei er auf ständige Präsenz Dritter angewiesen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass lediglich 3,75 Punkte Differenz zum Pflegegrad 3 bestünden, seien die insgesamt gewichteten Punkte hier unzutreffend ermittelt worden.

Im Hinblick auf die weiteren Einzelheiten wird auf den klägerseitigen Schriftsatz vom 26.01.2021 Bezug genommen.

Die Beteiligten sind mit gerichtlichem Schreiben vom 21.01.2021, jeweils gegen Empfangsbekenntnis der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 25.01.2021 und der Beklagten am 01.02.2021 zugestellt, dazu gehört worden, dass das Gericht eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beabsichtigt.

Von Seiten des Klägers wurde mit Schriftsatz vom 16.02.2021 erklärt, dass im Hinblick auf die seinerseitigen Ausführungen zum medizinischen Gutachten vom 03.11.2020 mit einer Entscheidung nach § 105 SGG kein Einverständnis bestehe.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten.

 

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Gemäß § 105 Abs. 1 SGG kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Beteiligten sind darüber hinaus auf die beabsichtigte Entscheidung des Rechtsstreits durch Gerichtsbescheid hingewiesen worden.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, jedoch unbegründet.

Der Kläger ist nicht gem. § 54 Abs. 2 SGG beschwert, da der von ihm angefochtene Bescheid vom 12.11.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2019 nicht rechtswidrig ist.

Dem Kläger steht kein Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung nach dem Pflegegrad 3 zu.

Nach § 14 Abs. 1 SGB XI in der ab dem 01.01.2017 gültigen Fassung sind pflegebedürftig im Sinne des SGB XI solche Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und mit mindestens der in § 15 festgelegten Schwere bestehen. § 14 Abs. 2 SGB XI bestimmt dabei die maßgeblichen Kriterien in den Bereichen Mobilität (Nr. 1) kognitive und kommunikative Fähigkeiten (Nr. 2), Verhaltensweisen und psychische Problemlagen (Nr. 3), Selbstversorgung (Nr. 4), Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen (Nr. 5) und Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte (Nr. 6). Gem. § 15 Abs. 1 SGB XI erhalten Pflegebedürftige nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten einen Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad), der mit Hilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments ermittelt wird.

Die Einzelheiten regeln die Abs. 2 ff. des § 15 SGB XI. Danach ist das Begutachtungsinstrument in sechs Module gegliedert, die den sechs Bereichen in § 14 Abs. 2 SGB XI entsprechen. In jedem Modul sind für die in den Bereichen genannten Kriterien die in Anlage 1 zu § 15 SGB XI dargestellten Kategorien vorgesehen. Die Kategorien stellen die in ihnen zum Ausdruck kommenden verschiedenen Schweregrade der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten dar. Den Kategorien werden in Bezug auf die einzelnen Kriterien pflegefachlich fundierte Einzelpunkte zugeordnet, die aus Anlage 1 zu § 15 SGB XI ersichtlich sind. In jedem Modul werden die jeweils erreichbaren Summen aus Einzelpunkten nach den in Anlage 2 zu § 15 SGB XI festgelegten Punktbereichen gegliedert. Die Summen der Punkte werden nach den in ihnen zum Ausdruck kommenden Schweregraden der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten wie folgt bezeichnet: 1. Punktbereich 0: keine Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, 2. Punktbereich 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, 3. Punktbereich 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, 4. Punktbereich 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten und 5. Punktbereich 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten. Jedem Punktbereich in einem Modul werden unter Berücksichtigung der in ihm zum Ausdruck kommenden Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sowie der folgenden Gewichtung der Module die in Anlage 2 zu § 15 SGB XI festgelegten, gewichteten Punkte zugeordnet. Die Module des Begutachtungsinstruments werden wie folgt gewichtet: 1. Mobilität mit 10 Prozent, 2. kognitive und kommunikative Fähigkeiten sowie Verhaltensweisen und psychische Problemlagen zusammen mit 15 Prozent, 3. Selbstversorgung mit 40 Prozent, 4. Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen mit 20 Prozent, 5. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte mit 15 Prozent.

Nach § 15 Abs. 3 SGB XI sind zur Ermittlung des Pflegegrades die bei der Begutachtung festgestellten Einzelpunkte in jedem Modul zu addieren und dem in Anlage 2 zu § 15 SGB XI festgelegten Punktbereich sowie den sich daraus ergebenden gewichteten Punkten zuzuordnen. Den Modulen 2 und 3 ist ein gemeinsamer gewichteter Punkt zuzuordnen, der aus den höchsten gewichteten Punkten entweder des Moduls 2 oder des Moduls 3 besteht. Aus den gewichteten Punkten aller Module sind durch Addition die Gesamtpunkte zu bilden. Auf der Basis der erreichten Gesamtpunkte sind pflegebedürftige Personen in einen der nachfolgenden Pflegegrade einzuordnen: ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 1 (geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten), ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2 (erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten), ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3 (schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten), ab 70 bis unter 90 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4 (schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten), ab 90 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5 (schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung).

Vorliegend sind die Voraussetzungen für den Pflegegrad 2 erfüllt, nicht jedoch die Voraussetzungen für einen höheren Pflegegrad als den Pflegegrad 2. Der Kläger erreicht nach Überzeugung des Gerichts die vom Gesetz für das Erreichen des Pflegegrads 2 vorgegebene Gesamtpunktzahl (ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten) mit 43,75. Das Gericht stützt sich in seiner pflegefachlichen Beurteilung auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. O. in seinem Gutachten vom 03.11.2020.

Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, an den Ausführungen des Sachverständigen Dr. O. zu zweifeln.

Der Sachverständige Dr. O. schildert in seinem Gutachten im Rahmen der Beurteilung der Module glaubhaft und nachvollziehbar die Funktionsausfälle und ermittelt basierend darauf detailliert den Hilfebedarf des Klägers.

Die Ausführungen des Sachverständigen Dr. O. zu dem von ihm ermittelten Pflegegrad überzeugen. Das Gericht schließt sich diesen Ausführungen an.

Etwas anderes ergibt sich insbesondere auch nicht aus den von Seiten des Klägers mit Schriftsatz vom 26.01.2021 vorgebrachten Ausführungen zu dem Gutachten des Dr. O. vom 03.11.2020. Nach Auffassung des Gerichts musste es sich insbesondere auch in Anbetracht des vorgenannten klägerseitigen Vorbringens nicht zu weiteren Ermittlungen veranlasst sehen.

Soweit von Seiten des Klägers angeführt wird, dass in dem Gutachten des Dr. O. vom 03.11.2020 bereits die Diagnosen nicht richtig erfasst seien, da bei dem Kläger nicht nur eine vom Gutachter beschriebene Knie-TEP vorliege, sondern vielmehr bereits vier Knie-TEP nach mehrfachen Wechseln erfolgt seien, ist dieses Vorbringen nach Auffassung der Kammer nicht nachvollziehbar und führt nicht zu Zweifeln an den Ausführungen bzw. den Beurteilungen des Sachverständigen Dr. O., da dieser bei der Beantwortung der Beweisfragen unter den Diagnosen ausdrücklich unter anderem Folgendes angeführt hat: „Schmerzen und Instabilität im linken Knie nach Kniegelenkstrauma und TEP-Versorgung nach multiplen operativen Revisionen mit aktueller TEP-Lockerung“ und insoweit ausdrücklich die multiplen operativen Revisionen erfasst und berücksichtigt hat.

Soweit der Kläger weiter anführt, dass die Ausführungen zur Beeinträchtigung der Selbstständigkeit nicht nachvollziehbar seien, da dort ausführlich bei ihm vorhandene Bewegungseinschränkungen und daraus resultierender enormer Unterstützungsbedarf dokumentiert werde, als Rückschluss jedoch kein Hilfe- oder Betreuungsbedarf in diesem Bereich bestehen solle, ist hierbei nach Auffassung der Kammer zu berücksichtigen, dass der Sachverständige Dr. O. insbesondere bei der Beurteilung des Moduls 4 die beim Kläger vorhandenen Bewegungseinschränkungen und den daraus resultierenden Unterstützungsbedarf berücksichtigt. So gelangte er bei der Beurteilung des Moduls 4 zu der Einschätzung, dass das Waschen des Intimbereiches, das Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare, das An- und Auskleiden des Unterkörpers sowie das Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhl nur noch überwiegend unselbstständig möglich sei. Dies steht in Einklang mit den Ausführungen des Sachverständigen zur Beeinträchtigung der Selbstständigkeit. Dort führte er nachvollziehbar insbesondere an, dass bedingt durch die im Gutachten genannten Diagnosen Einschränkungen bei der Selbstversorgung, insbesondere beim An- und Auskleiden und Waschen unten herum sowie auch bei der Verrichtung der Notdurft bestünden, der Kläger allerdings bei weitestgehend uneingeschränkter Beweglichkeit im Bereich der oberen Extremitäten noch in der Lage sei, kleine grundpflegerische Verrichtungen wie zum Beispiel das Essen und Trinken und auch die Körperpflege im Bereich des vorderen Oberkörpers eigenständig auszuführen. Bezüglich der Verrichtung der Notdurft resultiere hieraus deutlicher Unterstützungsbedarf beim Richten der Bekleidung, Unterstützungsbedarf bei der Analreinigung und auch beim Gang zur Toilette, da der Kläger im Rollstuhl sitzend die Toilette nicht erreichen könne. Insoweit führte er bei der Beurteilung des Moduls 4 weiter nachvollziehbar und widerspruchsfrei an, dass der Kläger angegeben habe, den vorderen Intimbereich weitestgehend eigenständig waschen zu können, allerdings Unterstützung beim Waschen des hinteren Intimbereiches benötige, da er dazu aufstehen müsse und sich abstützen müsse. Unter wohlwollender Betrachtung könne somit das Waschen des Intimbereiches als überwiegend unselbständig bewertet werden. Beim Duschen sei der Kläger durchaus in der Lage, im Sitzen auf dem Duschhocker, die Oberkörpervorderseite sowie auch die Haare und Teile des vorderen Intimbereiches und auch Teile der Oberschenkel eigenständig zu waschen. Er benötige allerdings deutlich Unterstützung beim Waschen des Rückens, des Gesäßes und der Unterschenkel und sollte beim Duschen zur Sicherheit bei körperlich eigenständigen Teilverrichtungen beaufsichtigt werden. Insgesamt könne somit das Duschen und Baden wohlwollend betrachtet als überwiegend unselbstständig gewertet werden. Des Weiteren führte er nachvollziehbar aus, dass bezüglich des An- und Auskleidens des Unterkörpers der Kläger auf deutliche Unterstützung beim Ziehen von Kleidung über die Füße und auch auf Unterstützung beim Ziehen von Kleidungsstücken über das Gesäß angewiesen sei, er hierbei allerdings zumindest passiv durch eigenständiges Stehvermögen mit Abstützen sowie auch durch manuelle Unterstützung beim Hochziehen einer Hose etwas mitwirken könne, weshalb diesbezüglich definitionsgemäß eine überwiegende Unselbstständigkeit zu würdigen sei. Insoweit beschreibt der Sachverständige Dr. O. nach Auffassung der Kammer nachvollziehbar und widerspruchsfrei die von ihm vorgenommene Beurteilung. Diese steht insbesondere auch in Einklang mit der vom Sachverständigen vorgenommenen Differenzierung zwischen der Beweglichkeit im Bereich der oberen Extremitäten sowie im Bereich der unteren Extremitäten, da er die Beweglichkeit im Bereich der oberen Extremitäten nachvollziehbar als weitestgehend uneingeschränkt beschreibt, jedoch diejenige im Bereich der unteren Extremitäten eingeschränkt ist.

Soweit der Kläger weiter anführt, dass nicht nachvollziehbar und sogar widersprüchlich sei, dass der Gutachter ausführe, dass sich der Kläger mäßig beschwerlich auf einem Rollstuhl erheben und sich wieder setzen könne und feststelle, dass er auf sichernde Unterstützung angewiesen sei, jedoch dann zu dem Schluss käme, das Fortbewegen innerhalb des Wohnbereiches sei überwiegend selbstständig zu bewerten, ergibt sich hieraus nach Auffassung der Kammer kein Widerspruch. So ist insbesondere zunächst zu berücksichtigen, dass der Sachverständige bei der Beurteilung des Moduls 1 nachvollziehbar ausgeführt hat, dass der Kläger während seines Besuches mäßig beschwerlich und mäßig unsicher sowie etwas verlangsamt, aber eigenständig mit Abstützen an den Unterarmgehstützen aus einem Rollstuhl habe aufstehen und sich wieder setzen können. Aufgrund der seitens des Sachverständigen beobachteten Unsicherheit sei hier allerdings bedarfsorientiert sichernder Unterstützungsbedarf durch eine Pflegeperson zu sehen, weshalb das Umsetzen definitionsgemäß als überwiegend selbständig zu bewerten sei. Insoweit hat der Sachverständige bei der Beurteilung des Moduls 1 entsprechend auch die Kategorie des Umsetzens mit überwiegend selbstständig bewertet und hierbei nachvollziehbar und widerspruchsfrei die beim Kläger vorhandenen Beeinträchtigungen berücksichtigt.

Hiervon unabhängig hat der Sachverständige bei der Beurteilung des Moduls 1 auch die weitere – von der Kategorie „Umsetzen“ unabhängige – Kategorie des Fortbewegens innerhalb des Wohnbereiches mit überwiegend selbstständig bewertet. Hierzu führte er nachvollziehbar aus, dass der Kläger während seines Besuches in der Lage gewesen sei, sich selbstständig innerhalb der Wohnung im Rollstuhl fortzubewegen. Aufgrund der partiellen Enge der Wohnung sei der Kläger allerdings, besonders zum Erreichen der Toilette und Dusche, auf die Nutzung von Gehstützen angewiesen. Der Kläger hätte während seines Besuches eigenständig mit Gehstützen einige kleine Schritte mäßig beschwerlich, mäßig unsicher und verlangsamt gehen können. Aus medizinischer Sicht sei hierbei allerdings aufgrund der Unsicherheit sichernder Unterstützungsbedarf zu sehen, weshalb das Fortbewegen innerhalb des Wohnbereiches insgesamt als überwiegend selbständig zu werten sei. Dies steht auch im Einklang mit den Ausführungen des Sachverständigen im Rahmen der Befunderhebung im Hinblick auf den Stütz- und Bewegungsapparat. Dort führte er aus, dass der Kläger während seines Besuches selbstständig durch Drehen der Räder mit den Händen im Rollstuhl sitzend innerhalb der Wohnung mobil gewesen sei. Er sei in der Lage gewesen, gerade Strecken mit dem Rollstuhl zu fahren und sei auch in der Lage gewesen, mit dem Rollstuhl eigenständig zu rangieren.

Soweit der Kläger weiter anführt, das Modul 3 nicht hinreichend erfasst worden sei, greift nach Auffassung der Kammer auch dieser Einwand in Anbetracht der nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten nicht durch. So führte der Sachverständige bei der Beurteilung des Moduls 3 glaubhaft und nachvollziehbar aus, dass sich während seines Besuches keinerlei psychische Auffälligkeiten gefunden hätten. Der Kläger hätte sich nicht aggressiv verhalten und hätte auch nicht antriebsgemindert oder depressiv gewirkt. Seitens des Klägers seien keinerlei Wahnvorstellungen angegeben worden. Er würde erforderliche Hilfeleistungen problemlos akzeptieren. Auch seitens der Ehefrau und seitens des Klägers seien keine aggressiven Verhaltensweisen angeführt worden, die über das allgemein akzeptable Niveau hinausgehen würden. Personell interventionsbedürftige nächtliche Unruhezustände seien seitens des Klägers und der Ehefrau verneint worden. Es sei allerdings angegeben worden, dass der Kläger insgesamt unter Ängsten leiden würde, zum Beispiel der Angst, im Falle eines Brandes nicht eigenständig die Wohnung verlassen zu können, was besonders nach Eintritt der Dunkelheit, also in den Abend- und Nachtstunden der Fall wäre. Seitens des Klägers sei allerdings angeführt worden, dass er diesbezüglich nicht auf eine personelle Intervention angewiesen sei. Es sei angeführt worden, dass er sich dann selbst beruhigen könne und sich zum Teil zur Beruhigung ablenkenden Beschäftigungen hingeben würde. Insgesamt bestünde somit bei den unter Modul 3 relevanten Einzelaspekten keinerlei personeller Interventionsbedarf. Diese Bewertung entspricht den Richtlinien zum Verfahren der Feststellung der Pflegebedürftigkeit sowie zur pflegefachlichen Konkretisierung der Inhalte des Begutachtungsinstruments nach dem Elften Buch des Sozialgesetzbuches, ausweislich derer es in dem Modul 3 um Verhaltensweisen und psychische Problemlagen als Folge von Gesundheitsproblemen geht, die immer wieder auftreten und personelle Unterstützung erforderlich machen. Es geht hier um Unterstützung des pflegebedürftigen Menschen bei der Bewältigung von belastenden Emotionen (wie z.B. Panikattacken), beim Abbau psychischer Spannungen, bei der Impulssteuerung, bei der Förderung positiver Emotionen durch Ansprache oder körperliche Berührung, bei der Vermeidung von Gefährdungen im Lebensalltag, bei Tendenz zu selbstschädigenden Verhalten. Im Mittelpunkt dieses Moduls steht die Frage, inwieweit die Person ihr Verhalten ohne personelle Unterstützung steuern kann. Ausschlaggebend ist, ob und wie oft die Verhaltensweisen eine personelle Unterstützung notwendig machen. Da in Anbetracht der vorstehend angeführten Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten eine personelle Intervention nicht erforderlich ist, ist die von dem Sachverständigen vorgenommene Beurteilung betreffend das Modul 3 zutreffend erfolgt.

Soweit der Kläger weiter anführt, dass auch im Bereich der mundgerechten Zubereitung von Nahrung, die laut Gutachter selbstständig erfolgen könne, die Bewertung nicht zutreffend sei, da für den Kläger aufgrund der besonderen Lagerung des linken Beines, welches ständig im ausgestreckten Zustand gelagert werden müsse, lediglich ein Aufwärmen der Nahrung in der Mikrowelle ausführbar sei und dies kaum als selbstständige Zubereitung von Nahrung gewertet werden könne, ist auch dieser Einwand nach Auffassung der Kammer nicht geeignet, die Ausführungen des Sachverständigen Dr. O.  in Zweifel zu ziehen. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Sachverständige bei der Beurteilung des Moduls 4 insbesondere ausführte, dass bezüglich der mundgerechten Zubereitung und auch des Essens und Trinkens selbst seitens des Klägers eine Eigenständigkeit angegeben worden sei, was seinerseits problemlos nachvollzogen werden könne. Insoweit gab der Kläger selbst an, die mundgerechte Zubereitung von Nahrung selbstständig ausführen zu können. Überdies ist zu berücksichtigen, dass ausweislich der Richtlinien zum Verfahren der Feststellung der Pflegebedürftigkeit sowie zur pflegefachlichen Konkretisierung der Inhalte des Begutachtungsinstruments nach dem Elften Buch des Sozialgesetzbuches zu der Kategorie „Mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken“ des Moduls 4 das Zerteilen von belegten Brotscheiben, Obst oder anderen Speisen in mundgerechte Stücke, z.B. das Kleinschneiden von Fleisch, das Zerdrücken von Kartoffeln, Pürieren der Nahrung, Verschlüsse von Getränkeflaschen öffnen, Getränke aus einer Flasche oder Kanne in ein Glas bzw. eine Tasse eingießen, ggf. unter Nutzung von Hilfsmitteln wie Antirutschbrett oder sonstigen Gegenständen wie Spezialbesteck gehören.

Unter der vom Modul 4 erfassten „mundgerechten Zubereitung der Nahrung“ ist nicht die eigentliche Zubereitung der Nahrung zu verstehen, sondern nur die letzte Vorbereitungsmaßnahme, soweit eine solche nach der Fertigstellung der Mahlzeit krankheits- oder behinderungsbedingt noch erforderlich ist (Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 22. Mai 2018 – L 8 SO 121/17 B ER –, Rn. 21, juris m.w.N.). Insoweit ist nicht maßgeblich, ob für den Kläger lediglich ein Aufwärmen der Nahrung in der Mikrowelle ausführbar ist. Da der Kläger ausweislich der Ausführungen des Sachverständigen eine Eigenständigkeit bezüglich der mundgerechten Zubereitung und auch des Essens und Trinkens angegeben hat, ist die Beurteilung des Sachverständigen in Modul 4 diesbezüglich als selbstständig zutreffend erfolgt.

Soweit der Kläger letztlich anführt, dass soweit im Bereich von Modul 6 die Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen als selbständig eingestuft worden sei, dies lediglich für solche Aktivitäten zutreffe, die im Elektrorollstuhl bewältigt werden könnten und der Kläger, sobald sich Umstände änderten, auf ständige Präsenz Dritter angewiesen sei, ist nach Auffassung der Kammer auch dieser Einwand nicht geeignet, die nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. O. in seinem Gutachten in Zweifel zu ziehen. Insoweit ist insbesondere zu berücksichtigen, dass nach den Richtlinien zum Verfahren der Feststellung der Pflegebedürftigkeit sowie zur pflegefachlichen Konkretisierung der Inhalte des Begutachtungsinstruments nach dem Elften Buch des Sozialgesetzbuches zu der Kategorie „Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen“ des Moduls 6 maßgeblich ist, den Tagesablauf nach individuellen Gewohnheiten und Vorlieben einzuteilen und bewusst zu gestalten und ggf. an äußere Veränderungen anzupassen. Dies erfordert planerische Fähigkeiten zur Umsetzung von Alltagsroutinen. Zu beurteilen ist, ob die Person von sich aus festlegen kann, ob und welche Aktivitäten sie im Laufe des Tages durchführen möchte, z.B. wann sie baden, essen oder zu Bett gehen oder wann sie Fernsehen oder spazieren gehen möchte. Solche Festlegungen setzen voraus, dass die zeitliche Orientierung zumindest teilweise erhalten ist. Insoweit hat der Sachverständige Dr. O. nach Auffassung der Kammer nachvollziehbar ausgeführt, dass der Kläger, da er – wie im Gutachten beschrieben – cerebral altersentsprechend leistungsfähig sei und auch in der Lage sei, mit anderen Personen problemlos zu kommunizieren, keine Einschränkungen bei der Gestaltung des Tagesablaufes resultierten. Bezüglich von in die Zukunft gerichteten Planungen und auch bezüglich von Beschäftigungen sei der Kläger angabengemäß in der Lage, diese eigenständig auszuführen. Eine depressive Antriebsstörung sei seitens des Klägers nicht angeführt worden. Es sei angegeben worden, dass er durchaus Interesse hätte, an Aktivitäten teilzunehmen. Er sei aus medizinischer Sicht im Rahmen seiner körperlichen Möglichkeiten aktiv aus eigenem Antrieb in der Lage, sich eigenständig zu beschäftigen und sei bei nicht eingeschränkter Kognition auch in der Lage, Zukunftsplanungen eigenständig auszuführen und diese mit anderen Personen abzusprechen. Er sei in der Lage, bei Bedarf aus eigenem Antrieb telefonisch Kontakt zu Personen außerhalb des direkten Umfeldes aufzunehmen, weshalb auch bezüglich dieses Punktes eine Selbstständigkeit zu werten sei.

In Anbetracht dieser nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen ist die Beurteilung des Sachverständigen zutreffend erfolgt.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

 

Rechtskraft
Aus
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