Die Leistungen der interventionellen Radiologie (GOP 34283 bis 34287 EBM) gehören zum Kernbereich des Fachgebietes der Inneren Medizin und Angiologie. Hieraus folgt, dass § 9 Abs. 5 Satz 2 i. V. m. § 3 Qualitätssicherungsvereinbarung zur interventionellen Radiologie verfassungskonform dahingehend auszulegen ist, dass die Facharztqualifikation „Radiologie“ im Falle einer Fachärztin für Innere Medizin und Angiologie durch ein Kolloquium ersetzt werden kann (Anschluss an die Rechtsprechung des SG München, Urteil vom 25.10.2021, Az. S 28 KA 84/19).
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 01.09.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2021 verurteilt, die Klägerin zu einem Kolloquium gemäß § 2 i. V. m. § 9 Abs. 5 der Qualitätssicherungsvereinbarung zur interventionellen Radiologie zur Prüfung ihrer Befähigung zur Durchführung von diagnostischen Katheterangiographien und therapeutischen Eingriffen zuzulassen und ihr nach erfolgreicher Teilnahme an dem Kolloquium die Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von interventionellen radiologischen Leistungen nach den EBM GOP 34283 bis 34287 zu erteilen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Genehmigung zur Erbringung und Abrechnung von interventionell-radiologischen Leistungen nach den GOP 34283, 34284, 34285, 34286 und 34287 EBM.
Die Klägerin ist Fachärztin für Innere Medizin und Kardiologie, sowie Innere Medizin und Angiologie.
Mit Datum vom 15.07.2020 beantragte die Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) C., D., E., F., H., G. und J., BSNR XXX1 für die Klägerin als angestellte Ärztin die Erteilung der Genehmigung zur Erbringung und Abrechnung von interventionell radiologischen Leistungen nach den GOP 34283, 34284, 34285, 34286 und 34287 EBM. Dem Antrag wurden folgende Unterlagen beigefügt:
- Zeugnis des Agaplesion Evangelisches Krankenhaus Mittelhessen (Bl. 8, 9 der elektronischen Verwaltungsakte)
- Zeugnis des Diakonie Klinikums K. (Bl. 5-7 der elektronischen Verwaltungsakte)
- Zeugnis der Zentralklinik Bad Berka vom 31.05.2019 (Bl. 3, 4 der elektronischen Verwaltungsakte)
- Zeugnis des Universitätsklinikums Gießen und Marburg vom 29.06.2020 (Bl. 13 der elektronischen Verwaltungsakte)
- Urkunde der Landesärztekammer Hessen (LÄKH) vom 19.06.2019 über die Anerkennung als Fachärztin für Innere Medizin und Angiologie (Bl. 2 der elektronischen Verwaltungsakte)
- Urkunde der Landesärztekammer Hessen (LÄKH) vom 15.02.2012 über die Anerkennung als Fachärztin für Innere Medizin und Kardiologie (Bl. 1 der elektronischen Verwaltungsakte)
- Urkunde der LÄKH über die Fachkunde im Strahlenschutz vom 02.09.2013 (Bl. 11 der elektronischen Verwaltungsakte)
- Bescheinigung der LÄKH über die Fachkunde im Strahlenschutz vom 13.02.2014 (Bl. 12 der elektronischen Verwaltungsakte)
- Bescheinigung des Zentrums für angewandte radiologische Forschung vom 09.02.2019 über das Bestehen eines Kurses zur Aktualisierung der Fachkunde im Strahlenschutz für Ärzte und Medizinphysik-Experten (Bl. 10 der elektronischen Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 01.09.2020 (Bl. 20, 21 der elektronischen Verwaltungsakte) lehnte die Beklagte den Antrag ab. Dies begründete sie damit, dass die Klägerin die fachliche Qualifikation nach § 3 Qualitätssicherungsvereinbarung zur Interventionellen Radiologie nicht erfülle. Danach müsse der Arzt die Berechtigung zum Führen der Gebietsbezeichnung „Radiologie“ nachweisen. Sie sei jedoch nur berechtigt zum Führen der Gebietsbezeichnung Fachärztin für Innere Medizin und Schwerpunkt (SP) Kardiologie und Fachärztin für Innere Medizin und SP Angiologie.
Mit Schreiben vom 05.10.2020 legte die Klägerin Widerspruch ein (Bl. 128, 129 der elektronischen Verwaltungsakte). Sie teilte darin mit, dass sie ihrer Auffassung nach als Fachärztin für Innere Medizin und SP Kardiologie sowie Fachärztin für Innere Medizin und SP Angiologie die Genehmigungsvoraussetzungen erfülle. Die einzige Differenz bzgl. der fachlichen Qualifikation bestehe darin, dass Fachärzte für Radiologie präferiert würden, obwohl das beantragte Leistungsspektrum mit den Nummern 34283, 34284, 34285, 34286 und 34287 des EBM ein Leistungsspektrum der Gefäßmedizin bzw. der Angiologie sei. Zusammengefasst sei die Facharztausbildung für Innere Medizin und SP Angiologie nach der Weiterbildungsordnung 2005 zeitlich und fachlich deutlich umfangreicher abgedeckt bzgl. der Gefäßmedizin im Vergleich zu der Facharztausbildung Radiologie.
Im Verwaltungsverfahren verwies sie auf die Möglichkeit der Durchführung eines Kolloquiums, auf die Tatsache, dass auch in Hessen Angiologen ohne Facharztausbildung Radiologie die Genehmigung erhalten hätten und auf ein Urteil des Sozialgerichtes Mainz vom 26.07.2017 zum Az. S 2 KA 275/14 (Bl. 151 bis 181 der elektronischen Verwaltungsakte).
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.05.2021 (Bl. 187 bis 198 der elektronischen Verwaltungsakte) wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. In ihrer Entscheidung betonte sie, dass die Klägerin nicht die erforderliche Gebietsbezeichnung Radiologie führe. Das Führen dieser Gebietsbezeichnung sei Voraussetzung für den Nachweis der weiteren Befähigung durch ein Kolloquium. Die erforderliche Facharztbezeichnung könne nicht durch ein Kolloquium ersetzt werden. Alleine durch das Fehlen der Gebietsbezeichnung Radiologie scheide die Möglichkeit, die abweichende aber gleichwertige Befähigung nachweisen zu können, für die Klägerin aus. Bei den von der Klägerin vorgelegten Schreiben der Deutschen Gesellschaft für Angiologie und der Deutschen Röntgengesellschaft handele es sich um politische Stellungnahmen zweier Gesellschaften unterschiedlicher Fachrichtungen, die für die Entscheidung über die Genehmigung nicht relevant seien. Hinsichtlich der angeführten zwei Ärzte in Hessen, die ohne Facharztbezeichnung Radiologie die Genehmigung besitzen würden, werde klargestellt, dass diese Ärzte die Genehmigung vor dem 01.07.2006 erhalten hätten. Den damaligen Entscheidungen hätte als Rechtsgrundlage noch die Vereinbarung zur Strahlendiagnostik und –therapie vom 10.02.1993 zugrunde gelegen. Die hier maßgebliche Qualitätssicherungsvereinbarung zur interventionellen Radiologie sei erst zum 01.07.2006 in Kraft getreten und weise andere Voraussetzungen auf. Eine vergleichbare Situation sei daher nicht gegeben. Soweit die Klägerin auf das Urteil des Sozialgerichts Mainz verweise, so handele es sich um ein außerhessisches Urteil, weshalb sie sich daran nicht gebunden sehe. Im Gegensatz zu der dortigen Kassenärztlichen Vereinigung bestreite sie auch die gleichwerte fachliche Befähigung. Wann ein Arzt berechtigt sei, die Gebietsbezeichnung Radiologie zu führen, ergebe sich aus der Weiterbildungsordnung. Da die Klägerin ihm Rahmen der Weiterbildung zur Fachärztin für Innere Medizin und Angiologie bzw. für Innere Medizin und Kardiologie nicht die gleichen Weiterbildungsinhalte durchlaufen hätte, wie sie für die Facharztkompetenz Radiologie erforderlich seien, habe sie auch keine gleichwertige fachliche Befähigung erworben. Ein Vergleich der Weiterbildungsinhalte zeige, dass die Weiterbildung im Gebiet Radiologie über den Erwerb von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten der interventionellen und minimalinvasiven Verfahren hinausgehen. Die fachlichen Kompetenzen im Bereich Angiologie und Kardiologie würden der Klägerin nicht abgesprochen, die Abrechnung radiologischer Leistungen sei allerdings fachfremd. Typische zu den klägerischen Fachgebieten gehörende Leistungen würden sich in den Fachkapiteln 13.3.1 und 13.3.5 des EBM finden. Diagnostische Katheterangiographien und therapeutische Eingriffe nach den GOP 34283 bis 34287 EBM seien in Kapitel 34.2.9 verankert und würden zum Kernbereich des Fachgebietes Radiologie gehören. Mangels Berechtigung zum Führen der Gebietsbezeichnung „Radiologie“ komme es nicht auf beigefügten Zeugnisse an. Im Übrigen regele § 9 Qualitätssicherungsvereinbarung zur interventionellen Radiologie, dass mit dem Zeugnis die Zahl der vom Antragsteller durchgeführten diagnostischen Gefäßdarstellungen, diagnostischen Katheterangiographien und therapeutischen Eingriffen, getrennt nach der Zahl der das Gefäß erweiternden und verschließenden Maßnahmen aufgeführt werden müssten. Dies werde jedoch in keinem der eingereichten Zeugnisse genannt.
Anschließend hat die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigte Klage am Sozialgericht Marburg erhoben. Sie trägt vor, sie verfüge über die zur Ausführung und Abrechnung erforderlich Befähigung. Die Voraussetzungen der „Vereinbarung von Qualitätssicherungsmaßnahmen nach § 135 Abs. 2 SGB V zur interventionellen Radiologie“ seien erfüllt, was sie durch Vorlage von Zeugnissen über die geforderten Tätigkeitszeiträume und die Anzahl an diagnostischen Katheterangiographien und therapeutischen Eingriffen vollumfänglich nachgewiesen hätte. Dies werde von der Beklagten auch nicht in Frage gestellt. Vielmehr begründe diese die Ablehnung des Antrages ausschließlich damit, dass sie nicht über die Berechtigung zum Führen der Gebietsbezeichnung „Radiologie“ verfüge und die Abrechnung radiologischer Leistungen für sie „fachfremd“ seien. Das Genehmigungsverfahren sei in § 9 Qualitätssicherungsvereinbarung zur interventionellen Radiologie klar und eindeutig geregelt. Ausdrücklich sehe § 9 Abs. 5 Satz 2 der Vereinbarung vor, dass „der antragstellende Arzt im Vergleich zu dieser Vereinbarung eine abweichende, aber gleichwertige Befähigung“ nachweisen könne. Aus Satz 3 sei wiederum klar zu schließen, dass nur die nachzuweisenden Zahlen von diagnostischen Gefäßdarstellungen, diagnostischen Katheterangiographien und therapeutische Eingriff nicht durch ein Kolloquium ersetzt werden können, während etwa die Gebietsbezeichnung Radiologie oder die Dauer der Tätigkeit in der angiographischen Diagnostik ausgleichbar seien. Sie verweise diesbezüglich auch auf die Entscheidung des Sozialgerichts Mainz vom 26.07.2017 (Az. S 2 KA 275/14). Da die Beklagte aber zu Recht im Widerspruchsbescheid moniere, dass in keinem der von der Klägerin vorgelegten Zeugnisse entsprechend der Regelung in § 9 der Qualitätssicherung die Zahl der durchgeführten diagnostischen Gefäßdarstellungen, diagnostischen Katheterangiographien und therapeutischen Eingriffe getrennt nach Zahl der das Gefäß erweiternden und der das Gefäß verschließenden Maßnahmen aufgeführt seien, überreiche sie in Ergänzung der Zeugnisse eine aktuelle Bescheinigung des Direktors der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin des Universitätsklinikums Gießen und Marburg (Bl. 56 der Gerichtsakte). In dieser werde bestätigt, dass sie bis zum jetzigen Zeitpunkt über 1000 diagnostische arterielle Gefäßdarstellungen und davon 350 therapeutische kathetergestützte Eingriffe und davon mehr als 250 gefäßerweiternde sowie mehr als 50 gefäßverschließende Maßnahmen selbstständig durchgeführt hätte. Die Abrechnung radiologischer Leistungen sei für sie nicht fachfremd, sondern die beantragten Leistungen würden vielmehr zum Kernbereich des Fachgebietes Angiologie gehören. Aus diesem Grund hätten andere Kassenärztliche Vereinigungen in ihr bekannten Fällen die Genehmigung erteilt. Für den Fall, dass die Qualitätssicherungsvereinbarung zur interventionellen Radiologie entgegen ihrer Auffassung die „Berechtigung zum Führen der Gebietsbezeichnung Radiologie“ als unverzichtbare Voraussetzung für die Erteilung der Genehmigung normiere, verstoße die Vereinbarung gegen höherrangiges Recht, da die Vereinbarung dann in verfassungswidriger Weise in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit eingreife.
Es werde weiter darauf hingewiesen, dass vorliegend nicht die Weiterbildungsordnung (WBO) aus dem Jahr 2005, sondern die aktuelle Fassung vom 01.07.2020 (WBO 2020) anzuwenden sei. Die Weiterbildungsinhalte der WBO 2020 würden über die der WBO 2005 hinausgehen, so dass jedenfalls durch die aktuelle Fassung die Behauptung, dass die Leistungen der interventionellen Radiologie für eine Fachärztin für Angiologie fachfremd seien, eindeutig widerlegt sei. Sie verweise ebenfalls auf das Urteil des Sozialgerichts München vom 25.10.2021 (Az. S 84 KA 28/19).
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 01.09.2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2021 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie zu einem Kolloquium gemäß § 2 i. V. m. § 9 Abs. 5 der Qualitätssicherungsvereinbarung zur interventionellen Radiologie zur Prüfung ihrer Befähigung zur Durchführung von diagnostischen Katheterangiographien und therapeutischen Eingriffen zuzulassen und ihr nach erfolgreicher Teilnahme an dem Kolloquium die Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von interventionellen radiologischen Leistungen nach dem EBM GOP 34283 bis 34287 zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, die Klägerin erfülle die erforderliche fachliche Befähigung nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 der Qualitätssicherungsvereinbarung nicht, da sie nicht zum Führen der Gebietsbezeichnung „Radiologie“ berechtigt sei. Ein Abweichen von dem ausdrücklichen Wortlaut scheide aus. Daneben seien auch die Voraussetzungen nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 9 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b) Qualitätssicherungsvereinbarung nicht erfüllt worden. An keiner Stelle hätte sie die fachliche Befähigung der Klägerin für die Erbringung der beantragten Leistungen bestätigt. Sie bleibe auch dabei, dass die erforderliche Facharztqualifikation nicht durch ein Kolloquium ersetzt werden könne. Bei einem Vergleich der Weiterbildungsinhalte der Weiterbildung zum Facharzt für Innere Medizin und Angiologie bzw. Innere Medizin und Kardiologie einerseits und der Weiterbildung zum Facharzt für Radiologie andererseits lasse sich feststellen, dass die Fachärzte nicht die gleichen Weiterbildungsinhalte durchlaufen würden wie ein Facharzt für Radiologie. So erstrecke sich die Weiterbildung zum Facharzt für Innere Medizin und Angiologie bei interventionell-radiologischen Leistungen lediglich auf die Mitwirkung und Beurteilung dieser Leistungen, die keine selbstständige und eigenverantwortliche Leistungserbringung beinhalten. Im Übrigen verweise sie auf die Ausführungen im streitbefangenen Ausgangs- und Widerspruchsbescheid.
Im Verfahren hat die Klägerin eine konkretisierte Bescheinigung des Direktors der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin des Universitätsklinikums Gießen und Marburg vom 31.01.2022 (Bl. 98 der Gerichtsakte) vorgelegt. Ebenfalls hat sie mitgeteilt, nicht mehr als angestellte Ärztin beschäftigt zu sein.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
I. Die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 und Var. 3 SGG erhobene Klage ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere bedurfte es keines neuen Antrages der Klägerin nach dem Wechsel von der angestellten Tätigkeit in die Stellung als Gesellschafterin bzw. Partnerin der BAG, da durch Verpflichtungskonstellation maßgeblich auf die letzte Tatsacheninstanz abgestellt muss.
II. Die Klage ist daneben ebenfalls begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 01.09.2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2021 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zulassung zu einem Kolloquium und nach erfolgreicher Teilnahme an dem Kolloquium auf Erteilung der Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von Leistungen der diagnostischen Katheterangiographien (Nr. 34283, 34284, 34285 und 34287 EBM) sowie von diagnostischen Katheterangiographien und therapeutischen Eingriffen (Nr. 34283, 34284, 34285, 34286 und 34287 EBM).
Die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung der Leistungen der GOP 34283 bis 34287 EBM sind in der Vereinbarung von Qualitätssicherungsmaßnahmen nach § 135 Abs. 2 SGB V zur interventionellen Radiologie (Qualitätssicherungsvereinbarung zur interventionellen Radiologie – kurz QSV Radiologie) niedergelegt.
§ 3 QSV Radiologie enthält die folgenden Ausführungen zur benötigten fachlichen Befähigung:
(1) Die fachliche Befähigung für die Ausführung und Abrechnung von Leistungen der diagnostischen Katheterangiographien (Nummern 34283, 34284, 34285 und 34287 des EBM) gilt als nachgewiesen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt und durch Zeugnisse und Bescheinigungen nach § 9 Abs. 2 nachgewiesen werden:
1. Berechtigung zum Führen der Gebietsbezeichnung 'Radiologie'.
2. Selbständige Indikationsstellung beziehungsweise Sicherung der Indikation, Durchführung, Befundung und Dokumentation von mindestens 500 diagnostischen Gefäßdarstellungen oder therapeutischen Eingriffen, davon mindestens 250 kathetergestützt, unter Anleitung innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Antragstellung auf die Genehmigung.
3. Mindestens einjährige überwiegende Tätigkeit in der angiographischen Diagnostik oder Therapie unter Anleitung.
4. Gefäßdarstellungen und Eingriffe nach Nummer 2 und Tätigkeiten nach Nummer 3, die während der Weiterbildung zum Facharzt absolviert worden sind, werden anerkannt.
(2) Die fachliche Befähigung für die Ausführung und Abrechnung von Leistungen der diagnostischen Katheterangiographien und therapeutischen Eingriffe (Nummern 34283, 34284, 34285, 34286 und 34287 des EBM) gilt als nachgewiesen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt und durch Zeugnisse und Bescheinigungen nach § 9 Abs. 2 nachgewiesen werden:
1. Berechtigung zum Führen der Gebietsbezeichnung 'Radiologie'.
2. Selbständige Indikationsstellung beziehungsweise Sicherung der Indikation, Durchführung, Befundung und Dokumentation von mindestens 500 diagnostischen Gefäßdarstellungen oder therapeutischen Eingriffen, davon mindestens 250 kathetergestützt, unter Anleitung innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Antragstellung auf die Genehmigung. Die kathetergestützten therapeutischen Eingriffe müssen mindestens 100 das Gefäß erweiternde und mindestens 25 das Gefäß verschließende Maßnahmen beinhalten.
3. Mindestens einjährige überwiegende Tätigkeit in der angiographischen Diagnostik und Therapie unter Anleitung.
4. Gefäßdarstellungen und Eingriffe nach Nummer 2 und Tätigkeiten nach Nummer 3, die während der Weiterbildung zum Facharzt absolviert worden sind, werden anerkannt.
(3) Die Anleitung nach den Absätzen 1 und 2 (jeweils Nr. 2 und 3) hat bei einem Arzt stattzufinden, der nach der Weiterbildungsordnung in vollem Umfang für die Weiterbildung zum Facharzt 'Radiologie' befugt ist. Ist der anleitende Arzt nicht in vollem Umfang für die Weiterbildung befugt, muss er zusätzlich über eine Genehmigung nach dieser Vereinbarung verfügen.
(4) Näheres zu den Zeugnissen und Bescheinigungen regelt § 9 Abs. 2.
Die dargestellten Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht, da sie nicht berechtigt ist, die Gebietsbezeichnung „Radiologie“ zu führen.
Als Fachärztin für Innere Medizin und Angiologie hat sie zur Überzeugung der fachkundig besetzten Kammer jedoch eine abweichende, aber gleichwertige Befähigung gemäß § 9 Abs. 5 Satz 2 QSV Radiologie nachgewiesen.
§ 9 Abs. 5 QSV Radiologie lautet:
„Bestehen trotz der vorgelegten Zeugnisse und Bescheinigungen begründete Zweifel an der fachlichen Befähigung von Ärzten nach § 3, so kann die Kassenärztliche Vereinigung die Genehmigung von der erfolgreichen Teilnahme an einem Kolloquium abhängig machen. Das Gleiche gilt, wenn der antragstellende Arzt im Vergleich zu dieser Vereinbarung eine abweichende, aber gleichwertige Befähigung nachweist. Die nachzuweisenden Zahlen von diagnostischen Gefäßdarstellungen, diagnostischen Katheterangiographien und therapeutischen Eingriffen können durch ein Kolloquium nicht ersetzt werden.“
Aufgrund dieser Regelung besteht ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zulassung zu einem Kolloquium zur Prüfung ihrer Befähigung zur Durchführung von diagnostischen Katheterangiographien und therapeutischen Eingriffen. Die entgegenstehenden Bescheide waren demzufolge aufzuheben.
Zuletzt war zwischen den Beteiligten nur noch streitig, ob trotz der fehlenden Facharztbezeichnung „Radiologie“ eine Genehmigung zur Abrechnung der Leistungen der interventionellen Radiologie über den Umweg der Zulassung und des Bestehens eines Kolloquiums erreicht werden kann.
Nach Auffassung der Kammer ist dies zu bejahen, da die Facharztbezeichnung „Radiologie“ durch ein Kolloquium ersetzt werden kann (Anschluss an SG München, Urteil vom 25.10.2021, Az. S 28 KA 84/19, zitiert nach Juris).
Zwar lässt sich der QSV Radiologie die Intention einer Konzentration der Leistungen der interventionellen Radiologie bei Fachärzten der Radiologie entnehmen, was grundsätzlich zu einem Ausschluss von Ärzten mit anderen Facharztqualifikationen führt (vgl. SG München, S 28 KA 84/19, Rn. 44 Juris). Eine solche Konzentration bei speziell qualifizierten Ärzten ist grundsätzlich zulässig (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2014, B 6 KA 24/13 R, Rn. 30 Juris unter Verweis auf BVerfG, 1 BvR 1127/07). Im Hinblick auf die in Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geregelte Berufsfreiheit ist die Grenze einer Konzentration von Leistungen auf ein bestimmtes medizinisches Fachgebiet aber dann erreicht, wenn spezialisierte Fachärzte damit von der Erbringung solcher Leistungen ausgeschlossen werden, die zum Kernbereich ihres Fachgebietes zählen (vgl. BSG, B 6 24/13 R, Rn. 30 Juris).
So liegt der Fall hier. Nach Überzeugung der fachkundig besetzten Kammer gehören die streitgegenständlichen Leistungen zum Kernbereich des Fachgebietes der Inneren Medizin und Angiologie. Die Kammer teilt die Einschätzung der Klägerin, dass diese Leistungen im stationären Bereich häufig von Angiologen erbracht werden. Die diagnostischen Katheterangiographien und therapeutischen Eingriffe gehören dabei zum Leistungsspektrum der Angiologen, was sich auch in der Weiterbildungsordnung (WBO) widerspiegelt. In der maßgeblichen WBO aus dem Jahr 2020 sind die Leistungen der interventionellen Radiologie sowohl bei der Weiterbildung zum Facharzt für Radiologie als auch bei der Weiterbildung zum Facharzt für Innere Medizin und Angiologie aufgeführt. Zwar lassen sich nur bei der Weiterbildung zum Facharzt für Radiologie Richtzahlwerte finden, das Fehlen einer solchen Anforderung bei der Weiterbildung zum Facharzt für Innere Medizin und Angiologie lässt hingegen nicht den Schluss zu, dass diese Leistungen nicht als Kernbereich einzuordnen wären (vgl. SG München, S 28 KA 84/19, Rn. 48; a.A. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.09.2022, Rn. 31 beide zitiert nach Juris).
Infolgedessen ist § 9 Abs. 5 Satz 2 i. V. m. § 3 QSV Radiologie verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Facharztqualifikation „Radiologie“ im Fall der Klägerin durch ein Kolloquium ersetzt werden kann (vgl. SG München, S 28 KA 84/19, Rn. 45 Juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.