L 1 KR 375/21

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 20 KR 47/19
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 375/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Im Streit steht ein Anspruch auf Krankengeld für den Zeitraum 21. November 2018 bis zum 5. März 2019.

Der Kläger war zunächst bei der Beklagten als Bezieher von Arbeitslosengeld gesetzlich krankenversichert. Seit dem 11. Februar 2018 war der Kläger ärztlich bescheinigt arbeitsunfähig. Die Beklagte gewährte ihm ununterbrochen bis zum (Mittwoch, den) 20. November 2018 Krankengeld. Die Folgebescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin S datiert (erst) vom (Freitag) den 22. November 2018 und bescheinigt fortdauernde Arbeitsunfähigkeit (AU) bis 7. Dezember 2018. Unter Vorlage dieser Folgebescheinigung beantragte der Kläger die Weitergewährung des Krankengeldes.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 27. November 2018 unter dem Betreff „Ihre Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ eine Bewilligung von Krankengeld über den 20. November 2018 hinaus ab. Die Feststellung der AU habe nicht am Werktag nach der bisherigen Krankschreibung stattgefunden, die nur bis zum 20. November 2018 vorgelegen habe. Ein nachgehender Anspruch nach § 19 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) müsse ebenfalls ausscheiden, da der Kläger aufgrund der bekannten Diagnosen voraussichtlich noch länger als einen Monat nach Endes des Krankengeldanspruches arbeitsunfähig sein werde.

Der Kläger erhob Widerspruch: Eine Verlängerung der AU-Bescheinigung genau ab dem 21. November 2018 habe nicht erfolgen können, da der behandelnde Arzt urlaubsabwesend gewesen sei, wie ihm sein behandelnder Facharzt für Allgemeinmedizin bereits bestätigt habe.

Laut einer Telefonnotiz der Beklagten teilte der Kläger am 28. November 2018 mit, sein Arzt habe ihm gesagt, dass er ihn bis 23. November 2018 krankschreibe. Er – der Kläger - habe nicht auf die AU-Bescheinigung geschaut und sei daher erst am 22. November 2018 wieder beim Arzt vorstellig gewesen. Nach seiner Auffassung liege ein Verschulden des Arztes vor.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2018 zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend u.a. aus, der Kläger sei über die Notwendigkeit der lückenlosen Feststellung sowie rechtzeitigen Meldung der AU mit Schreiben vom 4. April 2018 informiert worden. Zunächst habe der Kläger telefonisch mitgeteilt, dass sein Arzt beim Vortermin die voraussichtliche AU bis einschließlich 23. November 2018 habe attestieren wollen. Es sei dem Kläger zuzurechnen, dass er sich nicht nach Aushändigung der AU-Bescheinigung vom dort niedergelegten Ende der attestierten AU überzeugt habe.

Hiergegen hat der Kläger am 28. Februar 2019 Klage beim Sozialgericht Neuruppin (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat er sein Vorbringen wiederholt. Das SG hat ihn zu einer Stellungnahme dazu aufgefordert, ob er sich am 20. oder 21. November 2018 oder bereits früher an die Arztpraxis gewandt habe und welche Auskünfte er dort ggf. von wem erhalten habe. Der Kläger hat daraufhin ausgeführt, die Terminvergabe sei durch den behandelnden Arzt erfolgt. Eine frühere Terminvergabe sei schon deshalb nicht möglich gewesen, da sich der Arzt im Urlaub befunden habe.

Mit Gerichtsbescheid vom 6. September 2021 hat das SG die Klage abgewiesen. Gemäß § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V entstehe der Anspruch auf Krankengeld von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an. Dies gelte auch für erneute Feststellungen. Der Versicherte müsse sich bei befristeter Feststellung der AU spätestens am nächsten Werktag nach Fristablauf die AU erneut ärztlich bescheinigen lassen und dafür Sorge tragen, dass die Krankenkasse hiervon Kenntnis erlange. Dies gelte auch dann, wenn die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen zweifelsfrei gegeben seien und den Versicherten keinerlei Verschulden an der unterbliebenen Feststellung der AU treffe. Hier hätte die erneute AU-Feststellung spätestens am 21. November 2018 erfolgen müssen. Die AU-Bescheinigung vom 22. November 2018 sei zu spät erfolgt. Es liege auch keiner der von der Rechtsprechung entwickelten Ausnahmetatbestände vor. Der Kläger habe ausreichende Kenntnis über seine Obliegenheiten gehabt. Auch sei kein „Fehler“ eines Vertragsarztes ersichtlich.

Auch ein Nachwirken der Leistungsanspruch nach § 19 Abs. 2 SGB V liege nicht vor. Ein solcher verdränge nach der Kollisionsregel des § 5 Abs. 8 a Satz 4 Halbsatz 2 SGB V nur dann eine Auffangversicherung, wenn bei prognostischer Betrachtung davon auszugehen sei, dass der Betroffene spätestens nach Ablauf eines Monats nach dem Ende seiner bisherigen Mitgliedschaft eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall erlange, weil Versicherte mit nachwirkenden Leistungsansprüchen nicht nur ganz kurz in die Auffangversicherung aufgenommen werden sollten (Bezugnahme auf Bundessozialgericht -BSG, Urteil vom 10. Mai 2012 – B 1 KR 19/11 R – juris-Rdnr. 34 f). Aufgrund der andauernden Erkrankung des Klägers sei nicht absehbar gewesen, dass binnen eines Monats eine anderweitige Versicherungspflicht entstanden sei. Nach eigenem Vortrag sei er durchgängig arbeitsunfähig erkrankt gewesen.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 5. Oktober 2021 Berufung erhoben. Zu deren Begründung wiederholt er sein bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus, er habe alles in seiner Macht stehende und Zumutbare getan, um seine Ansprüche zu waren. Er sei nie drauf hingewiesen worden, dass eine Vorstellung erst am 22. November 2018 nicht ausreichend für den Erhalt des Krankengeldanspruches sei.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neuruppin vom 6. September 2021 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 27. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2019 zu verurteilen, dem Kläger Krankengeld nach Maßgabe der Bestimmungen des SGB V ab dem 21. November 2018 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Es konnte im schriftlichen Verfahren und durch den Berichterstatter alleine entschieden werden, §§ 155 Abs. 3, 4, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Beide Beteiligten haben sich mit einer solchen Vorgehensweise im Erörterungstermin am 20. Dezember 2022 einverstanden erklärt. Gründe, von dieser Ermächtigung keinen Gebrauch zu machen, sind nicht ersichtlich.

Der Berufung muss Erfolg versagt bleiben. Das SG hat die Klage zurecht und mit zutreffender Begründung abgewiesen, auf die zunächst zur Vermeidung bloßer Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen wird.

Der angefochtene Bescheid vom 27. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der Anspruch auf Krankengeld entsteht nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V in der ab dem 23. Juli 2015 geltenden hier maßgeblichen Fassung der Vorschrift bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von dem Beginn der Behandlung an, im Übrigen von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an. Die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ist demnach Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs auf Krankengeld außerhalb eines stationären Aufenthalts. Das gilt auch für die Verlängerung einer bereits bestehenden und von der Krankenkasse bestätigten Arbeitsunfähigkeit, die von dem Arzt nur abschnittsweise (d.h. bis zu einem konkreten Zeitpunkt) bescheinigt worden ist. Nach der Rechtsprechung des BSG blieb die Versicherung durch einen bereits entstandenen Krankengeldanspruch ohne Unterbrechung aufrechterhalten, solange die Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf des Krankengeldbewilligungsabschnitts jeweils erneut ärztlich festgestellt wurde (BSG, Urt. v. 10. Mai .2012 - B 1 KR 19/11 R – juris-Rdnr. 18; Urt. v. 11. Mai 2017 - B 3 KR 22/15 R- juris-Rdnr. 20). Mit Wirkung ab dem 23. Juli 2015 hat der Gesetzgeber durch die Einfügung der Regelung in § 46 Abs. 1 Satz 2 SGB V ausdrücklich zur Voraussetzung für den Fortbestand des Krankengeldanspruches erklärt, dass die weitere Arbeitsunfähigkeit jeweils abschnittsweise bestätigt wird, spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass nicht die Geltung der vom BSG entwickelten Grundsätze für die Verlängerung des Krankengeldanspruchs in Frage gestellt, sondern den Versicherten ein Tag mehr Zeit für die Einholung der Anschlussbescheinigung eingeräumt werden sollte.

Wie bereits das SG dargelegt hat, hätte der Kläger sich rechtzeitig bei einem anderen Arzt als seinem urlaubsabwesenden Hausarzt vorstellen müssen.

Sollte der Kläger seine Obliegenheiten nicht vor Augen gehabt haben, stellte sich dies seinerseits als fahrlässig dar. Denn die Beklagte hat ihn zu Beginn der Erkrankung mit Schreiben vom 4. April 2018 unter Einreichung eines Merkblattes, das auch auf die lückenlose und fristgerechte Abgabe der AU-Bescheinigung hinweist, informiert.

Am 22. November 2018, dem Tag der Ausstellung der weiteren AU-Bescheinigung, war der Kläger nicht mehr aufgrund eines fortbestehenden Krankengeldanspruches mit Anspruch auf Krankengeld versichert. Die ursprüngliche Mitgliedschaft mit Krankengeldanspruch aufgrund der Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V hat sich nur während des anschließenden Bezugs von Krankengeld mit Krankengeldanspruch nach § 192 Abs.1 Nr. 2 SGB V fortgesetzt.

Wie bereits das SG zutreffend festgestellt hat, ist ein neuer Krankengeldanspruch nach Feststellung der AU am 22. November 2018 nicht mehr entstanden. Der mit Gültigkeit ab 11. Mai 2019 in § 46 SGB V neu eingefügte Satz 3 („für Versicherte, deren Mitgliedschaft nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 vom Bestand des Anspruchs auf Krankengeld abhängig ist, bleibt der Anspruch auf Krankengeld auch dann bestehen, wenn die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit nicht am nächsten Werktag im Sinne von Satz 2, aber spätestens innerhalb eines Monats nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird.“) war noch nicht in Kraft.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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