1. Ist eine zVT aus rechtlichen Gründen – Arzneimittel für seltene Leiden – nicht zu bestimmen, ist im Nutzenbewertungsverfahren auf der Grundlage der vom pharmazeutischen Unternehmer vorgelegten Unterlagen das Ausmaß des Zusatznutzens zu quantifizieren (Weiterführung zu B 3 KR 14/21 R).
2. Die Vertragsgestaltungsfreiheit, die der gerichtlichen Überprüfung Grenzen setzt, ist für die Schiedsstelle nicht geringer als diejenige der Vertragspartner einer im Wege freier Verhandlung erzielten Vereinbarung. Der der Schiedsstelle eingeräumte Beurteilungsspielraum ist umso größer, je geringer die durch gesetzliche und untergesetzliche Bestimmungen vorgegebenen Kriterien für die Preisbindung sind und je vager die Bestimmungen zum Zusatznutzen sind.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außerge-richtlichen Kosten der Beigeladenen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen einen Schiedsspruch der Beklagten, der gemeinsamen Schiedsstelle nach § 130b Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), und den diesem zugrundeliegenden Nutzenbewertungsbeschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA), des Beigeladenen zu 2.
Bei der Klägerin handelt es sich um ein Tochterunternehmen des US-amerikanischen Unternehmens I Inc.. Sie brachte als pharmazeutische Unternehmerin erstmalig am 1. Dezember 2020 das Arzneimittel Arikayce® liposomal (Wirkstoff: Amikacin liposomal) in Deutschland in den Verkehr. Arikayce® liposomal verfügt seit dem 27. Oktober 2020 über eine europaweite arzneimittelrechtliche Zulassung der European Medicines Agency (EMA) als Arzneimittel zur Behandlung eines seltenen Leidens (sog. Orphan Drug) zur „Behandlung von Lungeninfektionen, verursacht durch zum Mycobakterium-avium-Komplex (MAC) gehörende nicht-tuberkulöse Mykobakterien (NTM), bei Erwachsenen mit begrenzten Behandlungsoptionen, die keine zystische Fibrose haben“. Bei Arikayce® liposomal handelt es sich um das erste und bisher einzige von der Klägerin zur Zulassung gebrachte Arzneimittel. In den U.S.A. ist Arikayce® (amikacin liposome inhalation suspension) schon am 28. September 2018 von der Food and Drug Administration (FDA) zugelassen worden.
Bereits im Jahr 2004 war der Wirkstoff Amikacin als Infusionslösung zur intravenösen Anwendung für die Behandlung schwerwiegender Infektionen u.a. der Atemwege mit Amikacin empfindlichen Gram-negativen Erregern (einschließlich Pseudomonaden, E.coli, indol-negativer und indol-positiver Proteus spp., Klebsiellen, Enterobacter, Serratia, Salmonellen und Shigellen) zugelassen worden (vgl. Fachinformation zu Amikacin Fresenius®). Ein im Jahr 2016 bei der EMA eingeleitetes Zulassungsverfahren für Arikayce® liposomal endete im Juni 2016 durch Rücknahme des Zulassungsantrags. Ebenfalls im Jahr 2016 genehmigte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ein Härtefallprogramm für Arikayce® liposomal nach der Arzneimittel-Härtefall-Verordnung (AHV), das in der Folge mehrfach verlängert wurde. Darüber hinaus kam es seit September 2018 bis zur Zulassung von Arikayce® liposomal zu Einzelimporten nach § 73 Abs. 3 des Arzneimittelgesetzes (AMG) aus den USA.
In der liposomalen Darreichungsform ist Arikayce® liposomal zur Inhalation mittels eines Verneblers bestimmt. In einer Packung befinden sich 28 Durchstechflaschen mit je 590 mg der liposomalen Formulierung. Die empfohlene Dosis beträgt eine Durchstechflasche einmal täglich. Die Behandlungsdauer beträgt laut Fachinformation maximal 18 Monate. Das Arzneimittel soll zusammen mit weiteren Antibiotika angewendet werden, die bei Lungeninfektionen durch zum MAC gehörende Erreger wirksam sind (sog. „Add on-Therapie“). Die Behandlung der pulmonalen MAC-Infektion erfolgt mittels einer antibiotischen Kombinationstherapie (multi-drug regimen, MDR) aus drei Wirkstoffen. Hierfür stehen folgende Antibiotika zur Verfügung, die als Dreier-Kombination nach folgendem Schema angewendet werden:
1. Azithromycin oder Clarithromycin
2. in Kombination mit Ethambutol sowie
3. in Kombination mit Rifabutin oder Rifampicin.
Diese Antibiotika – und weitere - werden gemäß der Leitlinie der Fachgesellschaften ATS/IDSA empfohlen. Zusätzlich wird in der neuesten Leitlinie für bestimmte Patientengruppen die Gabe von intravenösem Amikacin oder liposomalem Amikacin (Charles L. Daley et al.:„Treatment of nontuberculous maycobacterial pulmonary disease: an official ATS/ERS/ESCMID/UDSA clinical pratice guideline“, European Respiratory Journal 2020; 56: 2000535; S. 17 f., 24) als weitere Behandlungsoption empfohlen.
Im Rahmen der vom beigeladenen GBA nach § 35a Abs. 6 SGB V i.V.m. 5. Kapitel § 16 Abs. 1 der Verfahrensordnung des GBA (VerfO) durchgeführten Nutzenbewertung reichte die Klägerin bei diesem am 27. November 2020 ein abschließendes Dossier (Module 1 bis 4) für den Wirkstoff Amikacin liposomal (ALIS) ein. Unmittelbar danach beauftragte der Beigeladene zu 2 das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mit der Bewertung dieses Dossiers. Seine Dossierbewertung übermittelte das IQWiG dem Beigeladenen zu 2 am 24. Februar 2021, der am 1. März 2021 seine Nutzenbewertung veröffentlichte und ein Stellungnahme- und Anhörungsverfahren einleitete. Die mündliche Anhörung fand am 6. April 2021 statt. Ein Amendment zur Nutzenbewertung mit einer ergänzten Bewertung von im Stellungnahmeverfahren vorgelegten Daten wurde am 28. April 2021 vorgelegt.
Der zu 2 beigeladene GBA bewertete im Verfahren nach § 35a SGB V den Nutzen des Wirkstoffs Amikacin im Anwendungsgebiet „Behandlung von Lungeninfektionen, verursacht durch zum Mycobakterium-avium-Komplex (MAC) gehörende nicht-tuberkulöse Mykobakterien (NTM), bei Erwachsenen mit begrenzten Behandlungsoptionen, die keine zystische Fibrose haben“ und ergänzte die Anlage XII der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) um die Feststellung, dass ein Anhaltspunkt für einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen bestehe, weil die wissenschaftliche Datengrundlage eine Quantifizierung nicht zulasse (Beschluss vom 20. Mai 2021, BAnz AT 4.6.2021 B3). Die Anzahl der für die Behandlung infrage kommenden Patienten in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bestimmte er mit ca. 350 – 760. Die Jahrestherapiekosten pro Patient (Apothekenverkaufspreis nach Abzug gesetzlich vorgeschriebener Rabatte [AVP Netto]) für das Arzneimittel bezifferte der Beigeladene zu 2 auf der Grundlage der Angaben der Fachinformation und der Lauer-Taxe (Stand: 1. Mai 2021) mit 159.350,79 €. Eine zweckmäßige Vergleichstherapie (zVT) wurde nicht festgestellt.
Für die Nutzenbewertung hatte der Beigeladene zu 2 die von der Klägerin mit dem abschließenden Dossier am 27. November 2020 eingereichte CONVERT Studie herangezogen, welche auch der Zulassung zugrunde gelegen hatte. In dieser Studie wurde ALIS in Kombination mit einer MDR im Vergleich zur Anwendung einer MDR allein untersucht. Die MDR bestand laut Studienprotokoll aus mindestens zwei Wirkstoffen. Bei allen eingeschlossenen Patienten erfolgte eine monatliche Untersuchung auf Erreger im Sputum. Der Behandlungserfolg wurde bei einer Studienvisite im Monat 8 rückblickend bewertet. Patienten mit mindestens drei aufeinanderfolgenden negativen Sputumproben bis Monat 6 galten dabei als sogenannte Konverter. Lediglich diese Patienten wurden auch in den weiteren Verlauf der Studie eingeschlossen. Patienten ohne Sputumkonversion bis Monat 6 (sog. Nicht-Konverter) wurden aus der Studie ausgeschlossen. Ebenso wurden einstige Konverter mit erneut positivem Testergebnis zu Monat 6 nicht weiter untersucht (S. 4f. der „Tragende Gründe“ zum Nutzenbewertungsbeschluss). Insofern stellte der Beigeladene zu 2 fest, dass lediglich die Daten zu Monat 8 Aussagen zum Zusatznutzen erlaubten:
„Für die Nutzenbewertung können nur die bis Monat 8 erhobenen vergleichenden Daten der Studie herangezogen werden, da die Erhebung nach Monat 8 bei einem Großteil der randomisierten Patienten nicht mehr erfolgte, womit die Daten nur noch sehr eingeschränkt beurteilt werden können.“ (S. 5, 8 der „Tragende Gründe“ zum Nutzenbewertungsbeschluss)
Der Beigeladene zu 2 konstatierte bei der Bewertung der im Dossier vorgelegten Studienergebnisse, die Ergebnisse reichten nicht aus, um einen Zusatznutzen quantifizieren zu können. Danach lagen keine bewertbaren Ergebnisse zur Mortalität, Morbidität sowie zu Nebenwirkungen vor. Zusammenfassend wurde festgestellt, dass zwar unter der inhalativen Amikacin-Therapie ein kleiner Anteil an Patienten bestehe, der über längere Zeit erregerfrei bleibe. Hierfür lägen aufgrund des Studiendesigns über den Monat 8 hinaus jedoch keine beurteilbaren vergleichenden Daten zur Symptomverbesserung, zur Lebensqualität und zur Sicherheit vor, wodurch der genannte Anteil nicht für eine Quantifizierung des Zusatznutzen herangezogen werden könne. Die verfügbaren vergleichenden Daten (bis Monat 8 der Behandlung) zeigten ebenfalls keine symptomatische Verbesserung und zudem ein vermehrtes Auftreten von Nebenwirkungen. In der Gesamtbetrachtung bestehe somit keine Datengrundlage, die eine Quantifizierung des Zusatznutzens von liposomalem Amikacin zur Inhalation bei MAC-Lungeninfektionen erlaube (S. 7 der „Tragende Gründe“ zum Nutzenbewertungsbeschluss).
Anschließend führten die Klägerin und der Beigeladene zu 1 von April bis Oktober 2021 Verhandlungen nach § 130b Abs. 1 SGB V über den von den Krankenkassen für das Arzneimittel zu übernehmenden Erstattungsbetrag (EB). Eine Einigung über die Höhe des EB kam jedoch – ebenso wie bzgl. weiterer Vertragsbestandteile - nicht zustande. Am 19. November 2021 rief der Beigeladene zu 1 die beklagte Schiedsstelle an und beantragte, die streitig gebliebenen Vertragsinhalte (u.a. die Höhe des EB) durch Schiedsspruch festzusetzen.
In dem Schiedsverfahren beantragte der Beigeladene zu 1 die Festsetzung eines EB von 102,7021 € je Bezugsgröße (EB je Packung [28 Bezugsgrößen] 2.875,66 €). Als Bezugsgröße solle die angenommene tägliche Erhaltungsdosis laut Fachinformation (eine Durchstechflasche pro Tag) festgesetzt werden. Im Rahmen der Herleitung des EB berücksichtigte der Beigeladene zu 1 einerseits die Feststellungen des Nutzenbewertungsbeschlusses des Beigeladenen zu 2, ergänzt mit der Maßgabe, dass zu den von diesem veranschlagten Jahrestherapiekosten pro Patient noch die Kosten für das Inhalationssystem und die Steuereinheit – laut Hersteller 1.350,00 € – hinzuzurechnen seien. Maßgebliches Kriterium zur Bestimmung des EB sei der Zusatznutzen. Bei Orphan Drugs erfolge keine Bestimmung der zVT, wodurch der orientierende Preissockel wegfalle. Jedoch könne das therapeutische Umfeld im Rahmen der Werteentscheidung herangezogen werden. Die antibiotische Kombinationstherapie, die zusammen mit ALIS gegeben werden solle, verursache einen Bruchteil der Behandlungskosten von ALIS. Der nicht quantifizierbare Zusatznutzen und die erhöhten Nebenwirkungen seien bei der Entscheidung zur Monetarisierung des Zusatznutzens zu berücksichtigen. Es handele sich bei dem Arzneimittel um ein Antibiotikum, wobei der Beigeladene zu 2 keinen besonderen Status als Reserveantibiotikum festgestellt habe. Vielmehr handele es sich um die Fortentwicklung eines bereits vorhandenen Wirkstoffs in geänderter Darreichungsform mit neuem Unterlagenschutz. Im Weiteren orientierte sich der Beigeladene zu 1 für die Monetarisierung des Zusatznutzens an den Jahrestherapiekosten für das AMNOG-relevante Antibiotikum Bedaquilin (Sirturo®), bei dem es sich ebenfalls um eine Orphan Drug handelt. Dessen Anwendungsgebiet werde wie folgt beschrieben: „Anwendung als Teil einer geeigneten Kombinationstherapie der multiresistenten pulmonalen Tuberkulose, wenn ein wirksames Behandlungsregime aufgrund von Resistenz oder Unverträglichkeit nicht anders zusammengestellt werden kann.“ Die aktuellen Jahrestherapiekosten i.H.v. 23.900,00 € unter Ablösefiktion ergäben sich aus der EB-Verhandlung, die dem letzten Nutzenbewertungsbeschluss zu Bedaquilin gefolgt sei. Bei den Abgabepreisen in den anderen europäischen Ländern (Länderkorb der Rahmenvereinbarung nach § 130b Abs. 9 SGB V <RahmenV>) handele es sich grundsätzlich um ein im Vergleich zum Zusatznutzen nachrangiges Kriterium. Im vorliegenden Fall seien die vom pharmazeutischen Unternehmen übermittelten, nur vier von 15 Ländern des Länderkorbes betreffenden Listenpreise (umsatzgewichtetes Mittel der Jahrestherapiekosten in Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden und Österreich i.H.v. 137.711,82 €) mit erheblichen Unsicherheiten behaftet, sodass dem Kriterium ein verringertes Gewicht beizumessen sei. Vergleichbare Arzneimittel im Sinne des § 130b Abs. 9 S. 3 SGB V i.V.m. § 6 Abs. 4 der RahmenV könnten nicht benannt werden. Für die Zusammenführung der drei Kriterien (Zusatznutzen, Abgabepreise in anderen europäischen Ländern und Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel) bewertete der Beigeladene zu 1 das Zusatznutzenkriterium mit 90% und die tatsächlichen Abgabepreise in anderen europäischen Ländern mit 10%. Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel flossen nicht ein. Er ermittelte letztlich den finalen EB auf Ebene der Jahrestherapiekosten unter Ablösefiktion wie folgt:
Zusatznutzen |
Zusatznutzen-Monetarisierung |
EU-Referenzpreis |
Kosten vergleichbarer Arzneimittel |
Anhaltspunkt nicht quantifizierbar |
90% |
10% |
0% |
23.900,00 € |
137.711,82 € |
entfällt |
|
EB |
|||
35.281,18 € |
Hieraus errechnete er nicht-abgelöste Jahrestherapiekosten i.H.v. 37.486,25 €, was einem EB pro Bezugsgröße von 102,7021 € unter Berücksichtigung der Nicht-Ablösung entspricht. Hieraus ermittelte er unter Nicht-Ablösung einen EB pro Packung i.H.v. 2.875,66 € ohne Berücksichtigung der darüber hinaus anfallenden Kosten für das MDR und die zur Verabreichung erforderliche Steuereinheit Base Controller.
Demgegenüber beantragte die Klägerin (Antrag vom 22. Dezember 2021), den EB je Bezugsgröße auf 347,53 € (EB je Packung 9.730,77 €) festzusetzen, wobei sie als Bezugsgröße ebenfalls eine Durchstechflasche pro Tag ansetzte. Bei der Regelung zum EB sei zu berücksichtigen, dass die aus dem beantragten Betrag sich ergebenden Jahrestherapiekosten ca. 9.000 € unterhalb des europäischen Preisniveaus lägen. Ebenso sei zu berücksichtigen, dass ALIS das erste spezifische Arzneimittel zur Behandlung einer seltenen Lungeninfektion darstelle. Nach den Feststellungen der EMA gebe es keine anderen zugelassenen Arzneimittel in diesem Anwendungsgebiet. Als Kriterien für die Festsetzung des EB stünden der Nutzenbewertungsbeschluss des Beigeladenen zu 2, die tatsächlichen Abgabepreise in anderen europäischen Ländern sowie die Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel zur Verfügung. Die vom Beigeladenen zu 2 unterlassene Quantifizierung des Zusatznutzens erschwere aus formaler Perspektive eine Monetarisierung. Die RahmenV biete hierfür keine Hinweise. Allerdings habe die Beklagte sich schon mehrfach mit einer solchen Situation konfrontiert gesehen. Der Klägerin seien sechs Fälle bekannt, in denen die Schiedsstelle explizit eine Monetarisierung vorgenommen habe (Siltuximab, Idebenon, Blinatumomab, Afamelanotid, Daratumumab, Tasimelteon). Hier ließen sich zwei Ansätze unterscheiden: Therapien gegen Erkrankungen, die die Lebensführung beeinträchtigten, würden im Zusatznutzen mit ca. 44.188 € bis 65.000 € monetarisiert, die Behandlungen von chronisch progredienten, tödlich verlaufenden Erkrankungen hingegen mit 77.000 € bis 280.160 €. Da die Lungeninfektion mit NTM ein 5-Jahres-Mortalitätsrisiko von bis zu 40% aufweise, erscheine nach Ansicht der Klägerin eine Monetarisierung anhand der Spanne von chronisch progredienten, tödlich verlaufenden Erkrankungen plausibel und angemessen. Zudem sei bei der Monetarisierung die im Pharmadialog festgestellte Sonderstellung von neuen Antibiotika und deren Bedeutung für die Resistenzsituation zu berücksichtigen. Daher sei eine Monetarisierung des Zusatznutzens im konkreten Fall mit 123.000,00 € pro Jahr angemessen. Dieser Betrag liege knapp 10% unterhalb des europäischen Preisniveaus. Die Abgabepreise in den anderen europäischen Ländern seien zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen nicht strittig. Der um Kaufkraftunterschiede bereinigte umsatzgewichtete EU-Durchschnittspreis liege bei 138.673,67 € pro Jahr. Vor dem Hintergrund der bisher kurzen Verfügbarkeit bestehe hinsichtlich der Absatzmengen eine vergleichsweise unsichere Datenlage. Daher sehe es die Klägerin als gerechtfertigt an, von der Umsatzgewichtung abzuweichen und den konservativ geschätzten bevölkerungsgewichteten EU-Durchschnittspreis von 10.419,45 € pro Packung bzw. 135.824,97 € pro Jahr heranzuziehen. Vergleichbare Arzneimittel existierten nicht. Zur Ermittlung des EB seien die drei Preiskriterien gewichtet und rechnerisch zusammenzuführen. Letztlich zu gewichten seien nur zwei Kriterien (monetärer Zusatznutzen sowie Abgabepreise in anderen europäischen Ländern). Hierbei beziehe sich die Klägerin auf die bisherigen Entscheidungen der Beklagten zu Orphan Drugs, in welchen lediglich diese beiden Kriterien eine Rolle gespielt hätten und explizite Angaben zur relativen Gewichtung der Faktoren enthalten seien, nämlich Blinatumomab, Afamelanotid, Daratumumab und Betibeglogene autotemcel. In diesen Verfahren seien die EU-Preise mit 10% bis 49% gegenüber dem Zusatznutzen-Kriterium relativ gewichtet worden. Da die genauen Umstände des Einzelfalls und die Erwägungen der Schiedsstelle jeweils nicht bekannt seien, werde vorgeschlagen den Mittelwert der Spanne zu verwenden und folglich die Abgabepreise in anderen europäischen Ländern mit 30 % und den monetäreren Zusatznutzen mit 70 % zu gewichten. Folge man dem, ergebe sich der beantragte EB.
Ergänzend machte die Klägerin im Verfahren bei der Beklagten unter dem 4. Februar 2022 geltend, das Arzneimittel Bedaquilin sei im vorliegenden Fall grundsätzlich ungeeignet zur Monetarisierung des Zusatznutzens. Ungeachtet der fehlenden Eignung von Bedaquilin zur Monetarisierung des Zusatznutzens seien die vom Beigeladenen zu 1 dargestellten Jahrestherapiekosten verzerrt wiedergegeben, da weder die deutlich höheren Kosten für die weiterhin erforderliche Sockeltherapie noch die bei Antibiotika zur Vermeidung von Verzerrungen erforderliche Normierung der Therapiedauer berücksichtigt worden seien. Der vom Beigeladenen zu 1 genannte Betrag von 23.900,00 € falle nur für einen Zeitraum von 24 Wochen an. Die für ALIS zugrunde gelegten Jahrestherapiekosten errechneten sich hingegen unter der theoretischen Annahme einer durchgehenden Therapie von zwölf Monaten nach Eintritt der Konversion, mithin 18 Monate. Da sich Antibiotikatherapien jeweils auf unterschiedliche Behandlungsdauern erstrecken müssten, führe eine Betrachtung auf Ebene der Jahrestherapiekosten zu Verzerrungen. Tagestherapiekosten vermieden diese Verzerrungen und seien daher der angemessene Vergleichsmaßstab bei Antibiotika mit unterschiedlicher Therapiedauer.
Nach Verhandlung am 18. Februar 2022 und mit Schiedsspruch vom selben Tag setzte die Beklagte – nachdem die Klägerin und der Beigeladene zu 1 sich zuvor über weitere streitige Punkte der Vereinbarung einig geworden waren - den EB für das Arzneimittel Arikayce® liposomal ab dem 1. Dezember 2021 je Bezugsgröße auf 136,00 € fest und befüllte entsprechend die in der Vereinbarung nach § 130b Abs. 1 SGB V zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1 nicht konsentierte Tabelle zu § 2 Abs. 6 der Rahmenvereinbarung (RahmenV). Im Anschluss an die Verkündung des Schiedsspruchs erläuterte der Vorsitzende der Schiedsstelle die wesentlichen Elemente der tragenden Gründe. Nachfolgend gab die Klägerin folgende Erklärungen zu Protokoll:
„I hält das methodische Vorgehen der Schiedsstelle, eine Monetarisierung des Zusatznutzens anhand von Bedaquilin ohne Berücksichtigung der Sockeltherapie vorzunehmen, obwohl Bedaquilin nicht ohne Sockeltherapie zugelassen ist, für nicht gesetzeskonform.
I hat die Kosten für die Sockeltherapie 'Bedaquilin' und 'ALIS' der Schiedsstelle vorgelegt.
I stimmt dem methodischen Vorgehen der Schiedsstelle nicht zu, die Kosten eines Wirkstoffs für eine Therapie von 24 Wochen heranzuziehen, um eine zwingend deutlich längere zu gebende Therapie zu monetarisieren, ohne diese Unterschiede in der Dauer der Therapie zu berücksichtigen.
I sieht im Vorgehen der Schiedsstelle die Besonderheiten des Therapiegebietes nicht berücksichtigt. Damit steht der Beschluss der Schiedsstelle im Widerspruch zu den Feststellungen des Pharmadialogs und in Widerspruch zu § 130b Abs. 4 Satz 2 SGB V.“
In den schriftlichen Gründen des Schiedsspruchs vom 23. Februar 2022 heißt es unter „II. Erwägungen der Schiedsstelle“:
„2. Die Schiedsstelle orientiert sich für die Festsetzung des Erstattungsbetrages an den Kriterien des § 6 RahmenV. Dabei bestand unter den Parteien letztlich Einigkeit, dass hier kein vergleichbares Arzneimittel existiert, dessen Jahrestherapiekosten nach § 6 Abs. 4 RahmenV zu berücksichtigen gewesen wären; dieser Einschätzung schließt sich die Schiedsstelle an. Die Höhe der Abgabepreise in anderen europäischen Ländern war unter den Parteien nicht unumstritten, weil diese Preise mit allerlei Unsicherheiten behaftet waren. Letztlich war aber weniger die Höhe der Preise als die Gewichtung dieses Kriteriums umstritten, sodass die Schiedsstelle hier für die Jahrestherapiekosten einen Betrag von 138.000 Euro angesetzt hat, der sehr nah bei den Vorstellungen beider Parteien und praktisch in deren Mitte lag.
3. Nach den rechtlichen Vorgaben soll dem Zusatznutzen, wie er sich aus dem Nutzenbewertungsbeschluss des GBA ergibt, die zentrale Rolle für die Bestimmung des Erstattungsbetrags zukommen. Dass der Erstattungsbetrag gemäß § 5 Abs. 2 RahmenV durch einen entsprechenden Zuschlag auf die Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie zu bilden ist, war hier nicht von Bedeutung, weil keine zweckmäßige Vergleichstherapie existiert. Danach kam es insoweit nur auf die Monetarisierung des Zusatznutzens an.
4. Die Schiedsstelle ist dabei von der Feststellung des G-BA ausgegangen, dass hier ein Zusatznutzen existiert. Auch wenn dieses Ergebnis möglicherweise durch die vorgelegten Daten nicht in jeder Hinsicht unterstützt wird, ist es von der Schiedsstelle zugrunde zu legen, weil sie an den Beschluss des G-BA gebunden und der Zusatznutzen eines Orphan Drug nach § 35a Abs. 1 S. 11 SGB V gesetzlich vorgegeben ist. Gleichzeitig ist nicht zu übersehen, dass – wie hier – die Feststellung eines „nicht quantifizierbaren“ Zusatznutzens die Schiedsstelle nötigt, eine genauere Betrachtung der Ergebnisse der Nutzenbewertung vorzunehmen, damit eine Monetarisierung des Zusatznutzens überhaupt eine Grundlage finden kann.
5. Die Schiedsstelle musste daher berücksichtigen, dass Amikacin (liposomal) (Arikayce (liposomal)) nach den Feststellungen des G-BA in keiner Endpunktkategorie einen Vorteil belegen konnte und in der Kategorie der Nebenwirkungen einen negativen Effekt zeigte. Diese Ergebnisse der Nutzenbewertung stellen für die Schiedsstelle nicht das Vorliegen eines Zusatznutzens infrage, relativieren aber dessen Eindrücklichkeit. Dies gilt auch für die Ausführungen der medizinischen Experten in der mündlichen Anhörung beim G-BA im Rahmen der Nutzenbewertung, die übereinstimmend ausgeführt haben, dass letztlich nur ein „kleiner Prozentsatz“ der behandelten Patientinnen und Patienten nachhaltig von dem Einsatz des Präparats profitiere (…). Auf der anderen Seite war in Rechnung zu stellen, dass Amikacin (liposomal) (Arikayce (liposomal)) in einer sehr schwierigen, auch durch Studien nicht leicht zu erschließenden Indikation und (…) für eine sehr überschaubare Anzahl von Patienten eingesetzt wird.
6. Vor diesem Hintergrund leuchtete es der Schiedsstelle grundsätzlich ein, dass sich der Antragsteller zur Monetarisierung dieses Zusatznutzens am Preisniveau eines anderen Antibiotikums, nämlich Bedaquilin, mit Jahrestherapiekosten in Höhe von 23.900 Euro orientiert hat, das in einem nicht ganz weit entfernten Indikationsgebiet zum Einsatz kommt und sogar einen beträchtlichen Zusatznutzen nachweisen konnte. Nicht anschließen konnte sich die Schiedsstelle dabei der Argumentation der Antragsgegnerin, dass Bedaquilin in aller Regel sehr viel kürzer zum Einsatz komme, und deshalb dessen Tagestherapiekosten auf das ganze Jahr umzurechnen seien. Dies überzeugt nicht, weil die Jahrestherapiekosten hier auf ein bestimmtes Behandlungsergebnis bezogen werden; Art und Umfang der Dosierung, der Behandlungsdauer o. ä. sind dafür zunächst nicht relevant.
7. Erwogen und ausführlich mit den Parteien diskutiert hat die Schiedsstelle dagegen den weiteren Vorschlag der Antragsgegnerin, die Kosten der sogenannten Sockeltherapie von Bedaquilin zusätzlich zu berücksichtigen. Tatsächlich liegt die Vermutung nahe, dass der Erstattungsbetrag von Bedaquilin höher ausgefallen wäre, wenn das Präparat nicht Teil einer Kombinationstherapie wäre, deren weitere Bestandteile auch Kosten verursachen. Allerdings blieb der Schiedsstelle diese Erwägung letztlich zu spekulativ. Auch war für die Schiedsstelle nicht ohne weiteres ersichtlich, wie hoch genau diese weiteren Kosten sind, zumal der einschlägige Nutzenbewertungsbeschluss des G-BA insoweit keine Angaben enthält (…). Die Antragsgegnerin hatte insoweit auf die Angaben im Dossier des Herstellers für Bedaquilin verwiesen; dass die dort genannten Werte aber durchgängig zum Tragen kommen, wurde vom Antragsteller wiederum bestritten. Die Schiedsstelle hat sich daher entschlossen, diese weiteren Kosten bei Bedaquilin, aber auch mit Bezug auf Amikacin (liposomal) (Arikayce (liposomal)) außer Acht zu lassen.
8. Dass im Bereich des Einsatzes von Antibiotika bekanntlich Resistenzprobleme bestehen, konnte die Schiedsstelle hier ebenfalls nicht berücksichtigen. Amikacin (liposomal) (Arikayce (liposomal)) ist kein Reserveantibiotikum nach § 35a Abs. 1c SGB V (…).
[ ]
9. Mit Blick auf die Gewichtung der Kriterien hat die Schiedsstelle auf der einen Seite die genannten Unsicherheiten bei der Bestimmung der europäischen Preise (…) gesehen und konnte sie daher nur zurückhaltend gewichten. Da aber zumindest die Höhe der Listenpreise nicht umstritten war, sah sie es als angemessen an, dieses Kriterium mit 20% zu gewichten und sich damit in der Mitte der Vorstellung der Parteien zu bewegen. Die Monetarisierung des Zusatznutzens i.H.v. 23.900 Euro Jahrestherapiekosten wurde folglich mit einem Gewicht von 80% berücksichtigt. Dies entspricht dann insgesamt Jahrestherapiekosten i.H.v. 46.720 Euro. Unter Berücksichtigung der Herstellerabschläge ergeben sich daraus für den Erstattungsbetrag die in § 2 Abs. 4 und 6 der Vereinbarung festgesetzten Werte.
[ ]“
Weil sie ihre Preisvorstellungen für Arikayce® liposomal bis dahin nicht durchsetzen konnte, stellte die Klägerin den Vertrieb des Arzneimittels in Deutschland zum 15. März 2022 ein.
Am 23. März 2022 hat die Klägerin zunächst allein Klage gegen den Schiedsspruch erhoben unter Betonung, dass sie sich im Übrigen nicht gegen den Nutzenbewertungsbeschluss des Beigeladenen zu 2 wende.
Zu deren Begründung trägt sie vor, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (LSG) habe die Beklagte bei der Festsetzung des EB einen Gestaltungsspielraum, der nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliege. Mit diesem Gestaltungsspielraum möge es trotz inhaltlicher Einwände juristisch (noch) vertretbar sein, dass die Beklagte in ihrem Schiedsspruch dem Beigeladenen zu 1 gefolgt sei und den Zusatznutzen von Arikayce® liposomal anhand des Wirkstoffes Bedaquilin als „Preisanker“ monetarisiert habe. Die Wahl dieses Monetarisierungsansatzes durch die Beklagte werde jedenfalls nicht gerichtlich beanstandet. Der Rechtsfehler des angegriffenen Schiedsspruches liege woanders: Nach der Judikatur sei erforderlich, dass die Beklagte dem von ihr gewählten Monetarisierungsansatz einen zutreffenden Sachverhalt zugrunde lege, der zudem verfahrensfehlerfrei ermittelt worden sei und die Beklagte den gewählten Monetarisierungsansatz unter Einhaltung zwingender rechtlicher Maßstäbe in sich folgerichtig und willkürfrei angewendet habe. Diesen rechtlichen Anforderungen entspreche der angegriffene Schiedsspruch nicht.
Arikayce® liposomal komme ein besonderer medizinischer Stellenwert zu. Eine Infektion durch MAC-Erreger komme sehr selten vor, führe jedoch zu einer zunehmenden Zerstörung des befallenen Lungengewebes und zum progressiven Lungenfunktionsverlust bis hin zum Tod des Patienten durch Atemversagen. Das Arzneimittel Arikayce® liposomal sei daher von der EMA als Arzneimittel für seltene Leiden (sog. Orphan Drug) eingestuft worden. Seine Besonderheit liege in der Stellung als Solist: Es handele sich um das einzige in der Europäischen Union zugelassene Arzneimittel zur Behandlung dieser schweren Verlaufsform der pulmonalen MAC-Infektion. Es gebe also keine zugelassenen arzneilichen Behandlungsalternativen. Daher sei im streitgegenständlichen Schiedsspruch ausdrücklich festgestellt, dass es nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten keine vergleichbaren Arzneimittel gebe. Aus diesem Grund hätten die betroffenen Patienten in der Vergangenheit dauerhaft mit hierfür nicht zugelassenen antibiotischen Kombinationstherapien behandelt werden müssen.
Zum Nachteil der Klägerin habe die Beklagte bei der Monetarisierung des Zusatznutzens von Arikayce® liposomal über den Wirkstoff Bedaquilin rechnerisch nicht berücksichtigt, dass es sich bei Arikayce® liposomal und Bedaquilin gleichermaßen um so genannte „Add on-Therapien“ handele, bei denen zusätzliche Kosten für die weiterhin erforderliche arzneiliche Sockeltherapie anfielen. Diese Kosten lägen bei Bedaquilin deutlich über den bei der Behandlung mit Arikayce® liposomal anfallenden Kosten. Durch die vollständige Nichtberücksichtigung dieses Kostenvorteils von Arikayce® liposomal sei die Monetarisierung des Zusatznutzens deutlich geringer ausgefallen.
Die Nichtberücksichtigung dieses Gesichtspunktes werde im Schiedsspruch auf der einen Seite damit begründet, dass die Höhe der für die Sockeltherapie entstehenden Kosten „nicht ohne weiteres ersichtlich“ gewesen sei. Insoweit beruhe der angegriffene Schiedsspruch auf einem Verfahrensfehler. Die Klägerin habe im Schiedsverfahren die Kosten der Sockeltherapie sowohl für Bedaquilin als auch für Arikayce® liposomal schriftlich beziffert. Der Beigeladene zu 1 habe sich hierzu schriftlich gar nicht geäußert und in der Schiedsverhandlung diese Angaben lediglich pauschal mündlich beschritten. Der unparteiische Vorsitzende der Beklagten habe gegenüber den Beteiligten in der Schiedsverhandlung im Übrigen mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass er eine Berücksichtigung der unterschiedlich hohen Kosten der Sockeltherapien bei der Monetarisierung des Zusatznutzens für grundsätzlich nachvollziehbar und plausibel erachte. Es sei in keiner Weise signalisiert worden, dass es hierzu in tatsächlicher Hinsicht womöglich weiterer Angaben oder Unterlagen von Seiten der Klägerin bedürfe. Die Klägerin habe daher keinen Anlass für die Annahme gehabt, dass die vorgelegten Belege in Gänze von der Beklagten als nicht verwertbar angesehen würden, zumal von der Beklagten auch ausweislich des Protokolls im Schiedsverfahren kein entsprechender Hinweis erteilt worden sei. Spätestens in der mündlichen Verhandlung wäre ein solcher Hinweis zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung zwingend geboten gewesen, damit die Klägerin z.B. durch Vorlage weiterer Belege nach Verhandlungsunterbrechung oder durch einen Vertagungsantrag hätte angemessen reagieren können. Nachdem die Verhandlung zur Beratung der unparteiischen Mitglieder der Beklagten unterbrochen worden sei, seien die Beratungen innerhalb der Schiedsstelle von 18:00 bis 18:15 Uhr fortgesetzt worden. Dabei sei den von der Klägerin benannten Mitgliedern eröffnet worden, dass die unparteiischen Mitglieder sich gegen die Einbeziehung der Kosten der Sockeltherapie bei Bedaquilin entschieden hätten. Dieser Sinneswandel der Beklagten sei für die Klägerin vollkommen überraschend gewesen. Trotz des abermaligen Hinweises der Klägerin auf die ständige Spruchpraxis der Beklagten zu „Add on-Therapien“ sei die Beklagte bei ihrer Linie geblieben, ohne dass klar geworden sei, was der Beweggrund hierfür gewesen sei. Nach der Abstimmung in der Schiedsstelle seien die Beteiligten um 20:15 Uhr durch den unparteiischen Vorsitzenden der Beklagten über die Ergebnisse der Beratungen informiert und der Schiedsspruch verkündet worden. Im Rahmen der mündlichen Erläuterung habe der unparteiische Vorsitzende ausgeführt, das Argument „Sockeltherapie“ sei recht spät von der Klägerin in die mündliche Verhandlung eingebracht worden und im Übrigen sei die Höhe der Kosten der Sockeltherapie nicht ersichtlich. Dies sei jedoch nicht nachvollziehbar, da im Schriftsatz der Klägerin vom 4. Februar 2022 sowie in der als Anlage 2 zum Protokoll beiliegenden Präsentation unzweifelhaft dokumentiert sei, dass sie auf die Notwendigkeit der Einbeziehung der Sockeltherapie hingewiesen und als Datengrundlage für die Höhe der Kosten der Sockeltherapie das Dossier des Herstellers von Bedaquilin auszugsweise vorgelegt habe.
Soweit die Beklagte nunmehr meine, eine Hinweis- oder Aufklärungspflicht habe nicht bestanden, weil auch bei Ermittlung der Kosten der Sockeltherapie offengeblieben wäre, welchen Einfluss diese Kosten auf den EB von Bedaquilin gehabt hätten, so laufe dies darauf hinaus, einen im Schiedsspruch genannten Rechtfertigungsgrund für die Nichtberücksichtigung der Kosten der Sockeltherapie als nicht entscheidungserheblich darzustellen. Maßstab für die gerichtliche Kontrolle seien jedoch allein die schriftlichen Entscheidungsgründe des Schiedsspruchs. Ein unterlassener Hinweis bzw. eine mangelnde Sachverhaltsaufklärung könnte niemals als Verfahrensfehler gerichtlich beanstandet werden, wenn die Beklagte im Nachhinein geltend machen könnte, dass der (verfahrensfehlerhafte) Überraschungsgrund im Schiedsspruch ohnehin nicht für die Entscheidung erheblich gewesen sei. Bei der gerichtlichen Kontrolle komme es lediglich darauf an, ob es offensichtlich sei, dass der jeweilige Verfahrensfehler die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst habe. Dies sei bei nichtgebundenen Ermessensentscheidungen ausnahmsweise nur dann der Fall, wenn ihr Ergebnis faktisch alternativlos sei. Eine solche offensichtliche Nichtbeeinflussung durch den Verfahrensfehler lasse sich bei Entscheidungen, die einen bestehenden Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum ausfüllten, grundsätzlich nicht annehmen. Dies gelte umso mehr in Fällen, in denen der Verfahrensfehler an einen in der schriftlichen Begründung explizit genannten Entscheidungsgrund anknüpfe.
Auf der anderen Seite werde die Nichtberücksichtigung der Kostenvorteile bei der Sockeltherapie von Arikayce® liposomal im Schiedsspruch damit begründet, dass zwar tatsächlich die Vermutung naheliege, „dass der Erstattungsbetrag von Bedaquilin höher ausgefallen wäre, wenn das Präparat nicht Teil einer Kombinationstherapie wäre, deren weitere Bestandteile auch Kosten verursachen“. Allerdings halte die Beklagte diese Erwägung letztlich für „zu spekulativ“. Insoweit basiere der angegriffene Schiedsspruch auf einem unzutreffenden Sachverhalt. Nach ständiger Spruchpraxis der Beklagte würden bei „Add on-Therapien“ die Kosten der Sockeltherapie bei der Festsetzung des EB regelmäßig in Abzug gebracht (Verweis auf die Schiedssprüche vom 19. September 2018 – Rolapitant, 18. Juli 2020 – Apalutamid, 2. Februar 2022 – Dapaglifozin und 4. März 2022 – Olaparib). Grund sei, dass diese Kosten nicht durch das „Add on“-Arzneimittel eingespart würden und den gesetzlichen Krankenkassen weiterhin zur Last fielen. Hiervon ausgehend sei es erfahrungswidrig und verstoße gegen Denkgesetze, wenn die Beklagte gleichwohl die Annahme als „spekulativ“ abtue, dass der EB von Bedaquilin ohne Sockeltherapie höher ausgefallen wäre.
Schließlich sei es willkürlich und gleichheitswidrig, wenn die Beklagte – selbst bei unterstellten Unwägbarkeiten bei der Bezifferung der konkreten Kostenhöhe – jegliche Kostenunterschiede zwischen den Sockeltherapien von Arikayce® liposomal und Bedaquilin bei der Nutzenmonetarisierung ausblende. Nach der Rechtsprechung des BSG müsse bei der Monetarisierung des Zusatznutzens allen Unwägbarkeiten soweit als möglich Rechnung getragen werden. Nach ständiger Spruchpraxis der Beklagten würden daher bestehende tatsächliche Unsicherheiten bei preisrelevanten Parametern durch eine entsprechend geringere Gewichtung abgebildet. Wenn die Beklagte meine, dass es nicht weiter aufklärbare Unsicherheiten bei der Kostenhöhe der Sockeltherapien gebe, hätte sie dies durch eine entsprechend geringere Gewichtung der Kosten der Sockeltherapie berücksichtigen müssen. Dass die Beklagte aber die Kostenvorteile der Sockeltherapie bei Arikayce® liposomal überhaupt nicht berücksichtigt habe, entbehre jeglicher Grundlage und verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz.
Die Klägerin weist darauf hin, dass sie den Vertrieb des Arzneimittels aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt und das Arzneimittel außer Betrieb gesetzt habe. Sie plane die unmittelbare Wiedereinführung des Arzneimittels nach Aufhebung des angegriffenen Schiedsspruchs im hiesigen Klageverfahren.
Die klageweise Geltendmachung des dargestellten Verfahrensfehlers sei auch nicht verspätet bzw. präkludiert, denn der hier vorliegende offensichtliche Verfahrensfehler – fehlende Erteilung eines Hinweises bezüglich der fehlenden oder nicht ausreichenden Angaben zur Kostenhöhe der Sockeltherapie zu Bedaquilin - habe seitens der Klägerin vor Beratung und Beschlussfassung des Schiedsspruches nicht gerügt werden können. Erst bei der mündlichen Erörterung des bereits gefassten Schiedsspruches habe ihr die Beklagte eröffnet, dass aus den schriftlichen Angaben die Höhe der Kosten der Sockeltherapie angeblich „nicht ohne weiteres ersichtlich“ sei.
Ihren am 17. Mai 2022 gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (L 1 KR 170/22 KL ER) hat die Klägerin nach Hinweis des Gerichts mit Schriftsatz vom 24. August 2022 zurückgenommen.
Die Beklagte verteidigt ihren Schiedsspruch. Die Einwände der Klägerin beruhten ausschließlich auf dem Argument, dass die Beklagte bei der Bestimmung des EB die Kosten der jeweiligen sog. Sockeltherapien nicht zutreffend aufgeklärt und berücksichtigt habe. Insofern verkenne die Klägerin aber relevante Zusammenhänge und Umstände des Falls. Im Ergebnis sei das Vorgehen der Beklagten zwar nicht alternativlos gewesen, halte sich aber im Rahmen ihres weiten Gestaltungsspielraums. Vorab sei zu betonen, dass Nutzenbewertungsbeschlüsse des Beigeladenen zu 2 zu Orphan Drugs mit dem Ergebnis „Anhaltspunkt für einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen“ die Preisfindung vor eine besondere Herausforderung stellten. Zudem sei bei Orphan Drugs eine erste Orientierung an den Kosten der zVT nicht möglich. In diesen Konstellationen sei es für die Schiedsstelle besonders schwierig, Maßstäbe für die Preisfindung zu gewinnen; sie sei auch gezwungen, in erhöhtem Maße selbst eine Einschätzung der Größe und Bedeutung des Zusatznutzens vorzunehmen.
Die fehlende ausdrückliche Berücksichtigung der Kosten der Sockeltherapie bei der Festsetzung des EB werde von der Klägerin kritisiert, weil sie unterstelle, dass diese Kosten auch bei der Bestimmung des EB für Bedaquilin eine zentrale Rolle gespielt hätten. Allerdings sei der EB für Bedaquilin nicht von der Beklagten festgesetzt, sondern von den Parteien vereinbart worden. Welche Erwägungen in diese Vereinbarung eingegangen seien und welche Rolle dabei insbesondere die Kosten der Sockeltherapie gespielt hätten, sei für die Beklagte nicht ersichtlich und angesichts der Vertraulichkeit der Verhandlungen auch nicht zu ermitteln. Die Beklagte lehne daher Versuche, aus vereinbarten EBen bestimmte Preisannahmen und Kalkulationsgrundlagen zu rekonstruieren, grundsätzlich ab. In diesem Sinne bezeichne der Schiedsspruch Vermutungen, ob und welchen Einfluss die Kosten der Sockeltherapie auf den EB von Bedaquilin gehabt hätten, als „letztlich zu spekulativ“. Vor diesem Hintergrund habe die Beklagte auch davon abgesehen, weitere Erkundigungen zu den genauen Kosten einzuholen. Eine Aufklärung, ob und inwieweit diese Kosten von den Parteien für den EB herangezogen worden seien, hätte sich daraus so oder so nicht ergeben können. Daher sei die Beklagte weder zur weiteren Sachverhaltsaufklärung noch zu entsprechenden Hinweisen an die Parteien verpflichtet gewesen.
Im Übrigen unterliege die Klägerin einem Denkfehler. Sie trage vor, der EB falle umso geringer aus, je höher die Kosten der Sockeltherapie seien. Daraus wolle sie wohl ableiten, dass der EB für das hier streitige Arzneimittel hätte höher ausfallen müssen, wenn die Beklagte berücksichtigt hätte, dass die Sockeltherapie von Bedaquilin teurer sei als die Sockeltherapie von Arikayce® liposomal. Dies sei aber weniger klar als suggeriert werde. Wenn man als Beispiel zwei Arzneimittel betrachte, die jeweils in Kombinationstherapie zu einem vergleichbaren medizinischen Ergebnis führten, deren Sockeltherapien aber unterschiedlich teuer seien, so liege es jedenfalls nicht auf der Hand, dass diese Kostendifferenz durch eine unterschiedliche Bepreisung der beiden Arzneimittel vollständig „ausgeglichen“ werden müsse. Vielmehr könnte man auch beide Arzneimittel ähnlich bepreisen mit der Folge, dass dann eine der beiden Kombinationstherapien günstiger sei. Die gegenteilige Auffassung setze bereits voraus, dass die Kosten der Sockeltherapie in den Vergleichspreis irgendwie eingegangen seien. Dies sei aber – wie bereits dargestellt – nur eine Vermutung.
Die Beklagte habe daher nicht mehr als eine vage Tendenz feststellen können, dass in dem hier vorzunehmenden Vergleich Arikayce® liposomal aufgrund seiner günstigeren Sockeltherapie höher zu bepreisen sei als Bedaquilin. Dies sei aber nach ihrer Einschätzung dadurch ausgeglichen, dass Bedaquilin in der frühen Nutzenbewertung einen beträchtlichen Zusatznutzen habe nachweisen können und aus diesem Grund an sich ein höherer EB als bei Arikayce® liposomal gerechtfertigt gewesen wäre. Außerdem habe sie gegenläufig berücksichtigt, dass der (fiktive) Zusatznutzen von Arikayce® liposomal lediglich einem „kleinen Prozentsatz“ der behandelten Patienten zugutekomme und sich in keiner Endpunktkategorie habe abbilden können. Im Ergebnis habe sie es als angemessen betrachtet davon auszugehen, dass sich diese Umstände und Aspekte gegenseitig aufhöben und daher unmittelbar an das Preisniveau von Bedaquilin angeknüpft werden könne. Es sei nicht ersichtlich, dass die Erwägungen der Beklagten – wie die Klägerin behaupte – zwangsläufig zu einer geringeren Gewichtung der Orientierung an dem Preis von Bedaquilin hätte führen müssen. Insoweit sei auch darauf hinzuweisen, dass das einzige hier zur Verfügung stehende andere Preisbildungskriterium, die europäischen Vergleichspreise, ebenfalls mit erheblichen Unsicherheiten versehen gewesen sei.
Dass sie - die Beklagte - sich zur Monetarisierung des Zusatznutzens im vorliegenden Fall an dem Preis eines anderen Antibiotikums als Preisanker orientiert habe, führe nicht dazu, dass dieses Antibiotikum den Stellenwert einer zVT gewinne und wie eine solche zu behandeln sei. Vielmehr könne der Rückgriff auf ein derartiges Präparat nur dazu dienen, in einer ersten Annäherung das Niveau für einen EB zu bestimmen. Vor diesem Hintergrund verstünden sich auch die Ausführungen im Schiedsspruch zur Nutzenmonetarisierung als tastende Versuche einer Orientierungsgewinnung, in die eine Vielzahl von Aspekten eingingen. Nicht alle diese Aspekte könnten im Schiedsspruch aufgeführt werden. Ausdrücklich erwähnt seien im hiesigen Schiedsspruch die Aspekte, die in der Schiedsverhandlung ausführlich mit den Parteien diskutiert worden seien, um insoweit eine „Rückmeldung“ zu geben. Soweit einzelne Orientierungsaspekte – wie hier die Kosten der sogenannten Sockeltherapie – umstritten geblieben seien, sei keine Verpflichtung der Beklagten zu erkennen, weitere Aufklärungsarbeit zu leisten. Es sei nicht zu beanstanden, wenn sie sich in einer derartig vagen Entscheidungssituation auf die Aspekte konzentriere, die sicher und leicht zugänglich seien.
Der Beigeladene zu 1 hält die Klage für unbegründet. Unter dem Begriff „Sockeltherapie“ werde regelmäßig verstanden, dass das bewertete Arzneimittel zusätzlich zu einem anderen Therapieregime eingesetzt werde. Das bewertete Arzneimittel werde als „Add on-Therapie“ angewendet. In diesen Konstellationen stünden sich auf beiden „Seiten“ eines Vergleichs der Therapieregime ein gleiches Arzneimittel oder mehrere gleiche Arzneimittel gegenüber. Je nach Fragestellung des Vergleichs könne der Umgang mit dieser Konstellation unterschiedlich sein. Die Arzneimittel müssten auf beiden Seiten nicht in gleicher Dosierung, gleicher Häufigkeit oder sonst in gleicher Weise eingesetzt werden. Für Fragen des Kostenvergleichs habe es sich eingebürgert, von einer Saldierung zu sprechen: In gleicher Weise eingesetzte Arzneimittel blieben unberücksichtigt, sie „kürzten sich raus“. Dies sei insbesondere bei der Ermittlung von EBen von Bedeutung. Die Beklagte habe sich bereits in mehreren Schiedsverfahren mit Fragen einer „Sockeltherapie“ auseinandergesetzt. Soweit die Klägerin hier auf die Schiedsverfahren zu Apalutamid, Rolapitant, Dapagliflozin und Olaparib verweise, könne sie aus diesen entgegen ihrer Ansicht jedoch keine Schlussfolgerungen für das hiesige Verfahren ziehen.
Vor dem Hintergrund, dass der vom Beigeladenen zu 2 festgestellte Zusatznutzen nach der Rechtsprechung nicht algorithmisch in einen Euro-Wert zur Vereinbarung bzw. Festsetzung des EB umgerechnet werden könne, und dass vorliegend aufgrund der eingeschränkten Nutzenbewertung unter der Orphan Drug-Privilegierung des § 35a Abs. 1 Satz 11 SGB V weitergehende Wertungen erforderlich gewesen seien, habe der Beigeladene zu 1 sich der Monetarisierung des kraft Gesetzes geltenden Zusatznutzens im konkreten Fall dadurch angenähert, dass er im therapeutischen Umfeld der Tuberkulose, also in einem ähnlichen Therapiegebiet, nach Antibiotika gesucht habe, die bereits das Nutzenbewertungsverfahren durchlaufen hätten. Das ebenfalls zusammen mit einer antibakteriellen Kombinationstherapie einzusetzende und als Orphan Drug zugelassene Bedaquilin werde als nutzenbewertetes Antibiotikum in einem ähnlichen Therapieumfeld wie ALIS angewendet. Der Zusatznutzen von Bedaquilin sei vom Beigeladenen zu 2 im Juli 2019 bzgl. der Behandlung von erwachsenen Patienten als beträchtlich bewertet worden, hinsichtlich der Behandlung von Jugendlichen sowie Kindern sei 2020 bzw. 2021 nur ein Anhaltspunkt für einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen festgestellt worden. Die Jahrestherapiekosten für Bedaquilin hätten zunächst 26.297,45 € betragen. Nach der ersten EB-Verhandlung aufgrund der Nutzenbewertung in der Erwachsenen-Indikation hätten sich die Jahrestherapiekosten auf 23.900,00 € belaufen. Durch die EB-Verhandlung aufgrund der Kinder- und Jugendlichen-Indikation habe sich der EB nicht geändert.
Die Klägerin habe im Schiedsverfahren unter anderem vorgetragen, die korrekte Monetarisierung auf Grundlage von Bedaquilin müsse die Unterschiede in der Therapiedauer bei Bedaquilin und ALIS berücksichtigen und die unterschiedlichen Kosten des „Sockelregimes“ einkalkulieren. Anders als die Klägerin meine, entspreche es in diesem Zusammenhang aber der üblichen Praxis, bei unterschiedlichen Behandlungsdauern den jeweiligen Zeitraum eines Behandlungszyklus ohne Umrechnung gleichzusetzen. In der Konsequenz werde der therapeutische Erfolg nach Abschluss des Behandlungszyklus monetarisiert; es gehe nicht darum, die Kosten pro Bezugszeitraum gleichzusetzen, sondern den Behandlungserfolg nach Abschluss des jeweils vorgesehenen Behandlungszeitraums. Die von der Beklagten verwendete Herangehensweise, die jeweiligen Behandlungsschemata als solche ohne „Umrechnung“ auf eine andere Anwendungsdauer zu vergleichen, ermögliche u.a. den sachgerechten Kostenvergleich von Einmaltherapien mit dauerhaften Therapien.
Die Beklagte verfüge über einen weiten Beurteilungsspielraum, der nur eingeschränkt gerichtlich kontrollierbar sei. Fehler in der Verfahrensführung sowie bei der Sachverhaltsermittlung und Würdigung seitens der Beklagten seien nicht festzustellen. Soweit die Klägerin rüge, es sei in der mündlichen Verhandlung kein Hinweis dahingehend gegeben worden, dass die von ihr gemachten Angaben oder vorgelegten Unterlagen zur tatsächlichen Höhe der Kosten der Sockeltherapien womöglich nicht ausreichen könnten, und vortrage, es sei zu einem überraschenden „Sinneswandel“ der Beklagten gekommen, erachte der Beigeladene zu 1 diese Einlassung als widersprüchlich. Zum einen sei im Protokoll der Schiedsverhandlung festgehalten, dass von 16:30 Uhr bis 17:15 Uhr „vertiefend zu den sog. Sockeltherapien diskutiert“ worden sei. Auch in der Klageschrift werde dargestellt, dass in der Schiedsverhandlung „zu dem Thema 'Sockeltherapie' mit den Vertragsparteien diskutiert“ worden sei. Demnach habe die Beklagte, vertreten durch die Schiedsstellenmitglieder, tatsächlich mit den Vertragsparteien über die Sockeltherapie diskutiert. Auch der Umstand, dass sich nach dem Vortrag der Klägerin der Vorsitzende der Beklagten mehrfach durch Wortbeiträge an der Diskussion beteiligt habe, zeige auf, dass die Sockeltherapie ein wesentlicher Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sei. Es erschließe sich nicht, woraus die Klägerin nun die Schlussfolgerung ableite, der Vorsitzende der Beklagten habe über die Signalisierung einer grundsätzlichen Nachvollziehbarkeit des Vorbringens der Klägerin hinaus im Nachgang einen „Sinneswandel“ vollzogen. Die Beklagte sei letztlich zu der Würdigung gelangt, dass die fiktive Erhöhung des EB von Bedaquilin in Abhängigkeit von den Kosten der Sockeltherapie als Erwägung zu spekulativ geblieben sei. Die Beklagte habe gerade nicht angemerkt, dass die Klägerin etwa Sachvortrag versäumt hätte oder dass es ihr an Informationen fehle. Ferner habe die Klägerin in ihrer Schlusserklärung nicht behauptet, sie sei unzureichend gehört worden oder von einem „Sinneswandel“ der Beklagten überrascht worden. Ausweislich der von der Klägerin abgegebenen Erklärung auf Seite 5 des Protokolls habe die Klägerin geäußert, dass sie das methodische Vorgehen der Beklagten für nicht gesetzeskonform halte. Auch der Hinweis, sie habe die Kosten für die Sockeltherapie vorgelegt, zeige auf, dass die Höhe der Kosten gerade Gegenstand der Verhandlung gewesen sei. Dass die Klägern sich unzureichend gehört sah, ergebe sich hieraus hingegen nicht. Im Gegenteil: Die Klägerin halte lediglich fest, dass sie das methodische Vorgehen der Beklagten rüge, welches ihr offenkundig bekannt gewesen sei, sodass sie dessen materielle Gesetzeskonformität habe rügen können. Mit einem „Wechsel“ oder „Nachschieben“ des Rügegrundes „Überraschungsentscheidung“ sei sie nunmehr präkludiert.
Die Beklagte habe auch nicht gegen Denkgesetze verstoßen. Die Höhe des EB für Bedaquilin sei das Ergebnis einer Verhandlungsserie, die sich aufgrund von drei Nutzenbewertungsbeschlüssen ergeben habe. Die Klägerin versuche hingegen, eine monokausale Erklärung der Höhe des EB zu konstruieren. Sie stelle darauf ab, dass der EB hätte höher ausfallen müssen, wenn die Kombinationsarzneimittel in der Sockeltherapie preisgünstiger gewesen wären. Dieser monokausale Zusammenhang sei jedoch logisch nicht vorgegeben, weil es bereits aufgrund der drei Nutzenbewertungen, in denen jeweils drei Preisbildungskriterien für Orphan Drugs gem. § 6 RahmenV zu berücksichtigen gewesen seien, mehr als eine Variable für den EB gegeben habe, ohne dass dabei bereits die Kosten der Kombinationstherapie berücksichtigt worden wären. Es folge auch nicht aus Gesetzen der Logik oder aus Erfahrungssätzen, dass das Entscheidungsprogramm der Beklagten bei der Anwendung der RahmenV auf die Partner der EB-Vereinbarung von Bedaquilin auszuweiten wäre. Der EB für Bedaquilin habe nie von der Beklagten festgesetzt werden müssen. Es gebe kein Gesetz der Logik und auch keinen Erfahrungssatz, aus dem die Höhe des verhandelten EB von Bedaquilin determiniert oder aufgrund von Einzelfaktoren erklärt werde. Die Kosten des Kombinationstherapie-Regimes seien zudem nicht einmal denknotwendig ein wesentlicher Faktor für die Höhe des EB. Das Arzneimittel Bedaquilin sei auf der Grundlage einer randomisierten, kontrollierten klinischen Studie bewertet worden, die im Kontrollarm ebenfalls die Sockeltherapie enthalten habe. Daraufhin habe der Beigeladene zu 2 einen beträchtlichen Zusatznutzen festgestellt. Es sei somit denklogisch möglich, dass die patientenrelevanten Vorteile, die zum beträchtlichen Zusatznutzen geführt hätten, auf Bedaquilin allein zurückzuführen seien, sodass unabhängig von den Kosten der Sockeltherapie ein EB vereinbart worden sei, der an diesen Zusatznutzen anknüpfe. Ob dies eine Erwägung der Vertragspartner bei der Vereinbarung des EB gewesen sei, sei nachträglich nicht mehr aufzuklären, da es keine Begründungspflicht der Vertragspartner für ihr Verhandlungsergebnis gebe. Es sei daher auch nicht „erfahrungswidrig“, dass die Höhe des EB unter einer abweichenden Annahme – hier: hypothetisch andere Sockeltherapie-Kosten, wie von der Klägerin argumentiert – nicht vorhergesagt oder extrapoliert werden könne. Die Klägerin verlange in der Sache eine hypothetische Schiedsentscheidung zum EB von Bedaquilin. Sie behaupte, auf die Vereinbarung des EB sei das Entscheidungsprogramm der Beklagten, verstanden im Sinne der Klägerin, anzuwenden. Dies verkenne allerdings grundlegend, dass ein vereinbarter EB nicht begründungsbedürftig sei. Gerade aufgrund solcher Szenarien habe der Gesetzgeber schon in den Gesetzesmaterialien zu § 130b SGB V klargestellt, dass die Entscheidung der Schiedsstelle nicht im Sinne eines konkreten Entscheidungsalgorithmus vorgegeben sei. Dies sei von der Rechtsprechung bestätigt worden. Gerade deshalb sei der weite Gestaltungsspielraum der Beklagten anerkannt, der in den Worten des BSG „nicht kleiner als derjenige der Verhandlungspartner“ sei.
Die Beklagte habe auch keine weiteren Ermittlungen anstellen müssen, um den Zusatznutzen von ALIS zu monetarisieren. Soweit die Klägerin behaupte, die Nichtberücksichtigung der Kosten der Sockeltherapie bei der Monetarisierung des Zusatznutzens sei fehlerhaft, treffe dies nicht zu. Es komme nicht darauf an, wie die Kosten der Sockeltherapie von Bedaquilin zu bemessen seien. Die Kosten der Sockeltherapie seien nämlich nur entscheidungsrelevant, wenn es auf die Kosten des Therapieregimes (Bedaquilin + Sockeltherapie) ankomme. Diese Therapieregime-Kosten wären relevant, wenn sie in Vergleich zu den Therapieregime-Kosten von ALIS + Sockeltherapie in Relation gesetzt werden sollten. Dies habe die Beklagte jedoch nicht getan. Die Therapieschemata zur Behandlung der pulmonalen Tuberkulose mit Bedaquilin + Kombinationspartnern und zur Behandlung der nicht tuberkulösen MAC-Komplex-Infektionen mit Amikacin (liposomal) + Kombinationspartner unterschieden sich erheblich. Schon diese Unterschiede führten dazu, dass eine Saldierung der Kosten der jeweiligen Sockeltherapie in dieser Form nicht durchführbar sei. Entscheidend sei, dass die Beklagte keinen Kostenvergleich der Therapieschemata gezogen, sondern das Vorgehen des Beigeladenen zu 1, einen Orientierungswert für die Monetarisierung des nicht quantifizierbaren Zusatznutzens von ALIS zu finden, gewürdigt habe. Die Beklagte habe die Kosten von Bedaquilin herangezogen, um das Kriterium der Zusatznutzenmonetarisierung mit einem Betrag zu befüllen. Dies sei vom Beurteilungsspielraum gedeckt und erweise sich weder als fehlerhaft noch als widersprüchlich.
Der angegriffene Schiedsspruch sei auch hinsichtlich der Wahrung zwingenden Gesetzesrechts nicht zu beanstanden. Die Klägerin rüge insbesondere eine Ungleichbehandlung wegen der Nichtberücksichtigung der Sockeltherapie und sehe darin einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Eine rechtswidrige Ungleichbehandlung setze aber zunächst die unterschiedliche Behandlung wesentlich gleicher Sachverhalte voraus. Die Klägerin stütze sich auf die Spruchpraxis der Beklagten und mache geltend, die Berücksichtigung der Kosten der Sockeltherapie sei im vorliegenden Fall unterlassen worden, während sie in wesentlich gleichen Fällen erfolgt sei. Allerdings seien die Fälle, in denen die Beklagte die Kosten der Sockeltherapie herangezogen habe, gerade nicht vergleichbar. Die Kosten der Sockeltherapie seien zunächst dann herangezogen worden, wenn bei Arzneimitteln mit Zusatznutzen ein Aufschlag auf die Kosten der zVT habe ermittelt werden müssen gemäß der Vorgabe aus § 5 Abs. 2 RahmenV. Dies betreffe die Fälle von Apalutamid, Dapagliflozin und Olaparib. Diese Fälle seien mit ALIS nicht vergleichbar, weil es bei ALIS keine zVT gebe. Soweit die Klägern sich insbesondere auf den Schiedsspruch zu Apalutamid berufe, verwundere dies. Denn übertragen auf ALIS würde das in dem Schiedsspruch zu Apalutamid angewendete Verfahren zu einem negativen EB führen. Die Klägerin entnehme diesem Schiedsspruch den Rechtssatz, dass der EB des zum Vergleich mit dem bewerteten Arzneimittel herangezogenen Produkts höher oder niedriger ausgefallen wäre, wenn die Kosten von dessen Sockeltherapie anders gewesen wären. Diese Aussage lasse sich dem Schiedsspruch jedoch nicht entnehmen. Dieser habe sich überhaupt nicht mit Kosten von Add on-Therapien der als Vergleichsprodukte herangezogenen Arzneimittel befasst. Vielmehr habe die Beklagte einen Korb an vergleichbaren onkologischen Arzneimitteln gebildet, dessen Preisniveau sie wertend ermittelt und herangezogen habe. Die Beklagte habe dabei auch nicht Sockeltherapien dieser Arzneimittel individuell abgezogen, sondern sich an den Jahrestherapiekosten dieser vergleichbaren onkologischen Produkte orientiert und von diesem Kostenwert Beträge abgezogen, die sich aus den Umständen des bewerteten Arzneimittels ergeben hätten.
Nach gerichtlichem Hinweis auf die Entscheidung des BSG vom 22. Februar 2023 – B 3 KR 14/21 R – macht die Klägerin geltend, bei dem Arzneimittel Arikayce® liposomal handele es sich um einen Solisten im Sinne des genannten Urteils des BSG. Es gebe keine anderen Arzneimittel, die zur Behandlung von Lungeninfektionen verursacht durch zum MAC gehörende NTM bei Erwachsenen zugelassen seien. Dies habe bereits die EMA als zuständige Zulassungsbehörde im Rahmen des Zulassungsverfahrens festgestellt. Vor Zulassung des Arzneimittels Arikayce® liposomal seien die Patienten daher mit einer patientenindividuellen antibiotischen Kombinationstherapie unter Auswahl von verschiedenen Wirkstoffen (Azithromycin, Clarithromycin, Ethambutol, Rifabutin und Rifampicin) behandelt worden, die für das Anwendungsgebiet von Arikayce® liposomal nicht zugelassen seien. Mit einer solchen Therapie sei Arikayce® liposomal auch im Rahmen der Zulassungsstudie CONVERT verglichen worden. Im Rahmen des Beratungsgesprächs gemäß § 8 AM-NutzenV habe der Beigeladene zu 2 die zVT für den Fall der Überschreitung der Umsatzschwelle wie folgt bestimmt:
„patientenindividuelle antibiotische Kombinationstherapie unter Auswahl von Azithromycin, Clarithromycin, Ethambutol, Rifabutin und Rifampicin; unter Berücksichtigung
• der Vortherapie,
• von Komorbiditäten (HIV-Infektion/AIDS)
• des (lokalen) Resistenzprofils,
• der Erregersensibilität (bei Vorliegen des Antibiogramms).“
In dem dem Schiedsspruch zugrunde liegenden Nutzenbewertungsbeschluss habe der Beigeladene zu 2 den Zusatznutzen von Arikayce® liposomal hinsichtlich des Ausmaßes und der Wahrscheinlichkeit vergleichend bewertet. Diese Bewertung sei auf Grundlage der Zulassungsstudie, in der Arikayce® liposomal gegenüber einer patientenindividuellen antibiotischen Off-Label-Kombinationstherapie untersucht worden sei, erfolgt. Nach dem BSG könnten im Anwendungsgebiet nicht zugelassene Arzneimittel jedoch „keine Grundlage für eine auf eine Zusatznutzenbewertung gestützte Preisregulierung sein“, weswegen man den Nutzenbewertungsbeschluss als unwirksam ansehen müsse. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass es sich bei Arikayce® liposomal um eine Orphan Drug handele und daher der medizinische Zusatznutzen gemäß § 35a Abs. 1 Satz 11 SGB V durch die Zulassung als belegt gelte mit der Folge, dass im Rahmen des Nutzenbewertungsverfahrens keine Nachweise zum medizinischen Zusatznutzen im Verhältnis zur zVT vorgelegt werden müssten. Dieser Mechanismus gelte bis zu einem Umsatz von 30 Millionen € in den letzten zwölf Kalendermonaten, was allerdings nicht bedeute, dass es unterhalb dieser Umsatzgrenze zu keiner Bewertung des Zusatznutzens komme. Denn der pharmazeutische Unternehmer habe zumindest Angaben zur Anzahl der Patienten und Patientengruppen zu machen, für die ein therapeutisch bedeutsamer Zusatznutzen bestehe. Hieran anknüpfend bewerte der Beigeladene zu 2 gemäß § 5 Abs. 8 S. 1 AM-NutzenV in ständiger Verwaltungspraxis auch bei Orphan Drugs, deren Zusatznutzen als belegt gelte, das Ausmaß und die Wahrscheinlichkeit des Zusatznutzens. Folglich komme es bei Orphan Drugs bis zu einer Umsatzgrenze von 30 Millionen € stets zu einer vergleichenden Zusatznutzenbewertung, die sich nicht auf das „Ob“, sondern auf das „Wie“ des Zusatznutzens beziehe. Im Übrigen würden Orphan Drugs gemäß § 35a Abs. 1 Satz 12 SGB V ohnehin hinsichtlich des „Ob“ des Zusatznutzens bewertet, sobald die Umsatzgrenze von 30 Millionen € in den letzten zwölf Kalendermonaten überschritten worden sei. Diese Regelung setze tatbestandlich notwendig voraus, dass für die Orphan Drug (auch) nach Umsatzüberschreitung eine zVT bestimmt werden könne. Es liege in der Logik dieser Regelung, dass auch unterhalb der genannten Umsatzschwelle von vornherein nur solche Orphan Drugs dem Normprogramm der §§ 35a, 130b SGB V unterworfen werden könnten, zu denen eine zVT existiere und die daher keine Solisten seien. Vor diesem Hintergrund halte die Klägerin den zugrunde liegenden Nutzenbewertungsbeschluss zu Arikayce® liposomal für unwirksam.
Die Klägerin beantragt,
1. festzustellen, dass die mit Beschluss des Beigeladenen zu 2 vom 20. Mai 2021 vorgenommene Änderung der Arzneimittel-Richtlinie zur Nutzenbewertung des Wirkstoffes Amikacin (Mycobakterium-avium-Komplex-Lungeninfektionen) unwirksam ist;
2. den Schiedsspruch der Beklagten vom 18. Februar 2022 (Verfahren 19 P 32-21) aufzuheben;
hilfsweise
3. den Schiedsspruch der Beklagten vom 18. Februar 2022 (Verfahren 19 P 32-21) aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über den Schiedsantrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage zu 2 und 3 abzuweisen.
Der Beigeladene zu 1 beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er führt aus, die Entscheidung des BSG beziehe sich ausschließlich auf den Fall eines Solisten. Vorliegend seien hingegen die Regelungen zu Orphan Drugs in § 35a Abs. 1 Satz 11 bis 13 SGB V einschlägig, die ein gesondertes Normprogramm enthielten. Es handele sich bei ALIS eben nicht um einen Solisten. Vielmehr sei davon auszugehen, dass hier nur aus rechtlichen Gründen eine zVT nicht habe bestimmt werden können, tatsächlich eine solche jedoch in Gestalt der bereits vorhandenen antibiotischen Kombinationstherapie zur Behandlung von Lungeninfektionen, verursacht durch zum MAC gehörende NTM, existiere.
Soweit die Klägerin meine, es handele sich bei dem Arzneimittel Arikayce® liposomal um einen Solisten im Sinne der Entscheidung des BSG vom 22. Februar 2023 („Regadenoson“), sei dies missverständlich. Das BSG habe zwischen den therapeutischen Solisten und den zulassungsrechtlichen Solisten unterschieden, wobei ein zulassungsrechtlicher Solist nicht unbedingt ein therapeutischer Solist sei. Nach der Entscheidung des BSG (siehe dort Rn. 25) seien nur therapeutische Solisten, die der Bestimmung einer zVT bedürften, für welche aber keine bestimmt werden könne, von der Zusatznutzenbewertung ausgenommen. Die Klägerin meine, eine Zusatznutzenbewertung müsse „immer vergleichend“ seien, weshalb es stets einer zVT bedürfe. Auch bei Arzneimitteln für seltene Leiden erfolge, so die Klägerin, eine vergleichende Bewertung des Ausmaßes und der Wahrscheinlichkeit des Zusatznutzens. Dies konzipiere die Klägerin als „erste Stufe“, an die sich eine zweite Stufe anschließe, sobald die Umsatzschwelle aus § 35a Abs. 1 Satz 12 SGB V überschritten sei und ein Volldossier zur erneuten Nutzenbewertung eingereicht werden müsse. Auf der ersten Stufe werde als das „Wie“ der Zusatznutzenbewertung das Ausmaß und die Wahrscheinlichkeit des als belegt geltenden Zusatznutzens bewertet, wohingegen auf der zweiten Stufe in der Folgenbewertung das „Ob“ des Zusatznutzens festgestellt werde. Diese Argumentation gehe fehl. Zunächst seien die „Stufen“ nicht aufeinander aufbauend. Überschreite ein Orphan-Arzneimittel die Umsatzschwelle, erfolge nämlich eine neue und eigenständige Nutzenbewertung gemäß § 35a Abs. 1 SGB V ohne die Anwendung der Sonderregelungen zur teilweisen Freistellung als Orphan-Arzneimittel von den Nutzenbewertungsanforderungen. Damit erfolge in der Terminologie der Klägerin eine Bewertung hinsichtlich des „Ob“ des Zusatznutzens und zugleich des „Wie“. Es gebe somit keine Stufung in zwei Verfahrensstufen. Vor der Überschreitung der definierten Umsatzschwelle gelte kraft Gesetzes ein vereinfachtes Verfahren mit der Privilegierung, dass kein Zusatznutzen gegenüber einer zVT nachgewiesen werden müsse. Entsprechend werde keine zVT bestimmt. Auch hier sei keine Stufung zu einer nachfolgenden Bewertung feststellbar. Dies sei eine explizite gesetzgeberische Entscheidung, die das BSG im „Regadenoson“-Urteil auch nicht infrage gestellt habe. Aufgrund dieses Urteils gebe es weder Anlass noch Befugnis, die gesetzgeberische Entscheidung zur Nutzenbewertung von Orphan-Arzneimitteln unabhängig von einer zVT zu verwerfen. Aufgrund dieser sehr klaren Anordnung des Gesetzes könne auch entgegen der Auffassung der Klägerin keine Reduktion des Anwendungsbereiches des § 35a Abs. 1 SGB V vorgenommen werden, denn andernfalls würden die Sätze 11 bis 13 gegenstandslos werden. Dies sei methodisch nicht vertretbar und käme einer Normverwerfung gleich, die dem BVerfG vorbehalten sei. Ob eine Zusatznutzenbewertung bei Orphan-Arzneimitteln durchgeführt werden könne, sei nicht Teil der Prüfung durch das BSG in der „Regadenoson“-Entscheidung gewesen.
Rein vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass es sich bei Arikayce® liposomal entgegen der Auffassung der Klägerin nicht um einen zulassungsrechtlichen Solisten handele. Die Klägerin stütze ihre Auffassung primär auf den European Public Assessment Report (EPAR) der EMA. Als Beleg lege sie einen unvollständigen Auszug aus dem EPAR vor, der sich nicht auf das nunmehr zugelassene Arzneimittel Arikayce® liposomal beziehe. Dies rühre daher, dass sich das Zitat der EMA auf ein anderes Anwendungsgebiet als das letztlich zugelassene Anwendungsgebiet beziehe. Im Zulassungsverfahren sei nämlich zunächst ein anderes Anwendungsgebiet von Amikacin liposomal beansprucht worden, wie sich aus dem Beginn des von der Klägerin zitierten Abschnitts 1.1 des EPAR ergebe. Auf dieses ursprünglich beanspruchte Anwendungsgebiet beziehe sich die von der Klägerin in Bezug genommene Aussage im EPAR. Abweichend von dem ursprünglich beanspruchten Anwendungsgebiet, sei Arikayce® liposomal letztlich für das Anwendungsgebiet „Behandlung von Lungeninfektionen, verursacht durch zum Mycobakterium-avium-Komplex (MAC) gehörende nicht-tuberkulöse Mykobakterien (NTM), bei Erwachsenen begrenzten Behandlungsoptionen, die keine zystische Fibrose haben“ (Abschnitt 4 des EPAR auf Seite 108) zugelassen worden. Hinsichtlich dieses geänderten Anwendungsgebietes heiße es im EPAR auch nicht, dass keine zugelassenen Therapien verfügbar seien, sondern dass keine „speziell für NTM oder die Teilpopulation mit MAC-Lungenerkrankungen“ zugelassene Arzneimitteltherapien vorhanden seien (EPAR unter Ziffer 3.1.2. auf Seite 100). Entscheidend sei hierbei das Wort „speziell“ (im Original: „specifically“). Aus dem Bericht zur Aufrechterhaltung des Status als Orphan-Arzneimittel der EMA ergebe sich, dass es schon bei Erstbeantragung des Orphan-Status im Jahr 2014 zugelassene Arzneimittel gegeben habe, die das Anwendungsgebiet von Arikayce® liposomal umfassten. Dort heiße es auf Seite 4 unter 2. in freier Übersetzung: „Obgleich ausreichende Behandlungsmethoden für die Erkrankung in der Europäischen Union zugelassen sind, hat der Sponsor eine hinreichende Begründung für die Annahme vorgelegt, dass das Arzneimittel, das Amikacinsulfat enthält, von bedeutendem Nutzen für die erkrankten Personen sein kann.“ Auf Seite 5 f. desselben Reports seien im Unterabschnitt „Existing methods“ die einzelnen zugelassenen Arzneimittel zur Behandlung der Patienten im Anwendungsgebiet von Arikayce® liposomal aufgeführt. Auch hier sei die Unterscheidung zwischen „specifically“, also speziell für die Indikation zugelassene Arzneimitteln und in der Indikation zulassungskonform einsetzbaren Arzneimitteln wichtig. Es existierten mehrere Arzneimittel, die im Anwendungsbereich von Arikayce® liposomal zulassungskonform eingesetzt werden könnten. Dies habe der Ausschuss für Orphan-Arzneimittel der EMA explizit festgehalten.
Inwieweit die im Anwendungsgebiet von Arikayce® liposomal zulassungskonform einsetzbaren Arzneimittel eine zVT bilden würden, sei bislang nicht entschieden worden, weil dies rechtlich nicht erforderlich gewesen sei. Eine zVT werde nach dem Normprogramm des § 35a Abs. 1 SGB V nur dann bestimmt, wenn sie für die Nutzenbewertung erforderlich sei. Bei Orphan-Arzneimitteln werde der Zusatznutzen aber gesetzlich fingiert. Nach § 5 Abs. 8 AM-NutzenV habe der Beigeladene zu 2 unter Angabe der Aussagekraft der vorgelegten Nachweise nur das Ausmaß des Zusatznutzens zu quantifizieren, was aufgrund der vorliegenden klinischen Prüfungsergebnisse erfolge. Daher gehe auch der Einwand der Klägerin fehl, Arikayce® liposomal sei vom Beigeladenen zu 2 gegenüber einem Off-Label-Use-Komparator bewertet worden. Es sei vielmehr die Studienlage, die der pharmazeutische Unternehmer eingereicht habe, für sich genommen hinsichtlich des Ausmaßes und der Wahrscheinlichkeit des Zusatznutzens bewertet worden, wie dies der Anordnung des materiellen Rechts für Orphan-Arzneimittel entspreche. Sollte Arikayce® liposomal die Umsatzschwelle nach § 35a Abs. 1 Satz 12 SGB V überschreiten, würde in der nachfolgenden Zusatznutzenbewertung eine zVT gemäß § 6 Abs. 1 AM-NutzenV nach den internationalen Standards der evidenzbasierten Medizin zu bestimmen sein. Ihr Inhalt hänge daher von dem jeweils zum Bewertungszeitpunkt vorhandenen Stand der medizinischen Erkenntnisse ab. Es wäre folglich gegenwärtig rein spekulativ und somit nicht möglich zu extrapolieren, welche zVT der Beigeladene zu 2 für Arikayce® liposomal im Falle einer Nutzenbewertung nach Überschreitung der Umsatzgrenze zum Bewertungszeitpunkt in der Zukunft bestimmen würde.
Der Beigeladene zu 2 beantragt,
die Klage zu 1 abzuweisen.
Er ist der Auffassung, die Entscheidung des BSG vom 22. Februar 2023 zu dem Az. B 3 KR 14/21 R („Regadenoson“) sei von vornherein nicht auf den vorliegenden Fall anwendbar, da das hier zu bewertende Fertigarzneimittel Arikayce® liposomal als Orphan Drug dem Normprogramm des § 35a Abs. 1 Satz 11 bis 13 SGB V unterfalle. Hier sei eine zVT vom Beigeladenen zu 2 nicht bestimmt worden. Er habe der Quantifizierung des Zusatznutzens allein die von der Klägerin vorgelegten zulassungsbegründenden Unterlagen in Form der Ergebnisse der Studie CONVERT zugrunde gelegt; der im Studiendesign gewählte Vergleich sei dabei grundsätzlich aufgrund des Sonderbewertungsregimes von Orphan Drugs unbeachtlich. Die dem hiesigen Rechtsstreit zugrunde liegende Bewertung von Arzneimitteln für seltene Leiden sei somit von der mit der „Regadenoson“-Entscheidung für rechtswidrig erklärten regelhaft vergleichenden Zusatznutzenbewertung gegenüber einer zVT grundlegend zu unterscheiden und deshalb von den Auswirkungen dieses Urteils generell ausgenommen. Dies stehe im Einklang mit den Erwägungen des Gesetzgebers, welcher in der gesetzlichen Grundkonzeption davon ausgehe, dass es für die Behandlung einer seltenen Erkrankung im Sinne der VO (EG) Nr. 141/2000 zwar regelmäßig keine therapeutisch gleichwertige Altersnative gebe (so BT-Drucks 17/3698, S. 50) und deshalb regelmäßig keine Zusatznutzenbewertung im Vergleich zu einer vom Beigeladenen zu 2 zu bestimmenden Vergleichstherapie erfolge – jedenfalls so lange die maßgebliche Umsatzschwelle nicht überschritten sei. Die Nutzenbewertung als solche sei allerdings zweifelsohne unter den spezifischen Vorgaben des § 35a Abs. 1 Satz 11 bis 13 SGB V durchzuführen. Es mangele insofern weder an einer hinreichenden gesetzlichen Anleitung noch ergäben sich Zweifel daran, dass die Bewertung von sog. Orphan Drugs vom Normprogramm des § 35a SGB V erfasst wären. Dies gelte ausweislich der ausdrücklichen Gesetzesbegründung und dem Wortlaut von § 35a Abs. 1 Satz 11 bis 13 SGB V unabhängig von einem etwaigen Solisten-Status. Auch das BSG habe in seiner Entscheidung darauf hingewiesen, dass diese nicht auf Orphan Drugs anwendbar sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die ausgetauschten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gerichtsakte sowie die Akte zu dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren L 1 KR 170/22 KL ER verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung des Senates gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
A. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ist nach § 29 Abs. 4 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) für Klagen gegen Entscheidungen der Schiedsstelle nach § 130b SGB V im ersten Rechtszug sachlich zuständig.
B. Die Klage ist zulässig, denn die gesetzlichen Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor.
I. Der Antrag der Klägerin, die Unwirksamkeit des Nutzenbewertungsbeschlusses des Beigeladenen zu 2 als Teil der Arzneimittel-Richtlinie, Anlage XII, feststellen zu lassen, ist zulässig nach § 55 Nr. 1 SGG (vgl. bereits BSG, Urteil vom 10. September 2020 - B 3 KR 11/19 R – juris Rn. 17, 41; ebenso BSG, Urteil vom 12. August 2021 – B 3 KR 3/20 R – juris Rn. 15). Wird – wie hier - die Anfechtung eines Schiedsspruchs zur Festsetzung des Erstattungsbetrags (auch) mit substantiierten Einwendungen gegen den vorangegangenen Nutzenbewertungsbeschluss zum Arzneimittel mit einem neuen Wirkstoff begründet, ist es daher angezeigt, im gerichtlichen Verfahren auch auf einen Feststellungsantrag über die Rechtmäßigkeit des Nutzenbewertungsbeschlusses hinzuwirken (vgl. BSG, Urteil vom 28. März 2019 - B 3 KR 2/18 R – juris Rn. 34 ff.). Vor diesem Hintergrund war die Erweiterung des Klageantrags um die Feststellung der Unwirksamkeit des Nutzenbewertungsbeschlusses zulässig nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG. Der Feststellungsantrag ist auch nicht nach den Grundsätzen der Verwirkung ausgeschlossen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 12. August 2021 – B 3 KR 3/20 R – juris Rn. 18). Das Feststellungsinteresse der Klägerin folgt aus der Rechtsprechung des BSG, die eine mögliche Rechtsverletzung von Pharmaunternehmen aus dem Recht auf gleiche Teilhabe am Wettbewerb bejaht. Die Berufsfreiheit aus Art 12 Abs. 1 GG schützt auch davor, dass die Wettbewerbsstellung des Einzelnen durch staatliche Interventionen beeinträchtigt wird (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 19 m.w.N.).
II. Der Antrag der Klägerin, den Schiedsspruch aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über ihren Schiedsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden, ist als kombinierte Anfechtungs- und Bescheidungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1, 131 Abs. 3 SGG statthaft, denn der angefochtene Schiedsspruch ist gegenüber den Partnern der Erstattungsvereinbarung, die durch den Schiedsspruch ersetzt wird, ein Verwaltungsakt i.S.v. § 31 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X; vgl. BSG, Urteil vom 4. Juli 2018 - B 3 KR 20/17 R - juris Rn. 17 sowie Urteil vom 12. August 2021 – B 3 KR 3/20 R – juris Rn. 22). Zugleich macht die gerichtliche Aufhebung eines Schiedsspruchs nach § 130b Abs. 4 Satz 1 SGB V - in dem Falle, dass der ebenfalls angefochtene Nutzenbewertungsbeschluss des Beigeladenen zu 2 Bestand hat - zwingend eine erneute Entscheidung der beklagten Schiedsstelle über den Schiedsantrag erforderlich, wenn das Arzneimittel zu Lasten der GKV abgegeben werden soll, weshalb im Falle der Aufhebung des Schiedsspruchs auch die Verurteilung der Beklagten zur Neubescheidung angezeigt ist (vgl. BSG, Urteil vom 28. März 2019 - B 3 KR 2/18 R - juris Rn. 24).
Der pharmazeutische Unternehmer ist als Partner der Erstattungsvereinbarung klagebefugt (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Das Interesse an der Festsetzung eines EB kann ihm nicht deshalb abgesprochen werden, weil er den Vertrieb des Arzneimittels in Deutschland (zwischenzeitlich) einstellt. Dies gilt vor allem mit Blick auf die zwischenzeitlich rahmenvertraglich eingeräumte Option für ihn, im Anschluss an die Nutzenbewertung des GBA nach § 35a SGB V das Verhandlungsverfahren aufzunehmen oder ein laufendes Verfahren weiter zu betreiben, schließlich auch die genannte "Opt-out" Möglichkeit und das Arzneimittel aus dem Verkehr zu nehmen. Dann wird solange kein EB vereinbart oder von der Schiedsstelle festgesetzt, bis ein Arzneimittel mit diesem Wirkstoff erneut in den Verkehr gebracht wird. Dies ist allerdings lediglich eine Option des pharmazeutischen Unternehmers. (BSG, Urteil vom 28. März 2019 – B 3 KR 2/18 R – juris Rn. 26).
Ein vorheriges Widerspruchsverfahren war nach § 130b Abs. 4 Satz 6 SGB V nicht durchzuführen. Die Klagefrist von einem Monat (§ 87 Abs. 1 Satz 1 SGG) ist mit Klageerhebung gegen den der Klägerin am 23. Februar 2022 zugestellten Schiedsspruch vom 18. Februar 2022 am 23. März 2022 gewahrt.
C. Die Klage ist jedoch vollumfänglich unbegründet.
Im Rahmen des zweistufigen Preisregulierungsverfahrens (I.) ist der EB für das Arzneimittel von der Schiedsstelle (II.) zutreffend auf Grundlage des wirksamen Nutzenbewertungsbeschlusses des GBA vom 20. Mai 2021 (III.) festgesetzt worden.
I. Durch das AMNOG (vom 22.12.2010, BGBl I 2262) wurde ein zweistufiges System der Preisregulierung für erstattungsfähige Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen zum 1. Januar 2011 eingeführt. Der zu 2 beigeladene GBA bewertet auf der ersten Stufe des Verfahrens nach § 35a Abs. 1 Satz 1 SGB V den medizinischen Nutzen von in der GKV erstattungsfähigen Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen. Auf der zweiten Stufe erfolgt die wirtschaftliche Preisregulierung des Arzneimittels in der GKV: Für Arzneimittel, die nach dem Nutzenbewertungsbeschluss nach § 35a Abs. 3 SGB V keiner Festbetragsgruppe (s. § 35 Abs. 1 SGB V) zugeordnet wurden, vereinbart der GKV-Spitzenverband – der hiesige Beigeladene zu 1 - mit pharmazeutischen Unternehmern - im Benehmen mit dem Verband der privaten Krankenversicherung - auf der Grundlage des Nutzenbewertungsbeschlusses mit Wirkung für alle Krankenkassen Erstattungsbeträge für diese Arzneimittel (§ 130b Abs. 1 Satz 1 SGB V). Der EB für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel, der ab dem 13. Monat nach dem erstmaligen Inverkehrbringen des Arzneimittels gilt (§ 130b Abs. 3a Satz 2 SGB V), bildet damit den einheitlichen Abgabepreis für pharmazeutische Unternehmer (§ 78 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 Arzneimittelgesetz <AMG>; vgl. BSG, Urteil vom 4. Juli 2018 - B 3 KR 20/17 R – juris Rn. 25).
II. Die gemeinsam vom GKV-Spitzenverband und den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmen nach § 130b Abs. 5 Satz 1 SGB V gebildete Schiedsstelle setzt, wenn eine Erstattungsbetragsvereinbarung nach § 130b Abs. 1 oder 3 SGB V nicht innerhalb von sechs Monaten nach Veröffentlichung des Beschlusses des GBA nach § 35a Abs. 3 SGB V zustande kommt, den Vertragsinhalt nach § 130b Abs. 4 SGB V innerhalb von drei Monaten fest. Der Nutzenbewertungsbeschluss bildet damit sowohl die Grundlage für Vereinbarungen über den EB (vgl. § 130b Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 SGB V und Kap. 5 § 20 Abs. 2 Satz 1 der Verfahrensordnung des GBA <VerfO> i.V.m. § 91 Abs. 4 Nr. 1 und § 35a Abs. 1 Satz 9 SGB V) als auch für die Festsetzung des EB durch die Schiedsstelle (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juli 2018 - B 3 KR 20/17 R – juris Rn. 26f und - B 3 KR 21/17 R – juris Rn. 20).
III. Der Schiedsspruch vom 18. Februar 2022 basiert auf einer vom Beigeladenen zu 2 auf der Grundlage von § 35a Abs. 6 i.V.m. Abs. 1 Satz 11 1. Halbsatz, Abs. 3 SGB V (in der Fassung vom 22. März 2020, gültig bis zum 19. Juli 2021) i.V.m. § 5 Abs. 8 und 7 Satz 1 Nr. 4 Arzneimittel-Nutzenbewertungsverordnung (AM-NutzenV) und §§ 12 Nr. 1, 5 Abs. 7 VerfO GBA durchgeführten Nutzenbewertung für Arikaye® liposomal (Beschluss des Beigeladenen zu 2 vom 20. Mai 2021).
1. Danach gilt für Arikaye® liposomal aufgrund der Zulassung als Arzneimittel zur Behandlung eines seltenen Leidens (Orphan Drug) nach Verordnung (EG) Nr. 14/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 der medizinische Zusatznutzen durch die Zulassung als belegt. Der Beigeladene zu 2 entscheidet auf der Grundlage dieser gesetzlichen Fiktion des Zusatznutzens – solange der Umsatz des Arzneimittels mit der gesetzlichen Krankenversicherung zu Apothekenverkaufspreisen sowie außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung einschließlich Umsatzsteuer in den letzten zwölf Kalendermonaten einen Betrag von vormals 50 Millionen Euro, inzwischen 30 Millionen Euro, nicht übersteigt – unter Angabe der Aussagekraft der Nachweise nur über das Ausmaß des Zusatznutzens, ohne dass gleichzeitig eine zVT bestimmt wird. Erst wenn der Umsatz des Arzneimittels diese Grenze überschreitet, ist der Zusatznutzen – und damit auch die zVT, in Relation zu der der Zusatznutzen grundsätzlich zu ermitteln ist (§ 35a Abs. 1 Satz 2 SGB V; vgl. hierzu das Urteil des BSG vom 22. Februar 2023 – B 3 KR 14/21 R – juris Rn. 19, 22) – vom Beigeladenen zu 2 auf der Grundlage neu eingereichter Unterlagen des pharmazeutischen Unternehmers zu allen nach § 35a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 bis 6 SGB V erforderlichen Angaben und der zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Therapielandschaft im Anwendungsgebiet zu bewerten.
Dementsprechend hat der Beigelanden zu 2 in dem maßgeblichen Nutzenbewertungsbeschluss vom 20. Mai 2021 keine zVT bestimmt und das Ausmaß des Zusatznutzens allein anhand der von der Klägerin vorgelegten Studie CONVERT bestimmt. Diese hatte die Effekte einer MDR denjenigen einer MDR zuzüglich ALIS gegenüber gestellt. Hierzu heißt es in den „Tragende Gründe“ zum Nutzenbewertungsbeschluss auf Seite 3:
„Der GBA hat seinen Beschluss auf der Basis des Dossiers des pharmazeutischen Unternehmers, der vom GBA durchgeführten Dossierbewertung, der vom IQWiG erstellten Bewertung der Therapiekosten und Patientenzahlen (IQWiG G20-29) und der im schriftlichen und mündlichen Anhörungsverfahren vorgetragenen Stellungnahmen sowie des vom GBA erstellten Amendments zur Nutzenbewertung getroffen. Um das Ausmaß des Zusatznutzens zu bestimmen, hat der GBA die für die Zulassung relevanten Studien nach Maßgabe der in 5. Kapitel § 5 Absatz 7 Satz 1 Nummer 1 bis 4 VerfO festgelegten Kriterien in Hinblick auf ihre therapeutische Relevanz (qualitativ) bewertet.“
In dem vom Beigeladenen zu 2 auf seiner Webseite unter Nutzenbewertung (g-ba.de) veröffentlichten Bericht zur Nutzenbewertung vom 1. März 2021 wird auf Seite 7 ausgeführt:
„Gemäß § 35a Absatz 2 SGB V entscheidet der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA), ob er die Nutzenbewertung selbst durchführt oder das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) beauftragt. Ausgehend von der gesetzlichen Vorgabe in § 35a Absatz 1 Satz 11 1. Halbs. SGB V, dass der Zusatznutzen eines Orphan Drug durch die Zulassung als belegt gilt, hat der GBA in seiner Sitzung vom 15. März 2012 das Verfahren der Nutzenbewertung von Orphan Drugs dahingehend modifiziert, dass bei Orphan Drugs zunächst keine eigenständige Festlegung einer zweckmäßigen Vergleichstherapie mehr durch den GBA als Grundlage der insoweit allein rechtlich zulässigen Bewertung des Ausmaßes eines gesetzlich zu unterstellenden Zusatznutzens erfolgt. Vielmehr wird ausschließlich auf der Grundlage der Zulassungsstudien das Ausmaß des Zusatznutzens durch den GBA bewertet.“
Weiter heißt es auf Seite 8:
„Der GBA bestimmt bei Orphan Drugs, die einen Umsatz von 50 Millionen Euro in den letzten 12 Kalendermonaten nicht übersteigen, das Ausmaß des Zusatznutzens auf der Grundlage der Zulassung und der die Zulassung begründenden Studien.“
Letztlich durchgeführt wurde die Nutzenbewertung dann aufgrund der „randomisierten, offenen, multizentrischen Studie CONVERT zur Sicherheit und Wirksamkeit von liposomalem Amikacin zur Inhalation (ALIS) als Zusatz zu einer antibiotischen Kombinationstherapie (MDR) im Vergleich zur antibiotischen Kombinationstherapie allein bei erwachsenen Patientinnen und Patienten mit pulmonaler Mycobacterium-avium-Komplex-(MAC)-Infektion ohne zystische Fibrose“ (Seite 58 des Berichts zur Nutzenbewertung vom 1. März 2021 sowie mit gleicher Aussage S. 4 f. der „Tragende Gründe“ zum Beschluss).
Dem steht nicht entgegen, dass der Beigeladene zu 2 im Beratungsgespräch gemäß § 8 AM-NutzenV am 13. Dezember 2019 ausdrücklich rechtlich unverbindlich für den Fall einer Neubewertung des Zusatznutzens bei Überschreitung der 50 Mio. Euro Umsatzgrenze gemäß § 35a Absatz 1 Satz 12 SGB V (vgl. Seite 14 des Modul 1 des Nutzenbewertungsdossiers, 2020-11-27_Modul1_ALIS.pdf (g-ba.de) sowie die von der Klägerin eingereichte Niederschrift zum Beratungsgespräch) für das vorliegende Anwendungsgebiet die zVT wie folgt bestimmt hat:
„patientenindividuelle antibiotische Kombinationstherapie unter Auswahl von Azithromycin, Clarithromycin, Ethambutol, Rifabutin und Rifampicin; unter Berücksichtigung
• der Vortherapie,
• von Komorbiditäten (HIV-Infektion/AIDS)
• des (lokalen) Resistenzprofils,
• der Erregersensibilität (bei Vorliegen des Antibiogramms).“
Denn dies stellt keine formelle Bestimmung der zVT bezogen auf den Zeitpunkt des streitigen Nutzenbewertungsbeschlusses dar.
Soweit das BSG in seinem Urteil vom 22. Februar 2023 – B 3 KR 14/21 R – („Regadenoson“) nunmehr entschieden hat, dass eine Nutzenbewertung nur dann durchzuführen ist, wenn eine zVT bestimmt werden kann, bezieht sich dies ausweislich der Entscheidungsgründe nicht auf die vorliegende Konstellation eines Arzneimittels für seltene Leiden, dessen Nutzenbewertung nicht den allgemeinen Regeln des § 35a Abs. 1 Satz 1 bis 4 SGB V, sondern dem speziellen Normprogramm des § 35a Abs. 1 Satz 11 bis 13 SGB V folgt. Danach ist die Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V nach ihrer weiteren gesetzlichen und untergesetzlichen Ausformung zwar als eine vergleichende Zusatznutzenbewertung im Verhältnis zur vom Beigeladenen zu 2 zu bestimmenden zVT angelegt. Laut BSG bildet hierzu jedoch das Regelungsgefüge für Arzneimittel für seltene Leiden nach § 35a Abs. 1 Satz 11 bis 13 SGB V eine – eng begrenzte - Ausnahme (BSG, Urteil vom 22. Februar 2023 – B 3 KR 17/21 R – juris Rn. 19 am Anfang sowie Rn. 22 in der Mitte).
In seiner Entscheidung ist das BSG davon ausgegangen, dass § 35a SGB V in der Gesetz gewordenen Fassung im Regelungsgefüge des SGB V für eine Nutzenbewertung, die mangels einer heranziehbaren Vergleichstherapie im Anwendungsgebiet keine vergleichende Zusatznutzenbewertung in diesem Sinne ist, keine Rechtsgrundlage biete (BSG, a.a.O., Rn. 19). Dies schließt das BSG daraus, dass mit den auf Arzneimittel bezogenen Änderungen des § 92 SGB V durch das AMNOG (§ 92 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2a SGB V) eine von der Zusatznutzenbewertung eines Arzneimittels zu unterscheidende Nutzenbewertung nur noch in deren Rahmen möglich ist. Mit der Änderung des § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V durch das AMNOG und der hierdurch erfolgten Gleichstellung der arzneimittelrechtlich zu sichernden Wirksamkeit mit dem sozialversicherungsrechtlich zu gewährleistenden Nutzen seien Arzneimittel aus der Überprüfung eines nach patientenrelevanten Endpunkten gesicherten medizinischen Nutzens weitgehend herausgenommen. Vor diesem entstehungsgeschichtlichen Hintergrund beschränke sich die Nutzenbewertung nach § 35a SGB V - mit begrenzter Ausnahme bei Arzneimitteln für seltene Leiden - auf eine Zusatznutzenbewertung des Arzneimittels im Verhältnis zur zVT, die durch den - hier zu 2 beigeladenen - GBA bestimmt werde. Soweit die Gesetzesmaterialien nahelegten, dass die Nutzenbewertung auch "Solisten" erfassen solle (vgl. BT-Drucks 17/2413 S. 15, 22), sei dem mit der im Rahmen der Ausschussberatungen später vorgenommenen Änderung des § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V die Grundlage entzogen worden (BSG, a.a.O., Rn. 22).
Demgegenüber wird in § 35a Abs. 1 Satz 11 bis 13 SGB V i.V.m. § 5 Abs. 8 AM-NutzenV in Bezug auf Arzneimittel für seltene Leiden ausdrücklich die Zusatznutzenbewertung als Bewertung des Ausmaßes auf der Grundlage der vom pharmazeutischen Unternehmer gemachten Angaben zu den zugelassenen Anwendungsgebieten (§ 35a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB V), der Anzahl der Patienten und Patientengruppen, für die ein therapeutische bedeutsamer Zusatznutzen besteht (§ 35a Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB V), der Kosten der Therapie für die gesetzliche Krankenversicherung (§ 35a Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 SGB V) und der Anforderung an eine qualitätsgesicherte Anwendung (§ 35a Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 SGB V) bestimmt. Auf Seite 50 der Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit des Bundestags (BT-Drucks 17/3698) heißt es zur Einführung der (damals) Sätze 10 bis 12 in § 35a Abs. 1 SGB V:
„Wird für ein Arzneimittel ein Wirksamkeitsnachweis für die Behandlung einer seltenen Erkrankung durch die arzneimittelrechtliche Zulassung erbracht, ist dies als Zusatznutzen in diesem Anwendungsgebiet anzuerkennen. Es ist regelmäßig davon auszugehen, dass es für die Behandlung dieser Erkrankung keine therapeutisch gleichwertige Alternative gibt. Der pharmazeutische Unternehmer erbringt daher keine Nachweise zum Nutzen und zum Zusatznutzen im Dossier. Diese Erleichterung ist für Arzneimittel angemessen, die aufgrund ihrer Zulassung für seltene Erkrankungen einen geringen Umsatz haben. Erreicht der pharmazeutische Unternehmer mit dem Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung einen Umsatz von mehr als 50 Mio. Euro in den letzten 12 Kalendermonaten, ist ihm zuzumuten, den Nachweis des Zusatznutzens zu erbringen und hierfür ein vollständiges Dossier vorzulegen.“
Der Gesetzgeber war sich damit wohl bewusst, dass es sich bei Orphan Drugs auch um (therapeutische) Solisten handeln kann und hat im Lichte dessen unter Änderung des ursprünglichen Gesetzesentwurfs (BT-Drucks 17/2413) eine Zusatznutzenbewertung seitens des Beigeladenen zu 2 ohne Feststellung einer zVT allein in Gestalt der Quantifizierung eines fiktiven Zusatznutzens vorgeschrieben. Damit unterscheidet sich die Konstellation bei Orphan Drugs jedenfalls bis zur Überschreitung der maßgeblichen Umsatzschwelle entscheidend von derjenigen bei sonstigen Fertigarzneimitteln ohne diesen Sonderstatus. Darin, dass nach Überschreitung der maßgeblichen Umsatzschwelle erstmals eine vollumfängliche Nutzenbewertung nunmehr auf der Grundlage auch von Angaben des pharmazeutischen Unternehmers zum medizinischen Nutzen sowie zum medizinischen Zusatznutzen im Verhältnis zur zVT (§ 35a Abs. 1 Satz 3 Nrn. 2 und 3 SGB V) erfolgt mit der Konsequenz, dass der Beigeladene zu 2 dann auch eine zVT bestimmen muss, um den Zusatznutzen überhaupt festzustellen und ihn nachfolgend zu quantifizieren, liegt auch kein Wertungswiderspruch. Vielmehr ist das bei Orphan Drugs unterhalb der maßgeblichen Umsatzschwelle durchzuführende Nutzenbewertungsverfahren vom Gesetzgeber ausdrücklich als eine Erleichterung für den pharmazeutischen Unternehmer angelegt, der bei seltenen Krankheiten vor dem Hintergrund der geringen Patientenanzahl in der Regel Schwierigkeiten mit der Durchführung der notwendigen Studien hat. Gleichzeitig soll auch für diesen beschränkten, häufig von Leiden großer Schwere betroffenen, Patientenkreis ein schnelle Versorgung mit neuen spezifischen Arzneimitteln gewährleistet werden, ohne dass die im Nutzenbewertungsverfahren verkörperte Qualitätssicherung gänzlich aufgegeben wird.
2. Im Übrigen handelt es sich bei Arikayce® liposomal weder um einen therapeutischen (hierzu unter a) noch einen zulassungsrechtlichen (hierzu unter b) Solisten. Denn es existiert seit Jahren eine bewährte – wenn auch nicht für alle Patienten befriedigend effektive - antibiotische Kombinationstherapie zur Behandlung von Patienten mit pulmonaler MAC-Infektion.
Arikayce® liposomal verfügt seit dem 27. Oktober 2020 über eine europaweite arzneimittelrechtliche Zulassung der EMA als Arzneimittel zur „Behandlung von Lungeninfektionen, verursacht durch zum Mycobakterium-avium-Komplex (MAC) gehörende nicht-tuberkulöse Mykobakterien (NTM), bei Erwachsenen mit begrenzten Behandlungsoptionen, die keine zystische Fibrose haben“. Dabei soll das Arzneimittel lt. Fachinformation zusammen mit weiteren Antibiotika angewendet werden, die bei Lungeninfektionen durch zum MAC gehörende Erreger wirksam sind (4.2 der Fachinformation).
a) Kann weder eine medikamentöse noch eine nichtmedikamentöse zweckmäßige Vergleichstherapie bestimmt werden, ist das zu bewertende Arzneimittel ein sog. therapeutischer Solist (BSG, Urteil vom 22. Februar 2023 – B 3 KR 14/21 R – juris Rn. 25 m.w.N.).Tatsächlich existiert jedoch grundsätzlich bereits eine bewährte und in internationalen Leitlinien festgehaltene medikamentöse Therapie der genannten Erkrankung, was sich bereits aus dem Orphan Maintenance Assessment Report der EMA vom 27. Oktober 2020 unter 2. (Seite 4 des Reports) sowie unter 4. (Seite 8 des Reports) ergibt:
„although satisfactory methods of treatment of the condition have been authorised in the European Union“.
Weiter heißt es unter 3. auf Seite 5 f. des Reports:
„The current treatment of NTM lung disease is primarily with a multi-drug regimen (MDR) based on the treatment of tuberculosis. The recommendation for patients with MAC is a 3-drug regimen including a macrolide, ethambutol and a rifamycin. Treatment is often for 12 to 18 months and selected based on clinical presentation and disease progression but may exceed 18 months.
Specifically, the ATS/IDSA guidelines recommend a 3 times weekly regimen of clarithromycin (1,000 mg) or azithromycin (500 mg), rifampicin (600 mg) and ethambutol (25 mg/kg) for most patients with nodular/bronchiectatic MAC lung disease. For patients with fibrocavitary MAC lung disease or severe nodular/bronchiectatic disease, a daily regimen of clarithromycin (500 to 1,000 mg) or azithromycin (250 mg), rifampicin (600 mg) or rifabutin (150 to 300 mg) and ethambutol (15 mg/kg) with consideration of 3 times weekly IV [Anm.: intravenös] amikacin or streptomycin early in therapy is recommended. Patientsshould continue treatment for 12 months after sputum culture conversion (SCC) has been achieved.“
Ebenso wird auf Seiten 11 und 100 f. des EPAR der EMA vom 23. Juli 2020 unter 2.1.5. bzw. 3.1.2. dargelegt:
„The current treatment of NTM lung disease is primarily with a multi-drug regimen (MDR) based on the treatment of tuberculosis. The recommendation for patients with MAC is a 3-drug regimen including a macrolide, ethambutol and a rifamycin. Treatment is often for 12 to 18 months and selected based on clinical presentation and disease progression but may exceed 18 months.
Intravenous (IV) amikacin or intramuscular streptomycin are recommended for patients with fibrocavitary disease or severe nodular/bronchiectatic disease and/or previously treated disease. Aminoglycosides are limited by poor penetration into lung tissue after IV administration, poor uptake by alveolar macrophages and the potential for ototoxicity, loss of balance and impaired renal function with high or prolonged systemic exposure.
The goal of treatment is 12 months of negative sputum cultures while on treatment. Culture conversion has been reported to occur in the majority of patients without fibrocavitary disease if they complete a full course of guideline-based treatment. However, in patients who experience treatment failure and/or have more severe underlying conditions such as fibrocavitary disease, culture conversion is more difficult, even with extended treatment, and alternative therapeutic options are limited. The ATS/IDSA guidelines recommend a 3 times weekly regimen of clarithromycin (1,000 mg) or azithromycin (500 mg), rifampicin (600 mg) and ethambutol (25 mg/kg) for most patients with nodular/bronchiectatic MAC lung disease. For patients with fibrocavitary MAC lung disease or severe nodular/bronchiectatic disease, a daily regimen of clarithromycin (500 to 1,000 mg) or azithromycin (250 mg), rifampicin (600 mg) or rifabutin (150 to 300 mg) and ethambutol (15 mg/kg) with consideration of 3 times weekly IV amikacin or streptomycin early in therapy is recommended. Patients should continue treatment for 12 months after sputum culture conversion has been achieved.“
Die Tatsache, dass nicht sämtliche an MAC-Infektionen erkrankte erwachsene Patienten mit der bisherigen antibiotischen Kombinationstherapie befriedigend behandelt werden können in dem Sinne, dass ihr Leiden geheilt wird, ist nicht mit einem gänzlichen Fehlen therapeutischer Alternativen gleichzusetzen. Vielmehr stellt der Einsatz von Arikayce® liposomal als „Add-on“ zur bisherigen MDR eine Erweiterung der Therapieoptionen für einen eng bestimmten Patientenkreis (Erwachsene mit begrenzten Behandlungsoptionen, die keine zystische Fibrose haben) dar.
b) Arikayce® liposomal ist entgegen dem Vorbringen der Klägerin auch kein zulassungsrechtlicher Solist. Ist für ein Anwendungsgebiet nur ein Arzneimittel arzneimittelrechtlich in Deutschland zugelassen, ist dieses ein sog. zulassungsrechtlicher Solist (vgl. zum Begriff Hess in BeckOGK, § 35a SGB V Rn. 12, Stand Mai 2022). Im Anwendungsgebiet nicht zugelassene Arzneimittel können nach Auffassung des BSG (Urteil vom 22. Februar 2023 – B 3 KR 14/21 R – juris Rn. 28) im Rahmen der gesetzlichen Ausgestaltung für die regelmäßige Nutzenbewertung nach § 35a Abs. 1 SGB V gegenüber zulassungsrechtlichen Solisten grundsätzlich keine zweckmäßige Alternative als Grundlage für eine auf eine Zusatznutzenbewertung gestützte Preisregulierung sein.
Zur Frage, ob andere Wirkstoffe / Arzneimittel existieren, die im Anwendungsgebiet zugelassen sind, wird von der Klägerin auf Seite 9 des Dossier zur Nutzenbewertung – Modul 3 A (veröffentlicht unter: 2020-11-27_Modul3A_ALIS.pdf (g-ba.de)) ausgeführt:
„Zugelassen zur Behandlung von Patienten im Anwendungsgebiet sind Azithromycin, Clarithromycin, Ethambutol, Rifampicin und Rifabutin (bei HIV-positiven und AIDS-Patienten) [ ]. Die Zulassung dieser Arzneimittel ist nicht begrenzt auf das vorliegende Anwendungsgebiet, sondern gilt für die Behandlung der pulmonalen MAC-Infektion im Allgemeinen (d.h. auch zur Initialtherapie der pulmonalen MAC-Infektion).“
Im Einzelnen sind die genannten Wirkstoffe wie folgt zugelassen:
- Azithromycin (etwa Zithromax 250 mg / 500 mg Filmtabletten, Pfizer Pharma GmbH: Anwendungsgebiet lt. Fachinformation u.a. Behandlung von Infektionen der unteren Atemwege, inklusive Bronchitis und Pneumonie; freigegebene Textversion vom 12. Mai 2023 unter Arzneimittel-Informationssystem (dimdi.de) oder Azithromycin 250 mg / 500 mg Filmtabletten, 1 A Pharma: Anwendungsgebiet lt. Fachinformation u.a. Behandlung von leichten bis mittelschweren ambulant erworbenen Pneumonien; freigegebene Textversion vom 3. Mai 2022 unter Arzneimittel-Informationssystem (dimdi.de)),
- Clarithromycin (etwa Klacid Pro 250 mg Filmtabletten, Mylan Healthcare GmbH: Anwendungsgebiet lt. Fachinformation u.a. Behandlung von Infektionen der Atemwege wie z. B. akute und chronische Bronchitis, Bronchopneumonie, Lungenentzündung (Pneumonie), sog. atypische Lungenentzündung (Mykoplasmenpneumonie); freigegebene Textversion vom 21. Juni 2022 unter Arzneimittel-Informationssystem (dimdi.de) oder Clarithromycin Accord Filmtabletten 250 / 500 mg, Accord Healthcare B.V.: Anwendungsgebiet lt. Fachinformation u.a. ambulant erworbene bakterielle Pneumonie; freigegebene Textversion vom 2. März 2022 unter Arzneimittel-Informationssystem (dimdi.de)),
- Ethambutol (etwa Myambutol 400 mg Filmtabletten, Esteve Pharmaceuticals GmbH: Anwendungsgebiet lt. Fachinformation u.a. Behandlung atypischer (oder opportunistischer) Mykobakteriosen durch Mycobacterium avium–Komplex bei nachgewiesener Empfindlichkeit der Erreger, immer in Mehrfachkombinationstherapie mit weiteren antimykobakteriell wirksamen Chemotherapeutika; freigegebene Textversion vom 4. März 2022 unter Arzneimittel-Informationssystem (dimdi.de)),
- Rifampicin (etwa EREMFAT 300 mg Filmtabletten, Esteve Pharmaceuticals GmbH: Anwendungsgebiet lt. Fachinformation u.a. Behandlung von pulmonalen, lokalisierten extrapulmonalen sowie disseminierten Infektionen durch nichttuberkulöse Mykobakterien (NTM), immer in Kombination mit weiteren antimykobakteriell wirksamen Antibiotika; freigegebene Textversion vom 12. Mai 2023 unter Arzneimittel-Informationssystem (dimdi.de))
und
- Rifabutin (etwa Mycobutin 150 mg Hartkapsel; Pfizer Pharma: Anwendungsgebiet lt. Fachinformation u.a. Behandlung von MAC-Infektionen, immer in Kombination mit weiteren antimykobakteriellen Arzneimitteln; freigegebene Textversion vom 18. Juni 2021 unter Arzneimittel-Informationssystem (dimdi.de)).
Damit sind die genannten Wirkstoffe zulassungskonform für die Behandlung von pulmonalen MAC-Infektionen einsetzbar, ein Off-Label-Use findet – anders als in dem vom BSG in dem Urteil vom 22. Februar 2023 entschiedenen Fall – gerade nicht statt. Daraus, dass Ariykayce® liposomal nur für ein innerhalb des breiten Anwendungsgebietes nicht-tuberkulöser bakterieller pulmonaler Erkrankungen / MAC-Infektionen spezifisches Teil-Anwendungsgebiet zugelassen ist, folgt daher nicht, dass es für ein gänzlich „anderes“ Anwendungsgebiet zugelassen und somit ein zulassungsrechtlicher Solist wäre. Zutreffend weist der Beigeladene zu 1 darauf hin, dass auch im EPAR vom 23. Juli 2020 nicht etwa festgestellt wird, es existierten bislang keine für die Behandlung der Erkrankung zugelassenen Arzneimittel. Vielmehr heißt es auf Seite 100 unter 3.1.2. des Reports lediglich:
„There are no approved treatments specifically for NTM or for the subset with MAC lung disease in the EU.“
Frei übersetzt bedeutet dies:
In der EU gibt es keine zugelassenen Behandlungen speziell für NTM oder für die Untergruppe mit MAC-Lungenerkrankungen.
Ebenso wird auf Seite 107 des Reports unter 3.7.1. ausgeführt:
„There are no agents specifically licensed in the EU for treatment of chronic MAC lung disease […]“
In freier Übersetzung:
In der EU gibt es keine speziell für die Behandlung der chronischen MAC-Lungenerkrankung zugelassenen Wirkstoffe […]
Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass das letztlich zugelassene, sehr beschränkte Anwendungsgebiet von Arikayce® liposomal maßgeblich auf Sicherheitsbedenken beruht (lt. Seite 107 des EPAR unter 3.7.1.: „Thus, the current safety data also support use of Arikayce only in a very restricted patient group […]“; frei übersetzt: Daher sprechen auch die aktuellen Sicherheitsdaten für den Einsatz von Arikayce nur bei einer sehr begrenzten Patientengruppe […]), was die Einordnung des Anwendungsgebiets von Arikayce® liposomal als Teil-Anwendungsgebiet des Anwendungsgebietes der nicht-tuberkulösen bakteriellen Lungeninfektionen unterstreicht.
3. Der Zusatznutzen ist vom Beigeladenen zu 2 als nicht quantifizierbar bestimmt worden, weil die wissenschaftliche Datengrundlage dies nicht zulässt (§ 5 Abs. 8 Satz 2, Abs. 7 Nr. 4 AM-NutzenV). Hinweise für eine Rechtswidrigkeit des Nutzenbewertungsbeschlusses aus formellen Gründen liegen nicht vor. Die Beklagte durfte sich daher einschränkungslos am Ergebnis der frühen Nutzenbewertung des Beigeladenen zu 2 orientieren und die Nutzenbewertung zur „Grundlage“ der Festsetzung des EB machen (vgl. § 130b Abs. 1 Satz 1 SGB V).
IV. Auf der Grundlage des Nutzenbewertungsbeschlusses hat die beklagte Schiedsstelle den EB für das Arzneimittel Arikayce® liposomal (Wirkstoff Amikacin (liposomal)) sowohl in verfahrensrechtlicher (dazu unter 2.) als auch in materiell-rechtlicher (dazu unter 3.) Hinsicht beanstandungsfrei festgelegt. Die hiergegen erhobenen Einwände der Klägerin greifen nicht durch.
1. Der von der beklagten Schiedsstelle getroffene Schiedsspruch ist durch seinen Kompromisscharakter geprägt und nicht immer die einzig sachlich vertretbare Entscheidung. Deshalb ist dieser ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, der nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle zugänglich ist (stRspr zu Schiedsstellen; vgl. etwa BSG, Urteil vom 4. Juli 2018 - B 3 KR 20/17 R – juris Rn. 22 m.w.N.). Die Vertragsgestaltungsfreiheit, die der gerichtlichen Überprüfung Grenzen setzt, ist für die Schiedsstelle nicht geringer als diejenige der Vertragspartner einer im Wege freier Verhandlung erzielten Vereinbarung (z.B. BSG, Urteile vom 12. August 2021 – B 3 KR 3/20 R – juris Rn. 39; Urteil vom 4. Juli 2018 - B 3 KR 20/17 R – juris Rn. 22 m.w.N; Urteil vom 10. Mai 2017 - B 6 KA 14/16 R – juris Rn. 51 m.w.N.; zur Schiedsstelle nach § 76 SGB XI: Urteil vom 26. September 2019 – B 3 P 1/18 R – juris Rn. 18). Entscheidungen der Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V unterliegen daher nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle darauf hin, ob die Schiedsstelle zwingendes Gesetzesrecht beachtet, den bestehenden Beurteilungsspielraum eingehalten und den zugrunde gelegten Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs hinreichend ermittelt hat (vgl. etwa BSG, Urteil vom 4. Juli 2018 - B 3 KR 20/17 R – juris Rn. 19).
2. Die – ordnungsgemäß besetzte – beklagte Schiedsstelle hat die aus § 130b Abs. 4, 5 und 6 SGB V folgenden formellen Anforderungen an die Durchführung des Schiedsverfahrens beachtet. Die Beteiligten hatten ausreichend Gelegenheit, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen vor Ergehen des Schiedsspruchs zu äußern (vgl. § 24 Abs. 1 SGB V, Art. 103 Abs. 1 GG; BSG, Urteil vom 4. Juli 2018 – B 3 KR 21/17 R – juris Rn. 46). Anders als von der Klägerin geltend gemacht, hat die Beklagte sich nicht „überraschend“ am Ende der mündlichen Schiedsverhandlung vom 18. Februar 2022 und im Rahmen der schriftlichen Begründung des Beschlusses hinsichtlich der Preisbestimmung mit dem Argument, die Höhe der Kosten der Sockeltherapie seien nicht ersichtlich, an den Jahrestherapiekosten von Bedaquilin ohne Berücksichtigung dieser Sockeltherapiekosten orientiert. Die Beklagte war nicht verpflichtet, im Laufe der mündlichen Verhandlung hierzu weitere Hinweise zu erteilen. Die auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs gerichtete Rüge der Klägerin ist verspätet. Sie ist auch in der Sache nicht berechtigt. Ein Begründungsdefizit liegt nicht vor.
a) Die von der Klägerin erstmals im gerichtlichen Verfahren erhobene Rüge ist verspätet.
Für Schiedsverfahren gilt § 295 Abs. 1 ZPO gemäß § 202 Satz 1 SGG entsprechend (BSG, Urteil vom 4. Juli 2018 – B 3 KR 21/17 R – juris Rn. 46). Danach kann die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form einer Prozesshandlung betreffenden Vorschrift nicht mehr gerügt werden, wenn ein Beteiligter auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet, oder wenn sie bei der nächsten mündlichen Verhandlung, die aufgrund des betreffenden Verfahrens stattgefunden hat oder in der darauf Bezug genommen wird, den Mangel nicht gerügt hat, obgleich sie erschienen und ihr der Mangel bekannt war oder bekannt sein musste. Dies gilt nur dann nicht, wenn auf die verletzte Vorschrift nicht wirksam verzichtet werden kann (§ 295 Abs. 2 ZPO). Dieser Rechtsgedanke ist in Bezug auf Schiedsverfahren entsprechend zu übertragen, mit der Folge, dass eine entsprechende Rüge spätestens vor der abschließenden Beratung der Schiedsstelle vorgebracht werden muss, da Schiedsverfahren regelmäßig – so auch hier – nur eine mündliche Verhandlung haben. Über die Erhebung etwaiger Verfahrensrügen oder den Verzicht hierauf muss die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Auskunft geben (BSG a.a.O.).
Eine Verfahrensrüge in Bezug auf die Verletzung ihres rechtlichen Gehörs in der Sitzung der Beklagten vom 18. Februar 2022, die unmittelbar dem Schiedsspruch vom selben Tag vorausging, hat die Klägerin ausweislich der Sitzungsniederschrift der Schiedsstelle nicht erhoben. Letztlich hat sie auch nach der mündlichen Begründung des Schiedsspruchs ausweislich des Protokolls nur das inhaltliche Vorgehen der Beklagten gerügt, nicht hingegen eine Verletzung rechtlichen Gehörs, obwohl nach ihrem eigenen Vortrag der Vorsitzende der Beklagten bereits in der mündlichen Begründung ausgeführt hatte, die Höhe der Kosten der Sockeltherapie seien nicht ersichtlich gewesen. Die erst im gerichtlichen Verfahren erhobene Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs ist daher verspätet erfolgt. Es reicht nicht aus, solche vermeintlich formellen Mängel des Schiedsverfahrens erstmals nach Bekanntgabe des Schiedsspruchs zu erheben (BSG, Urteil vom 4. Juli 2018 – B 3 KR 21/17 R – juris 46 ff. ).
Der Anknüpfungspunkt für die Preisermittlung und hier insbesondere die Frage der Berücksichtigung unterschiedlich hoher Kosten der Sockeltherapien bei Arikayce® (liposomal) und bei Bedaquilin war bereits ausführlich Gegenstand des zuvor an die Beklagte gerichteten Schriftsatzes der Klägerin vom 4. Februar 2022, in welchem diese im Übrigen die unterschiedlichen Kosten unter Bezugnahme auf das jeweilige Nutzendossier beziffert hatte. Die Klägerin hatte im Schiedsverfahren mehrfach Gelegenheit, ihre eigene Rechtsposition hierzu darzustellen. Dies zeigt sich bereits in dem Eingangsvortrag der Klägerin auf den Folien 5 und 6 (Anlage 2 zum Protokoll der Schiedsverhandlung vom 18. Februar 2022). Laut dem Protokoll der Schiedsverhandlung wurde von den Beteiligten außerdem in der Zeit von 16:30 Uhr bis 17:15 Uhr „vertiefend zu den sog. Sockeltherapien diskutiert“. Soweit die Klägerin vorbringt, der Vorsitzende der Schiedsstelle habe im Rahmen der Diskussionen zum Ausdruck gebracht, dass er eine Berücksichtigung der unterschiedlich hohen Kosten der Sockeltherapie bei der Monetarisierung des Zusatznutzens für grundsätzlich nachvollziehbar und plausibel erachte, erschließt sich dem Senat nicht, inwieweit hieraus eine Vorfestlegung seitens der Beklagten folgern sollte, dass und in welcher Weise unterschiedliche Kosten der Sockeltherapien tatsächlich bei der Preisbildung durch die Schiedsstelle berücksichtigt werden würden. Nur dann könnte von einem nachfolgenden „Sinneswandel“ gesprochen werden. Der gedankliche Ansatz der Klägerin ist eben nur für im Grundsatz nachvollziehbar erachtet worden, was einem nachfolgenden „ABER“ bezogen auf die konkrete Einzelfallbeurteilung in keiner Weise entgegen steht. Im Übrigen haben Äußerungen des Vorsitzenden der beklagten Schiedsstelle kaum eine Aussagekraft dazu, wie die Mehrheit der Mitglieder der Schiedsstelle die Bedeutung der unterschiedlichen Sockeltherapiekosten bewertet. Tatsächlich trägt die Klägerin im Weiteren vor, im Zuge der Beratung in der Schiedsstelle von 18:00 Uhr bis 18:15 Uhr sei den von ihr benannten Schiedsstellenmitgliedern mitgeteilt worden, die unparteiischen Mitglieder hätten sich gegen die Berücksichtigung der Sockeltherapiekosten entschieden, was einen für die Klägerin „vollkommen überraschenden“ Sinneswandel dargestellt habe. Allerdings bot sich der Klägerin in der anschließend fortgesetzten mündlichen Verhandlung dann zeitlich ausreichend Gelegenheit, aufgrund dieser ihr Klägerin nunmehr bekannten Festlegung der unparteiischen Mitglieder weiter auf einer Erörterung der Sockeltherapiekosten zu bestehen. Hier hätte auch Gelegenheit bestanden, ggf. eine Verfahrensrüge zu erheben. Dies ist jedoch ausweislich des Protokolls gerade nicht geschehen.
Im Übrigen gilt für den Anspruch auf rechtliches Gehör, der aus dem Rechtsstaatsgedanken für das gerichtliche Verfahren entwickelt wurde, dass die entscheidenden Gremien die Ausführungen der Beteiligten lediglich zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen müssen. Hierbei muss das Entscheidungsgremium auch nicht das Vorbringen in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich bescheiden. Das Verfahrensgrundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG schützt auch nicht davor, dass das Vorbringen eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt bleibt. Ebenso wenig bietet es Schutz davor, dass das Gericht die Rechtsansicht eines Beteiligten nicht teilt (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juli 2018 – B 3 KR 21/17 R – juris Rn. 48 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass die Schiedsstelle den Tatsachen- bzw. Rechtsvortrag der Klägerin völlig außer Acht bzw. unberücksichtigt gelassen hat, liegen nicht vor. Dagegen spricht bereits, dass die kontroversen Rechtspositionen der Klägerin und des Beigeladenen zu 1 zur Frage der Berücksichtigung der Sockeltherapiekosten im Schiedsspruch unter Nr. 7 der Erwägungen wiedergegeben werden (dort S. 6).
Die Klägerin überzeugt auch nicht mit ihrem Vorbringen, sie hätte in der mündlichen Verhandlung noch keine Verfahrensrüge erheben können, weil die Beklagte erst in den Gründen des Schiedsspruchs darauf abgestellt habe, dass die Höhe der Kosten der Sockeltherapie bei Bedaquilin nicht „ohne Weiteres ersichtlich seien“. Ihr sei daher erst nach Abschluss der Verhandlung der Verfahrensverstoß bekannt geworden, weshalb sie mit ihrer Rüge nicht präkludiert sein könne. Die Klägerin stellt hier auf Nr. 7 der Erwägungen der Schiedsstelle ab. Hier benennt die Beklagte zwei Gedanken, die sie bewogen haben, die Kosten der Sockeltherapien gänzlich außer Acht zu lassen: Zum einen sei ihr die nahe liegende Vermutung, der EB von Bedaquilin wäre höher ausgefallen, wenn das Präparat nicht Teil einer Kombinationstherapie wäre, deren weitere Bestandteile auch Kosten verursachten, zu spekulativ gewesen. Zum anderen sei der Beklagten nicht ohne Weiteres ersichtlich gewesen, wie hoch die genauen weiteren Kosten seien. Zwischen den Beteiligten habe Uneinigkeit bestanden über die Höhe der Kosten der Sockeltherapie bei Bedaquilin. Während die Klägerin auf die Angaben im Dossier des Herstellers für Bedaquilin verwiesen habe, habe der Beigeladene zu 1 bestritten, dass die darin genannten Werte durchgängig zum Tragen gekommen seien.
Diese – im Zusammenhang zu lesenden - Ausführungen beruhen auf zutreffenden Tatsache. Darüber, ob der vereinbarte EB für Bedaquilin höher gewesen wäre, wäre das Arzneimittel nicht Teil einer Kombinationstherapie gewesen, lässt sich trefflich spekulieren, angesichts der Freiheit der Verhandlungspartner bei der Vereinbarung des EB und der Vertraulichkeit der Verhandlungen aber nicht mit Sicherheit feststellen. Ebenso hat die Klägerin im Schiedsverfahren Unterlagen aus dem Dossier des Herstellers von Bedaquilin zu den Kosten der Sockeltherapie vorgelegt, während der Beigeladene zu 1 bestritten hat, dass diese im Rahmen der Vereinbarung zum EB von Bedaquilin „durchgehend zum Tragen“, mithin von entscheidender Bedeutung gewesen seien. Angesichts des Streits zwischen den Verhandlungsparteien war für die Beklagte auch unklar, in welcher Höhe die Kosten der Sockeltherapie in den verhandelten EB eingeflossen sind. Hierin spiegelt sich der anhaltende Streit zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1, der immerhin eine der Vertragsparteien bei der Vereinbarung des EB für Bedaquilin war, zur Bedeutung der Sockeltherapiekosten wider. Der Senat kann hingegen nicht erkennen, dass die Beklagte hiermit aussagt, es habe an Unterlagen zu den Kosten der Sockeltherapie gefehlt. Soweit die Klägerin geltend macht, die Beklagte hätte einen Hinweis dahingehend erteilen müssen, dass die Berücksichtigung der Kosten der Sockeltherapie im Rahmen der Nutzenmonetarisierung von Arikayce® liposomal an fehlenden oder nicht ausreichenden Angaben zur Kostenhöhe scheitern könnte, damit sie – die Klägerin – durch Vorlage weiterer Belege nach Verhandlungsunterbrechung oder mit einem Vertagungsantrag hätte reagieren können, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Entscheidend war für die Beklagte offensichtlich nicht, dass die Klägerin keine hinreichenden Unterlagen zur Höhe der für die Sockeltherapie bei Bedaquilin anfallenden Kosten vorgelegt hätte, sondern dass deren tatsächlicher Einfluss auf die Höhe des vereinbarten EBs unklar blieb.
b) Der Schiedsspruch genügt auch den an einen Verwaltungsakt zu stellenden Begründungsanforderungen aus § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X, wonach in der Begründung eines Verwaltungsakts die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen sind, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben, ohne dass an die Begründung des Schiedsspruchs hohe Anforderungen zu stellen wären. Angesichts des Kompromisscharakters der zu treffenden Entscheidung und des weiten Gestaltungsspielraums der Schiedsstelle ist diesem Erfordernis Genüge getan, wenn die Gründe für das Entscheidungsergebnis ausreichend, im Sinne von „wenigstens andeutungsweise“, erkennbar sind (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juli 2018 – B 3 KR 21/17 R – juris Rn. 41 ff. m.W.n.).
Der Schiedsspruch wird dieser Anforderung gerecht. Er enthält den maßgeblichen Sachverhalt und den wesentlichen Ablauf des Verfahrens, die Erwägungen der Schiedsstelle unter Bezugnahme insbesondere auf die jeweiligen Argumente der Beteiligten und den zu Grunde liegenden Nutzenbewertungsbeschluss. Die Begründung lässt ausreichend erkennen, wie die Beklagte den EB hinsichtlich der Anknüpfungspunkte sowie rechnerisch ermittelt und welche Tatsachen und Umstände sie zu dessen Festsetzung sowie zur Festsetzung der weiteren Vertragsinhalte veranlasst haben.
3. Der Schiedsspruch ist auch in materiell-rechtlicher Hinsicht rechtmäßig. Maßgeblicher Zeitpunkt für die rechtliche Beurteilung der Sach- und Rechtslage eines Schiedsspruchs ist der Tag seines Erlasses, hier mithin der 6. Juli 2020 (vgl. BSG, Urteil vom 12. August 2021 – B 3 KR 3/20 R – juris Rn. 40). Die beklagte Schiedsstelle hat in Ausübung ihres Gestaltungspielraums das vorliegend einschlägige Normenprogramm in nicht zu beanstandender Weise umgesetzt. Sie hat ihre Entscheidung insbesondere - wie § 130b Abs. 4 Satz 2 SGB V vorschreibt - "unter freier Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Therapiegebietes" getroffen. Als im Ausgangspunkt maßgebenden Normenkomplex hat sie ihrer Entscheidung zutreffend § 130b Abs. 1 i.V.m. Abs. 9 Satz 3 SGB V und das untergesetzliche Regelwerk der RahmenV über die Maßstäbe für solche Vereinbarungen (§§ 4, 5, 6 RahmenV i.d.F. vom 30. Juni 2016) i.V.m. der AM-NutzenV und mit den Beschluss des Beigeladenen zu 2 nach § 35a Abs. 3 SGB V zugrunde gelegt. Die auf der Grundlage des Beschlusses des GBA getroffenen Wertungen und Prognosen zur Festlegung des EB widersprechen weder den Denkgesetzen der Logik noch Grundsätzen allgemeiner Lebenserfahrung. Auch ist die Beklagte nicht von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz ist ebenso wenig festzustellen.
aa) Für ein Arzneimittel, das nach dem Nutzenbewertungsbeschluss nach § 35a Abs. 3 SGB V keinen Zusatznutzen hat und keiner Festbetragsgruppe zugeordnet werden kann, soll ein EB vereinbart werden, der nicht zu höheren Jahrestherapiekosten führt als die nach § 35a Abs. 1 Satz 7 SGB V bestimmte zVT (§ 130b Abs. 3 Satz 1 SGB V). Sind nach § 35a Abs. 1 Satz 7 SGB V mehrere Alternativen für die zVT bestimmt, soll der EB nicht zu höheren Jahrestherapiekosten führen als die wirtschaftlichste Alternative (§ 130b Abs. 3 Satz 2 SGB V). Für ein Arzneimittel, für das ein Zusatznutzen nach § 35a Abs. 1 Satz 5 SGB V als nicht belegt gilt, ist ein EB zu vereinbaren, der zu in angemessenem Umfang geringeren Jahrestherapiekosten führt als die nach § 35a Abs. 1 Satz 7 SGB V bestimmte zVT (§ 130b Abs. 3 Satz 5 SGB V). Sind nach § 35a Abs. 1 Satz 7 SGB V mehrere Alternativen für die zVT bestimmt, ist ein EB zu vereinbaren, der zu in angemessenem Umfang geringeren Jahrestherapiekosten führt als die wirtschaftlichste Alternative (§ 130b Abs. 3 Satz 6 SGB V).
bb) Für Arzneimittel mit Zusatznutzen existieren hingegen keine weiteren gesetzlichen Vorgaben zur Kalkulation bzw. Preisfestlegung des EB. Vielmehr verweist das Gesetz in § 130b Abs. 9 SGB V weitgehend auf eine zwischen dem GKV-Spitzenverband und den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer abzuschließende Rahmenvereinbarung (RahmenV; Rahmenvereinbarung_130b_Abs9__SGB_V_2016.pdf (gkv-spitzenverband.de)) über die Maßstäbe für Vereinbarungen nach § 130 Abs. Abs. 1 SGB V, in der insbesondere die Kriterien festgelegt werden, die neben dem Beschluss nach § 35a SGB V und den Vorgaben nach § 130b Abs. 1 SGB V heranzuziehen sind. Als Kriterien für die Vereinbarungen eines EB sollen nach § 130b Abs. 9 S. 3 SGB V für Arzneimittel, für welche der hier zu 2 beigeladene GBA einen Zusatznutzen festgestellt hat, die Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel sowie die tatsächlichen Abgabepreise in anderen europäischen Ländern gewichtet nach den jeweiligen Umsätzen und Kaufkraftparitäten berücksichtigt werden. Hierbei handelt es sich jedoch nur um eine „Soll-Vorschrift“, d.h. Abweichungen von der Soll-Forderung des Gesetzes in begründeten Fällen sind möglich (Luthe in Hauck/Noftz, SGB V, Stand März 2023, Rn. 155 zu § 130b).
Die Maßstäbe, anhand derer die Preise zu vereinbaren sind, regeln die §§ 5, 6 RahmenV. So wird nach § 5 Abs. 2 RahmenV der EB durch einen Zuschlag vereinbart, der als Eurobetrag zu den Jahrestherapiekosten der zVT addiert wird. Die Höhe des Zuschlages richtet sich nach den in § 5 Abs. 2 S. 2 und § 6 RahmenV genannten Kriterien. Neben Kriterien wie dem Ausmaß des Zusatznutzens im Verhältnis zur zVT (§ 5 Abs. 2 S. 2 Rahmen V, § 6 Abs. 1 RahmenV), der Anzahl der Patienten bzw. der für die Behandlung in Frage kommenden Patientengruppen (§ 6 Abs. 1 RahmenV), den Therapiekosten im Vergleich zur zVT (§ 6 Abs. 1 RahmenV), der Nutzenbewertung nach § 35a Abs. 2 SGB V (§ 6 Abs. 2 RahmenV), dem vom pharmazeutischen Unternehmer erstellten Dossier (§ 6 Abs. 2 RahmenV) und den tatsächlichen Abgabepreisen in anderen europäischen Ländern (§ 6 Abs. 3 RahmenV) sollen auch die Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel (§ 6 Abs. 4 RahmenV) Berücksichtigung bei der Preisbestimmung finden.
Die Gewichtung dieser Kriterien untereinander regelt die RahmenV hierbei nur rudimentär. Jedoch ergibt sich aus § 130b SGB V, dass die in § 6 Abs. 2 bis 4 RahmenV genannten Aspekte gegenüber den in § 6 Abs. 1 RahmenV genannten Kriterien, die sich auf den Zusatznutzen und die zVT beziehen, nur nachrangig zu berücksichtigen sind. Dies folgt bereits unmittelbar aus § 130b Abs. 1 SGB V, der bestimmt, dass die Preisverhandlungen auf Grundlage des GBA-Beschlusses über die Nutzenbewertung zu führen sind. Hierdurch wird das Kriterium des Zusatznutzens gegenüber den anderen, nicht in § 130b Abs. 1 SGB V genannten Kriterien im Rahmen der Preisverhandlung hervorgehoben. Bestätigt wird dieser Vorrang durch die Vorgaben des § 130b Abs. 9 SGB V hinsichtlich des notwendigen Inhalts der RahmenV. Hier gibt der Gesetzgeber den Parteien zwar vor, dass sie Kriterien festzulegen haben, die bei der Preisverhandlung neben dem Nutzenbewertungsbeschluss nach § 35a SGB V zugrunde zu legen sind. Bei den in § 130b Abs. 9 Satz 3 SGB V genannten Kriterien handelt es sich jedoch – wie bereits ausgeführt – nur um eine Sollvorschrift. Aus der Tatsache, dass nach der Wertung des Gesetzgebers lediglich der Nutzenbewertungsbeschluss nach § 35a Abs. 3 SGB V als zwingendes Kriterium bei der Preisverhandlung zugrunde zu legen ist und die Festlegung der anderen heranzuziehenden Kriterien im gebundenen Ermessen der auf untergesetzlicher Ebene agierenden Parteien der Rahmenvereinbarung steht, folgt, dass der einheitliche EB in erster Linie an dem festgestellten Zusatznutzen zu orientieren ist (BSG, Urteil vom 4. Juli 2018 – B 3 KR 21/17 R – juris Rn. 20).
Die Bestimmungen der § 130b Abs. 9 Satz 3 SGB V, §§ 5, 6 RahmenV belassen der beklagten Schiedsstelle insbesondere dann einen weiten Beurteilungsspielraum, wenn der Nutzenbewertungsbeschluss nach § 35a Abs. 3 SGB V aufgrund einer (noch) wenig aussagekräftigen Datenbasis ergangen ist und auch die einzelnen Feststellungen zum Zusatznutzen eher vage geblieben sind. Darüber hinaus gibt es auch weder konkrete Vorgaben dafür, wie das Ausmaß des Zusatznutzens monetär zu bewerten ist, noch enthalten sie Bewertungsmaßstäbe für eine klare Orientierung. Zur Umsetzung des Ziels, den Versicherten innovative Arzneimittel möglichst frühzeitig zu angemessenen Erstattungsbeträgen zur Verfügung zu stellen, vertraut der Gesetzgeber deshalb nicht allein auf die wenig konkreten materiell-rechtlichen Kriterien, sondern misst daneben auch der Struktur des Einigungs- und Aushandlungsprozesses besondere Bedeutung bei. Dieser Prozess soll in erster Linie zu einer Einigung zwischen den Beteiligten führen. Kommt eine Einigung nicht zustande, führt die paritätisch und sachkundig besetzte Schiedsstelle zunächst als Vermittlerin den Verhandlungsprozess fort, um noch auf diesem Weg eine einvernehmliche Lösung zu erwirken. Erst wenn auch dieses Vorgehen gescheitert ist, ersetzt die Schiedsstelle durch eine Mehrheitsentscheidung der Mitglieder die offen gebliebenen konsensualen Regelungen. Dieses austarierte Verhandlungssystem bietet vor allem durch seine an vertraglichen Vereinbarungen orientierten strukturellen Vorgaben sowie die mit erheblicher Fachkunde ausgestattete und teils paritätisch, teils unparteiisch besetzte Schiedsstelle eine hinreichende Gewähr dafür, zu akzeptablen Inhalten der Schiedssprüche zu gelangen (BSG, Urteil vom 4. Juli 2018 – B 3 KR 20/17 R – juris Rn. 42). Diese gesetzliche Vorgabe für die Zusammensetzung des Gremiums ist zugleich eine organisatorische Vorkehrung gegen einseitig parteiisches oder gar willkürliches Handeln (BSG, Urteil vom 4. Juli 2018 – B 3 KR 21/17 R – juris Rn. 39).
Die regelmäßig kurzen Vertragslaufzeiten (vgl. § 130b Abs. 7 S 1 SGB V) einschließlich außerordentlicher Kündigungsmöglichkeiten bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Bildung einer Festbetragsgruppe nach § 35 Abs. 1 SGB V sowie bei Veröffentlichung eines neuen Beschlusses zur Nutzenbewertung nach § 35a Abs. 3 SGB V oder zur Kosten-Nutzen-Bewertung nach § 35b SGB V (§ 130b Abs. 7 S. 3 SGB V), sorgen zudem für zeitnahe Anpassungsmöglichkeiten an eine verbesserte Datenlage. Jede Vertragspartei kann zudem nach einem ergangenen Schiedsspruch nach § 130b Abs. 4 SGB V beim hier beigeladenen GBA eine Kosten-Nutzen-Bewertung nach § 35b SGB V beantragen (vgl. § 130b Abs. 7 S. 2, Abs. 8 SGB V). Da mit diesem Gesamtsystem den Versicherten innovative Arzneimittel schon in einem möglichst frühen Stadium nach der Markteinführung bei häufig noch unsicherer Datenlage zur Verfügung stehen und die Erstattungsbeträge dennoch möglichst nah am Zusatznutzen orientiert sein sollen, sind gewisse Unwägbarkeiten bei der Festsetzung des EB in einem überschaubaren zeitlichen Rahmen hinzunehmen (BSG, , Urteil vom 4. Juli 2018 – B 3 KR 20/17 R – juris Rn. 43).
cc) Ist – wie im vorliegenden Fall – zulässigerweise keine zVT festgelegt worden, kann die Preisbildung von vornherein nicht über einen Zuschlag auf die Jahrestherapiekosten einer zVT erfolgen. Erschwerend für die Preisbildung kommt vorliegend - worüber die Verhandlungsparteien sich laut der Gründe zum angegriffenen Schiedsspruch auch im vorliegenden Fall einig waren - hinzu, dass ein vergleichbares Arzneimittel i.S.d. § 6 Abs. 4 RahmenV nicht vorliegt. Als Kriterien für die Preisbildung verbleiben damit zunächst nur der Nutzenbewertungsbeschluss des Beigeladenen zu 2 mit den darin getroffenen Feststellungen insbesondere zum Zusatznutzen, das von der Klägerin hier erstellte Dossier nach § 35a Abs. 1 Satz 3 SGBV (veröffentlicht unter: Nutzenbewertungsverfahren zum Wirkstoff Amikacin (liposomal) (Mykobakterium-avium-Komplex (MAC) Lungeninfektionen) - Gemeinsamer Bundesausschuss (g-ba.de)) sowie die europäischen Vergleichspreise.
Für die Frage, welche Kosten bei welchem Nutzen angemessen sind, fehlen rechtliche Anhaltspunkte; insoweit existiert kein Modell und kein Konzept, nach dem der medizinische Nutzen einer Gesundheitsleistung in Kosten umgerechnet werden könnte. Diese Kernfrage ist vielmehr in erster Linie dem Verhandlungsverfahren zwischen dem pharmazeutischen Unternehmer (hier der Klägerin) und dem GKV-Spitzenverband (hier der Beigeladene zu 1) überantwortet (BSG a.a.O. Rn. 46). Vor diesem Hintergrund ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn sich die Beklagte auch an dem durch die Anträge der Verhandlungspartner eröffneten (Verhandlungs-)Korridor orientiert. Insbesondere kann den normativen Vorgaben für die Festsetzung des EB nicht entnommen werden, dass der für den Zusatznutzen anzusetzende Betrag in einer bestimmten algorithmisch zu ermittelnden Relation zu den Kosten einer zVT stehen muss. Die Entscheidung der Schiedsstelle ist nicht durch einen konkreten „Entscheidungsalgorithmus“ vorgegeben (BSG a.a.O. Rn. 46 f.).
dd) Der Schiedsspruch der Beklagten hält sich noch innerhalb des durch diese rechtlichen Vorgaben gesteckten Rahmens für den Gestaltungsspielraum der Schiedsstelle. Weder die Monetarisierung des Zusatznutzens durch die Schiedsstelle noch der sich daraus ergebende EB insgesamt begegnen vor dem Hintergrund, dass der Beklagten kein geringerer Gestaltungsspielraum zusteht als derjenige der Vertragspartner einer im Wege freier Verhandlung erzielten Vereinbarung, rechtlichen Bedenken.
Die Schiedsstelle hat auf der Grundlage des vorstehend dargelegten Normprogramms und der dadurch vorgegebenen Entscheidungsparameter den Sachverhalt zutreffend erfasst. Verstöße gegen die Denkgesetze der Logik oder die Grundsätze allgemeiner Lebenserfahrung kann der Senat nicht erkennen. Ein Verstoß gegen Denkgesetze liegt nur dann vor, wenn ein Schluss aus Gründen der Logik schlechthin unmöglich ist, nicht jedoch bereits dann, wenn verschiedene Folgerungen möglich sind, auch wenn die getroffene nicht überzeugend ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 13. A., Rn. 12 zu § 128).
Die Beklagte hat ausweislich des Protokolls der Schiedsverhandlung und der Erwägungen zum Beschluss die gesetzlich bzw. nach § 6 der RahmenV vorgegebenen verbliebenen Parameter
- der Nutzenbewertungsbeschluss des Beigeladenen zu 2 insbesondere zur Feststellung eines Anhaltspunkts für einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen
- das von der Klägerin zur Nutzenbewertung vorgelegte und in die Nutzenbewertung des Beigeladenen zu 2 eingeflossene Dossier und
- die tatsächlichen Abgabepreisen in anderen europäischen Länder
erkannt und gewürdigt. Um den – laut Nutzenbewertungsbeschluss des Beigeladenen zu 2 nicht quantifizierbaren – Zusatznutzen zu monetarisieren, hat sich die Beklagte im vorliegenden Fall an den Jahrestherapiekosten eines anderen Antibiotikums mit Orphan-Drug-Status, das in einem nicht ganz weit entfernten Indikationsgebiet zum Einsatz kommt (multiresistente pulmonale Tuberkulose), – Bedaquilin – i.H.v. 23.900 Euro orientiert. Sie hat den in dieser Höhe monetarisierten Zusatznutzen mit 80% gewichtet und die – hinsichtlich der Grundlagen ihrer Bestimmung als mit Unsicherheiten behafteten – europäischen Abgabepreise i.H.v. 138.000 Euro bestimmt und mit 20% gewichtet.
Anhaltspunkte für sachwidrige Erwägungen ergeben sich aus dieser Entscheidungsfindung nicht. Denn ihren Abwägungsprozess hat die Beklagte am – in diesem Fall wenig ergiebigen - gesetzlichen und untergesetzlichen Regelwerk sachgerecht orientiert. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn sich die Beklagte – dem Antrag des Beigeladenen zu 1 folgend – mangels einer zVT und eines vergleichbaren Arzneimittels zur Monetarisierung des Zusatznutzens als sog. „Preisanker“ an einem „ähnlichen“ Arzneimittel – nämlich Bedaquilin – orientiert hat. Ob sich auch ein anderes Arzneimittel als „Preisanker“ geeignet hätte, ist vorliegend nicht zu entscheiden. Letztlich ist nur zu entscheiden, ob es sich um ein vertretbares Vorgehen handelt. Dies greift auch die Klägerin letztlich nicht an. Hiervon ausgehend begegnet es keinen Bedenken, dass die Beklagte bei ihren weiteren Überlegungen und Berechnungen die unterschiedliche Höhe der Kosten der Sockeltherapie bei Bedaquilin und bei Arikayce® liposomal nicht berücksichtigt hat. Dabei lässt der Senat dahinstehen, ob tatsächlich – wie die Klägerin meint - eine Berücksichtigung der Kostenunterschiede logisch zwingend zur Festsetzung eines höheren EB für Arikayce® liposomal als 136,00 € pro Bezugsgröße hätte führen müssen; dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass bei Bedaquilin im Gegensatz zu Arikayce® liposomal ein beträchtlicher Zusatznutzen festgestellt wurde. Die Beklagte war auch nicht gehalten, zur Höhe der Kosten der Sockeltherapie bei Bedaquilin weiter zu ermitteln. Hierzu lagen ihr – von der Klägerin vorgelegte – Unterlagen vor. Ungeklärt geblieben ist der Einfluss, den die Sockeltherapiekosten auf die Höhe des vereinbarten EBs für Bedaquilin gehabt haben. Weitere Aufklärungsmaßnahmen hierzu erschließen sich vor dem Hintergrund der Vertraulichkeit der Verhandlungen und der Tatsache, dass der Beigeladene zu 1 als damaliger und jetziger Verhandlungspartner offensichtlich zu Angaben nicht bereit war, nicht, und werden von der Klägerin im Übrigen auch nicht konkretisiert.
Die Klägerin berücksichtigt bei ihrem Vorbringen darüber hinaus nicht hinreichend, dass im vorliegenden Fall keine zVT festgelegt wurde. Bei dem von der Beklagten als so genannter „Preisanker“ herangezogenen Bedaquilin handelt es sich weder um eine zVT (dies wäre vorliegend wohl am ehesten das im Dossier zum Nutzenbewertungsbeschluss benannte MDR) noch um ein vergleichbares Arzneimittel. Soweit die Klägerin daher auf die Schiedssprüche vom 19. September 2018 – Rolapitant, 18. Juli 2020 – Apalutamid, 2. Februar 2022 – Dapaglifozin und 4. März 2022 – Olaparib verweist und meint, daraus ableiten zu können, dass daraus sich eine ständige Spruchpraxis der Beklagten ergebe, wonach bei „Add on-Therapien“ die Kosten der Sockeltherapie bei der Festsetzung des EB regelmäßig in Abzug gebracht würden, geht dies fehl.
Anders als im vorliegenden Fall ist nämlich bei sämtlichen der genannten Medikamente von Seiten des zu 2 beigeladenen GBA eine zVT bestimmt worden. Bei Rolapitant wurde im Übrigen festgestellt, dass ein Zusatznutzen nicht belegt ist. Die Preisbestimmung orientierte sich daher von vornherein – und damit anders als im vorliegenden Fall - an dem normativen Programm des § 130b Abs. 3 Satz 5 SGB V i.V.m. § 130b Abs. 9 SGB V, § 5 Abs. 1 RahmenV. Im Einzelnen kann den genannten verschiedenen Schiedssprüchen aufgrund der mangelnden Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Ausgangskonstellationen weder eine „ständige Spruchpraxis“ entnommen werden noch erschließt sich überhaupt eine Vergleichbarkeit mit dem vorliegend zu entscheidenden Fall:
In dem Schiedsspruch zu Apalutamid entschied die Beklagte zu einem Fertigarzneimittel, das zur Behandlung bestimmter Formen des Prostatakarzinoms in Kombination mit der zVT (als Add on-Therapie) eingesetzt wird. Hier orientierte sich die Beklagte zunächst am Preisniveau vergleichbarer onkologischer Präparate und tätigte hiervon wegen des geringen Zusatznutzens von Apalutamid einen Preisabschlag. Von dem so ermittelten Betrag wurden die Kosten für die nicht eingesparte zVT abgezogen. Erwägungen zu den Kosten möglicher Sockeltherapien bei den herangezogenen vergleichbaren onkologischen Präparaten sind in den Beschluss nicht eingeflossen.
In dem Schiedsspruch zu Rolapitant entschied die Beklagte zu einem Fertigarzneimittel, das zur Prävention von bestimmten Formen von Übelkeit und Erbrechen bei Chemotherapien eingesetzt wird. In keinem der vom Beigeladenen zu 2 gebildeten Teil-Anwendungsgebiete war ein Zusatznutzen festgestellt worden. Rolapitant wird dabei in bestimmten Teil-Anwendungsgebieten in Kombination mit Wirkstoffen eingesetzt, die auch in der entsprechenden zVT zur Anwendung kommen. Die Beklagte wendete in diesem Fall eine Saldierung an, um die Kosten der Kombinationspartner beim bewerteten Arzneimittel und in der heranzuziehenden zVT -Variante abzuziehen. Dabei war zwischen den Parteien des Schiedsverfahrens umstritten, in welchem Umfang ein bestimmter Kombinationspartner „auf beiden Seiten“ jeweils eingesetzt wird. Hier entschied sich die Beklagte dazu, die Kosten dieses Kombinationspartners nur zu 65% in Abzug zu bringen.
In dem Schiedsspruch zu Dapagliflozin entschied die Beklagte zu einem Fertigarzneimittel, das in mehreren Anwendungsgebieten eingesetzt wird und für das hinsichtlich eines Anwendungsgebietes bereits eine ungekündigte EB-Vereinbarung existierte. Während der Zusatznutzen im neu hinzugekommenen Anwendungsgebiet als beträchtlich festgestellt worden war, war im weiteren Anwendungsgebiet patientengruppenorientiert teilweise ein geringer Zusatznutzen festgestellt, teilweise ein Zusatznutzen als nicht belegt erachtet worden. Die Beklagte bildete einen sog. Mischpreis. Ähnlich wie im Fall von Rolapitant wird Dapagliflozin in Kombination mit Arzneimitteln eingesetzt, die sich auch in der zVT finden. Die Beklagte führte eine Saldierung durch, um „insoweit allein die Monetarisierung des Zusatznutzens“ in die Berechnung des EB einzustellen und nicht den Preissockel der gemeinsamen Kombinationspartner einbeziehen zu müssen. Auch in diesem Schiedsspruch erfolgte die Kostensaldierung von Komponenten der Sockeltherapie, die sowohl beim bewerteten Arzneimittel als auch bei der zVT vorkommen.
In dem Schiedsspruch zu Olaparib entschied die Beklagte ebenfalls zu einem Fertigarzneimittel, zu dem bereits eine EB-Vereinbarung vorlag, das aber nunmehr die Zulassung in noch weiteren Anwendungsgebieten erhalten hatte. Hierzu hatte der Beigeladenen zu 2 in mehreren Nutzenbewertungsbeschlüssen jeweils zVTs festgelegt. Abhängig von den Anwendungsgebieten war zuletzt ein Anhaltspunkt für einen beträchtlichen Zusatznutzen festgestellt oder ein Zusatznutzen als nicht belegt erachtet worden. Die Beklagte musste auch hier einen sog. Mischpreis bilden. Die Beklagte hatte für Olaparib u.a. einen Teil-EB in dem Anwendungsgebiet von Apalutamid festzusetzen. Dabei habe Olaparib im Vergleich zu Apalutamid einen beträchtlichen Zusatznutzen in diesem Anwendungsgebiet gehabt. Die Beklagte würdigte bei der Ermittlung des Teil-EB, dass Apalutamid auf einer sehr preisgünstigen zVT aufsetzt, während Olaparib bereits Kosten der zVT in Höhe von ca. 30.000 € erfordert, auf die für den Zusatznutzen nach § 5 Abs. 2 RahmenV ein Zuschlag festzusetzen gewesen wäre. Die Beklagte hat dabei – wie schon bei Apalutamid - festgehalten, dass es keinen Algorithmus für den Zusammenhang von Zusatznutzenmonetarisierung und Kosten der zVT gebe, allerdings auch die Gesamtkosten des Therapieschemas zu würdigen seien. Der Schiedsspruch zu Olaparib hat daher keine Aussage dazu getroffen, inwieweit Kosten einer Sockeltherapie zu saldieren wären, da insoweit kein Saldierungsfall vorgelegen hat. Es ist vielmehr ein Vergleich zu Apalutamid angestellt worden.
Vor dem Hintergrund, dass es keine konkreten gesetzlichen Vorgaben für die monetäre Bewertung des Zusatznutzens gibt und wenige gesetzlich und untergesetzlich vorgegebenen Kriterien zur Festsetzung des EB existieren, war die Beklagte ersichtlich in jedem einzelnen der o.g. Schiedsverfahren bestrebt, "unter freier Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Therapiegebietes" zu entscheiden. Gleiches gilt auch für die hier streitige Entscheidung zu Arikayce® liposomal. Der Umstand, dass im hier zu entscheidenden Fall – und anders als bei Apalutamid, Rolapitant, Dapagliflozin und Olaparib - nur sehr wenige Entscheidungsparameter vorgegeben waren, korrespondiert mit einem erweiterten Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum der Verhandlungspartner bzw. der Beklagten hinsichtlich der Festsetzung des EB.
ee) Ein – von der Klägerin geltend gemachter - Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz ist ebenfalls nicht ersichtlich. Dass die Beklagte entgegen Art. 3 Abs. 1 GG gleichgelagerte Sachverhalte ohne hinreichenden Grund unterschiedlich behandeln würde ist nach dem vorstehend ausgeführten zu den Schiedssprüchen betreffend Apalutamid, Rolapitant, Dapagliflozin und Olaparib nicht zu erkennen. Es handelt sich offensichtlich schon nicht um gleichgelagerte Sachverhalte.
V. Die von der Klägerin hilfsweise beantragte Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung kam hiernach ebenfalls nicht in Betracht.
D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1 und Abs. 3, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
E. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).