L 11 KR 2637/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 19 KR 6719/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2637/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Soweit der Finanzbedarf einer Krankenkasse durch die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds nicht gedeckt ist, ist sie gesetzlich verpflichtet, von ihren Mitgliedern einen einkommensabhängigen Zusatzbeitrag zu erheben; ein Ermessen steht ihr nicht zu.
2. Den Krankenkassen steht ein weiter Bewertungsspielraum hinsichtlich der Frage zu, ob ihr Finanzbedarf durch die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds gedeckt ist, sowie der dabei zu treffenden Prognose zu den Einnahmen und Ausgaben für das Folgejahr zu. Die Gerichte haben die Einschätzungsprärogative der Krankenkasse zu respektieren.

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 08.07.2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der minderjährige, einkommenslose Kläger wendet sich gegen die Erhebung bzw. Anhebung des Zusatzbeitrages zur freiwilligen, gesetzlichen Krankenversicherung (KV) im Zeitraum vom 01.01.2016 bis 31.12.2017.

Der 2010 geborene Kläger ist seit seiner Geburt gemäß § 9 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bei der Beklagten zu 1 freiwillig kranken- und bei der Beklagten zu 2 pflegepflichtversichert (PV). Seit dem 01.08.2021 ist er bei den Beklagten familienversichert.

Seit dem 01.01.2015 erhebt die Beklagte zu 1 von ihren Versicherten einen Zusatzbeitrag zur KV i.H.v. 0,9 % (Satzung der Beklagten in der ab dem 01.07.2009 geltenden Fassung i.V.m. dem 32. Nachtrag zur Satzung vom 13.12.2014). Dieser Beitragssatz wurde zum 01.01.2016 auf 1,2 % (Satzung der Beklagten in der ab dem 01.07.2009 geltenden Fassung i.V.m. dem 39. Nachtrag zur Satzung vom 12.12.2015) und zum 01.04.2017 auf 1,5 % (Satzung der Beklagten in der ab dem 01.07.2009 geltenden Fassung i.V.m. dem 46. Nachtrag zur Satzung vom 17.03.2017) angehoben. Seitdem erfolgte keine weitere Änderung des Zusatzbeitragssatzes.

Im Dezember 2014 setzte die Beklagte zu 1 - auch im Namen der Beklagten zu 2 - für die Zeit ab dem 01.01.2015 den monatlichen Beitrag des Klägers zur KV i.H.v. 140,81 € (ermäßigter Beitragssatz 14,0% + Zusatzbeitrag 0,9%) und zur PV i.H.v. 22,21 € fest. Ergänzend führte sie an, es ergäben sich keine Änderungen bei den Beitragssätzen im Vergleich zu 2014. Diesem Schreiben fügte die Beklagte zu 1 weitere Erläuterungen bei, unter anderem über Zusatzbeiträge in der GKV ab 2015, wobei sie auf ein Sonderkündigungsrecht zum 31.01.2015 hinwies.

Mit Schreiben aus „Dezember 2015“ teilte die Beklagte zu 1 dem Kläger - auch im Namen der Beklagten zu 2 - mit, die Beitragssätze betrügen insgesamt 15,2 % bzw. 15,8 % jeweils einschließlich eines Zusatzbeitrages i.H.v. 1,2 %. Der Gesetzgeber habe zum Jahreswechsel die Beitragseckwerte angepasst. Wenn die Beitragsbe­messung des Klägers über den 31.12.2015 hinaus gelte oder unbefristet gültig sei, betrage sein monatlicher Beitrag für die Zeit ab dem 01.01.2016 zur KV 147,19 € und zur PV 22,76 €. Auf Seite 2 des Schreibens führte die Beklagte zu 1 aus: „Für Fragen zum Leistungs- und Serviceangebot der KKH, aber auch zu Ihrem Sonderkündigungsrecht bezüglich Ihrer Mitgliedschaft - Details finden Sie auf dem beiliegende Informationsblatt - stehen wir Ihnen rund um die Uhr unter der kostenfreien Hotline (...) zur Verfügung."

Gegen die Beitragserhöhung im Bescheid von „Dezember 2015“, überschrieben mit „Informationen zur KKH 2016“ und „anlässlich der Erhebung eines Zusatzbeitrags in Höhe von 1,2 %“ legte der Kläger durch seinen Vater und Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 14.01.2016 Widerspruch ein.

Mit Schreiben vom 24.06.2016 teilte die Beklagte zu 1 dem Kläger mit, der durch­schnitt­liche Zusatzbeitrag für das Jahr 2015 sei seitens des Bundesgesundheits­ministeriums (BMG) auf 0,9 % festgelegt worden. Sie habe den Zusatzbeitrag um 0,3 Prozentpunkte auf 1,2 % angehoben. Aufgrund der Absenkung des Beitragssatzes von 15,5 % in 2014 auf 14,6 % ab dem Jahr 2015 fehlten der GKV Mittel zur Finanzierung ihrer Aufgaben. Diese müssten die Kassen über Zusatzbeiträge erwirt­schaften. Der Zusatzbeitrag 2015 sei ein Instrument, die durch Absenkung des Beitragssatzes entstandenen finanziellen Lücken zu schließen, um das Leistungs­niveau der GKV insgesamt aufrechtzu­erhalten.

Der Kläger hielt seinen Widerspruch weiter aufrecht und führte in seinem Schreiben vom 19.07.2016 aus, die Erhebung der Zusatzbeiträge für Kinder ohne eigenes Einkommen stelle einen Grundrechtsverstoß dar.

Mit Schreiben vom 26.09.2016 führte die Beklagte zu 1 weiter aus, die Beitrags­berechnung bei freiwillig Versicherten erfolge einkommensabhängig. Für den Fall, dass ein freiwillig versichertes Mitglied keine eigenen Einkünfte erziele, gelte als beitrags­pflichtige Einnahme für jeden Kalendertag mindestens der 90. Teil der monatlichen Bezugsgröße gemäß § 3 der GKV-Beitragsverfahrensgrundsätze Selbst­zahler. Diese Bezugsgröße werde jährlich von der Bundesregierung festgelegt und betrage für das Jahr 2016 monatlich 2.905,00 €. Somit habe der Kläger monatlich Beiträge zur KV und PV aus mindestens 968,33 € zu entrichten. Danach bemesse sich auch der Zusatzbeitrag, welcher kassenspezifisch und in § 242 SGB V geregelt sei.

Daraufhin teilte der Kläger im Schreiben vom 14.11.2016 mit, er benötige die voll­ständige Auskunft über die bei den Beklagten erhobenen und zugrunde gelegten Daten, auf denen der Zusatzbeitrag berechnet und festgelegt worden sei. Bei Kindern von einem fiktiven Einkommen von monatlich 968,33 € auszugehen, verbiete sich hingegen von selbst, da ihnen maximal ein Kindergeld i.H.v. monatlich 200,00 € zukomme.

Mit Bescheid vom 06.01.2017 setzte die Beklagte zu 1 - auch im Namen der Beklagten zu 2 - den monatlichen Beitrag ab dem 01.01.2017 zur KV - einschließlich Zusatz­beitrag - i.H.v. 150,73 € sowie zur PV i.H.v. 25,29 € fest. Weiter führte sie aus, die gesetzlich vorgegebene Bezugsgröße steige für das Jahr 2017 gegenüber 2016 geringfügig an. Gleichzeitig habe die Bundesregierung die Beitragssätze zur sozialen Pflegeversicherung um 0,20 Prozentpunkte angehoben.

Auch hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 18.01.2017 Widerspruch ein.

Mit Schreiben vom 24.01.2017 führte die Beklagte zu 1 weiter aus, der Finanzbedarf in der GKV könne durch die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfond im laufenden Jahr nicht mehr gedeckt werden, da der allgemeine Beitragssatz i.H.v. 14,6 % nicht ausreiche, um die entsprechenden Finanzmittel aufzubringen. Es ergebe sich dadurch eine Unterfinanzierung i.H.v. rund 14,4 Milliarden €. Entsprechend dem bestehenden Finanzbedarf habe der Verwaltungsrat der Beklagten in seiner Sitzung am 12.12.2015 beschlossen, ab dem 01.01.2016 einen Zusatzbeitragssatz i.H.v. 1,2 % der beitragspflichtigen Einnahmen des Mitgliedes monatlich zu erheben. Die Satzungsänderung sei vom Bundesversicherungsamt (BVA) als zuständige Aufsichtsbehörde geprüft und am 21.12.2015 genehmigt worden.

Der Kläger reagierte darauf mit Schreiben vom 13.02.2017 und führte aus, die Ausführungen der Beklagten zu 1 zur Berechtigung für den kassenindividuellen Zusatzbeitrag seien nicht ansatzweise nachvollziehbar und begründet. Er forderte erneut die Offenlegung der gesamten Kalkulationsgrundlagen.

Mit Schreiben aus „März 2017“ teilte die Beklagte zu 1 dem Kläger seinen monatlichen Beitrag ab dem 01.04.2017 zur KV i.H.v. 153,71 € sowie zur PV i.H.v. 25,29 € (insgesamt 179,00 €) mit. Es habe sich eine leichte Anhebung des Beitrages um 0,3 Prozentpunkte auf insgesamt 15,5 % bzw. 16,1 %, jeweils einschließlich eines Zusatzbeitrages i.H.v. 1,5 % ergeben. Auf Seite 2 des Schreibens führte die Beklagte zu 1 erneut aus: „Für Fragen zum attraktiven Leistungs- und Serviceangebot der KKH, aber auch zu Ihrem Sonderkündigungsrecht bezüglich Ihrer Mitgliedschaft - Details finden Sie auf dem beiliegende Informationsblatt - stehen wir Ihnen rund um die Uhr unter der kostenfreien Hotline (..) zur Verfügung." Darüber hinaus enthielten Seite 3 und 4 des Bescheids weitere Informationen, u.a. zur Erhebung des Zusatzbeitragssatzes. So erfolgten hierin u.a. die Benennung des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes im Jahr 2017 von 1,1 %, der Hinweis auf ein bestehendes Sonderkündigungsrecht zum 30.04.2017 sowie ein Hinweis auf eine Übersicht über die Zusatzbeiträge aller Krankenkassen unter www.gkv-zusatzbeitraege.de.

Gegen das Schreiben aus März 2017 legte der Kläger am 24.04.2017 ebenfalls Widerspruch ein.

Mit Schreiben vom 18.10.2017 erläuterte die Beklagte zu 1 dem Kläger erneut die vom Gesetzgeber vorgegebene Mindestbemessung und deren Auswirkungen für freiwillig Versicherte. Die Bezugsgröße für das Jahr 2016 betrage 2.905 € und 2017 2.975 €. Hieraus ergäben sich beitragspflichtige Einnahmen i.H.v. 968,33 € in 2016 bzw. 991,67 € in 2017. Somit ergebe sich für den Kläger ab dem 01.01.2016 ein Beitrag zur KV i.H.v. 135,57 €, ein Zusatzbeitrag i.H.v. 11,62 € sowie ein Beitrag zur PV i.H.v. 22,76 €. Ab dem 01.01.2017 liege der Beitrag zur KV bei 138,83 €, der Zusatzbeitrag bei 11,90 € sowie der Beitrag zur PV bei 25,29 €. Ab dem 01.04.2017 ergebe sich für den Kläger ein KV-Beitrag i.H.v. 138,83 €, ein Zusatzbeitrag i.H.v. 14,88 € sowie ein Beitrag zur PV i.H.v. 25,29 €.

Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchs­bescheid vom 03.11.2017 hinsichtlich des kassenindividuellen Zusatzbeitrags ab 01.01.2016 und 01.04.2017 sowie der Änderung der Beitragsbemessung durch gesetzliche Anpassung der monatlichen Bezugsgröße und Erhöhung des Pflegeversicherungsbeitrages ab dem 01.01.2017 zurück. Die Beklagte zu 1 erhebe gemäß § 21 ihrer Satzung seit dem 01.01.2016 einen Zusatzbeitrag von 1,2 %, gültig bis 31.03.2017 und seit dem 01.04.2017 einen Zusatzbeitrag i.H.v. 1,5 % der beitragspflichtigen Einnahmen. Seit 2015 sei das Beitragssystem der GKV neu geregelt. Für alle Kassen gelte ein allgemeiner, staatlich festgelegter Beitragssatz von 14,6 %. Hinzu komme ein Zusatzbeitrag, über den die Kassen die steigenden Kosten in der GKV finanzieren müssten. Angesichts der für 2016 prognostizierten Kostenentwicklung habe das BMG - auf Grundlage des Vorschlags des offiziellen Schätzerkreises beim BVA - den durchschnittlichen Zusatzbeitrag für das Jahr 2016 auf 1,1 % erhöht. Nach der bereits erwähnten Sitzung des Verwaltungsrates der Beklagten vom 12.12.2015, in welcher der monatliche Zusatzbeitragssatz i.H.v. 1,2 % der beitragspflichtigen Einnahmen des Mitgliedes ab dem 01.01.2016 beschlossen worden sei, sei eine weitere Sitzung am 17.03.2017 erfolgt, in welcher beschlossen worden sei, den Zusatzbeitrag ab dem 01.04.2017 um 0,3 % von 1,2 % auf 1,5 % anzuheben. Diese Satzungsänderungen seien vom BVA als zuständige Aufsichtsbehörde der Beklagten geprüft und genehmigt worden. Die Prüfung, ob die Voraussetzung für die Erhebungen des Zusatzbeitrages im Sinne eines Finanzbedarfs vorgelegen habe, obliege dabei allein der für die Beklagten zuständigen Aufsichtsbehörde, die die vom Verwaltungsrat beschlossene Satzungsänderung zu genehmigen habe. Daraus ergebe sich im Umkehrschluss, dass der Haushaltsplan nicht zwangsläufig jedem Versicherten vorzulegen sei. Die Versicherten könnten lediglich die zuletzt erstellten Jahresberichte einsehen. Eine rechtliche Überprüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Krankenkasse bleibe den Versicherten im Rahmen der Anfechtung eines Beitragsbescheides jedoch verwehrt. So hätten Versicherte, welche wegen der Erhebung eines Zusatzbeitrages die ordnungsgemäße Haushalts- und Wirtschaftsführung ihrer Krankenkasse anzweifelten, weiterhin ausschließlich die Wahl, entweder den Satzungsbeschluss hinzunehmen oder die Krankenkasse zu wechseln. Gerade in der Ausübung des Kündigungsrechts nach § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V liege das wesentliche wettbewerbssteuernde Element des Zusatzbeitrages, mit dem nach der gesetzlichen Konzeption die unwirtschaftliche Haushalts- und Wirtschaftsführung einer Krankenkasse mit Sanktionen zu belegen sei. Der vom Gesetzgeber festgelegte Beitragssatz zur sozialen PV für beitragspflichtige Kinder betrage bis zum 31.12.2016 2,35 % und ab dem 01.10.2017 2,55 % der beitragspflichtigen Einnahmen.

Dagegen hat der Kläger am 05.12.2017 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben (S 19 KR 6719/17).

Mit Bescheid vom 11.01.2018 hat die Beklagte zu 1 - auch im Namen der Beklagten zu 2 - den Beitrag des Klägers zur KV einschließlich Zusatzbeitrag i.H.v. 157,33 € und zur PV i.H.v. 25,88 € für die Zeit ab dem 01.01.2018 festgesetzt. Den hiergegen erhobenen Widerspruch hat die Widerspruchsstelle der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 08.08.2018 zurückgewiesen. Die hiergegen unter dem Aktenzeichen S 19 KR 4758/18 beim SG eingelegte Klage hat das SG mit Beschluss vom 20.10.2020 - im Hinblick auf den Ausgang des hiesigen Verfahrens - ruhend gestellt.

Zur Begründung der Klage hat der Kläger ausgeführt, in dem Schreiben der Beklagten zu 1 aus Dezember 2015 befinde sich eine unklare, nicht offengelegte, versteckte Beitrags­erhöhung, über die die Beklagten hätte aufklären und zusätzlich auf das gesetzliche Sonderkündigungsrecht hinweisen müssen. Auch in dem Schreiben vom 24.06.2016 habe die Beklagte zu 1 falsche Angaben bei der Begründung der Erhebung des Zusatzbeitrages getätigt, indem sie auf die krankenkassenspezifische Berechnungsmöglichkeit als solche nicht hingewiesen und zudem auf die nicht bekannt gegebene, konkrete Berechnung gänzlich verzichtet habe. Einen Hinweis zur Kündigung infolge der Erhöhung sei nicht gegeben worden, eine Belehrung fehle gänzlich. Erstmals mit Schreiben vom 24.01.2017 sei der kassenindividuelle Zusatzbeitrag ausgewiesen worden, dies jedoch ohne vollständige und klärende Auskunft oder fallrichtige Berechnung. Ein Hinweis auf die bestehende Kündigungsmöglichkeit bei Beitragserhöhung habe abermals nicht stattgefunden. Weiterhin habe die Beklagte zu 1 erstmals in ihrem Schreiben vom 18.10.2017 personen- und beitragspositionsbezogen eine Übersicht über die erhobenen und eingezogenen Gesamtbeträge abgegeben. Allen Beitragserhöhungsmitteilungen sei gemein, dass die Beklagten ihn immer erst in dem Monat der Beitragserhöhung informiert und für diesen Monat dann im darauffolgenden Monat nachträglich und widerrechtlich die erhöhten Beiträge eingezogen habe. Seiner Meinung nach hätte die Abbuchung der Beiträge jedoch erst nach Ablauf des Erhebungsmonates (jeweils der 1. eines jeden Monats) erfolgen dürfen. Somit hätten die Beklagten in den jeweiligen Bescheiden gegen ihre gesetzliche Verpflichtung zur Information, wie und aufgrund welcher Tatsachen sich die Beiträge erhöhten und wie sich diese Erhöhung mit welcher Berechtigung konkret bei der Beitragserhöhung des Krankenkassengrundbeitrages, des Zusatzbeitrages und des Pflegekassenbeitrages zusammensetze, verstoßen. Nach Aufforderung hätten die Beklagten zumindest die Überlassung der zur Erhebung herangezogenen Kalkulationen der jeweiligen individuellen Krankenkasse und Einzelpositionen ermöglichen müssen. Dies gelte auch für die Meldungen und Eckdaten an den zur Feststellung des Finanzbedarfs der Krankenkasse mitgeteilten tatsächlichen Umstände und Prognosen an den Verwaltungsrat und die dem BVA gemeldeten Werte. Dies sei vorliegend nicht erfolgt. Nur so sei die Möglichkeit zur Nachprüfung der richtigen Berechnung und der Berechtigung der Erhöhung im konkreten Fall für das Mitglied möglich. Somit stehe ihm ein vollständiges Auskunfts- und Belegeinsichtsnahmerecht, insbesondere bei ein­kommens­bezogenen Beitragserhebungen, zu. Zudem liege auch ein Grundrechtsverstoß durch Ungleichbehandlung in den Beitragser­hebungen bezüglich des Grund- wie auch des Zusatz­beitrages für ein freiwillig versichertes, einkommensfreies, schulpflichtiges Schulkind ohne Vermögen vor. Bei anderen Kassenmitgliedern, welche über Einkommen über dem monatlichen Beitrag der Mindestbemessungsgrenze verfügten, werde ein solcher Zusatzbeitrag nicht eingezogen. So habe der Gesetzgeber den Fall von Kindern von einem privat versicherten Elternteil und freiwillig versicherten Mitgliedern, bei denen immer ein monatlicher fiktiver Höchstbetrag angenommen werde, nicht geregelt. Auch sei der Einzug der streitgegenständlichen Beiträge zu früh erfolgt, weil diese erst im darauffolgenden Monat zugegangen und die Monatsfrist somit nicht eingehalten worden sei. Weiterhin sei entgegen dem Vortrag der Beklagten keine Bezifferung der Beiträge in Grundbeitrag und kassenindividuellen Zusatzbeitrag aus dem Widerspruchsbescheid ersichtlich gewesen. Dies sei erstmals im Laufe des gerichtlichen Verfahrens geschehen. Im Übrigen bestreite er, dass die Beitragssätze sowie der 39. und 46. Nachtrag zur Satzung der Beklagten öffentlich einsehbar auf der Homepage der Beklagten gestanden hätten. Dies sei jedoch auch nicht ausreichend, da es an einem entsprechenden Hinweis gemangelt habe. Zudem hätten die Beklagten riesige Finanz­überschüsse in den vergangenen Jahren erwirtschaftet, so dass davon auszu­gehen sei, dass überhaupt kein Finanzbedarf für die Erhebung von kassen­individuellen Kassenbeiträgen bestanden habe. Er beziehe sich dabei auf einen Artikel von „n-tv" vom 21.06.2018, einen Artikel aus dem „Ärzteblatt" sowie zwei Mitteilungen des Bundesministeriums für Gesundheit aus März 2016. Im Übrigen habe er Merkblätter, Hinweisblätter oder Informationsblätter seitens der Beklagten bezüglich des Sonderkündigungsrechts nie erhalten. Es werde eine grundlegende Entscheidung über den Bereich Willkürlichkeit der Zusatzgebührenfestsetzung und (tatsächlich) notwendigem GKV-Bedürfnis auf Seiten der Beklagten sowie einer tatsächlichen Berechtigung zur Erhebung der kassenindividuellen Zusatzbeiträge, sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach, begehrt.

Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten und haben zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid sowie ihr Schreiben vom 18.10.2017 verwiesen. Weiter haben sie ausgeführt, der 39. Nachtrag zur Satzung bezüglich der Beiträge ab dem 01.01.2016 am 29.12.2015 sei auf der Homepage der Beklagten öffentlich bekannt gegeben worden. Nämliches gelte für den 46. Nachtrag zur Satzung, welcher am 29.03.2017 auf der Homepage der Beklagten öffentlich bekannt gemacht worden und am 01.04.2017 in Kraft getreten sei. Eine von dem Kläger geforderte Zugrundelegung einer Bemessungsgrundlage unterhalb der Mindestbemessungsgrundlage des § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V komme gemäß Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 07.11.1991 mit dem Az. 12 RK 37/90 nicht in Betracht. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 4 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) seien Beiträge, welche vom Versicherten selbst zu zahlen seien, zudem spätestens am 15. des Monats fällig, der auf den Monat folge, für den sie zu entrichten seien. Somit seien die streitgegenständlichen Beiträge einschließlich der Zusatzbeiträge nicht verfrüht eingezogen worden. Auch liege keine Rechtswidrigkeit der Beitragsbescheide vor, selbst wenn die Beklagten den Kläger nicht oder nicht rechtzeitig auf das bestehende Sonderkündigungsrecht hingewiesen hätten. Die einzig daraus resultierende Rechtsfolge sei eine Rückwirkung einer gegebenenfalls erfolgten Kündigung im Sinne des § 175 Abs. 4 Satz 7 SGB V und nicht etwa die Befreiung von der Zahlungspflicht des Zusatzbeitrages. Der Kläger habe von seinem Sonderkündigungsrecht - trotz Kenntnis dieser Möglichkeit - keinen Gebrauch gemacht. Im Übrigen bestehe ein Sonderkündigungsrecht lediglich bei erstmaliger Erhebung und bei Erhöhung des Zusatzbeitrages. Insoweit habe lediglich in den Bescheiden von Dezember 2014 sowie von März 2017 auf das bestehende Sonderkündigungsrecht hingewiesen werden müssen. Dies hätten sie getan. Eine Befreiung vom Zusatzbeitrag gelte nur für diejenigen Versicherten, für die aus gesetzlichen Gründen eine vorübergehende oder generelle Beitragsfreiheit festgestellt worden sei. Ein vom Kläger vorgetragener Grundrechtsverstoß durch Ungleichbehandlung liege demnach nicht vor. Die Beklagten haben dem Gericht zudem ihre Satzung in der Fassung vom 01.07.2009, zuletzt geändert durch den Nachtrag vom 07.03.2014, vorgelegt.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 08.07.2020 abgewiesen. Es sah die Beitragserhebung für die Jahre 2016 und 2017 insgesamt als angefochten an. Die Bescheide der Beklagten aus Dezember 2015, vom 06.01.2017 sowie aus März 2017 in Gestalt des Wider­spruchbescheides vom 03.11.2017 seien rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Bei den genannten Bescheiden handele es sich um Verwaltungsakte. Diese seien nicht formell rechtswidrig. Dies werde weder durch die fehlende Unterschrift noch die fehlende Rechtsbehelfsbelehrung begründet. Auch die gemäß § 35 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erforderliche Begründung sei im Widerspruchs- und Gerichts­verfahren nachgeholt worden. Die Bescheide seien auch materiell rechtmäßig. Die Beklagten hätten zutreffend ab dem 01.01.2016 bis zum 31.12.2017 den Mindestbeitrag für die freiwillige KV und PV des Klägers festgesetzt. Die Bescheide seien hinreichend bestimmt, obwohl sie sich an den minderjährigen Kläger anstatt den gesetzlichen Vertreter richteten, da Beitrags­bescheide die Versicherten, auf die sie sich bezögen, mit Namen nennen oder so genau bezeichnen müssten, dass diese eindeutig bestimmt werden könnten. Zudem sei der Widerspruchsbescheid an die gesetzliche Vertreterin des Klägers gerichtet gewesen. Da sich aus den Bescheiden aus Dezember 2015, vom 06.01.2017 sowie aus März 2017 die konkrete Summe der Beitragszahlungen für die KV und PV ergebe, seien diese auch inhaltlich hinreichend bestimmt. Rechtsgrundlage zur Erhebung der Beiträge zur KV und PV für freiwillige Mitglieder - wie den Kläger - sei § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V (i.d.F. vom 21.07.2014) und § 57 Abs. 4 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI, i.d.F. vom 16.07.2015 sowie vom 18.07.2016). Danach gelte als beitragspflichtige Einnahme für den Kalendertag mindestens der 90. Teil der monatlichen Bezugsgröße. Als Ausnahmeregelung zu § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V, der zur Berücksichtigung der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds verpflichte, lege der Gesetzgeber in § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V eine (absolute) Untergrenze beitragspflichtiger Einnahmen fest, die nicht unterschritten werden dürfe. § 3 Abs. 3 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler enthalte die gleichlautende Regelung. Die Beklagte zu 1 habe den Beitragsberechnungen des Klägers mangels Einnahmen die beitragspflichtigen Mindesteinnahmen i.H.v. einem Drittel der Bezugsgröße zu Grunde gelegt. Die von der Beklagten zu 1 zugrunde gelegten monatlichen Ein­nahmen von 968,33 € im Jahr 2016 und 991,67 € im Jahr 2017 entsprächen dem 90. Teil der Bezugsgröße mal 30 Kalendertage. Die in den einzelnen Jahren jeweils geltenden monat­lichen Bezugsgrößen betrügen 2.905 € (§ 2 Abs. 1 Sozialversicherungs-Rechengrößen­veror­dnung 2016) im Jahr 2016 sowie 2.975 € im Jahr 2017 (§ 2 Abs. 1 Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2017). Der allgemeine Beitragssatz zur GKV liege seit dem 01.01.2015 gemäß § 241 SGB V bei 14,6 % der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. Der Beitragssatz zur PV betrage gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB XI 2,35 % vom 01.01.2016 bis zum 31.12.2016 der beitrags­pflichtigen Einnahmen der Mitglieder und 2,55 % vom 01.01.2017 bis zum 31.12.2017. Inwiefern diese Beitragssätze nicht rechtmäßig bzw. verfassungswidrig sein sollten, werde weder konkret vorgetragen und sei auch sonst nicht ersichtlich. Hiervon sei auch nicht deshalb abzuweichen, weil der Kläger als minderjähriges Kind seit seiner Geburt außer dem Kindergeld über keine Einkünfte verfüge, da freiwillig versicherte Mitglieder in der GKV jedenfalls den Mindestbeitrag zu zahlen hätten, unabhängig von der Höhe ihrer Einnahmen und ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Von dieser Regelung gebe es keine Ausnahme. Durch die Fiktion eines beitragspflichtigen Mindesteinkommens solle ein vertret­barer Ausgleich von Leistung und Gegenleistung bei freiwilligen Mitgliedern erreicht und ver­hindert werden, dass diese sich zu unangemessen niedrigen Beiträgen versichern könnten. Im Hinblick auf ihre geringere Schutzbedürftigkeit im Vergleich zu Pflichtversicherten werde ihnen ein adäquater Beitrag auch dann abverlangt, wenn sie nur ein geringes oder überhaupt kein Einkommen hätten. Eine Unterschreitung der Mindesteinnahmengrenze könne deshalb weder damit gerechtfertigt werden, dass nach § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V die Beitragsbelastung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds entsprechen solle, noch damit, dass nach § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V mindestens diejenigen Einnahmen zu berücksichtigen seien, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbe­messung zugrunde zu legen wären. Die gesetzliche Regelung, nach der der Mindestbeitrag bei freiwillig Versicherten auch dann nicht unterschritten werden dürfe, wenn diese nur ein geringes oder überhaupt kein Einkommen hätten, sei mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar. Gleiches gelte für die Erhebung der Beiträge zur PV. Die Vorschrift des § 57 Abs. 4 Satz 1 SGB XI verweise auf die Beitragsbemessung gemäß § 240 SGB V. Weiterhin seien im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Erhebung des Zusatzbeitrages i.H.v. 1,2 % ab dem 01.01.2016 bis zum 31.12.2017 sowie i.H.v. 1,5 % ab dem 01.04.2017 bis zum 31.12.2017 erfüllt. Rechtsgrundlage für die Erhebung des kassenindividuellen Zusatzbeitrages der Beklagten zu 1 sei § 242 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der hier anzuwendenden Fassung vom 21.07.2014 i.V.m. der Satzung der Beklagten in der ab dem 01.07.2009 geltenden Fassung i.V.m. dem 39. und dem 46. Nachtrag zur Satzung in der ab dem 01.07.2009 geltenden Fassung. Grundlage der Erhebung des Zusatzbeitrages sei § 21 der Satzung der Beklagten in der ab 01.07.2009 geltenden Fassung. Materiell-rechtlich sei § 21 der Satzung der Beklagten ebenfalls nicht rechtswidrig, soweit die Regelung den kassenindividuellen Zusatzbeitrag auf 1,2 % ab dem 01.01.2016 sowie auf 1,5 % ab dem 01.04.2017 festgelegt habe. Das Gericht könne bei den Prognoseentscheidungen der Beklagten zu 1 für die Jahre 2016 und 2017 keine Auffälligkeiten erkennen. Die Geschäftsberichte für die Jahre 2016 und 2017 gäben nicht den geringsten Hinweis, dass die Beklagte zu 1 bei ihrer Prognose (im Jahre 2015 für das Jahr 2016 sowie im Jahr 2016 für 2017) willkürlich oder auch nur fehlerhaft gehandelt hätte. So ergebe sich aus dem Jahresbericht 2016, dass im Bereich der Einnahmen eine Veränderung von -59,1 % je Versicherten im Vergleich zum Jahr 2015 vorliege. Weiterhin zeige sich ein erheblicher Zuwachs bei den Leistungsausgaben i.H.v. 4,3 % im Vergleich zum Vorjahr 2015, d.h. pro Mitglied von 3.003,09 € je Versicherten. Diese Ausgaben seien gesetzlich ganz weitgehend vorgegeben und von der Beklagten zu 1 kaum zu steuern. Der Zusatzbeitrag betrage hingegen nur 223,14 € je Versicherten. Daraus folge im Jahr 2016 eine Unterdeckung i.H.v. 32.255.880,18 € bei der Beklagten zu 1. Im Jahresbericht 2017 ergebe sich zwar ein Überschuss i.H.v. 39.870.628,80 €, allerdings müsse dabei berücksichtigt werden, dass dieser Überschuss auch auf dem Zusatzbeitrag beruhe. So habe die Beklagte zu 1 im Vergleich zum Jahr 2016 im Jahr 2017 einen Überschuss i.H.v. 21,9 % hinsichtlich der Mittel aus dem Zusatzbeitrag erreicht. Nach dem negativen Ergebnis des Jahresberichts 2016 sei es für das Gericht nachvollziehbar, dass die Prognoseentscheidung der Beklagten zu 1 für das Jahr 2017 ebenfalls negativ ausgefallen sei und diese an dem Zusatzbeitrag i.H.v. 1,2 % bzw. 1,5 % festgehalten habe. Ein Ermessen habe der Beklagten zu 1 hinsichtlich der Erhebung des Zusatzbeitrages auch nicht zugestanden. Es handele sich bei § 242 Abs. 1 Satz 1 SGB V um eine gebundene Entscheidung. Weiterhin gebe es auch keine rechtliche Grundlage für eine rückwirkende Aufhebung des Zusatzbeitrages. Vielmehr sei die Krankenkasse gehalten, bei einem deutlichen Überschuss zu prüfen, ob nicht ggf. eine Abschaffung des Zusatzbeitrages in Betracht komme. Entgegen der Ansicht des Klägers sei die Beklagte zu 1 nach § 242 Abs. 1 Satz 2 SGB V auch dann zur Erhebung eines monatlichen Zusatzbeitrages berechtigt, wenn der Versicherte unstreitig über keinerlei Einkommen verfüge. Ein Härtefall nach § 242 Abs. 3 SGB V habe ebenfalls nicht vorgelegen. Sein Sonderkündigungsrecht zu Ende Januar 2016 sowie zu Ende April 2017 habe der Kläger nicht ausgeübt. Aus seiner verspäteten Kenntnis von seinem Sonderkündigungsrecht ergebe sich nicht die Rechtswidrigkeit der Bescheide aus Dezember 2015 und März 2017. Dies habe der Gesetzgeber nur bis zum 31.12.2014 in dem damaligen § 175 Abs. 4 Satz 7 SGB V vorgesehen. Eine Verschiebung der Beitragserhöhung sei nun nicht mehr vorgesehen. Bei dieser Rechtslage und Gesetzeshistorie bestünden keine ernsthaften Zweifel daran, dass die Nichteinhaltung der Informationspflichten sozialversicherungsrechtlich nur die Fiktion des rechtzeitig geltend gemachten Sonderkündigungsrechts, jedoch nicht die Folge habe, dass die Krankenkasse gehindert wäre, den erhöhten Zusatzbeitrag zu erheben. Mangels Ausübung der Sonderkündigungsrechte des Klägers könne diese Fiktion vorliegend jedoch nicht eintreten. Die Zusatzbeiträge seien auch jeweils fällig geworden. Auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe komme es dabei entgegen der Auffassung des Klägers nicht an. Der Zusatzbeitrag für freiwillig minderjährig Versicherte ohne eigenes Einkommen verstoße auch nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, auch nicht vor dem Hintergrund, dass er nicht von allen Krankenkassen erhoben werde. Eine Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG liege nur vor, wenn die Vergleichsfälle der gleichen Stelle zuzurechnen seien. Daran fehle es, wenn die Sachverhalte von verschiedenen Trägern öffentlicher Gewalt gestaltet würden. Der Gleichheitssatz binde jeden Träger öffentlicher Gewalt allein in seinem konkreten Zuständigkeitsbereich. Solange die Beklagte von allen ihren Mitgliedern den Zusatzbeitrag erhebe, komme ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht in Betracht. Außerhalb der gesetzlichen Ausnahmen sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Beklagte zu 1 weitere Mitglieder von der Zahlung des Zusatzbeitrages befreie.

Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 21.07.2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20.08.2020 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und klargestellt, er wende sich im vorliegenden Verfahren nur gegen die Erhebung der Zusatzbeiträge zur KV und PV im Zeitraum vom 01.01.2016 bis 31.12.2017. Das SG habe nicht darüber entschieden, in welchem Umfang die Erhebung eines Zusatzbeitrages der gerichtlichen Überprüfung unterliege. Die angegriffenen Bescheide ließen allesamt nicht erkennen, ob und in welcher Höhe Zusatzbeiträge erhoben würden, wie sich diese zusammensetzten, auf welcher Grundlage der Entscheidungsfindung und der herangezogenen Kriterien diese ganz konkret und fallbezogen bei der Beklagten erfolgten und welche konkreten kassenindividuellen Umstände in die Prognoseentscheidung bei der Beklagten mit eingeflossen seien, die ja jeweils über dem vom Bundesministerium für Gesundheit bekanntgegebenen durchschnittlichen Zusatzbeitragswert gelegen hätten und die auf der Auswertung der Ergebnisse eines Schätzerkreises (Bundesamt für Soziale Sicherung, Spitzenverband Bund der Krankenkassen und BMG) beruhten. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 27.06.2023 klargestellt, dass lediglich die Erhebung des kassenindividuellen Zusatzbeitrags zur Krankenversicherung durch die Beklagte zu 1 angegriffen wird.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 08.07.2020 und die Bescheide der Beklagten aus Dezember 2015, vom 06.01.2017 sowie aus März 2017 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 03.11.2017 bezüglich der Erhebung des kassenindividuellen Zusatzbeitrags zur Krankenversicherung für den Zeitraum 01.01.2016 bis 31.12.2017 aufzuheben.

Die Beklagten beantragen,

            die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung haben sie auf den angegriffenen Gerichtsbescheid verwiesen. Zudem haben sie dem Senat die für die Zeit vom 01.01.2016 bis 31.12.2017 geltenden Satzungen sowie die Jahresberichte für die Jahre 2015 bis 2017 vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.


Entscheidungsgründe

I. Die gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung, da der Kläger die Nichterhebung des Zusatzbeitrages zur gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum vom 01.01.2016 bis 31.12.2017 und damit für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr begehrt.

II. Streitgegenstand des Verfahrens sind die Bescheide der Beklagten aus „Dezember 2015“, vom 06.01.2017 sowie aus „März 2017“ in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 03.11.2017,
mit welchen diese den Beitrag des Klägers zur freiwilligen KV, den Zusatzbeitrag zur KV sowie den Beitrag zur PV ab dem 01.01.2016 festgesetzt haben. Der Kläger hat den vom Gericht zu überprüfenden Zeitraum durch seinen klaren Klageantrag - im Rahmen seiner Dispositionsbefugnis - auf den Zeitraum bis zum 31.12.2017 beschränkt (vgl. hierzu BSG 08.10.2019, B 12 KR 22/19 R, juris Rn. 12; BSG 17.11.2005, B 11a/11 AL 57/04 R, juris Rn. 22; LSG Baden-Württemberg 23.04.2020, L 7 AS 1145/19, juris Rn. 44). Streitgegenständlich ist im Zeitraum vom 01.10.2016 bis 31.12.2017 lediglich die Erhebung des Zusatzbeitrages durch die Beklagte zu 1. Dies allein greift der anwaltlich vertretene Kläger ausweislich seiner Klarstellung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 27.06.2023 an (vgl. demgegenüber die noch widersprüchliche Berufungsschrift vom 20.08.2020, mit der einerseits die Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide „bezüglich der Erhebung kassenindividuellen Zusatzbeitrags zur Kranken- und Pflegeversicherung“ begehrt, andererseits die durch die Beklagte zu 1 erhobenen „Zusatzbeiträge zur Krankenversicherung“ moniert wurden) mit seiner Berufung an. Daher ist eine Entscheidung der Pflegekasse der Beklagten zu 1 durch den Senat nicht (mehr) zu überprüfen.

III. Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten zu 1 aus „Dezember 2015“, vom 06.01.2017 sowie aus „März 2017“ in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 03.11.2017 sind - im Hinblick auf die hier allein zu prüfende Erhebung des Zusatzbeitrags - rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Mangels angefochtener Entscheidung der Beklagten zu 2 ist die Klage gegen diese aufgrund fehlender Beschwer bereits unzulässig.

Die streitgegenständlichen Bescheide aus „Dezember 2015“, vom 06.01.2017 sowie aus „März 2017“ sind zunächst formell rechtmäßig, insbesondere steht dem - wie das SG zutreffend ausgeführt hat - weder die fehlende Unterschrift und Rechtsbehelfsbelehrung noch die - im Widerspruchsverfahren nachgeholte - zunächst ggfs. unzureichende Begründung in den angefochtenen Verwaltungsakten entgegen. Darüber hinaus sind die personenbezogenen Beitragsbescheide auch hinreichend bestimmt, da sich ihnen jeweils die konkrete Beitragshöhe sowie der Geltungszeitraum entnehmen lässt (vgl. zur Nichterforderlichkeit der weiteren Darlegung aller Berechnungselemente BSG 08.12.1999, B 12 KR 18/99 R, BSGE 85, 200-208, juris Rn. 16 m.w.N.). Diesbezüglich nimmt der Senat auf die angefochtene Entscheidung Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Der Kläger ist gemäß § 223 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 242 Abs. 1 und § 21 der Satzung der Beklagten vom 01.07.2009 in der Fassung des 39. Nachtrages vom 12.12.2015 bzw. des 46. Nachtrages vom 17.03.2017 auch zur Zahlung des Zusatzbeitrages i.H.v. 1,2 % ab dem 01.01.2016 bzw. i.H.v. 1,5 % ab dem 01.04.2017 verpflichtet.

1. Rechtsgrundlage für die Erhebung des kassenindividuellen Zusatzbeitrages ist § 242 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der hier anzuwendenden Fassung des Art. 1 Nr. 18 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21.07.2014 (BGBl. I, 1133) i.V.m. § 21 der Satzung der Beklagten vom 01.07.2009 in der Fassung des 39. Nachtrages vom 12.12.2015 bzw. 46. Nachtrages vom 17.03.2017. § 242 Abs. 1 SGB V bestimmt: Soweit der Finanzbedarf einer Krankenkasse durch die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds nicht gedeckt ist, hat sie in ihrer Satzung zu bestimmen, dass von ihren Mitgliedern ein einkommensabhängiger Zusatzbeitrag erhoben wird (Satz 1). Die Krankenkassen haben den einkommensabhängigen Zusatzbeitrag als Prozentsatz der beitragspflichtigen Einnahmen jedes Mitglieds zu erheben (kassenindividueller Zusatzbeitragssatz) (Satz 2). Der Zusatzbeitragssatz ist so zu bemessen, dass die Einnahmen aus dem Zusatzbeitrag zusammen mit den Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds und den sonstigen Einnahmen die im Haushaltsjahr voraussichtlich zu leistenden Ausgaben und die vorgeschriebene Höhe der Rücklage decken; dabei ist die Höhe der voraussichtlichen beitragspflichtigen Einnahmen aller Krankenkassen nach § 220 Abs. 2 Satz 2 SGB V je Mitglied zugrunde zu legen (Satz 3). Ergibt sich während des Haushaltsjahres, dass die Betriebsmittel der Krankenkassen einschließlich der Zuführung aus der Rücklage zur Deckung der Ausgaben nicht ausreichen, ist der Zusatzbeitragssatz nach Absatz 1 durch Änderung der Satzung zu erhöhen (Abs. 2 Satz 1). Muss eine Krankenkasse kurzfristig ihre Leistungsfähigkeit erhalten, so hat der Vorstand zu beschließen, dass der Zusatzbeitragssatz bis zur satzungsmäßigen Neuregelung erhöht wird; der Beschluss bedarf der Genehmigung der Aufsichtsbehörde (Abs. 2 Satz 2). Gemäß § 194 Abs. 1 Nr. 4 SGB V muss die Satzung der Krankenkasse Bestimmungen über die Festsetzung des Zusatzbeitrages nach § 242 SGB V enthalten.

Nach § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V in der hier anzuwendenden Fassung des Art. 1 Nr. 10 a) bb) des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21.07.2014 (BGBl. I, 1133) kann - wenn die Krankenkasse nach § 242 Abs. 1 SGB V erstmals einen Zusatzbeitrag erhebt oder sie ihren Zusatzbeitragssatz erhöht - die Kündigung der Mitgliedschaft abweichend von Satz 1 bis zum Ablauf des Monats erklärt werden, für den der Zusatzbeitrag erstmals erhoben wird oder für den der Zusatzbeitragssatz erhöht wird. Die Krankenkasse hat spätestens einen Monat vor dem in Satz 5 genannten Zeitpunkt ihre Mitglieder in einem gesonderten Schreiben auf das Kündigungsrecht nach Satz 5, auf die Höhe des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes nach § 242a SGB V sowie auf die Übersicht des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen zu den Zusatzbeitragssätzen der Krankenkassen nach § 242 Abs. 5 SGB V hinzuweisen; überschreitet der neu erhobene Zusatzbeitrag oder der erhöhte Zusatzbeitragssatz den durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz, so sind die Mitglieder auf die Möglichkeit hinzuweisen, in eine günstigere Krankenkasse zu wechseln (Satz 6). Kommt die Krankenkasse ihrer Hinweispflicht nach Satz 6 gegenüber einem Mitglied verspätet nach, gilt eine erfolgte Kündigung als in dem Monat erklärt, für den der Zusatzbeitrag erstmalig erhoben wird oder für den der Zusatzbeitragssatz erhöht wird; hiervon ausgenommen sind Kündigungen, die bis zu dem in Satz 5 genannten Zeitpunkt ausgeübt worden sind (Satz 7).

Nach der Gesetzessystematik ist die Krankenkasse, deren Finanzbedarf - wie vorliegend - durch die Zuweisung aus dem Gesundheitsfonds nicht gedeckt werden kann, verpflichtet einen Zusatzbeitrag zu erheben, ohne dass ihr Ermessen eingeräumt ist (vgl. nur den Wortlaut: „hat … zu bestimmen“). Die satzungsmäßige Festlegung des Zusatzbeitrags ist daher nicht als Option der Selbstverwaltung, sondern vielmehr als zwingende Konsequenz bei Eintritt der gesetzlich vorgegebenen Voraussetzungen zu verstehen (Steege, in: Hauck/Noftz SGB V 5. EL 2023, § 242 Rn. 12; Böttiger, in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung 117. EL 2022, § 242 Rn. 5; Propp, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl. 2020, § 242 Rn. 21). Das hiermit verbundene Sonderkündigungsrecht, das seit Einführung des Gesundheitsfonds ab 01.01.2009 bis 31.12.2014 bei Erhebung oder Erhöhung eines Zusatzbeitrages und bei Verringerung einer Prämienzahlung und nunmehr seit 01.01.2015 bei der erstmaligen Erhebung eines Zusatzbeitrages und bei Erhöhung des Zusatzbeitrages gilt, dient hierbei dazu, Wirtschaftlichkeitsanreize zu verstärken (vgl. BT-Drucks. 13/7264 S. 70).

2. Unter Beachtung dieser gesetzlichen Vorgaben ergibt sich für den vorliegenden Fall Folgendes: Der Kläger war im streitigen Zeitraum freiwillig bei der Beklagten zu 1 gemäß § 9 SGB V versichert. Er hat insbesondere sein Sonderkündigungsrecht gemäß § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V nicht ausgeübt (hierzu unter c). § 242 Abs. 1 SGB V ist daher auf den Kläger als Mitglied der Beklagten zu 1 anzuwenden. Nach § 21 der Satzung der Beklagten vom 01.07.2009 in der Fassung des 39. Nachtrages vom 12.12.2015 beträgt für Mitglieder der kassenindividuelle Zusatzbeitrag nach § 242 SGB V ab dem 01.01.2016 1,2 %, ab dem 01.04.2017 nach dem 46. Nachtrages vom 17.03.2017 zur Satzung 1,5 %.

a) Die Satzungsänderungen zum 01.01.2016 bzw. 01.04.2017 sind zunächst wirksam zustande gekommen. Die Festlegung des Zusatzbeitrages hat grundsätzlich durch den Verwaltungsrat der Krankenkasse per Satzungsbeschluss, der der Genehmigung der Aufsichtsbehörde (BVA) bedarf, zu erfolgen (vgl. § 197 Abs. 1 Nr. 1 sowie § 195 Abs. 1 SGB V; vgl. hierzu auch Steege, in: Hauck/Noftz SGB V 5. EL 2023, § 242 Rn. 4 und 19/20). Vorliegend hat der Verwaltungsrat der Beklagten am 12.12.2015 dem 39. Nachtrag sowie am 17.03.2017 dem 46. Nachtrag zugestimmt und das BVA hat die genannten Nachträge am 21.12.2015 bzw. am 22.03.2017 gemäß § 195 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 90 Abs. 1 SGB IV genehmigt. Die Satzung der Beklagten in der Fassung des 39. und 46. Nachtrages enthält auch die nach § 194 Abs. 1 Nr. 4 SGB V notwendigen Bestimmungen über die Festsetzung des Zusatzbeitrags nach § 242 SGB V. Die Beklagte zu 1 durfte hierbei gemäß § 242 Abs. 1 Satz 2 SGB V den einkommensabhängigen Zusatzbeitrag als Prozentsatz der beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds festsetzen.

Für die Zulässigkeit der Erhebung des Zusatzbeitrages bedarf es neben der wirksamen Satzungsregelung keines weiteren Umsetzungsaktes etwa in Gestalt eines die Pflicht zur (zusätzlichen) Beitragszahlung feststellenden Verwaltungsaktes. Eine neben der Bekanntmachung der Satzung gesonderte Hinweispflicht anlässlich der erstmaligen Erhebung bzw. Erhöhung eines Zusatzbeitrages folgt aus der Regelung zum daraus folgenden Sonderkündigungsrecht; die Zulässigkeit der Erhebung eines neu festgesetzten Zusatzbeitrages hängt von der Erfüllung dieser Hinweispflicht jedoch nicht ab (Propp, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl. 2020, § 242 Rn. 27, 28).

b) § 21 der Satzung der Beklagten vom 01.07.2009 in der Fassung des 39. Nachtrages vom 12.12.2015 bzw. in der Fassung des 46. Nachtrages vom 17.03.2017 ist auch nicht rechtswidrig, soweit er den kassenindividuellen Zusatzbeitrag auf 1,2 % bzw. 1,5 % festgelegt hat. Die Frage, in welchem Umfang die Erhebung bzw. Anhebung eines Zusatzbeitrages, und insbesondere, ob und in welchem Umfang der Aspekt der finanziellen Unterdeckung der gerichtlichen Überprüfung unterliegt, ist in der Rechtsprechung bislang nicht hinreichend geklärt (offen gelassen in den Senatsurteilen 15.11.2011, L 11 KR 3607/10, juris und 19.02.2013, L 11 KR 2656/11 n.v.). Den Krankenkassen steht jedenfalls ein weiter Bewertungsspielraum hinsichtlich der Frage zu, ob ihr Finanzbedarf durch die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds gedeckt ist, und erfordert zugleich eine Prognose für die Zukunft. Der Krankenkasse steht dabei eine gerichtlich nicht zu überprüfende Einschätzungsprärogative zu, bei der nur die tatsächlichen Grundlagen der Prognose gerichtlicher Überprüfung zugänglich sind. Bei einer solchen Prognose durch die Krankenkasse bestehen systembedingt Ungewissheiten, weil sowohl die Einnahmenseite aufgrund der Ungewissheit der volkswirtschaftlichen Entwicklung als auch die Ausgabenseite aufgrund neuer Methoden oder Arzneimittel unerwartete Veränderungen aufweisen können (LSG Sachsen-Anhalt 08.11.2011, L 10 KR 33/11 B ER, juris). In Ausübung ihres Rechts zur Selbstverwaltung kann die Krankenkasse jede Kombination aus ihr zugänglichen Handlungsoptionen in Betracht ziehen und deren Auswirkungen gegen diejenigen der Bestimmung eines Zusatzbeitrages abwägen (Gestaltungsspielraum). Dabei können die Auswirkungen etwa einer radikalen Streichung von Satzungsleistungen oder die Reduktion der Verwaltungskosten durch generellen Personalabbau oder Abbau des Serviceangebotes für die einzelne Kasse durchaus als so schwerwiegend betrachtet werden, dass ihr die Bestimmung eines Zusatzbeitrages als vorzugswürdig erscheint. Die Positionierung der Kassen im Wettbewerb steht nach dem Willen des Gesetzgebers in der Selbstbestimmung der Krankenkasse; eine unmittelbare Verpflichtung zur Erhebung von Zusatzbeiträgen bei Feststellung einer Unterdeckung im Status quo ist hiermit ebenso wenig vereinbar wie umgekehrt die Verpflichtung zum Ergreifen sonstiger Maßnahmen vor Erhebung eines Zusatzbeitrages. Den Kassen steht es demnach frei, sich für umfangreiche Satzungsleistungen sowie hohe Qualität von Leistungen und Service und damit bewusst für eine Unterdeckung infolge des resultierenden erhöhten Finanzbedarfs zu entscheiden. Umgekehrt kann sie im Falle der Feststellung einer aktuellen Unterdeckung jede rechtlich zulässige Option zur Verminderung des Finanzbedarfs wählen und so der gesetzlichen Verpflichtung zur Bestimmung des Zusatzbeitrages entgehen (Propp, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl. 2020, § 242 Rn. 23 ff.).

Daher kann den Gerichten keine umfassende Kontrollbefugnis in dem Sinne zukommen, dass die finanzielle Unterdeckung als Voraussetzung der Erhebung des kassenindividuellen Zusatzbeitrags im Detail nachgeprüft werden dürfte. Auch kann die Richtigkeit der von der Krankenkasse angestellten Prognose (vgl. dazu auch Senatsurteil 19.02.2013, L 11 KR 2656/11, n.v.) nicht anhand der tatsächlichen Entwicklung auf Einnahmen- und Ausgabenseite verifiziert werden. Mitglieder der Krankenkasse sind deshalb auch nicht befugt, mittels Rechtsbehelfen gegen einen Beitragsbescheid die eigenverantwortliche Haushaltsführung der Krankenkasse im Wege inzidenter Kontrolle der in § 242 Abs. 1 Satz 1 SGB V genannten Voraussetzungen gerichtlich prüfen zu lassen. Das gilt selbst dann, wenn die Unterdeckung vermeidbar gewesen wäre (Böttiger, in: Krauskopf, 117. EL 2022, SGB V § 242 Rn. 50 m.w.N.; vgl. auch Bundesverfassungsgericht [BVerfG], 18.04.1984, 1 BvL 43/81, BVerfGE 67, 26 ff.).

Gemäß § 69 SGB IV ist über die Einnahmen und Ausgaben des Folgejahres von der Krankenkasse eine Prognose zu treffen. Dies geschieht für jedes Geschäftsjahr in einem Haushaltsplan. Dieser dient der Feststellung der Mittel, die die Krankenkassen zur Erfüllung ihrer Aufgaben in der jeweiligen Planungsperiode voraussichtlich benötigen. Er ist Grundlage für die Haushalts- und Wirtschaftsführung und stellt sicher, dass die vorgeschriebenen Ausgaben rechtzeitig geleistet werden können (§ 68 SGB IV). Nach § 70 Abs. 5 SGB IV ist der Haushaltsplan der Aufsichtsbehörde vorzulegen, wenn dieses verlangt wird. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass der Haushaltsplan nicht zwangsläufig jedem Versicherten vorzulegen ist. Zwar können die Versicherten die zuletzt erstellten Jahresberichte einsehen. Dies ergibt jedoch naturgemäß nur Informationen über das abgelaufene Geschäftsjahr (LSG Sachsen-Anhalt 08.11.2011, L 10 KR 33/11 B ER juris Rn. 32).

Die Prognoseentscheidung der Beklagten, sie benötige im Jahr 2016 neben dem allgemeinen Beitragssatz von 14,6 % einen zusätzlichen Beitragssatz von 1,2 % bzw. ab dem 01.04.2017 i.H.v. 1,5 %, ist nach diesen Maßstäben nicht zu beanstanden. Da bei der Bemessung des Zusatzbeitrages gemäß § 242 Abs. 1 Satz 3 SGB V die Höhe der voraussichtlichen beitragspflichtigen Einnahmen aller Krankenkassen nach § 220 Abs. 2 Satz 2 SGB V je Mitglied zugrunde zu legen sind, sind hierfür die vom GKV-Schätzerkreis prognostizierten Einnahmen heranzuziehen (Mecke, in: Becker/Kingreen, 8. Aufl. 2022, SGB V § 242 Rn. 4). So prognostizierte der GKV-Schätzerkreis bei einem Vergleich der Einnahmen aus dem Gesundheitsfonds mit den Ausgaben der Kranken­kassen für das Jahr 2016 eine Unterdeckung von rund 14,4 Mrd. € (https://www.bundesamtsozialesicherung.de/fileadmin/redaktion/Presse/2015/Schaetzerkreis_­PM_und_Schaetzertableau.pdf), für das Jahr 2017 bewegte sich die prognostizierte Unterdeckung im selben Rahmen (https://www.bundesgesundheitsministerium.de/ministerium/meldungen/2016/oktober-2016/­durch­schnittlicher-zusatzbeitragssatz-2017.html). Aufgrund des leicht positiven Jahresergebnisses der Beklagten für 2015 (Jahresbericht 2015: Einnahmen 5.328.738.166,32 €, Ausgaben 5.328.050.887,62 €, Überschuss +687.278,70 € = 0,39 € je Versicherten) kann daher gerade nicht der Schluss gezogen werden, dass es für das Folgejahr an der - von der Beklagten prognostizierten - Unterdeckung fehlen wird, zumal auf Basis der Mitte Oktober 2015 vom GKV-Schätzerkreis einvernehmlich erfolgten Prognosen zur Einnahmen- und Ausgabenentwicklung der GKV auch eine Anhebung des durchschnittlichen Zusatzbeitrages um 0,2 Prozentpunkte auf 1,1 % ab dem 01.01.2016 erfolgt ist (BAnz AT 30.10.2015 B7). Im Hinblick auf das negative Jahresergebnis im Jahr 2016 (Jahresbericht 2016: Einnahmen 5.500.706.719,61 €, Ausgaben 5.532.962.599,79 €,
Unterdeckung -32.255.880,18 € = -18,37 € je Versicherten) hat der Senat ohnehin keine Zweifel an der für 2017 prognostizierten Unterdeckung. Der Kläger kann ferner nicht einwenden, dass der Beitrag für 2017 nicht bzw. nicht in dieser Höhe hätte erhoben werden dürfen, da die Beklagte in diesem Jahr einen Überschuss erwirtschaftet habe (Jahresbericht 2017: Einnahmen 5.734.339.219,06 €, Ausgaben 5.694.468.590,26 €, Überschuss +39.870.628,80 € = 22,80 € je Versicherten). Zum einen beruhte dieser Überschuss auch auf dem Zusatzbeitrag. Zum anderen handelt es sich bei der Festlegung des Zusatzbeitrages um eine Prognoseentscheidung. Es gibt keine rechtliche Grundlage für eine rückwirkende Aufhebung des Zusatzbeitrages. Vielmehr ist die Krankenkasse gehalten, bei einem deutlichen Überschuss zu prüfen, ob nicht ggf. eine Abschaffung bzw. Reduzierung des Zusatzbeitrages in der (hier nicht mehr streitgegenständlichen) Zukunft in Betracht kommt (Thüringer LSG 26.11.2013, L 6 KR 433/12, juris Rn. 23).

Der Senat sieht vorliegend keine Veranlassung zu weitergehenden Ermittlungen von Amts wegen, da keine substantiierten Zweifel daran bestehen, dass der Finanzbedarf der Beklagten durch die Zuweisung aus dem Gesundheitsfonds in den Jahren 2016 und 2017 nicht gedeckt war, zumal sich auch die von der Beklagten nach § 261 SGB V zu bildenden Rücklagen (2015: 109.750.473,00 €; 2016 114.626.000,00 €), welche gemäß § 32 der Satzung der Beklagten 25 v.H. des nach dem Haushaltsplan auf den Monat entfallenden Betrages der Ausgaben betragen sollen, in diesem Rahmen bewegten (2015: Ausgaben jährlich 5.328.050.887,62 €, monatlich mithin 444.004.240,64 €; 2016: Ausgaben jährlich 5.532.962.599,79 €, monatlich mithin 461.080.216,65 €), weshalb auch hieraus keine Erhöhung der Betriebsmittel für das jeweilige Folgejahr (vgl. § 261 Abs. 5 SGB V) hätte erfolgen können.

c) Der Kläger ist im hier streitigen Zeitraum auch zur Zahlung des Zusatzbeitrages verpflichtet, da er weder sein Sonderkündigungsrecht ausgeübt hat noch eine etwaige Verletzung der diesbezüglichen Hinweispflichten eine Befreiung von der Zahlung desselbigen nach sich zieht (hierzu bereits oben).

Aufgrund der Erhöhung des Zusatzbeitrages zum 01.01.2016 bzw. zum 01.04.2017 bestand für den Kläger grundsätzlich gemäß § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V a.F. ein Sonderkündigungsrecht zum 31.01.2016 bzw. 30.04.2017. Da er den Zugang des im Bescheid aus „Dezember 2015“ genannten Informationsblattes bestreitet, welches sich auch nicht in der Verwaltungsakte befindet, und somit wohl kein den Anforderungen des § 175 Abs. 4 Satz 6 SGB V entsprechender Hinweis erteilt wurde, greift § 175 Abs. 4 Satz 7 SGB V ein, wonach eine erfolgte Kündigung als in dem Monat erklärt gilt, für den der Zusatzbeitrag erstmalig erhoben wird oder für den der Zusatzbeitragssatz erhöht wird. Durch diese gesetzliche Fiktion wird sichergestellt, dass bei einem verspäteten Hinweis die Frist zur Ausübung des Sonderkündigungsrechts hinausgeschoben wird, nicht aber der Zeitpunkt des Krankenkassenwechsels; dieser richtet sich weiterhin nach dem Zeitpunkt, zu dem die Kündigung bei einem unterstellten rechtzeitigen Hinweis regelmäßig ausgesprochen worden wäre (Begründung BT-Drs. 18/1307 S. 39). Es kommt nicht darauf an, ob die Krankenkasse den verspäteten Hinweis zu vertreten hat. Die Regelung gilt nicht nur dann, wenn die Krankenkasse generell verspätet auf das Sonderkündigungsrecht hinweist, sondern auch bei verspäteten Hinweisen gegenüber einzelnen Mitgliedern (Baier, in: Krauskopf, 117. EL 2022, SGB V § 175 Rn. 51).

Selbst wenn der Kläger im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren nicht hinreichend über sein Sonderkündigungsrecht informiert gewesen sein sollte - wobei dies im Hinblick auf den Bescheid aus „März 2017“ mehr als zweifelhaft erscheint, da dieser einen den Anforderungen des § 175 Abs. 4 Satz 6 SGB V entsprechenden Hinweis (Seite 4 des Bescheids, Bl. 36 VA) enthält und sich dem Senat nicht erschließt, warum der Kläger die Seite 4 des Bescheids, gegen welchen er unter dem 24.04.2017 Widerspruch eingelegt hat, nicht erhalten haben soll -, hat dieser spätestens seit der Akteneinsichtsnahme am 02.02.2018 (vgl. Empfangsbekenntnis auf Bl. 7a der SG-Akte) Kenntnis von seinem Sonderkündigungsrecht (wie sich auch seiner Klageschrift unzweifelhaft entnehmen lässt), dieses jedoch bislang nicht ausgeübt geschweige denn eine neue Krankenkasse gewählt.

Ein Krankenkassenwechsel war und ist vom Kläger aber wohl ohnehin nicht beabsichtigt, er wendet sich vielmehr lediglich gegen die Zahlung des Zusatzbeitrages an sich. Bis zum Kassenwechsel ist der neu erhobene oder erhöhte Zusatzbeitrag jedoch vom Mitglied zu zahlen (vgl. BT-Drucks. 18/1307 S. 38 f). Der Gesetzgeber hat hierzu ausgeführt, wie in dem vor 2009 geltenden Recht befreie das Sonderkündigungsrecht von der 18-monatigen Bindungsfrist nach Satz 1, nicht aber von der Tragung des erhöhten Zusatzbeitrags im Zeitraum bis zum Krankenkassenwechsel (vgl. auch BR-Drucks. 151/14 S. 40). Diese Rechtslage ergibt sich auch eindeutig aus dem Wortlaut des § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V, der eine Kündigung der Mitgliedschaft abweichend von Satz 1 (18-monatige Bindungsfrist an die Wahl der Krankenkasse) ermöglicht, aber nicht die Anwendung des § 175 Abs. 4 Satz 2 SGB V ausschließt. Danach ist eine Kündigung der Mitgliedschaft zum Ablauf des übernächsten Kalendermonats möglich, gerechnet von dem Monat, in dem das Mitglied die Kündigung erklärt. Der Kläger ist deshalb sowohl nach dem Wortlaut des Gesetzes als auch nach der Gesetzesbegründung verpflichtet, den erhöhten Zusatzbeitrag bis zum Krankenkassenwechsel zu tragen (LSG Rheinland-Pfalz 07.01.2021, L 5 KR 189/20 NZB, juris Rn. 19). Insbesondere gilt § 175 Abs. 4 Satz 7 SGB V in der bis zum 31.12.2014 geltenden Fassung, welcher eine Verschiebung der Beitragserhöhung bis zur Erfüllung der Hinweispflicht durch die Krankenkasse vorsah, im hier streitigen Zeitraum nicht mehr. Diese sog. Nichtzahlungsklausel wurde gestrichen, weil eine Befreiung von der Zusatzbeitragserhöhung zu relevanten Mindereinnahmen der Krankenkassen führen würde. Darüber hinaus wäre eine solche Befreiung im Rahmen des Quellenabzugsverfahrens mit einem nicht vertretbaren Verwaltungsaufwand insbesondere auch für Arbeitgeber, Rentenversicherungsträger und die Bundesagentur für Arbeit verbunden, weshalb sie im Rahmen des bis 2008 geltenden Sonderkündigungsrechts nicht vorgesehen war, sondern erst mit der Erhebung der einkommensunabhängigen Zusatzbeiträge, welche die Krankenkassen direkt beim Mitglied einziehen mussten, eingeführt wurde. Durch die neue Einkommensabhängigkeit der Zusatzbeiträge ist zugleich gewährleistet, dass kein Mitglied übermäßig belastet wird, wenn es auch bei Ausübung des Sonderkündigungsrechts die Differenz zum neuen Beitragssatz bis zum Vollzug des Wechsels der Krankenkasse zu tragen hat (vgl. BT-Drs. 18/1307 S. 39).

d) Die Zusatzbeiträge ab dem 01.01.2016 bis zum 31.12.2017 waren auch jeweils fällig. Dies folgt aus § 18 der Satzung der Beklagten in der Fassung vom 01.07.2009 i. V. m. § 23 Abs. 1 Satz 4 SGB IV in den Fassungen vom 15.04.2015 sowie vom 30.06.2017, anwendbar über § 242 Abs. 4 SGB V. Auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe der Bescheide kommt es nach der zutreffenden Auffassung des SG nicht an (vgl. zum Entstehungsprinzip der Fälligkeitsregelung z.B. BSG
14.07.2004, B 12 KR 1/04 R, BSGE 93, 119-131, juris, Rn. 34 ff.). Insoweit nimmt der Senat ebenfalls Bezug auf die erstinstanzliche Entscheidung und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

e) Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Beklagte zu 1 nach § 242 Abs. 1 Satz 2 SGB V auch dann zur Erhebung eines monatlichen Zusatzbeitrages berechtigt, wenn der Versicherte unstreitig über keinerlei Einkommen verfügt. Denn § 242 Abs. 1 Satz 2 SGB V lässt nach seinem klaren Wortlaut erkennen, dass der Zusatzbeitrag als Prozentsatz der beitragspflichtigen Einnahmen eines jeden Mitglieds zu erheben ist. Eine abweichende Erhebung des Zusatzbeitrages in Höhe des durchschnittlichen Zusatzbeitrages nach § 242a SGB V nach § 242 Abs. 3 SGB V in der Fassung vom 21.07.2014 kommt mangels Erfüllung der entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen vorliegend ebenfalls nicht in Betracht. Darüber hinaus werden individuelle Härten nicht berücksichtigt. Insoweit bleibt Mitgliedern, die sich durch den kassenindividuellen Zusatzbeitrag finanziell überfordert fühlen, nichts anderes übrig, als zu einer anderen Krankenkasse zu wechseln, was der Gesetzgeber unter Wettbewerbsgesichtspunkten unterstützt (Böttiger, in: Krauskopf, 117. EL 2022, § 242 Rn. 24).

f) Hierin liegt auch kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

So ist bereits höchstrichterlich geklärt, dass auch freiwillig versicherte Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung jedenfalls den Mindestbeitrag zu zahlen haben, unabhängig von der Höhe ihrer Einnahmen und ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Von dieser Regelung gibt es keine Ausnahme. Dies kommt in der gesetzlichen Regelung der Mindestbemessungsgrenze zum Ausdruck. Ein Ermessen steht der Beklagten zu 1 diesbezüglich nicht zu. Durch die Fiktion eines beitragspflichtigen Mindesteinkommens soll ein vertretbarer Ausgleich von Leistung und Gegenleistung bei freiwilligen Mitgliedern erreicht und verhindert werden, dass diese sich zu unangemessen niedrigen Beiträgen versichern können. Im Hinblick auf ihre geringere Schutzbedürftigkeit im Vergleich zu Pflichtversicherten wird ihnen ein adäquater Beitrag auch dann abverlangt, wenn sie nur ein geringes oder überhaupt kein Einkommen haben. Eine Unterschreitung der Mindesteinnahmengrenze kann deshalb weder damit gerechtfertigt werden, dass nach § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V die Beitragsbelastung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds entsprechen soll, noch damit, dass nach § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V mindestens diejenigen Einnahmen berücksichtigt werden müssen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen wären (BSG 18.02.1997, 1 RR 1/94, juris). Die gesetzliche Regelung, nach der der Mindestbeitrag bei freiwillig Versicherten auch dann nicht unterschritten werden darf, wenn diese nur ein geringes oder überhaupt kein Einkommen haben, ist mit dem GG vereinbar (BSG 18.02.1997, 1 RR 1/94 und 06.11.1997, 12 RK 61/96, juris; LSG Baden-Württemberg 22.06.2021, L 11 KR 818/21, n.v.; LSG Baden-Württemberg 24.04.2015, L 4 KR 2691/14, juris Rn. 54).

Da die Beklagte zu 1 - außerhalb der gesetzlichen Ausnahmen in § 242 Abs. 3 SGB V - von all ihren Mitgliedern gleichermaßen den kassenindividuellen Zusatzbeitrag erhebt, ist eine Ungleichbehandlung nicht ersichtlich. Das SG weist zu Recht darauf hin, dass der Gleichheitssatz den jeweiligen Träger öffentlicher Gewalt allein in seinem konkreten Zuständigkeitsbereich bindet (vgl. BVerfG 12.05.1987, 2 BvR 1226/83, juris Rn. 151 m.w.N.). Insofern kann eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht damit begründet werden, dass eine andere Krankenkasse einen niedrigeren Zusatzbeitrag erhebt, zumal dem Kläger bei Einführung bzw. Erhöhung des Zusatzbeitrages die Möglichkeit des Kassenwechsels offenstand.


IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

V. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.


 

Rechtskraft
Aus
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