L 11 KR 2409/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 2564/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2409/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Die Kranken- und Pflegekassen sind berechtigt, gegenüber ihren Versicherten mit einer eigenständigen Regelung festzustellen, dass eine Kapitalleistung als der Rente vergleichbare Einnahme (Versorgungsbezug) i.S. des § 229 Abs. 1 SGB V anzusehen ist und deshalb der Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung unterliegt. Streiten die Beteiligten allein über die Beitragspflicht und nicht über die Beitragsberechnung sowie die Höhe der Beiträge, kann der Versicherte die Regelung über die Beitragspflicht mit der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage angreifen.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 05.07.2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung auf eine Einmalzahlung der Versorgungskasse genossenschaftlicher Unternehmen e.V. (VGU) in Höhe von 156.565,46 € ab 01.05.2020 streitig.

Der 1957 geborene Kläger ist bei der Beklagten zu 1 in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) kranken- und bei der Beklagten zu 2 pflegeversichert. Er bezieht aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine Altersrente in Höhe von monatlich 2.282,03 €, ab Juli 2020 2.360,74 €, ab Juli 2021 2.646,57 € und ab Juli 2022 2.788,23 € (jeweils Nettobeträge); Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung werden direkt von der Rente abgezogen.

Der Kläger vereinbarte mit seiner seinerzeitigen Arbeitgeberin E1, bei der er als Bankvorstand beschäftigt war, die Umwandlung von Entgelt zugunsten einer Versorgung durch eine monatliche Altersrente, wahlweise eine einmalige Kapitalleistung über die VGU (monatlich 1.000,00 € ab November 2008). Trägerunternehmen der V1 ist die Arbeitgeberin. Die V1 erbrachte im April 2020 eine Sonderzahlung Versorgungsbezug in Höhe von 156.565,46 € brutto und überwies nach Abzug von Steuern an den Kläger 144.199,46 € (Bl. 22 der SG-Akten).

Die Beklagte zu 1 zog - auch im Namen der Beklagten zu 2 - mit Bescheid vom 27.05.2020 (Bl. 2 der Verwaltungsakten) die einmalige Kapitalleistung der VGU als beitragspflichtige Einnahme heran und teilte diese auf zehn Jahre (120 Monate) beginnend mit dem auf die Auszahlung folgenden Kalendermonat (Mai 2020) auf. Sie setzte zudem die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 01.05.2020 auf monatlich 242,02 € (202,23 € Krankenversicherung + 39,79 € Pflegeversicherung) fest.

Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Die Beiträge, die zur Besparung dieser Anlageform geführt hätten, hätten über die ganzen Jahre nachweislich oberhalb der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze gelegen und nicht zu einem Beitrag zur Krankenversicherung geführt. Durch die Verbeitragung werde im Nachhinein und durch die Hintertür die jeweilige Beitragsbemessungsgrenze der einzelnen Jahre im Nachgang deutlich nach oben korrigiert. Nach Abzug der von den Beklagten erhobenen Beiträge erziele er aus seiner Anlage ein negatives Ergebnis.

Mit Bescheid vom 13.10.2020 setzten die Beklagten unter Berücksichtigung des Freibetrags für Betriebsrenten in Höhe von monatlich 159,25 € die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 01.05.2020 nun auf insgesamt monatlich 217,34 € (177,55 € Krankenversicherung + 39,79 € Pflegeversicherung) fest (Bl. 6 der Verwaltungsakten).

Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.2020 (Bl. 8 der Verwaltungsakten) als unbegründet zurück. Beitragspflichtige Einnahmen versicherungspflichtiger Rentner seien nach § 237 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) der Zahlbetrag der Rente, Versorgungsbezüge und Arbeitseinkommen. Kapitalleistungen der betrieblichen Altersversorgung seien Versorgungsbezüge nach § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und Satz 3 SGB V. Hierbei gelte 1/120 der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge. Für die Zuordnung der Leistung der betrieblichen Altersversorgung zu den Versorgungsbezügen sei unerheblich, wer die Leistung im Ergebnis finanziert habe. Dies bedeute, dass die Leistung selbst dann zu den beitragspflichtigen Versorgungsbezügen gehöre, wenn und soweit sie auf Beiträgen bzw. Finanzierungsanteilen des Arbeitnehmers beruhe. Auch sei nicht maßgebend, ob und inwieweit die Versorgungsleistung auf Einzahlungen beruhe, die die betroffene Person aus bereits mit Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen belastetem Einkommen geleistet habe. Es sei für die Beitragspflicht unerheblich, dass das Entgelt über der Beitragsbemessungsgrenze zur Kranken- und Rentenversicherung gelegen habe. Die ausgezahlte Kapitalleistung betrage 156.565,46 €. Dies ergebe geteilt durch 120 einen monatlichen beitragspflichtigen Betrag ab 01.05.2020 von 1.304,71 €. Unter Berücksichtigung des gesetzlichen Freibetrags unterliege ein Betrag von 1.145,46 € der Beitragspflicht zur Kranken- und von 1.304,71 € zur Pflegeversicherung. Der monatliche Beitrag zur Krankenversicherung betrage 177,55 € und zur Pflegeversicherung 39,79 €.

Dagegen hat der Kläger am 24.11.2020 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Er habe bis zu seinem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze erzielt und mit seinem Arbeitgeber jeweils Höchstbeiträge an die Sozialversicherung gezahlt. Er habe von November 2008 bis März 2020 aus seinem Bruttogehalt Beiträge in Höhe von monatlich 1.000,00 € an die V1 gezahlt. Eine Beteiligung oder Aufstockung durch den Arbeitgeber habe zu keiner Zeit stattgefunden. Er habe Beiträge in Höhe von insgesamt 137.000,00 € an die V1 entrichtet. Die ihm im April 2020 auf sein Konto überwiesene Ablaufleistung habe 144.199,46 € betragen, ein sattes Plus von 7.199,64 € über einen Zeitraum von zwölf Jahren. Von diesem Betrag fordere nun die Beklagte einen monatlichen Beitrag in Höhe von 242,02 €, in Summe für zehn Jahre 29.042,40 €. Unter dem Strich ergebe sich bei der Verbeitragung ein Minus von 21.842,94 €. Dies könne vom Gesetzgeber so nicht gewünscht sein. Ein solches Geschäft hätte er unter diesen Vorzeichen zu keiner Zeit abgeschlossen. Wenn er beispielsweise im Jahr 2008 eine Eigentumswohnung für 137.000,00 € auf Darlehensbasis gekauft und die Darlehensraten jeden Monat mit 1.000,00 € getilgt hätte, dann hätte er bereits seit 2008 Mieten erhalten, die den steuerlichen Abzug dieser 1.000,00 € ausgeglichen hätten, und müsste auf die Mieten heute und zukünftig keine Krankenversicherungsbeiträge zahlen. Diese Ungleichbehandlung habe der Gesetzgeber sicher nicht gewollt. Den Vertrag zur Entgeltumwandlung habe er geschlossen, um eine Versorgungslücke nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu schließen. Müsste er in den nächsten zehn Jahren Beiträge an die Krankenkasse bezahlen, würde dies zu einer Ausweitung der Versorgungslücke führen. Verglichen mit der Beitragsbelastung während seines Erwerbslebens falle die Beitragsbelastung nun unverhältnismäßig hoch aus.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 05.07.2022 abgewiesen. Eine Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Grundgesetz (GG) liege nicht vor. In mittlerweile zahlreichen Entscheidungen habe sowohl das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) als auch das Bundessozialgericht (BSG) die gesetzlichen Regelungen, die die Beklagten in nicht zu beanstandender Weise befolgt und umgesetzt hätten, bestätigt. Der Kläger habe mit seiner Klage lediglich die Beitragspflicht angegriffen und nicht die konkrete Höhe der jeweiligen Beitragsforderungen. Jedoch habe auch das Gericht nach selbstständiger Prüfung der Berechnung keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Berechnung der Beiträge.

Gegen das ihm am 23.07.2022 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.08.2022 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Er hat sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Die sogenannte betriebliche Altersvorsorge mache keinen Sinn, wenn der Arbeitgeber keinen Beitrag dazu leiste, nicht einmal die gezahlten eigenen Beiträge zurückflössen und der Arbeitnehmer die vollen Beiträge zu übernehmen hätte. Insgesamt sei dies vergleichbar mit der Doppelbesteuerung von Renten. In diesem Fall seien Beiträge zur Sozialversicherung während der Arbeitsphase nicht zu bezahlen, weil die Beitragsbemessungsgrenze überschritten worden sei, und dann später im Rentenbezug durch die Hintertür mit dem zweiten Versuch, dann doch bezahlen zu müssen. Unter dem Strich sei dies gleichzusetzen mit einer Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze. Dies könne der Gesetzgeber so nicht gewollt haben. Dies führe nicht dazu, dass die Bürger privat für ihre Altersvorsorge sparten. Es handele sich um keine kapitalisierte Betriebsrente, auf die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zu zahlen wären.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 05.07.2022 sowie den Bescheid vom 27.05.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2020 aufzuheben und festzustellen, dass die Einmalzahlung Versorgungsbezug in Höhe von 156.565,46 € brutto durch die E2 nicht der Beitragspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung unterliegt.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie haben auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides sowie des angefochtenen Urteils verwiesen.

Der Senat hat von Amts wegen das Rubrum berichtet und die Pflegekasse der beklagten Krankenkasse als Beklagte zu 2 aufgenommen.

Auf Anforderung des Senats haben die Beklagten folgende Bescheide vorgelegt:
- Bescheid vom 13.04.2021 (Bl. 73 der Senatsakten): Beitragspflicht aus einer einmaligen Kapitalleistung aus einer Zahlung der A1 im April 2021 in Höhe von insgesamt 297.755,40 €, beitragspflichtiger monatlicher Betrag von 2.481,30 € ab 01.05.2021 bis voraussichtlich 30.04.2031, monatliche Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 01.05.2021 410,80 € (343,98 € Krankenversicherung + 66,82 € Pflegeversicherung),
- Bescheid vom 27.12.2021 (Bl. 71 der Senatsakten): Änderung des Zusatzbeitrages zur Krankenversicherung von 1,1% auf 1,3% sowie des Beitragszuschlages für Kinderlose zur Pflegeversicherung von 0,25% auf 0,35%; Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 01.01.2022 monatlich 415,18 € (348,36 € Krankenversicherung + 66,82 € Pflegeversicherung),
- Bescheid vom 08.07.2022 (Bl. 67 der Senatsakten): Beitragspflicht einer einmaligen Kapitalleistung der A1 im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge im Juli 2022 in Höhe von 16.699,40 €; monatliche beitragspflichtige Einnahme ab 01.08.2022 139,16 €; Beiträge aus Versorgungsbezügen ab 01.07.2022 388,33 € (325,83 € Krankenversicherung + 62,50 € Pflegeversicherung),
- Bescheid vom 27.12.2022 (Bl. 66 der Senatsakten): Änderung des Zusatzbeitrages zur Krankenversicherung von 1,3% auf 1,6%; monatliche Beiträge ab 01.01.2023 423,36 € (Krankenversicherung 356,28 € + 67,08 € Pflegeversicherung).
Gegen den Bescheid vom 13.04.2021 hat der Kläger Widerspruch eingelegt, das Widerspruchsverfahren ruht derzeit.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten sowie die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.



Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

1. Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und statthaft.

2. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist der Bescheid vom 27.05.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2020 (§ 95 SGG), mit dem
die Beklagte zu 1 - auch im Namen der Beklagten zu 2 - die einmalige Kapitalleistung der V1 als beitragspflichtige Einnahme zur Kranken- und Pflegeversicherung herangezogen und diese auf zehn Jahre (120 Monate) beginnend mit dem auf die Auszahlung folgenden Kalendermonat (Mai 2020) verteilt hat. Die Beklagten haben damit gegenüber dem Kläger mit einer eigenständigen Regelung festgestellt, dass die Kapitalleistung der V1 als der Rente vergleichbare Einnahme (Versorgungsbezug) i.S. des § 229 Abs. 1 SGB V anzusehen ist und deshalb der Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung (§ 57 Abs. 1 SGB XI) unterliegt. Neben der Höhe der Beiträge haben die Beklagten mit dieser Feststellung ein einzelnes Element des Beitrags(tragungs)tatbestandes gesondert geregelt (vgl. § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch <SGB X>) und gleichsam „vor die Klammer“ gezogen. Das ist nicht zu beanstanden. Zwar dürfen grundsätzlich Träger der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung eine einzelne Größe zur Bemessung des Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrags nicht für sich zum Gegenstand eines feststellenden Verwaltungsakts machen, jedoch ist - in Abweichung hiervon - die Beitragspflicht von Einnahmen als Element des Beitrags(tragungs)tatbestandes gesondert feststellungsfähig (z.B. BSG 29.02.2012, B 12 KR 19/09 R, Rn. 18, juris). Allein gegen diese Regelung wendet sich der Kläger - ausweislich seines Berufungsantrages - mit der kombinierten Anfechtungsklage und begehrt bezogen auf die einmalige Kapitalleistung der V1 die Beseitigung der Feststellung der Beitragspflicht sowie die Feststellung, dass die streitige Kapitalleistung nicht der Beitragspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung unterliegt (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1, 56 SGG). Über die Beitragsberechnung und die Höhe der Beiträge besteht kein Streit, was die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 27.06.2023 bestätigt haben. Da lediglich die Feststellung der Beitragspflicht betreffend die Kapitalleistung der V1 Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist, sind die weiteren Bescheide vom 13.10.2020, 13.03.2021, 27.12.2021, 08.07.2022 und 07.12.2022 nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens (geworden), weil darin über (die) weitere(n) Elemente des Beitrags(tragungs)tatbestandes entschieden und weitere beitragspflichtige Einnahmen bzw. die Höhe der konkreten Beiträge festgesetzt wurden.

3. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Der Bescheid vom 27.05.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. D
ie Beklagte zu 1 - auch im Namen der Beklagten zu 2 - hat zu Recht die einmalige Kapitalleistung der V1 in Höhe des Bruttobetrages von 156.565,46 € als beitragspflichtige Einnahme zur Kranken- und Pflegeversicherung herangezogen und diese auf zehn Jahre (120 Monate) beginnend mit dem auf die Auszahlung folgenden Kalendermonat (Mai 2020) verteilt.

a. Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung auf die Kapitalleistung ist § 237 Satz 1 Nr. 2 SGB V in Verbindung mit § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V (in der mit Wirkung vom 15.12.2018 durch Gesetz vom 11.12.2018 <BGBl. I, 2387>) sowie § 57 Abs. 1 Satz 1 SGB XI. Danach wird der Bemessung der Beiträge bei in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung pflichtversicherten Rentnern neben dem Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung auch der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen zugrunde gelegt. Als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) gelten „Renten der betrieblichen Altersversorgung“, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden. Tritt an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung oder ist eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden, gilt nach § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V ein 1/120 der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für 120 Monate.
Außer Betracht bleiben Leistungen aus Altersvorsorgevermögen im Sinne des § 92 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie Leistungen, die der Versicherte nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses als alleiniger Versicherungsnehmer aus nicht durch den Arbeitgeber finanzierten Beiträgen erworben hat.

b. Die Voraussetzungen des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V liegen vor. Bei der Einmalzahlung der VGU handelt es sich um eine betriebliche Altersversorgung. Wesentliche Merkmale einer Rente der betrieblichen Altersversorgung als einer mit der Rente aus der gesetzlichen Rente vergleichbaren Einnahme im Sinn des Beitragsrechts der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung sind ein Zusammenhang zwischen dem Erwerb dieser Rente und der früheren Beschäftigung sowie ihre Entgeltersatzfunktion (vgl. nur BSG 01.02.2022, B 12 KR 39/19 R, BSGE 133, 252 m.w.N.). Hierzu gehören auch Leistungen, die aus einer betrieblichen Altersvorsorge aufgrund Entgeltumwandlung gezahlt werden. Gem. § 1 Abs. 1 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) handelt es sich um eine betriebliche Altersversorgung, wenn einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt werden. Betriebliche Altersversorgung liegt nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG vor, wenn
künftige Entgeltansprüche in eine wertgleiche Anwartschaft auf Versorgungsleistungen umgewandelt werden (Entgeltumwandlung) (vgl. auch § 1b BetrAVG). Vorliegend vereinbarte der Kläger mit seiner Arbeitgeberin am 16.10.2008 die Umwandlung von Arbeitsentgelt als laufendem Gehalt für die Zukunft (ab 01.11.2008) zugunsten der Versorgung über die von der Arbeitgeberin getragene Versorgungseinrichtung V1. Die Arbeitgeberin versprach aus Anlass des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger diesem im Gegenzug eine Versorgung über die V1 entsprechend Satzung und Leistungsplan der V1. Daraus ergab sich die monatliche Leistungszusage einer Altersrente, wahlweise eine einmalige Kapitalabfindung. Dies entnimmt der Senat den vom Kläger vorgelegten Unterlagen (Bl. 16/18 der SG-Akten). Damit wird die Leistung der V1 schon institutionell vom Betriebsrentenrecht erfasst. Darüber besteht ein eindeutiger und klarer Zusammenhang zwischen dem Erwerb dieser Leistung und der früheren Beschäftigung des Klägers. Auch kommt der - wahlweise anstatt der versprochenen monatsweisen Altersrente - gewährten Kapitalabfindung ohne Zweifel Entgeltersatzfunktion zu, was der Kläger selbst einräumt, wenn er dem Versorgungsbezug ausdrücklich die Funktion der Schließung einer Versorgungslücke im Alter zuschreibt.

c. Die Beitragspflicht von Versorgungsbezügen - einschließlich der Bezüge aus betrieblicher Altersversorgung - begegnet im Grundsatz keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. z.B. BSG 13.12.2022, B 12 KR 10/20 R, SozR 4 <vorgesehen>; BSG 01.02.2022, B 12 KR 39/19 R, BSGE 133, 252; BSG 08.07.2020, B 12 KR 1/19 R, Rn. 29 ff., juris; BSG 12.05.2020, B 12 KR 22/18 R, BSGE 130, 116; BSG 08.10.2019, B 12 KR 2/19 R, SozR 4-2500 § 229 Nr. 28; BSG 26.02.2019, B 12 KR 17/18 R, BSGE 127, 254, jeweils m.w.N.). Dabei ist unerheblich, ob die Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung aus dem Brutto- oder Nettoarbeitsentgelt aufgebracht worden sind. Ein Anspruch auf Erhalt der in der Ansparphase gegebenen Beitragsfreiheit bis in die Auszahlphase lässt sich aus dem Gesetz und der Verfassung nicht herleiten. Auch kommt es nicht darauf an, dass die betriebliche Altersversorgung ggf. aus einem Arbeitsentgelt oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze finanziert wird (z.B. BSG 08.10.2019, B 12 KR 2/19 R, SozR 4-2500 § 229 Nr. 28; BSG 26.2.2019, B 12 KR 17/18 R, BSGE 127, 254 m.w.N.). Zudem existiert kein Grundsatz, dass mit aus bereits der Beitragspflicht unterliegenden Einnahmen vom Versicherten selbst finanzierte Versorgungsbezüge der Beitragspflicht überhaupt nicht oder jedenfalls nicht mit dem vollen Beitragssatz unterworfen werden dürfen (BSG 08.10.2019, B 12 KR 2/19 R, SozR 4-2500 § 229 Nr. 28 m.w.N.; vgl. auch BVerfG <Kammer> 06.09.2010, 1 BvR 739/08, SozR 4-2500 § 229 Nr. 10).

Das BVerfG hat nur in Sonderfällen bestimmte Leistungsanteile von der Beitragspflicht als Versorgungsbezug ausgenommen. Voraussetzung dafür ist einerseits die Auflösung des beruflichen Bezugs und andererseits der Wechsel in der Versicherungsnehmereigenschaft. Nach dem Kammerbeschluss des BVerfG vom 28.09.2010 zu Direktversicherungen i.S. von § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V dürfen Kapitalleistungen insoweit nicht als Versorgungsbezüge der Beitragspflicht unterworfen werden, als sie auf Prämien beruhen, die ein Arbeitnehmer nach dem Ende seines Arbeitsverhältnisses auf einen Kapitallebensversicherungsvertrag unter Einrücken in die Stellung des Versicherungsnehmers eingezahlt hat (1 BvR 1660/08, SozR 4-2500 § 229 Nr. 11). Rentenleistungen einer Pensionskasse sind nach einem Kammerbeschluss des BVerfG vom 27.06.2018 (1 BvR 100/15 u.a., NJW 2018, 3169) dann von der Beitragspflicht ausgenommen, wenn sie auf einem nach Ende des Arbeitsverhältnisses geänderten oder ab diesem Zeitpunkt neu abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag zwischen der Pensionskasse und dem Versicherten beruhen, an dem der frühere Arbeitgeber nicht mehr beteiligt ist und in den nur der Versicherte Beiträge eingezahlt hat. Eine dieser Fallkonstellationen liegt nicht vor. Der berufliche Bezug wurde zu keiner Zeit gelöst. Die Entgeltumwandlung fand während des bestehenden Beschäftigungsverhältnisses statt. Der Kläger hat den institutionellen Rahmen der betrieblichen Altersversorgung nie verlassen.

Der vom Kläger geltende gemachte Gleichheitsverstoß im Vergleich zu einem kreditfinanzierten Kauf von Wohneigentum zur Erzielung von Mieteinnahmen in der Rentenphase besteht nicht, weil bereits kein vergleichbarer Lebenssachverhalt vorliegt. Die streitige betriebliche Altersvorsorge durch Entgeltumwandlung zugunsten einer Altersrente mit Kapitalwahlrecht im institutionellen und besonders abgesicherten Rahmen des Betriebsrentenrechts unterscheidet sich grundlegend von einem privaten kreditfinanzierten Kauf von Wohneigentum, um - soweit dieses in der Rentenphase überhaupt noch vorhanden ist und nicht wegen Insolvenz, Scheidung oder sonstiger aus Sicht des Klägers möglicherweise nicht vorhersehbarer, aber gerade nicht untypischer Lebensereignisse verwertet werden musste - ggf. Mieteinnahmen, die nicht garantiert und im Übrigen durch Leerstand, Insolvenz der Mieter etc. auch faktisch nicht sicher zu erwarten sind, zu erzielen. Im Übrigen hat der Kläger sich im Oktober 2008 eigenverantwortlich und selbstbestimmt für die betriebliche Altersversorgung in Form der Entgeltumwandlung entschieden, als die Beitragspflicht für Versorgungsbezüge schon seit Jahren normiert war (vgl. nur Peters in jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 229 SGB V <Stand: 02.01.2020>, Rn. 1 ff.; ferner zur Einführung der vollen Beitragstragung durch Rentner ab 01.01.2004 BSG 29.02.2012, B 12 KR 19/09 R, Rn. 26, juris). Offensichtlich bereut er nun seine damals getroffene Anlageentscheidung. Dies ist kein Grund, contra legem den streitigen Versorgungsbezug beitragsfrei zu stellen. 

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

5. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).


 

Rechtskraft
Aus
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