L 11 KR 659/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 1383/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 659/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Die durch Gesetz vom 03.06.2021 (BGBl. I, 1309) mit Wirkung zum 09.06.2021 eingeführte "Bestandsschutzregelung" für Solidargemeinschaften (§ 176 SGB V; vgl. dazu Hahn, NZS 2022, 81) findet auf Sachverhalte vor ihrem Inkrafttreten keine Anwendung.
2. Ein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall i.S. des § 188 Abs. 4 Satz 2 SGB V erfordert die Zugehörigkeit zu einem Sicherungssystem, das den Mindestanforderungen an eine Krankheitskostenvollversicherung in der deutschen privaten Krankenversicherung entspricht (Anschluss an BSG 10.12.2019, B 12 KR 20/18 R, BSGE 129, 265; BSG 20.03.2013, B 12 KR 14/11 R, BSGE 113, 160). Notwendig ist dazu ein durchsetzbarer Rechtsanspruch auf Leistungen zur Absicherung im Krankheitsfall. Ein solcher durchsetzbarer Rechtsanspruch ist nicht gegeben, wenn die Klägerin selbst nicht Mitglied der Solidargemeinschaft ist, sondern lediglich "zuwendungsberechtigte" Familienangehörige eines Mitglieds ohne eigene Rechte und der Vorstand der Solidargemeinschaft nach freiem "Ermessen" über die Gewährung von Zuwendungen an die Familienangehörigen entscheidet.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 15.12.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand


Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin bei der beklagten Krankenkasse in der Zeit vom 01.12.2014 bis zum 01.07.2016 versichert war.

Die
1956 geborene Klägerin ist verheiratet. Sie war bei der Beklagten von Oktober 1999 bis April 2009 familienversichert, von Dezember 2011 bis August 2013 als Beschäftigte pflichtversichert sowie von September 2013 bis November 2014 über den Bezug von Arbeitslosengeld durch die Bundesagentur für Arbeit pflichtversichert. Nach Vorlage einer Versicherungsbescheinigung der D1 über eine substitutive Krankenversicherung zum 01.12.2014 sowie einer Erklärung des Austritts durch die Klägerin bescheinigte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 18.12.2014 die Zeiten der Mitgliedschaft sowie das Ende ihrer Mitgliedschaft als Leistungsbezieherin zum 30.11.2014. Der Ehemann der Klägerin war in der Zeit vom 01.12.2014 bis zum 01.07.2016 Mitglied der E1 (E2 die Klägerin als Ehegattin ohne Einkommen dort zuwendungsbefugt. Eine substitutive Krankenversicherung in der bestand nicht.

Der 1997 gegründete E2 hatte in der streitigen Zeit folgende Satzung (Fassung vom 13.07.2013 <Bl. 38 der LSG-Akten> und vom 16.04.2016 <Bl. 46 der LSG-Akten>):
„§ 1 Name, Sitz, Geschäftsjahr
...
§ 2 Zweck des Vereins
(1) Die E2 ist eine aufsichtsfreie Personenvereinigung gemäß § 1 Abs. 3 Ziff. 1 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) und keine Krankenkasse oder Krankenversicherung.
(2) Zwecke des Vereins sind:
a. Die Mitglieder sichern sich gegenseitig rechtlich verbindlich eine umfassende flexible Krankenversorgung zu, die in Quantität und Qualität mindestens dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht;
b. die Stärkung von Eigenverantwortung und Solidarität der Mitglieder im Gesundheitsbereich. Die Mitglieder unterstützen sich gegenseitig bei Fragen der Lebensbalance, der Gesundheitspflege, der Krankenpflege und der Krankheitsbehandlung sowohl ideell als auch materiell. Sie gehen davon aus, dass verschiedene Methoden hierzu geeignet sein können (Methodenpluralismus);
c) die Unterstützung und Förderung einer Medizin und Pflege, die der körperlichen, seelischen und geistigen Natur des Menschen gerecht wird.
(3) Die Satzungszwecke werden insbesondere dadurch verwirklicht,
a. dass im Krankheitsfall jedes Mitglied eine umfassende und flexible Krankenversorgung erhält;
b. dass die Struktur des Vereins und die Formen der Zusammenarbeit das Prinzip der Subsidiarität einer zivilen Bürgergesellschaft zum Ausdruck bringen und dabei Individualität und Gemeinschaft in ein wechselseitig anregendes und förderliches Entwicklungsverhältnis bringen;
c. dass ein angemessenes Beitragsaufkommen, eine angemessene Rücklagenbildung und sonstige Risikoabsicherung sowie eine kostenbewusste Haushaltsführung sichergestellt wird.
(4) Mit Umsetzung der Satzungszwecke werden die Voraussetzungen einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bzw. vergleichbare Ansprüche gemäß § 193 Abs. 3 Satz2 Nr. 2 VVG erfüllt. ...
§ 3 Voraussetzungen und Erwerb der Mitgliedschaft
(1) Mitglieder des Vereins können nur natürliche Personen sein, die Mitgliedschaft ist nicht übertragbar.
(2) Über die Aufnahme des Mitglieds entscheidet der Vorstand.
(3) Die Mitgliedschaft beginnt mit der Zahlung des ersten Beitrags.
(4) Fördermitglieder sind Mitglieder, die einen Förderbeitrag leisten und keine Zuwendungen aus dem Verein erhalten. Fördermitglieder erhalten kein Stimmrecht.
§ 4 Austritt, Ausschluss und Löschen der Mitgliedschaft
...
§ 5 Beiträge, Individualkonto und Solidarfonds
(1) Beiträge werden in der Beitragsordnung geregelt, und der Umfang der Zuwendung ergibt sich aus der Zuwendungsordnung. Erlass und Änderungen der Beitrags- und Zuwendungsordnung regelt § 8 Abs. 6 der Satzung. Die Beitragsordnung und die Zuwendungsordnung werden durch den Vorstand so gestaltet, dass die vorgesehenen Zuwendungen aus den Beiträgen auch bei Schwankungen des Leistungsverlaufs erbracht werden können und darüber hinaus eine ausreichende Reserve für größere Zuwendungsfälle aufgebaut und erhalten werden kann. ...
(2) Jedes Mitglied kann verlangen, dass das Guthaben auf seinem Individualkonto im Rahmen der Zuwendungsordnung zur Deckung seiner Krankheitskosten im ambulanten und stationären Bereich ausgezahlt wird.
(3) Aus den Solidarfonds können weitere Unterstützungen an die Mitglieder erbracht werden, die auch die Hilfe im Pflegefall abdecken. Über einen Antrag auf Unterstützung der Kosten für eine medizinisch notwendige Heilbehandlung oder eine andere gebotene Form der Therapie entscheidet der Vorstand nach Maßgabe der Zuwendungsordnung. Ein Anspruch auf Leistung besteht nur in Fällen der medizinischen Notwendigkeit. Diese solle dem individuellen Bedarf entsprechen, wobei mindestens das Leistungsniveau der gesetzlichen Pflege- oder Krankenversicherung erreicht werden soll. In anderen Fällen entscheidet der Vorstand nach pflichtgemäßem Ermessen.
§ 6 Organe des Vereins
...
§ 7 Mitgliederversammlung
...
§ 8 Der Vorstand
...
(6) Über den Erlass und Änderungen der Beitrags- und Zuwendungsordnung sowie der Schlichtungs- und Schiedsordnung entscheidet der Vorstand. Die Änderungen sind der Mitgliedschaft schriftlich bekanntzugeben. ...
§ 9 Regionalvorstände
...
§ 10 Gesamtvorstand
...
§ 11 Streitfälle
(1) Im Streitfall unter Vereinsmitgliedern oder zwischen einem Mitglied und dem Verein ist das Schlichtungsverfahren einzuleiten. Die streitenden Parteien benennen aus den Mitgliedern des Vereins und deren Regionalgruppen je einen Vertreter als Schlichter. Die Schlichter benennen gemeinsam ein weiteres Vereinsmitglied als weiteren Schlichter, der den Vorsitz des Schlichtungsverfahrens übernimmt. Nach Erörterung mit den streitenden Parteien und ihren Schlichtern gibt der weitere Schlichter eine Empfehlung zur Streitbeilegung an die streitenden Parteien (Schlichtungsverfahren). ...
(2) Kommt es im Rahmen des Schlichtungsverfahrens nicht zu einer Einigung bzw. wird die Empfehlung im Schlichtungsverfahren nicht akzeptiert, ist auf Antrag einer Partei ein Schiedsverfahren im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs unter Benennung eines Schiedsrichters einzuleiten. ...
§ 12 Fachausschüsse und Fachreferenten
...
§ 13 Auflösung des Vereins, Änderung des Vereinszwecks
...“

Der Vorstand beschloss folgende Zuwendungsordnung:

„§ 1 Allgemeines
...
§ 2 Mitglieder als Selbstzahler
Mitglieder der E2 sind zunächst Selbstzahler und erhalten in der Regel eine Rechnung nach einer geltenden Gebührenordnung, ... Diese Rechnungen können dann zur Abrechnung an die Geschäftsstelle eingereicht werden.
§ 3 Menschliche und finanzielle Solidargemeinschaft
(1) Als Solidargemeinschaft sichern wir uns gegenseitig zu, dass wir uns menschlich und finanziell unterstützen.
(2) Die finanzielle Unterstützung soll eine verlässliche Hilfe sein -  von Fall zu Fall auch über den Kreis der zuwendungsbefugten Personen gemäß § 4 und dem Zuwendungsrahmen gemäß § 7 hinaus. Über solche Einzelfälle entscheidet der Vorstand. Um diese Qualität der Hilfe erbringen zu können, ist es wichtig, dass wir uns gerade für die mehr oder weniger alltäglichen Fälle klare Regeln geben und selbst Grenzen setzen. Zur praktischen Verwirklichung dieser Ziele dient der unter § 7 stehende Zuwendungsrahmen bei Verfügungen über das Individualkonto bzw. bei Anträgen an den Solidarfonds.
§ 4 Zuwendungsbefugte Personen neben den Mitgliedern
(1) Bei Ehepartnern, Partnern in eheähnlicher Lebensgemeinschaft oder eingetragenen Lebenspartnerschaften sind grundsätzlich nur Vereinsmitglieder an den Zuwendungen des Vereins beteiligt. Ehepartner, Partner in eheähnlicher Lebensgemeinschaft oder eingetragener Lebenspartnerschaft ohne eigenes Einkommen und ohne eigene Absicherung erhalten ohne Mitgliedschaft Zuwendungen wie Mitglieder. ...
(4) Die Höhe der Beiträge aus den Abs. 1 und 2 ergibt sich aus der Beitragsordnung.
§ 5 Heil- und Kostenplan
...
§ 6 Leistungsansprüche gegen Dritte
Soweit Leistungsansprüche gegenüber einer Krankenversicherung, einer Unfallversicherung, der Beihilfe oder anderen Kostenträgern bestehen, erfolgt keine Zuwendung von der E2
§ 7 Zuwendungsrahmen
Allgemeinarzt                         – bis zum 2,3-fachen Satz der GO-Ä
Facharzt                                 – bis zum 2-3-Fachen Satz der GO-Ä
Heilpraktiker                           – bis zum Höchstsatz der Gebühr
Zahnbehandlung/Zahnersatz/Kieferorthopädie – bis zum 2,3-fachen Satz der GOZ
- Eigenbeteiligung 30%
Krankenhaus                          – Mehrbettzimmer - kein Chefarzt - bis zum 2,3-fachen Satz der GO-Ä
Medikamente                         – medizinische Indikation ist Voraussetzung
Therapien: z.B. Massagen, Heileurhythmie, Sprachgestaltung, etc. – bis zu insgesamt 20 Sitzungen pro Kalenderjahr sind ohne Antrag möglich. Danach sind ein Antrag des Mitglieds und ein Therapieplan erforderlich - Eigenbeteiligung 20%
Physiotherapie                       – bis zu insgesamt 20 Sitzungen sind ohne Antrag möglich, danach ist ein Antrag des Mitglieds und des Therapeuten erforderlich. - Eigenbeteiligung 20%.
Hilfsmittel                               – Eigenbeteiligung 20% - Bei Brillen: Alle drei Jahre kann ein Zuschuss bis 500,00 € beantragt werden.
Im Einzelfall können Zuwendungen über den Zuwendungsrahmen durch den Vorstand gewährt werden.
§ 8 Verletzung der Anzeigepflicht und Beitragsrückstände
Gibt ein Mitglied beim Eintritt in die E1 falsche Angaben insbesondere entsprechend der Vorschrift § 19 Abs. 1 VVG an oder gerät das Mitglied mit der Beitragszahlung nach § 5 der Beitragsordnung in Rückstand, beschränken sich die Zuwendungen der E1 aufgrund entsprechender Anwendung des § 12 Abs. 1a VAG auf dem Basistarif. Die Leistungen des Basistarifs entsprechen dabei den Pflichtleistungen der GKV (3. Kapitel des SGB V). Im Übrigen gelten die gesetzlichen Anfechtungs-, Kündigungs-  und Rücktrittsrechte, wovon im Einzelfall im Sinne des § 4 Abs. 2 der Satzung Gebrauch gemacht werden kann.
§ 9 Anträge, Fristen und Belege
(1) Verfügungen vom Individualkonto bzw. Anträge an den Solidarfonds sollen jeweils zum Ende eines Quartals erfolgen und sind per Post an die Geschäftsstelle zu richten. Kleine Rechnungen können über das Quartal hinaus gesammelt werden. Rechnungen, die das eigene Budget übersteigen, können jederzeit eingereicht werden.
(2) Abrechnungszeitraum ist das Kalenderjahr; Verfügungen vom Individualkonto bzw. Anträge an den Solidarfonds für Kosten des jeweiligen Kalenderjahres müssen spätestens bis zum 31.03. (Datum des Poststempels) des darauffolgenden Jahres bei der Geschäftsstelle eingegangen sein. Danach eintreffende Abrechnungen werden zu Lasten des laufenden Beitragsjahres verbucht ...“

Am 01.07.2016 nahm die Klägerin eine versicherungspflichtige Beschäftigung auf. Sie stellte am 08.08.2016 bei der Beklagten einen Mitgliedschaftsantrag und gab als bisherige Krankenkasse die „E2 an. Auf Anforderung der Beklagten legte die Klägerin eine Bescheinigung des E2 vom 12.09.2016 gemäß § 193 Abs. 3 Nr. 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und § 5 Abs. 1 Nr. 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) vor, wonach bei dem E2 seit dem 01.12.2014 ein vergleichbarer Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall als Familienangehöriger gemäß § 4 Abs. 1 der Zuwendungsordnung im Sinne der §§ 193 Abs. 3 Nr. 2 VVG und § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bestehe sowie zum 01.07.2016 nicht mehr bestehe.

Mit Schreiben vom 21.09.2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass es sich bei dem E2 um kein privates Krankenversicherungsunternehmen handele und damit keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall bestehe. Sie übersandte der Klägerin einen Antrag auf freiwillige Krankenversicherung ab 01.12.2014 und bat um Angaben zu ihren Einnahmen.

Die Klägerin trat dem mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 10.10.2016 entgegen. Sie habe im streitigen Zeitraum bei dem E2 eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall unterhalten und sei gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V versicherungsfrei.

Mit Bescheid vom 25.10.2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Mitgliedschaft in dem E2 nicht als anderweitiger Versicherungsschutz akzeptiert werden könne (Hinweis auf Landessozialgericht <LSG> Bayern 09.06.2015, L 4 KR 27/13). Den Widerspruch der Klägerin vom 03.11.2016 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 03.04.2017). Nach § 188 Abs. 4 Satz 1 SGB V setze sich für Personen, deren Versicherungspflicht oder Familienversicherung ende, die Versicherung mit dem Tag nach dem Ende der Versicherungspflicht oder dem Ende der Familienversicherung fort, es sei denn, das Mitglied erkläre innerhalb von zwei Wochen nach Hinweis der Krankenkasse über die Austrittsmöglich weiter seinen Austritt. Der Austritt werde nur wirksam, wenn das Mitglied das Bestehen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall nachweise. Gemäß § 188 Abs. 4 Satz 3 SGB V gelte § 188 Abs. 4 Satz 1 SGB V nicht für Personen, deren Versicherungspflicht ende, wenn die übrigen Voraussetzungen für eine Familienversicherung erfüllt seien oder ein Anspruch auf Leistungen nach § 19 Abs. 2 SGB V bestehe, sofern im Anschluss daran das Bestehen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall nachgewiesen werde. Diese Voraussetzungen lägen bei der Klägerin nicht vor, da sie weder die Voraussetzungen für eine Familienversicherung erfülle noch ein Anspruch auf Leistungen nach § 19 Abs. 2 SGB V vorliege, in dessen Anschluss das Bestehen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall nachgewiesen worden sei. Die Mitgliedschaft bei der Beklagten bestünde auch über den 30.11.2014 hinaus nach § 188 Abs. 4 Satz 1 SGB V als freiwillige Mitgliedschaft fort. Die Klägerin sei mit der Versicherung bei dem E2 nicht hinreichend im Sinne des SGB V abgesichert. Die Mitgliedschaft bei dem E2 stelle keine ausreichende anderweitige Absicherung im Krankheitsfall dar. Ein Anspruch auf anderweitige Absicherung im Krankheitsfall liege nur dann vor, wenn § 194 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erfüllt sei. Ein faktischer Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall, wie es der E2 gewähre, sei gerade nicht ausreichend. Um eine rechtssichere anderweitige Absicherung im Krankheitsfall anzunehmen, müssten die Solidargemeinschaften sogenannte Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit nach § 53 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) bilden bzw. sich umwandeln. Nur in diesem Fall könne von einem Rechtsanspruch ausgegangen werden. Der E2 sei jedoch kein Versicherungsverein im Sinne des § 53 VAG. Der E2 garantierte den Mitgliedern keine Leistungsansprüche. Gemäß der Satzung sei ein Rechtsanspruch auf eine bestimmte Leistung ausgeschlossen. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Schlichtungsverfahren und Schiedsgerichten gewährleiste in der von dem E2 festgelegten Art und Weise nicht den allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch. Zu den Unzulänglichkeiten der konkreten Ausgestaltung des Schlichtungs- und Schiedsverfahrens komme das Problem des Fehlens einer Aufsicht über die Tätigkeit der Vorstände hinzu.

Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Zur Begründung ihrer Klage hat sie ausgeführt, dass eine Mitgliedschaft bei der Beklagten infolge einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V nicht bestanden habe. Der E2 sei ausweislich seiner Satzung eine aufsichtsfreie Personenvereinigung gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 VAG. Seine Mitglieder sicherten sich gemäß § 2 Abs. 2a der Satzung rechtlich verbindlich eine umfassende flexible Krankenversorgung zu, die in Qualität und Quantität mindestens dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung entspreche. Mit der Erfüllung des Satzungszwecks würden gemäß § 2 Abs. 4 die Voraussetzungen einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V erfüllt. In der aufgrund der Ermächtigung gemäß § 8 Abs. 6 der Satzung vom Vorstand erlassenen Zuwendungsordnung sei verbindlich geregelt, dass den Mitgliedern die Wahl unter den approbierten Ärzten, Zahnärzten, Therapeuten und Heilpraktikanten freistehe. Auch bei medizinisch notwendigen stationären Behandlungen bestehe Wahlfreiheit. Erstattet würden auf Antrag die Kosten für notwendige Behandlungen nach den einschlägigen Gebührenordnungen. Zuwendungsbefugt seien neben den Mitgliedern auch nahe Angehörige wie z.B. Ehepartner. Der Zuwendungsrahmen bilde das Leistungsniveau der privaten Krankenversicherung ab. Eine anderweitige Absicherung könne auch durch eine Mitgliedschaft in einer privat organisierten Selbsthilfeeinrichtung bzw. Solidargemeinschaft im Gesundheitswesen erfolgen. Dem Gesetzgebungsverfahren lasse sich entnehmen, dass auch nach Einführung der Auffangversicherung zum 01.04.2007 die Mitgliedschaft in solchen Einrichtungen von der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung habe befreien sollen. Es bestehe keine Verpflichtung der vorbestehenden Solidargemeinschaften zur Umwandlung in die Rechtsform eines sogenannten kleinen Versicherungsvereins. Die Absicherung in dem E2 stelle versicherungsvertragsgesetzlich vergleichbare Ansprüche gemäß § 193 Abs. 3 Nr. 2 VVG dar. Ein gemeinsamer Kriterienkatalog der Spitzenverbände und des Gesundheitsministeriums sei nicht mehr entwickelt worden. Jedoch sei in der Folgezeit die anderweitige Absicherung im E2 anerkannt worden. So seien die Beiträge zu Solidargemeinschaften wie dem E2 ausdrücklich als abzugsfähige Aufwendungen einkommensteuerrechtlich anerkannt worden. Das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 20.03.2013 (B 12 KR 14/11) enthalte die eindeutige Feststellung, dass für eine von der gesetzlichen Krankenversicherung befreiende anderweitige Absicherung eine den qualitativen Anforderungen der privaten Krankenversicherung gemäß § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG entsprechende Leistungszusage genüge. Das Urteil des Bayerischen LSG vom 09.06.2015 (L 4 KR 27/13) sei nicht maßgeblich, weil sich dieses auf eine andere Fassung der Satzung beziehe.

Das SG hat mit Urteil vom 15.12.2021 die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 25.10.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.04.2017 sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Im Zeitraum 01.12.2014 bis 30.06.2016 habe eine freiwillige Versicherung der Klägerin bei der Beklagten bestanden. Die Mitgliedschaft der Klägerin in dem E2 stelle keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall dar, der Austritt der Klägerin bei der Beklagten zum 01.12.2014 sei nicht wirksam. Die mit Wirkung vom 09.06.2021 eingeführte Regelung des § 176 SGB V enthalte für die hier streitgegenständliche Zeit keine Rechtswirkungen. Der E2 sei für die streitige Zeit deswegen keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall, weil der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten, aber auch zu den Sozialgerichten in § 11 der einschlägigen Satzungen jeweils ausgeschlossen sei. Dies habe das Bayerische LSG mit Urteil vom 09.06.2015 (L 4 KR 27/13) zu einer älteren, aber insoweit inhaltsgleichen Satzung entschieden. Die hiergegen eingelegte Revision sei erfolglos geblieben (BSG 18.04.2017, B 12 KR 18/15 R).

Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 16.02.2022 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer am 03.03.2022 zum LSG Baden-Württemberg eingelegten Berufung. Die Klägerin hat ergänzend vorgetragen, dass das Bundesministerium für Gesundheit im Februar 2022 den E2 als Einrichtung der anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall gemäß § 176 SGB V anerkannt habe. Auch wenn die gesetzliche Neuregelung keine Rückwirkung auf den hier streitigen Zeitraum der Versicherung entfalte, lasse sich jedoch der Wille des Gesetzgebers zweifelsfrei erkennen, die seit dem Inkrafttreten der allgemeinen Krankenversicherungspflicht durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz entstandene rechtliche Unsicherheit über die Solidargemeinschaften als anerkannte Einrichtungen der anderweitigen Absicherung zu beseitigen und eine Anerkennung auszusprechen. Die rechtliche Einordnung als aufsichtsfreie Personenvereinigung habe ausschließlich dem Zweck gedient, nicht unter die Regelungen des V1 zu fallen, wonach für den Geschäftsbetrieb eine versicherungsaufsichtsrechtliche Genehmigung und damit der Nachweis der Erfüllung der hierfür in dem VAG vorgesehenen Voraussetzungen erforderlich sei. Der E2 habe von Anfang an kein Versicherungsunternehmen sein wollen. Die satzungsrechtliche Zusage, dass alle Mitglieder des Vereins Krankenversorgung erhielten, die in Quantität und Qualität mindestens dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung entspreche, enthalte eine rechtlich verbindliche Leistungszusage, die durch die Zuwendungsordnung mit Stand April 2014 konkretisiert werde. Gemäß § 7 würden dort die Kosten für die ambulante stationäre Heilbehandlung sowie weitere Gesundheitskosten ersetzt. Dieser Zuwendungsrahmen gehe weit über die von der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung gewährten Leistung hinaus. Das Bundesministerium für Gesundheit und der Gesetzgeber hätten zwischenzeitlich erkannt, dass die von ihnen im Rahmen der Festschreibung der Krankenversicherungspflicht durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz im Jahr 2007 beabsichtigte Gewährleistung des Fortbestands der vorbestehenden Solidargemeinschaften nicht hinreichend gesichert sei. Der Gesetzgeber habe mit dem Gesetz zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege (Digitale-Versorgungs- und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz <DVPMG>) im Hinblick auf die hier streitige rechtliche Einordnung der Solidargemeinschaften eine gesetzliche Klarstellung vorgenommen, die zum einen die Solidargemeinschaften als Einrichtung der anderweitigen Absicherung in § 176 SGB V definiere und zum anderen von der Versicherungsaufsicht in § 3 VAG ausnehme. Darüber hinaus seien diese Solidargemeinschaften in § 193 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 VVG als Ausnahmen von der Versicherungspflicht ausdrücklich benannt. Der E2 habe all seinen Mitgliedern auch schon vor dem Inkrafttreten des rechtlich verbindlichen Leistungsanspruchs mit der Satzung aus dem Jahr 2013 einen faktischen Anspruch auf Leistungen gewährt. Das SG München habe in seiner Entscheidung vom 04.01.2013 (S 3 KR 291/11) erstmals für die Anerkennung des E2 einen Rechtsanspruch auf Leistung verlangt. Dies habe der E2 zum Anlass genommen, die Satzung in der Weise zu ändern, dass der bestehende faktische Anspruch nunmehr als rechtlich verbindlich zugesagt worden sei. Seit seinem Bestehen seien sämtliche notwendigen Heilbehandlungsaufwendungen der Mitglieder durch Zuwendungen mindestens auf dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung gewährt worden. Soweit Abzüge vorgenommen würden, hätten diese ihre Ursache nicht im Leistungsanspruch, sondern in der Plausibilität der Rechnungen. Der E2 prüfe wie die gesetzliche und private Krankenversicherung auch die eingereichten Rechnungen auf ihre Richtigkeit und Angemessenheit. Der E2 habe die mit der Satzung versprochenen Leistungen - auch in Großschadensfällen - immer in vollem Umfang erbracht. Nachdem das SG München in seiner Entscheidung vom 04.01.2013 die Auffassung vertreten habe, dass der Anspruch bei Beitragsrückstand unkündbar sein müsse, habe der E2 insoweit mit der ab Mai 2014 geltenden Satzung eine Neufassung der Kündigungsvorschriften vorgenommen. Danach werde das Recht zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 4 Abs. 2 nur noch auf die Fälle der arglistigen Falschangabe und des schädigenden Verhaltens begrenzt. Der Verweis auf die Folgen in der fortgeltenden Zuwendungsordnung sei insoweit unverändert geblieben, sodass die Folgen auf die in der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung ebenfalls vorhandenen Leistungsbegrenzungen beschränkt seien. Eine Kündigung wegen Beitragsrückstandes sei seit Geltung dieser Satzung rechtlich ausgeschlossen. Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass auch für die Klägerin konkret der Rechtsanspruch während des streitigen Zeitraums durch Mitgliedschaft bei dem E2 sowie die Rückversicherung bei einer privaten Krankenversicherung bestanden habe. Das SG habe die Klageabweisung ausschließlich auf die in der Satzung des E2 getroffene Schiedsgerichtsklausel gestützt. Eine Herleitung, warum ein anderweitiger Anspruch auf Absicherung gemäß § 5 Abs.1 Nr. 13 SGB V nur dann gegeben sein solle, wenn eine Überprüfung der Leistungsentscheidung durch ein Zivilgericht oder ein Sozialgericht möglich sei, nehme weder das LSG Bayern noch das angegriffene Urteil des SG vor. Bei den in der Satzung in Bezug genommenen Regelungen der §§ 1025 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) handele es sich um ein vom Gesetzgeber für Zivilverfahren ausdrücklich vorgesehenes Verfahren, das detaillierten Regelungen unterworfen sei und in § 1059 ZPO sogar ein Aufhebungsverfahren durch die Zivilgerichte vorsehe.

Weiter hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie im streitigen Zeitraum als Familienangehörige gemäß § 4 Abs. 1 der Zuwendungsordnung bei dem E2 hinsichtlich ihrer Kosten im Krankheitsfall abgesichert gewesen sei. Ein Individualkonto oder ein Gemeinschaftskonto habe sie in der streitigen Zeit nicht unterhalten. Sie sei von Dezember 2004 bis Juni 2016 arbeitslos gewesen und habe kein Einkommen erzielt. Ihr Ehemann sei in der streitigen Zeit allein Mitglied der E2 Eine Mitgliedschaft in einer (gesetzlichen) Krankenkasse habe nicht bestanden. 

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 15.12.2021 und den Bescheid der Beklagten vom 25.10.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.04.2017 aufzuheben und festzustellen, dass die Klägerin in der Zeit vom 01.12.2014 bis zum 30.06.2016 nicht bei der Beklagten krankenversichert war.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist auf das angefochtene Urteil sowie ihre Entscheidung.

Der Berichterstatter hat die Beteiligten mit Verfügung vom 14.06.2023 darauf hingewiesen, dass der Umstand, dass die Klägerin nicht Mitglied des E2 war, sondern der Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 2 der Zuwendungsordnung unterfiel, ggf. für die Frage eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall i.S.d. § 188 Abs. 4 SGB V relevant sein könnte.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten sowie die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.



Entscheidungsgründe

1. Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig.

2. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist der Bescheid vom 25.10.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.04.2017 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte für die Zeit vom 01.12.2014 bis zum 30.06.2016 eine (freiwillige) Krankenversicherungspflicht feststellt. Dagegen wendet sich die Klägerin statthaft mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) und begehrt die Feststellung, dass in der streitigen Zeit eine Krankenversicherungspflicht bei der Beklagten nicht besteht (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG).

3. Die Berufung ist unbegründet. Der Bescheid vom 25.10.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.04.2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat für die Zeit vom 01.12.2014 bis zum 30.06.2016 zu Recht eine Mitgliedschaft in der obligatorischen Anschlusskrankenversicherung festgestellt.

a. Dem steht nicht das Schreiben der Beklagten vom 18.12.2014 entgegen. Denn darin bescheinigte die Beklagte der Klägerin lediglich „die Dauer der Mitgliedschaft“, insbesondere einer Versicherung als Bezieherin von Arbeitslosengeld nach dem SGB III bis zum 30.11.2014. Eine Regelung i.S.d. § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) hinsichtlich der Krankenversicherungspflicht für die Zeit ab 01.12.2014 enthält das Schreiben nicht. 

b. Zu Recht gehen die Beteiligten davon aus, dass die durch Gesetz vom 03.06.2021 (BGBl. I, 1309) mit Wirkung zum 09.06.2021 eingeführte Bestandsschutzregelung für Solidargemeinschaften (§ 176 SGB V; vgl. dazu Hahn, NZS 2022, 81) auf den vorliegenden Sachverhalt keine Anwendung findet.

c. Die Klägerin war in der Zeit vom 01.12.2014 bis zum 30.06.2016 kraft Gesetzes in Form der freiwilligen Versicherung bei der Beklagten pflichtkrankenversichert.
 
aa. Nach § 188 Abs. 4 SGB V (i.d.F. des Gesetzes zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung vom 15.07.2013; BGBl. I, 2423) setzt sich für Personen, deren Versicherungspflicht oder Familienversicherung endet, die Versicherung mit dem Tag nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht oder mit dem Tag nach dem Ende der Familienversicherung als freiwillige Mitgliedschaft kraft Gesetzes fort (Pflichtkrankenversicherung in Form der freiwilligen Versicherung, nicht aber eine Versicherung „aus freien Stücken“), es sei denn, das Mitglied erklärt innerhalb von zwei Wochen nach Hinweis der Krankenkasse über die Austrittsmöglichkeiten seinen Austritt (Satz 1). Der Austritt wird nur wirksam, wenn das Mitglied das Bestehen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall nachweist (Satz 2). Liegen die Voraussetzungen für diese obligatorische Anschlussversicherung vor, beginnt die damit verbundene freiwillige Mitgliedschaft im unmittelbaren Anschluss an den Wegfall der Versicherungspflicht oder der Familienversicherung (BSG 13.12.2022, B 12 KR 13/20 R, BSGE <vorgesehen>, SozR 4 <vorgesehen>, Rn. 11 m.w.N.). Die freiwillige Versicherung schließt sich lückenlos „mit dem Tag“ nach der beendeten Pflicht- oder Familienversicherung an. Nach dem Ende der Versicherungspflicht oder der Familienversicherung liegt nahtlos - ohne eine Lücke - entweder eine freiwillige Mitgliedschaft nach § 188 Abs. 4 SGB V oder ein anderweitiger vorrangiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall vor (vgl. BSG 13.12.2022, B 12 KR 13/20 R, BSGE <vorgesehen>, SozR 4 <vorgesehen>, Rn. 12). Die obligatorische Anschlussversicherung tritt nur dann nicht ein, wenn die Austrittserklärung fristgerecht vorliegt und das Mitglied das Vorliegen einer anderweitigen Absicherung nachweist (BSG 13.12.2022, B 12 KR 13/20 R, BSGE <vorgesehen>, SozR 4 <vorgesehen>, Rn. 13). Ohne eine solche anderweitige Absicherung im Krankheitsfall kommt dem Austrittswillen keine Bedeutung zu. Ein (vermeintliches) Recht auf mangelnde Eigenvorsorge tritt im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung hinter den Zweck der gesetzlichen Krankenversicherung zurück, die Allgemeinheit vor unzureichender Absicherung des Einzelnen gegen das finanzielle Risiko von Krankheit zu schützen. Dieser Gemeinwohlbezug beruht auf einem umfassenden sozialen Ausgleich zwischen Gesunden und Kranken. Insoweit verfügt der Gesetzgeber über einen weiten Gestaltungsspielraum, der es ihm erlaubt, den Kreis der Pflichtversicherten so abzugrenzen, wie es für die Begründung einer leistungsfähigen Solidargemeinschaft erforderlich ist (BSG 13.12.2022, B 12 KR 13/20 R, BSGE <vorgesehen>, SozR 4 <vorgesehen>, Rn. 15 m.w.N.).

Vorliegend endete die über den Bezug von Arbeitslosengeld vermittelte Mitgliedschaft der Klägerin (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V) am 30.11.2014 mit Ablauf des letzten Tages des Leistungsbezugs (§ 190 Abs. 12 SGB V). Anschließend lagen die Voraussetzungen für eine Pflichtmitgliedschaft, insbesondere mangels Ausübung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses und Bezug von Sozialleistungen (z.B. Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld II, Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung), und eine Familienversicherung nicht vor. Die Klägerin hatte weder gegen eine gesetzliche Krankenkasse noch eine private Krankenversicherung einen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall. Insbesondere bestand für die Klägerin keine bei einem in der Bundesrepublik Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen Krankheitskostenversicherung i.S.d. § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG. Dies alles ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin sowie den vorgelegten Unterlagen und ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig. Schließlich vermittelt auch die Zugehörigkeit der Klägerin zum Kreis der zuwendungsbefugten Ehepartner eines Mitglieds in dem E2 (ihres Ehemannes) keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall.   

bb. Die Voraussetzung des anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall nach § 188 Abs. 4 Satz 2 SGB V ist nicht anders auszulegen als nach § 5 Abs. 8a Satz 4 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V (vgl. BSG 29.06.2021, B 12 KR 33/19 R, BSGE 132, 237; BSG 29.06.2021, B 12 KR 35/19 R, Rn. 16, juris; BSG 10.03.2022, B 1 KR 30/20 R, BSGE 134, 6). Das gesetzgeberische Konzept der Auffangversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V), der obligatorischen Anschlussversicherung (§ 188 Abs. 4 SGB V) sowie die allgemeine Krankenversicherungspflicht (§ 193 Abs. 3 VVG) zielt auf eine umfassende Absicherung gegen Krankheitskosten aller Einwohner der Bundesrepublik Deutschlands sowie die Vermeidung von Kostenrisiken für die Allgemeinheit (BSG 10.12.2019, B 12 KR 20/18 R, BSGE 129, 265). Ein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall i.S. des § 188 Abs. 4 Satz 2 SGB V erfordert die Zugehörigkeit zu einem Sicherungssystem, das den Mindestanforderungen an eine Krankheitskostenvollversicherung in der deutschen privaten Krankenversicherung entspricht (BSG 10.12.2019, B 12 KR 20/18 R, BSGE 129, 265; BSG 20.03.2013, B 12 KR 14/11 R, BSGE 113, 160; ferner BSG 07.06.2018, B 12 KR 17/17 R, BSGE 126, 56). Notwendig ist ein durchsetzbarer Rechtsanspruch auf Leistungen zur Absicherung im Krankheitsfall (vgl. LSG Bayern 09.06.2015, L 4 KR 27/14, juris; LSG Schleswig-Holstein 28.06.2018, L 5 KR 76/15; Hahn, NZS 2022, 81/82 bzgl. der Solidargemeinschaften; ferner Bundesfinanzhof <BFH> 12.08.2020, X R 12/19, BFHE 270, 409; Finanzgericht <FG> Düsseldorf 14.10.2021, 14.10.2021, 11 K 3144/15 E, EFG 2022, 39). Eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall besteht z.B. bei im Inland realisierbaren Leistungsansprüchen gegen ein ausländisches Sicherungssystem, das im Wesentlichen den Mindestanforderungen an eine Absicherung in der deutschen privaten Krankenversicherung entspricht (BSG 20.03.2013, B 12 KR 14/11 R, BSGE 113, 160). Auch steht der Empfang laufender Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) sowohl dem Entstehen einer Auffangversicherung (§ 5 Abs.
1 Nr. 13 SGB V) als auch der Begründung einer obligatorischen Anschlussversicherung entgegen (BSG 29.06.2021, B 12 KR 33/19 R, BSGE 132, 237; BSG 29.06.2021, B 12 KR 35/19 R, Rn. 14, juris). Bei einem Beamten mit Anspruch auf Beihilfe nach einem Bemessungssatz von 50 v.H. und einer ergänzenden Krankenkostenvollversicherung in der privaten Krankenversicherung im Basistarif liegt ein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall vor (BSG 10.12.2019, B 12 KR 20/18 R, BSGE 129, 265). Dagegen begründen Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) keinen die obligatorische Anschlussversicherung ausschließenden anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall (BSG 10.03.2022, B 1 KR 30/20 R, BSGE 134, 6 <vorgesehen>, SozR 4-2500 § 188 Nr. 4, SozR 4-2500 § 5 Nr. 31).

Vorliegend hatte die Klägerin gegen den E2 keinen durchsetzbaren Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall. Zwar spricht der Wortlaut der Satzungsbestimmungen § 2 Abs. 2a, Abs. 3a und Abs. 4, § 5 Abs. 2 zunächst dafür, dass der Ehemann der Klägerin als Mitglied des E2 einen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall entsprechend dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung hatte. Dagegen spricht aber, dass die Mitglieder des Vereins sich das Leistungsversprechen des § 2 Abs. 2a untereinander abgeben, die Satzungsbestimmung aber keinen Rechtsanspruch gegen die eigenständige juristische Person des Vereins formuliert. Weiterhin spricht gegen einen durchsetzbaren Rechtsanspruch, dass der E2 sich gemäß § 2 Abs. 1 seiner Satzung ausdrücklich als aufsichtsfreie Personenvereinigung gemäß § 1 Abs. 3 Ziff. 1 VAG (in der bis zum 31.12.0215 geltenden Fassung <a.F.>) definiert hat und keine Krankenkasse oder Krankenversicherung begründen wollte. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 VAG a.F. (vgl. nun § 3 Abs. 1 Nr. 1 VAG) unterlagen der Aufsicht nach dem VAG nicht Personenvereinigungen, die ihren Mitgliedern, ohne dass diese einen Rechtsanspruch haben, Unterstützungen gewähren, insbesondere die Unterstützungseinrichtungen und Unterstützungsvereine der Berufsverbände. Durch die Bezugnahme auf § 1 Abs. 3 Nr. 1 VAG a.F. wurde zum Ausdruck gebracht, dass ein durchsetzbarer Rechtsanspruch des Mitglieds gegen den Verein gerade nicht bestehen sollte (vgl. FG Düsseldorf 14.10.2021, 11 K 3144/15 E, EFG 2022, 39). Der Senat kann offen lassen, wie diese in der Satzung angelegten Widersprüche aufzulösen sind und ob der Ehemann der Klägerin als Mitglied des E2 den erforderlichen durchsetzbaren Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall hatte. Jedenfalls stand der Klägerin ein durchsetzbarer Rechtsanspruch gegen den E2 nicht zu. Denn sie war selbst nicht Mitglied des Vereins, sondern ihr Ehemann. Sie wurde nicht als Mitglied in den E2 aufgenommen und verfügte dort über kein Individualkonto (oder sonstiges Konto), was sie mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 18.10.2022 ausdrücklich bestätigt hat. Damit konnte sie sich von vornherein nicht auf § 2 Abs. 2a, Abs. 3a und Abs. 4, § 5 Abs. 2 der Satzung berufen. Diese Bestimmungen beziehen sich nur auf beitragszahlende Mitglieder. Insbesondere kann nur „jedes Mitglied“ verlangen, dass das Guthaben auf seinem Individualkonto im Rahmen der Zuwendungsordnung zur Deckung seiner Krankheitskosten im ambulanten und stationären Bereich ausgezahlt wird (§ 5 Abs. 2 der Satzung). § 4 Abs. 1 Zuwendungsordnung unterstreicht, dass nur Vereinsmitglieder an den Zuwendungen des Vereins beteiligt sind. Auch die weiteren Rechte, z.B. auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens (§ 11 der Satzung), stehen allein dem Mitglied des Vereins zu, nicht aber seinem einkommenslosen Ehegatten. Die Bestimmung des § 4 Abs. 1 Satz 2 Zuwendungsordnung vermittelte der Klägerin keinen durchsetzbaren Rechtsanspruch. Danach erhalten u.a. Ehepartner ohne eigenes Einkommen und ohne eigene Absicherung ohne Mitgliedschaft Zuwendungen wie Mitglieder. Zunächst ist die Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 2 Zuwendungsordnung nicht als Anspruch entweder des Mitglieds oder des Ehepartners formuliert, sondern deutet auf eine Leistungserbringung nach Ermessen hin. Weiterhin ist § 4 Abs. 1 Satz 2 in der Zuwendungsordnung und nicht in der Satzung des E2 niedergelegt. Die Satzung als maßgebliche Verfassung eines Vereins (§ 25 BGB) selbst regelt in § 5 nur Leistungen aus dem Individualkonto sowie dem Solidarfonds an Mitglieder. Nach § 5 Abs. 3 Satz 5 der Satzung entscheidet in anderen Fällen, mithin auch über Zuwendungen an Familienmitglieder des Vereins, der Vorstand „nach pflichtgemäßem Ermessen“, was einen durchsetzbaren Rechtsanspruch ausschließt. Auch ist zu beachten, dass die Regelungen der Zuwendungsordnung der jederzeitigen Änderung durch den Vorstand unterliegen (§ 8 Abs. 6 der Satzung) und damit keinen hinreichend sicheren Rechtsanspruch vermitteln können. Unter diesen Umständen unterscheidet sich die Stellung eines einkommenslosen Ehegatten bei dem E2 gravierend von der Stellung einer von seinem Ehepartner (Versicherungsnehmer) in der privaten Krankenversicherung mitversicherten Person (vgl. §§ 193 Abs. 1, 194 Abs. 3, 44 VVG; ferner Bundesgerichtshof <BGH> 10.10.2007, IV ZR 37/06; NJW-RR 2008, 116) oder gar eines Familienversicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 10 SGB V). Ein durchsetzbarer Rechtsanspruch auf Absicherung im Krankheitsfall i.S.d. § 188 Abs. 4 SGB V war somit mit der Stellung der Klägerin als Ehefrau eines Mitglieds bei dem E2 nicht verbunden. 
 

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

5. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.


 

Rechtskraft
Aus
Saved