1. Die Nebenkostennachforderung des Vermieters stellt einen Bedarf im Monat der Fälligkeit dar.
2. Leben mehrere Personen zusammen in einer Wohnung, ist der individuelle Unterkunftsbedarf in der Regel nach Kopfteilen zu ermitteln. Dies gilt auch für eine Nebenkostennachforderung des Vermieters.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 14. Januar 2022 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Streitig sind insbesondere höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) für die Zeit vom 01.01.2021 bis zum 30.06.2021 wegen der Übernahme der Kosten der Unterkunft in tatsächlicher Höhe.
Der 1958 geborene Kläger bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, seit März 2020 als Dauerrente in Höhe von zuletzt monatlich 221,94 €. Ergänzend erhielt er vom Beklagten ab November 2013 zunächst Hilfe zum Lebensunterhalt und seit dem 01.07.2019 Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Er bewohnt - seit Dezember 2018 gemeinsam mit Frau S (im Folgenden S) - eine ca. 41 qm große Wohnung, für die er ab 01.06.2020 eine monatliche Grundmiete von 218 € zuzüglich 77,11 € Vorauszahlung für die Betriebskosten bezahlen musste. Der Kläger ist der alleinige Mieter. Abschlagszahlungen für Gas leistet er direkt an den Energieversorger.
Da der Kläger den Einzug von S dem Beklagten nicht mitgeteilt hatte, berechnete dieser die Leistungen für die Zeit vom 01.12.2018 bis 28.02.2019 zunächst unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft. Nach Kenntnis von der neuen Wohnsituation bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 07.02.2019 Leistungen für die Zeit ab März 2019 nur noch in Höhe von monatlich 487,60 €. Von den tatsächlichen Mietkosten wurde nur noch die Hälfte als Bedarf des Klägers berücksichtigt, weil die andere Hälfte auf S entfalle. Außerdem forderte der Beklagte mit Bescheid vom 23.04.2019 die für die Zeit vom 01.12.2018 bis 28.02.2019 entstandene Überzahlung in Höhe von 475,46 € zurück. Eine Änderung des Regelbedarfes bzw. Anrechnung von Einkommen oder Vermögen der S erfolgte dabei nicht. Zur vorangegangenen Anhörung durch den Beklagten hatte der Kläger mitgeteilt, dass S sich zunächst nur bei ihm angemeldet habe, um eine Adresse angeben zu können, und seit Dezember 2018 bei ihm wohne. S wolle nicht in die Obdachlosenunterkunft zurück und übernachte bei Freunden und Bekannten, die nicht namentlich genannt werden wollten. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erklärte der Kläger in der mündlichen Verhandlung beim Sozialgericht Augsburg (SG) am 20.11.2019 seine Klagen gegen den Bescheid vom 07.02.2019 (S 18 SO 76/19) und gegen die Rückforderung vom 23.04.2019 (S 18 SO 99/19) für erledigt. Dennoch erstattete der Kläger den Betrag nicht, sondern erhob erneut Klage, welche mit Urteil vom 15.07.2020 abgewiesen wurde (S 18 SO 47/20).
Mit Bescheid vom 14.07.2020 bewilligte der Beklagte Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.07.2020 bis 30.06.2021 in Höhe von monatlich 489,77 €; von den tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung berücksichtigte er dabei weiterhin nur die Hälfte. Mit Bescheid vom 22.03.2021 änderte der Beklagte die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01.01.2021 bis 30.06.2021 wegen der Erhöhung der Regelsätze und bewilligte Grundsicherungsleistungen in Höhe von monatlich 478,97 € unter Berücksichtigung der hälftigen Grundmiete und Nebenkostenvorauszahlung; eine Abschlagszahlung für Gas musste der Kläger im Januar nicht leisten. Den auf den Kläger entfallenden Anteil für die Unterkunftskosten überwies der Beklagte direkt an den Vermieter.
Die Jahresrechnung vom 15.01.2021 der Stadtwerke L ergab ein Guthaben aufgrund zu viel geleisteter Abschläge für Gas in Höhe von 156,60 €; die Abschlagszahlungen für Gas wurden ab dem 01.02.2021 auf 41 € festgesetzt. Aus diesem Grund erfolgte mit Bescheid vom 01.04.2021 eine Neuberechnung für die Zeit ab 01.02.2021 bis 30.06.2021. Als Heizkosten gingen nunmehr 20,50 € (50% von 41 €) in die Berechnung ein; das Guthaben aus der Gasabrechnung berücksichtigte der Beklagte im Februar in Höhe von 78,30 € als Einkommen des Klägers. Für Februar 2021 bewilligte der Beklagte danach Grundsicherungsleistungen in Höhe von 421,17 €, ab März 2021 monatlich 499,47 €. Mit Schreiben vom 31.05.2021 - eingegangen beim Beklagten am 01.06.2021 - teilte der Kläger mit, dass er sich um seine tatsächlichen und anerkannten Miet- und Heizkosten betrogen fühle. Für ihn bestehe durch den Einzug von S kein wirtschaftlicher Vorteil. S erhalte keine Leistungen. Er bat den Beklagten um Stellungnahme, auch hinsichtlich des Corona-Sozialschutzpakets.
Mit Schreiben vom 28.05.2021 forderte der Vermieter eine Nachzahlung in Höhe von 80,98 € für Nebenkosten im Jahr 2020, die bis 20.06.2021 zu überweisen sei. Mit Bescheid vom 04.06.2021 übernahm der Beklagte die Hälfte der Nebenkostennachzahlung in Höhe von 40,49 € als einmalige Beihilfe. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 01.07.2021 und nochmals am 10.08.2021 Widerspruch ein. Er fordere die komplette Übernahme der Betriebskosten, da die Kostenverteilung nicht nach Personen stattfände. Er sei Mieter und S habe weiterhin kein Einkommen. Sie habe auch keinen Mietvertrag. Sie sei vertraglich nicht zur Tragung von Unterkunftskosten verpflichtet. Unterkunfts- und Heizkosten seien in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anzuerkennen.
Den Widerspruch wies die Regierung von Schwaben als Widerspruchsbehörde mit Widerspruchsbescheid vom 02.09.2021 als unbegründet zurück. S bewohne mit dem Kläger zusammen die Wohnung. Sie gehöre nicht zu den Leistungsberechtigten nach dem SGB XII; bei Bedarf könne sie Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende beim Jobcenter beantragen, falls sie ihren Lebensunterhalt nicht selber sicherstellen könne. Bei der Bedarfsberechnung des Klägers dürfe sie nicht berücksichtigt werden. Lebten Personen im Haushalt, die nicht in der Bedarfsberechnung aufgenommen seien, müssten diese den auf sie entfallenden Anteil an Kosten der Unterkunft tragen. Somit könne der Beklagte nur die Hälfte der Nebenkostennachzahlung übernehmen.
Nach der Weiterbewilligung ab Juli 2021 forderte der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 30.09.2021 und 20.10.2021 zu Auskünften hinsichtlich des Bestehens einer eheähnlichen Gemeinschaft mit S auf und übersandte dazu einen Fragebogen, den der Kläger ausfüllen sollte. Das zweite Schreiben enthielt außerdem den Hinweis, dass Leistungen ganz oder teilweise versagt werden könnten, wenn der Kläger seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkomme. Nachdem der Kläger deutlich gemacht hatte, dass er zu Auskünften nicht bereit sei, weil es sich bei ihm und S um eine reine Wohngemeinschaft handle, entzog der Beklagte mit Bescheid vom 04.01.2022 die bewilligten Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.02.2022 bis zum 30.06.2022 teilweise im Umfang des Unterschiedsbetrags zwischen der Regelbedarfsstufe 1 und der Regelbedarfsstufe 2.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 02.09.2021 hat der Kläger am 15.09.2021 sinngemäß Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben (S 19 SO 132/21). Zur Begründung trägt er vor, dass nur die Hälfte der Mietkosten anerkannt würde, weil S bei ihm wohne. S sei jedoch ohne Einkommen, arbeitssuchend und nicht leistungsberechtigt. Bei ihr könne daher kein Einkommen vermutet werden. Er sei alleiniger Mieter und stehe alleine im Mietvertrag. Wie er sein Privatleben gestalte und wem er zur Seite stehe, gehe den Beklagten nichts an. Später hat der Kläger seine Klage um die Überprüfung der Schreiben des Beklagten vom 30.09.2021 sowie 20.10.2021 erweitert, mit denen er zur Beantwortung von Fragen zum Vorliegen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft aufgefordert und auf die Möglichkeit einer vollständigen oder teilweisen Versagung der Leistungen hingewiesen worden war. Der Beklagte habe die Maßnahmen ihm gegenüber und somit den Inhalt der Klage erweitert. Es sei fraglich, ob der Beklagte im Hinblick auf die eheähnliche Gemeinschaft und die angedrohte Versagung der Grundsicherungsleistungen handeln dürfe, wenn das Verfahren noch nicht entschieden sei.
Das SG hat die Klage gegen die Bescheide vom 22.03.2021, 01.04.2021 und 04.06.2021 mit Gerichtsbescheid vom 14.01.2022 abgewiesen und die Klage im Übrigen als unzulässig verworfen. Die Klage sei unzulässig, soweit sie sich auf die Überprüfung der Schreiben des Beklagten vom 30.09.2021 und 20.10.2021 zur Ermittlung einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft richte. Das Begehren stelle eine Klageänderung in Form einer Klageerweiterung dar, die nicht zulässig sei. Außerdem handle es sich bei dem Klagebegehren um vorbeugenden Rechtsschutz, für den ein Rechtsschutzbedürfnis nicht ersichtlich sei. Im Übrigen sei das Klagebegehren dahin auszulegen gewesen, dass es nicht nur um die Übernahme von weiteren 40,49 € aufgrund der Nachzahlungsforderung des Vermieters vom 28.05.2021 gehe. Vielmehr werde aus den Schriftsätzen des Klägers deutlich, dass er sich gegen die hälftige Tragung der Unterkunftskosten durch S wende, weshalb er lediglich die Hälfte dieser Kosten als Grundsicherungsleistungen erhalte. Das Gesetz setze beim Zusammenleben in einer Wohngemeinschaft die Aufteilung der tatsächlichen Gesamtaufwendungen nach Kopfzahl als Grenze der übernahmefähigen tatsächlichen Aufwendungen fest. Der Kläger lebe gemeinsam mit S in einer Wohngemeinschaft. Ob der Kläger und S eine eheähnliche Gemeinschaft bildeten, könne offen bleiben, da dies nicht Voraussetzung für die Verteilung der Kosten der Unterkunft nach Köpfen sei. Dafür, dass der Kläger aufgrund einer mietvertraglichen Vereinbarungen für konkret bestimmte Teile des Mietzinses zur Zahlung verpflichtet sei, bestünden keinerlei Anhaltspunkte.
Hiergegen hat der Kläger Berufung beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Er begehre nicht nur für den Zeitraum 01.01.2021 bis 30.06.2021 die volle Übernahme der Kosten der Unterkunft sondern bereits ab Januar 2020. S sei ohne Einkommen und habe sich zum Zeitpunkt der Aufnahme in seine Wohnung im Krankenstand befunden. Er habe keinerlei finanziellen Vorteil durch S. Der Beklagte behaupte, es sei keine Änderung des Regelbedarfs bzw. Anrechnung von Einkommen oder Vermögen von S erfolgt. Laut Berechnungsbogen werde aber die volle Miete von seinem Anspruch abgezogen. Mit Schreiben vom 05.03.2022 hat sich der Kläger außerdem gegen den Bescheid vom 04.01.2022 gewandt. Allein aufgrund eines nicht ausgefüllten Fragebogens sowie einer vermuteten eheähnlichen Gemeinschaft mit S ziehe ihm der Beklagte monatlich 53,69 € von seiner Grundsicherung ab.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 14.01.2022 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm unter Abänderung der entsprechenden Bewilligungsbescheide ab 01.01.2020 die Differenz zu den tatsächlichen Unterkunftskosten nachzuzahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Der Antrag des Klägers auf Übernahme der vollen Kosten der Unterkunft für die Zeit ab 01.01.2020 sei unzulässig, da die entsprechenden Bewilligungsbescheide bindend geworden seien. Der Kläger habe keine Rechtsmittel eingelegt. Soweit sich der Kläger gegen den Bescheid vom 04.01.2022 wende, habe er auch dagegen keinen Widerspruch eingelegt. Die Klage sei insoweit unzulässig.
Der Senat hat die Klage gegen den Bescheid vom 04.01.2022 mit Beschluss vom 29.09.2022 abgetrennt. Diese wird unter dem Aktenzeichen L 8 SO 265/22 KL geführt.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG), sie ist insbesondere statthaft, da die Berufungssumme von 750 € überschritten wird. Das SG hat mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid höhere Leistungen für die Zeit von Januar bis Juni 2021 im Umfang von monatlich mindestens 147,60 € abgelehnt. In dieser Höhe ist der Kläger beschwert. Die Berufung ist jedoch nicht begründet, da das SG die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist zunächst der Gerichtsbescheid des SG vom 14.01.2022 und das mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, Abs. 4 SGG) verfolgte Begehren des Klägers, höhere Leistungen für die Unterkunft für die Zeit vom 01.01.2021 bis zum 30.06.2021. Insoweit handelt es sich um einen abtrennbaren Streitgegenstand, auf den der Kläger sein Begehren beschränkt hat (vgl. nur BSG vom 10.11.2011 - B 8 SO 18/10 R - juris Rn. 12). Die Höhe der Leistungen für die Unterkunft im streitigen Zeitraum hat der Beklagte mit Bescheiden vom 22.03.2021 und 01.04.2021 geregelt. Mit dem ebenfalls streitgegenständlichen Bescheid vom 04.06.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.06.2021 hat der Beklagte die im Juni 2021 fälligen Nebenkostennachzahlung zur Hälfte übernommen und damit gleichzeitig die Übernahme der anderen Hälfte abgelehnt.
Nicht mehr Gegenstand dieses Verfahrens ist der Bescheid vom 04.01.2022, mit dem der Beklagte Leistungen ab 01.02.2022 wegen fehlender Mitwirkung im Hinblick auf eine möglicherweise bestehende eheähnliche Gemeinschaft teilweise entzogen hat. Die Anfechtung der teilweisen Entziehung ist Gegenstand der Klage L 8 SO 265/22 KL. Dem Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren ist nicht zu entnehmen, dass er die unzulässige Klage gegen die diesbezüglichen Schreiben des Beklagten vom 30.09.2021 und 20.10.2021 weiter verfolgen will.
Soweit der Kläger über die Entscheidung des SG hinaus mit der Berufung die Gewährung höherer Leistungen für die Zeit ab 01.01.2020 geltend macht, handelt es sich um eine Erweiterung seines prozessualen Anspruchs und somit um eine Klageänderung, die gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 99 Abs. 1 SGG zulässig ist. Danach ist eine solche Erweiterung der Klage um weitere Leistungszeiträume zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Die Einwilligung der Beteiligten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn sie sich, ohne der Änderung zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen haben (§ 99 Abs. 2 SGG). Vorliegend hat der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 23.03.2022 auch zum erweiterten Anspruch des Klägers Stellung genommen und sich damit entsprechend eingelassen.
Die so geänderte (erweiterte) Klage ist hinsichtlich der Leistungsbewilligungen für die Zeit vom 01.01.2020 bis zum 31.12.2020 nicht zulässig. Es fehlt die Durchführung eines Vorverfahrens als Klagevoraussetzung. Gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG sind vor Erhebung der Anfechtungsklage Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsverfahrens in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Eine der in § 78 Abs. 1 Satz 2 SGG genannten Ausnahmen liegt nicht vor. Da der Kläger gegen die jeweiligen Leistungsbewilligungen bereits keine Widersprüche eingelegt hat, sind diese für den genannten Zeitraum für die Beteiligten bindend geworden (§ 77 SGG). Die Geltendmachung höherer Leistungen für den Zeitraum Januar bis Dezember 2020 scheidet danach aus.
Auch betreffend den Zeitraum Januar bis Mai 2021 ist die Klage bereits unzulässig. Für diesen Zeitraum hat der Beklagte zuletzt mit Bescheiden vom 22.03.2021 und 01.04.2021 Leistungen bewilligt. Auch gegen diese Bescheide hat der Kläger - soweit ersichtlich - keinen Widerspruch eingelegt. Jedenfalls aber fehlt es an der erfolglosen Durchführung eines Widerspruchsverfahrens (§ 78 Abs. 1 Satz 1 SGG). In dem mit der Klage angegriffenen Widerspruchsbescheid vom 02.09.2021 hat die Widerspruchsbehörde ausschließlich über den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 04.06.2021 entschieden. Regelungsgegenstand dieses Bescheids war der Antrag des Klägers auf Übernahme der Nebenkostennachzahlung von 80,98 €, welche der Beklagte zur Hälfte als Beihilfe übernommen und damit gleichzeitig die Übernahme der anderen Hälfte in Höhe von weiteren 40,49 € abgelehnt hat. Obwohl der Bescheid von einer "einmaligen Beihilfe" spricht, ohne sich auf einen bestimmten Zeitraum zu beziehen, ist er nach seinem Zusammenhang dahin zu verstehen, dass der Beklagte einen abweichenden Bedarf des Klägers im Monat Juni 2021 geregelt hat. Gegenstand des Widerspruchsverfahrens war daher allein die Höhe des Leistungsanspruchs des Klägers im Juni 2021. Für die übrigen, vom SG einbezogenen Monate Januar bis Mai 2021 trifft weder der Bescheid vom 04.06.2021 noch der Widerspruchsbescheid vom 02.09.2021 eine Regelung. Die früheren Bewilligungsbescheide vom 22.03.2021 und 01.04.2021 sind für die Beteiligten ebenfalls bindend geworden (§ 77 SGG).
Soweit der Kläger in Abänderung des Bescheids vom 04.06.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.09.2021 für den Monat Juni 2021 höhere Leistungen für die Unterkunft begehrt, ist die Klage zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet. Die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 04.06.2021 über die teilweise Ablehnung höherer Leistungen für Unterkunft und Heizung misst sich an § 48 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 1 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - wie vorliegend - vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, zugunsten des Betroffenen eine wesentliche Änderung eingetreten ist.
Eine solche wesentliche Änderung ist mit der Fälligkeit der Nebenkostennachforderung durch den Vermieter eingetreten. Zu den Aufwendungen für die Unterkunft gehören auch einmalige Kosten wie hier die Nachforderung des Vermieters für die Nebenkosten im Jahr 2020. Diese stellen einen Bedarf im Monat der Fälligkeit dar (BSG vom 10.11.2011 - B 8 SO 18/10 R - juris Rn. 17). Vorliegend hat der Vermieter dem Kläger eine Zahlungsfrist bis zum 20.06.2021 eingeräumt; die Fälligkeit der Nachzahlung ist daher auf den Juni verschoben (vgl. § 271 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch <BGB>). Nicht zu prüfen ist, ob diese Forderung des Vermieters gerechtfertigt war. Es genügt, dass die Zahlung des Klägers auf der Grundlage einer Vereinbarung erfolgt ist, es sich also um eine ernsthafte Forderung handelte.
Ein Bedarf des Klägers besteht jedoch nur in Höhe der hälftigen Nachforderung, da die andere Hälfte von S als Mitbewohnerin zu tragen ist. Gemäß § 42a Abs. 1 SGB XII (in der Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung des Zweiten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 22.12.2016 - BGBl. I, 3159) sind für Leistungsberechtigte angemessene Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach den §§ 35 ff. SGB XII anzuerkennen, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 7 des § 42a SGB XII nichts Abweichendes ergibt. Leben mehrere Personen zusammen in einer Wohnung, besitzt jede Person einen individuellen Unterkunftsbedarf und ggf. einen individuellen Anspruch auf Übernahme der Aufwendungen zur Deckung dieses Bedarfs. Dieser ist in der Regel nach Kopfteilen zu ermitteln, und zwar unabhängig von der Hilfebedürftigkeit der übrigen Haushaltsangehörigen und unabhängig davon, ob die übrigen Personen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind. Im Regelfall ist die Miete also zu gleichen Anteilen auf die in der Wohnung lebenden Personen zu verteilen, was insbesondere dann Auswirkungen hat, wenn - wie hier - nicht hilfebedürftige oder -berechtigte Personen mit hilfebedürftigen Mitbewohnern zusammenleben (Scheider in Schellhorn/Hohm/Scheider/Legros, SGB XII, 20. Aufl., § 35 Rn. 11.2; Wrackmeyer-Schoene in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 7. Aufl., § 35 Rn. 15).
Vorliegend hat der Beklagte zutreffend eine Aufteilung nach Kopfteilen vorgenommen. Etwas Abweichendes folgt auch nicht aus § 42a Abs. 4 Satz 1 SGB XII. Eine Wohngemeinschaft i.S. des § 42a Abs. 4 Satz 1 SGB XII liegt vor, wenn die leistungsberechtigte Person - ausschließlich - mit anderen als den in § 42a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB XII genannten Personen in einer Wohnung i.S. des § 42a Abs. 2 Satz 2 SGB XII lebt (Bindig in jurisPK-SGB XII, Stand 01.02.2020, § 42a Rn. 62). Die Anwendung von § 42a Abs. 4 Satz 1 SGB XII setzt darüber hinaus jedoch voraus, dass für die Mitglieder der Wohngemeinschaft eine vertragliche Verpflichtung zur im Regelfall anteiligen Tragung der Unterkunftskosten für die Wohnung besteht (vgl. Scheider, aaO., § 42a Rn. 30). Der Kläger hat S jedoch in seine Wohnung aufgenommen, ohne dass diese zu einer Beteiligung an den Unterkunftskosten verpflichtet wäre. Demgemäß hat der Beklagte vorliegend nicht nur für die laufende Leistungsbewilligung die Hälfte der tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft dem Bedarf von S zugeordnet, sondern entsprechend auch den einmaligen Bedarf in Gestalt der Nebenkostennachforderung im Juni 2021. Ein Anspruch des Klägers auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung besteht nicht.
Die Berufung hat nach alledem keinen Erfolg und ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.