L 1 U 3333/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1.
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 722/22
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 3333/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Die Annahme einer Wie-Beschäftigung bei einem einmaligen Einsatz als Helfer bei der Ernte in einem landwirtschaftlichen Unternehmen ist dann ausgeschlossen, wenn eine freundschaftliche oder ähnliche soziale Beziehung besteht und diese die Grundlage der Hilfeleistung ist.
2. Eine freundschaftliche Beziehung liegt auch dann vor, wenn die engeren Familien des landwirtschaftlichen Unternehmers und des Helfers befreundet sind. Es ist unerheblich, ob die engste Freundschaft nur zwischen den Partnern des landwirtschaftlichen Unternehmers und des Helfers besteht und die Beziehung zwischen diesen etwas lockerer erscheint.
3. Eine Arbeitnehmerähnlichkeit besteht nicht, wenn keinerlei konkrete Gegenleistung für die Hilfe vereinbart oder in Aussicht gestellt wurde und allenfalls innere Erwartungen auf Zuwendungen des Unternehmers innerhalb der freundschaftlichen Beziehung (Einladung zum Essen) bestanden.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 20. Oktober 2022 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.

Der 1965 geborene Kläger ist gelernter Maschinenschlosser und arbeitet nach seinen Angaben in der Qualitätssicherung Wareneingang in der C1 S1 GmbH.

Der Kläger erlitt am 12. August 2021 einen Unfall, als er bei Arbeiten in der Scheune des Landwirts D1 (GD) Strohballen geordnet hat, wobei die Strohballen über ein Förderband jeweils eine Ebene hochtransportiert und dann ca. 3-4 Meter weggestoßen wurden und ein Strohballen den Kläger am Rücken getroffen hat. Hierdurch ist er eingesackt und hat bei starken Schmerzen nicht mehr aufstehen können. G1 diagnostizierte im Durchgangsarztbericht vom Unfalltag eine BWK6-Fraktur mit Bogenbeteiligung und Dornfortsatzfraktur und eine ventrale Absprengung HWK5/6 differentialdiagnostisch älterer Genese

Der Landwirt GD, in dessen Betrieb sich der Unfall ereignet hatte, machte im Fragebogen vom 22. August 2021 Angaben über seinen Betrieb sowie den Unfall. In der Unfallanzeige vom selben Tag gab er an, der Kläger sei als befreundeter Helfer (weder verwandt noch verschwägert) tätig gewesen. Ferner führte er aus, der Kläger sei mit dem Stapeln von Klein-Strohballen/Hochdruckballen in den Heustock beschäftigt gewesen. Er sei von einem herabfallenden Kleinballen (Gewicht ca. 20 kg) auf den Kopf getroffen worden.

Der Kläger machte im Fragebogen vom 28. August 2021 Angaben zum Unfallhergang.

Im weiteren Fragebogen vom 3. Oktober 2021 bejahte GD die Frage, ob ohne die Tätigkeit des Klägers jemand anderes zeitnah die Tätigkeit hätte ausführen müssen. Die Tätigkeit sei alleine nicht möglich. Sonst hätte die Tätigkeit sein Sohn ausführen müssen. Dieser habe sich jedoch an dem Tag im Urlaub befunden. Darum sei die Mithilfe des Klägers erfolgt. Die Frage, ob der Kläger schon vorher im Unfallbetrieb tätig gewesen sei, verneinte GD. Die Hilfe sei nur einmalig erfolgt. Der Kläger sei am Unfalltag bis zum Eintritt des Unfalls 2,5 Stunden tätig gewesen. Wenn der Unfall nicht eingetreten wäre, hätte die Tätigkeit insgesamt 5-6 Stunden gedauert. Die Fragen, ob eine Entlohnung in bar oder in Naturalien vereinbart gewesen sei und ob der Kläger seine Hilfe von einer Entschädigung oder Bezahlung abhängig gemacht habe, verneinte er jeweils. Er verneinte gleichfalls die Frage, ob es sich um eine Tätigkeit im Rahmen der Nachbarschaftshilfe auf Gegenseitigkeit gehandelt habe. Auch die Frage, ob der Kläger schon früher ausgeholfen habe, verneinte er und bejahte hingegen, die Frage, ob die Hilfeleistung am Unfalltag nur ausnahmsweise erfolgt sei, die Hilfe sei nur einmalig gewesen. Er gab schließlich an, der Kläger sei mit ihm seit ca. 25 Jahren befreundet.

Der Kläger selbst gab in einem Fragebogen vom 8. September 2021 an,
der Unfall habe sich bei der Hilfe/Unterstützung zwischen Nachbarn, Freunden oder Verwandten ereignet.

Auf Nachfrage der Beklagten führte GD am 14. November 2021 aus, sie hätten den Kläger am Vortag telefonisch für den 12. August 2021 um seine Hilfe gebeten. Die anfallenden Arbeiten seien bei dem Telefonat am Vortag besprochen worden. Die Einlagerung der Strohballen am Unfalltag sei ernte- und wetterbedingt unbedingt notwendig gewesen. Der Kläger sei eingewiesen worden und sei dabei seinen Anweisungen unterstellt gewesen. Sie hätten die Arbeiten gemeinsam erledigt. Die Frage, ob die Hilfeleistung im Rahmen einer wechselseitigen Aushilfe geschehen sei, verneinte der.

Auf weitere Frage der Beklagten teilte er am 17. Dezember 2021 mit, ein zeitliches Ende der Tätigkeit sei nicht besprochen worden, weil die Tätigkeit stark vom Wetter abhängig sei. Die Frage, ob sie vor dem Telefonat mit dem Kläger bereits andere Personen um Hilfe gebeten hätten, verneinte er. Bei einer Absage des Klägers hätten sie niemanden um Hilfe gebeten. Auf die Fragen, ob sie erwartet hätten, dass der Kläger ihnen seine Hilfe zusage und warum, führte er aus, dies sei nicht mit absoluter Sicherheit der Fall gewesen. Der Kläger habe in der Vergangenheit bei Erntearbeiten auf dem Hof seines Onkels mitgeholfen. Somit sei dem Kläger die Tätigkeit, bei der er ihn um Hilfe gebeten habe, bekannt gewesen. Außerdem habe sich der Kläger bei früheren Gesprächen geäußert, dass diese Arbeit zwar eine Schinderei sei, er es aber rückwirkend trotzdem gerne gemacht habe. Der Kläger habe bisher nie bei ihnen geholfen, da sie ihre Freunde nicht als Arbeitskräfte ausnutzen wollten. Sie wollten mit ihren Freunden die Freizeit genießen. Seine Frau sei vor rund 30 Jahren Arbeitskollegin der Schwester des Klägers gewesen. Sie seien sehr gute Freundinnen geworden. Durch verschiedene Treffen mit der ganzen Familie seien auch die Männer im Laufe der Zeit zu Freunden geworden. Sie würden sich meist relativ spontan treffen oder mit Absprache wenige Tage zuvor zu gemeinsamen Aktivitäten wie gemeinsamen Spaziergängen und anschließender Einkehr, spontanem Kaffeetrinken, Thermalbadbesuchen, Wanderung mit der ganzen Familie, Kinobesuchen, Essengehen, Besuch von Handwerkermärkten, Besuch Freilichtmuseum, Weihnachtsmarktbesuch, gemeinsamen Feiern von Geburtstagen und sonstiger Feste, einfach gemütliches abendliches Zusammensitzen, meist ganz spontan, stundenlanges Reden/Telefonieren. Sie hätten keine fixen Termine für gemeinsame Aktivitäten. Auch in schweren Zeiten seien sie füreinander da (Krebserkrankung seines Vaters, Krankheit der Eltern des Klägers, Todesfall etc.).

Mit Bescheid vom 18. Januar 2022 lehnte die Beklagte die Entschädigung des Unfalls vom 12. August 2021 ab, weil es sich hierbei nicht um einen entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall gehandelt habe. Die vom Kläger verrichtete Tätigkeit stelle eine freundschaftliche Gefälligkeitsleistung dar und stehe daher nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 7. Februar 2022 Widerspruch. Zur Begründung fügte er die Stellungnahme des GD und dessen Ehefrau vom 5. Februar 2022 bei. Darin schilderten diese nochmals ausführlich, dass die Erntearbeiten an diesem Tag ohne die tatkräftige Unterstützung durch den Kläger nicht hätten erbracht werden können. Normalerweise hätten sie Helfer aus der eigenen Familie, die aber verhindert gewesen seien und ein bekannter Landwirt, der im Rahmen von Nachbarschaftshilfe auch schon ausgeholfen habe, habe betriebsbedingt durch seinen eigenen Hof auch nicht helfen können.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2022 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach den vorliegenden Angaben sei die Mithilfe des Klägers am Unfalltag nur als (nicht versicherte) kurzfristige Hilfeleistung unter Bekannten bzw. Freunden anzusehen. Das Gesamtbild ergebe ein Tätigwerden, welches ihr Gepräge durch das freundschaftliche Verhältnis erhalte. Eine Tätigkeit, die über das hinausgehe, was allgemein unter Bekannten und Freunden üblich sei, habe nicht vorgelegen.

Am 28. April 2022 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Die Klagschrift ging jedoch ausweislich des Vermerks vom 5. Mai 2022 zunächst als leere Seiten beim SG ein, weil sie mit Sicherheitsschutz verschickt worden ist. Der Klagschrift waren der Bescheid vom 18. Januar 2022, das Widerspruchsschreiben und der Widerspruchsbescheid vom 30. März 2022 beigefügt. Am 5. Mai 2022 ist die Klagschrift in lesbarer Form eingegangen. Das SG hat mit Schreiben vom 9. Mai 2022 darauf hingewiesen, dass nach vorläufiger Prüfung aufgrund der am 28. April 2022 eingegangenen Dokumente von einer Einhaltung der Klagefrist auszugehen sei. Zur Begründung der Klage hat der Kläger u.a. vorgetragen, er habe bei der zu dem Unfall führenden Verrichtung als sog „Wie-Beschäftigter“ unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Die von ihm am Unfalltag verrichteten Tätigkeiten würden normalerweise auch von Beschäftigten verrichtet und er habe seine Hilfeleistung unter arbeitnehmerähnlichen Umständen vorgenommen. Die Handlungstendenz des Klägers sei allein darauf ausgerichtet gewesen, die Ernte des GD zu sichern, damit diese nicht wegen der in den kommenden Tagen zu erwartenden Witterungsbedingungen hätte ausfallen müssen. Die Tätigkeit des Klägers sei damit arbeitnehmerähnlich gewesen. Gegen das Vorliegen einer solchen arbeitnehmerähnlichen Beschäftigung des Klägers spreche auch nicht, dass der Kläger mit der Familie des Landwirtes eine freundschaftliche Beziehung pflege. Unter Würdigung aller Umstände sei die Tätigkeit des Klägers am 12. August 2021 über das hinausgegangen, was im Rahmen einer bloßen freundschaftlichen Beziehung im Allgemeinen an Unterstützung und Hilfe erwartet werden könne und üblich sei.
Das freundschaftliche Verhältnis sei lediglich ein Beweggrund für die unentgeltliche Mitarbeit des Klägers gewesen, mehr jedoch nicht.

Das SG hat den Sach- und Streitsand am 31. August 2022 mit den Beteiligten erörtert und in diesem Rahmen auch GD als Zeugen vernommen (wegen der Details wird auf das ausführliche Protokoll verwiesen).

Der Kläger hat im EÖT erklärt, am Tag vorher habe GD wegen der Strohernte bei der Schwester des Klägers angerufen. Seine Schwester und die Ehefrau von GD seien langjährige Bekannte. Bei ihnen sei es eine lose Bekanntschaft. GD habe gefragt, ob er bei der Strohernte aushelfen könnte. Er habe ja bei seinem Onkel schon ausgeholfen, von daher habe er grundsätzlich bei der Strohernte helfen können. Er sei zu dem Zeitpunkt im Urlaub gewesen. Deshalb habe er GD geholfen. Man habe mit Regen rechnen müssen. Es habe daher ein gewisser Zeitdruck bestanden. Er habe gewollt, dass GD sein Stroh einbringe. Deshalb habe er ihm geholfen. Es sei das erste Mal gewesen, dass er ihm bei der Ernte geholfen habe. Es habe es auch sonst nicht gegeben, dass sie sich gegenseitig unterstützt hätten. Seine Schwester und sein Onkel seien ja mal gemeinsam mit GD auf Familienfeiern gewesen. Sein Onkel sei auch Landwirt und sie würden sich dann mal unterhalten. Von daher habe GD gewusst, dass er, der Kläger, prinzipiell eben bei einer Strohernte auch helfen könne. Er habe wohl ca. 2 Stunden gearbeitet. Er gehe davon aus, dass die Arbeit mindestens 5 Stunden gedauert hätte. Auf Vorhalt der Stellungnahme des GD vom 17. Dezember 2021 hat der Kläger mitgeteilt, dies sei eigentlich die Kontaktbeschreibung zwischen seiner Schwester und der Ehefrau des GD. In dieser Form sei das mit ihm nicht gewesen. Er habe sich schon auch mal angeschlossen, wenn z.B. seine Schwester sich mit der Familie GD verabredet habe. Z.B. seien sie zweimal gemeinsam auf dem Weihnachtsmarkt gewesen, einmal so auf einem Bauernmarkt. Die Frage einer Entlohnung sei zum Zeitpunkt des Telefonats kein Thema gewesen. Wenn ihn jemand um Hilfe bitte, sei es für ihn erst mal wichtig, dass er ihm helfe. Vielleicht hätte er ihn ja später zum Essen eingeladen oder so etwas. Sie seien noch nie zusammen Essen gewesen, aber vielleicht hätte er das dann zum ersten Mal gemacht. Er wisse es nicht. Er helfe eben einfach auch so mal, so habe er es etwa bei einer Nachbarin gehalten. Es komme ja auch immer etwas zurück. Er sei auch schon in Not und froh gewesen, wenn von Anderen Hilfe gekommen sei. Sein Onkel habe ihn auch mal wegen eines anderen Landwirts gefragt, ob er dort z.B. Traktor fahren könne. Das habe er dann auch gemacht. Die Landwirte würden sich gegenseitig helfen. Er selbst habe zwar keine eigene Landwirtschaft, aber er sei auf der Landwirtschaft aufgewachsen.

Der Zeuge GD hat erklärt, er habe einen Erntehelfer gebraucht. Durch ihre Bekanntschaft, d.h. seine Frau und die Schwester des Klägers seien befreundet, seien sie darauf gekommen, dass er den Kläger fragen könnte. Er habe telefonisch bei der Schwester des Klägers nachgefragt. Er habe sich dann auch gemeldet und zugesagt. Wenn sie die Arbeiten hätten abschließen können, hätte es vielleicht so ungefähr 6 Stunden gedauert. Er würde sie als Bekannte bezeichnen. Die Freundschaft bestehe zwischen der Schwester des Klägers und seiner Frau. Den Text habe seine Frau geschrieben. Er habe es schon auch gelesen und unterschrieben. Letztlich sei das aber aus ihrer Sicht. Sie habe das deshalb wohl auch so geschrieben, dass auch die Männer im Laufe der Zeit zu Freunden geworden wären. Auch die Aktivitäten, die genannt seien, da seien oft der Kläger oder er selbst gar nicht dabei gewesen. Dass sie beide sich auch gesehen hätten bei solchen Treffen, sei vielleicht so zweimal im Jahr gewesen, beim Geburtstag seiner Schwester und vielleicht mal auf dem Weihnachtsmarkt oder so. Die Frage einer Bezahlung sei kein Thema gewesen, sie hätten das vielleicht später geregelt. Er könnte sich vorstellen, dass es einfach der Mindestlohn gewesen wäre. Sein Bruder und sein Sohn würden ihm ja auch nicht umsonst helfen. Da habe sich das mit den Jahren so eingespielt. Hier habe es diese Routine nicht gegeben. Die Motivation des Klägers sei einfach, weil er hilfsbereit sei. Er könne das für die (ganze) Familie des Klägers so sagen. In der Tat sei die Tätigkeit nicht per se hochgradig gefährlich, aber berge durch das Handling mit schweren Gegenständen schon Risiken.

Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 2022 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Januar 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2022 verurteilt, das Ereignis vom 12. August 2021 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Zur Begründung hat das SG dargelegt, der Unfall sei als sog. „Wie-Beschäftigung“ versichert. Die Mithilfe bei der Strohernte sei eine dem landwirtschaftlichen Unternehmen von GD dienende Tätigkeit gewesen, die dessen ausdrücklichem Willen entsprochen. Die Tätigkeit, die der Kläger aufgrund seiner landwirtschaftlichen Vorkenntnisse unmittelbar habe übernehmen können, habe in ihrer Grundstruktur einer Beschäftigung geähnelt. Die Handlungstendenz des Klägers sei fremdnützig auf die Belange des landwirtschaftlichen Unternehmens des GD gerichtet gewesen. Die Tätigkeit sei entgegen der Auffassung der Beklagten nicht durch eine freundschaftliche Beziehung geprägt gewesen, vielmehr habe die Beweisaufnahme zwischen dem Zeugen GD und dem Kläger eine Bekanntschaft, jedoch keine Freundschaft bestätigt.
Eine Freundschaft bestehe demgegenüber zwischen der Ehefrau des GD und der Schwester des Klägers. Zwar werde in der im Verwaltungsverfahren abgegebenen Stellungnahme eine Freundschaft auch zwischen den beiden Männern angegeben, es sei aber plausibel, dass die Ehefrau des Zeugen GD den Text vorbereitet habe. Eine Bezahlung sei nach den Ausführungen des Klägers und des Zeugen GD nicht vorab abgesprochen gewesen. Der Zeuge GD habe jedoch schlüssig dargelegt, dass man sich voraussichtlich im Nachhinein auf eine Bezahlung nach Mindestlohn verständigt hätte, wie er das auch im familiären Kreis so handhabe. Unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles sehe die Kammer die Tätigkeit nicht als durch die Beziehung zwischen dem Kläger und dem Zeugen GD geprägte Gefälligkeit an.

Gegen das ihr am 1. November 2022 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 26. November 2022 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Auslegung der im verwaltungsverfahren gemachten Angaben durch das SG widerspreche dem Wortlaut der Erklärungen. Zuzugeben sei, dass einzelne Beschreibungen der Aktivitäten eher die genannten Frauen betroffen haben mögen, aber insgesamt seien die Erklärungen eindeutig und könnten nicht dahingehend umgedeutet werden, dass der Kläger und GD eigentlich damit gar nicht gemeint gewesen seien. Dagegen spreche auch der Umstand, dass GD diese Erklärung unterschrieben habe und sich dessen Inhalt damit zu eigen gemacht habe.
Soweit das SG davon ausgehe, dass der Kläger und GD sich voraussichtlich im Nachhinein auf eine Bezahlung nach Mindestlohn verständigt hätten, weil dies auch im Familienkreis des GD so gehandhabt werde, widerspreche dies den Angaben des Klägers im Erörterungstermin und zudem auch den Ausführungen im Verwaltungsverfahren, wonach eine Entlohnung in bar oder Naturalien nicht vereinbart gewesen sei. Insgesamt sei festzustellen, dass im Verwaltungsverfahren ausführlich dargestellt worden sei, dass eine sehr enge Freundschaft zwischen den Familien bestehe und erst nach Erlass des ablehnenden Bescheids und besonders im Klageverfahren habe sich dies dann deutlich anders dargestellt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 20. Oktober 2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger erachtet die Ausführungen des SG für zutreffend und hat zur Berufungserwiderung ausgeführt, im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens habe sich herausgestellt, dass die Angaben im Verwaltungsverfahren nicht von GD getätigt worden seien, sondern von dessen Ehefrau, die von ihrem Verhältnis zur Schwester des Klägers berichtet habe. Die Angaben im Verwaltungsverfahren stammten damit also gar nicht von GD, so dass es auch keine zeitlich früheren Aussagen gebe, als die im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens.


Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten und die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig; insbesondere ist sie statthaft, nachdem Berufungsausschließungsgründe (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG) nicht eingreifen.

Die Berufung ist auch begründet. Zulässiger Streitgegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 18. Januar 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2022, mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, das Ereignis vom 12. August 2021 als Arbeitsunfall anzuerkennen. 

Die hiergegen erhobene kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist statthaft und zulässig. Den Ausführungen des SG zu diesen Punkten schließt sich der Senat an (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Klage ist aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass der Unfall vom 12. August 2021 als Arbeitsunfall anerkannt wird, so dass das Urteil des SG vom 20. Oktober 2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen ist.

Nach § 8 Abs. 1 S 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 S 2 SGB VII). Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte zurzeit des Unfalles durch eine Verrichtung den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt; nur dann liegt kraft Gesetzes ein Versicherungstatbestand vor. Sodann muss diese Verrichtung ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dieses einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten wesentlich verursacht haben (vgl. BSG Urteil vom 15. Mai 2012 - B 2 U 16/11 R -, juris).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Kläger verrichtete zurzeit des Unfalles am 12. August 2021 keine den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründende Tätigkeit. Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII als Beschäftigter kommt nicht in Betracht, denn der Kläger stand zum Unfallzeitpunkt mangels einer persönlichen bzw. wirtschaftlichen Abhängigkeit Zeugen GD nicht in einem Beschäftigungsverhältnis. Er war auch nicht selbst als landwirtschaftlicher Unternehmer tätig (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 a SGB VII) und er war auch nicht als Familienangehöriger nicht nur vorübergehend im landwirtschaftlichen Unternehmen des Zeugen GD tätig (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 b SGB VII).

Er stand schließlich auch nicht nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII als so genannter „Wie-Beschäftigter“ zum Unfallzeitpunkt unter Versicherungsschutz.

Nach § 2 Abs. 2 S.1 SGB VII sind ferner Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Es handelt sich nicht um eine Billigkeitsvorschrift, die immer dann eingreift, wenn einzelne Merkmale des § 2 Abs1 Nr. 1 SGB VII fehlen, sondern es müssen bestimmte Voraussetzungen vorliegen, die die Zurechnung des Haftungsrisikos zum nutznießenden Unternehmen rechtfertigen (Bieresborn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 3. Aufl., 2023, § 2 SGB VII, Rn. 557). Die ständige sozialgerichtliche Rechtsprechung und Literatur (vgl. BSG Urteil vom 31. Mai 2005 - B 2 U 35/04 R -, juris; BSG Urteil vom 27. März 2012 - B 2 U 5/11 R -, Rn. 56f, juris; Urteil des erkennenden Senats vom 28. September 2020 - L 1 U 3157/19 -, nicht veröffentlicht; vgl. zum Nachfolgenden auch Siefert in HB FA Sozialrecht, Kap. 10., Rn. 40 ff sowie Bieresborn, a.a.O., Rn. 555 ff) hat zum Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII im Wesentlichen folgende Kriterien entwickelt: (1) Es muss sich um eine ernste, dem fremden Unternehmen zu dienen bestimmte Tätigkeit handeln, d.h. erforderlich ist eine fremdbezogene Handlungstendenz). (2) Sie muss nach den Gesamtumständen dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechen. (3) Die Tätigkeit muss dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich sein, d.h. ihrer Art nach von Arbeitnehmern (u.a. in Abgrenzung zu unternehmerisch geprägten Tätigkeit) verrichtet werden können. (4) Die Tätigkeit muss unter solchen Umständen geleistet werden, dass sie im Einzelfall der Tätigkeit eines Beschäftigungsverhältnisses entspricht, also konkret arbeitnehmerähnlich ist und gerade nicht im Rahmen einer anderen Funktion verrichtet wird. Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung das Vorliegen einer Wie-Beschäftigung nach § 2 Abs. 2 SGB VII verneint, wenn die konkrete Tätigkeit ihr Gepräge durch eine „Sonderbeziehung“ des Handelnden zu dem Unternehmer geprägt war (zuletzt BSG, Urteil vom 19. Juni 2018 - B 2 U 32/17 R -, Rn. 28, juris, m.w.N. zur bisherigen Rechtsprechung). Eine solche Sonderbeziehung, die eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit iS des § 2 Abs. 2 SGB VII ausschließt, liegt bei Erfüllung gesellschaftlicher, insbesondere familiärer, freundschaftlicher, nachbarschaftlicher, mitgliedschaftlicher, gesellschaftsrechtlicher oder körperschaftlicher Art vor (vgl. BSG - B 2 U 32/17 R -, a.a.O., Rn. 28, mit umfangreichen nachweisen zur obergerichtlichen Rechtsprechung).  Auch bei einer solchen "Sonderbeziehung" sind allerdings alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen, sodass die konkrete Verrichtung auch außerhalb dessen liegen kann, was im Rahmen enger Verwandtschafts- oder Freundschaftsbeziehungen selbstverständlich getan oder erwartet wird (BSG - B 2 U 5/11 R -, a.a.O., Rn. 57).

Grundlegend gilt, dass für einen Versicherungsschutz gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII eine Eingliederung in das fremde Unternehmen genauso wenig erforderlich ist, wie die persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit vom Unternehmer, denn dann wäre bereits Versicherungsschutz über ein begründetes Beschäftigungsverhältnis gegeben. Es ist regelmäßig unerheblich, ob der wirtschaftliche Wert der Arbeit gering oder hoch ist und auf welche Beweggründe das Handeln zurückzuführen ist. Maßgeblich sind vielmehr die tatsächlichen Verhältnisse, die sich aus den konkreten Umständen und dem Gesamtbild einer Tätigkeit ergeben. Insgesamt sind die oben unter Ziffer 1-4 genannten Kriterien keine Tatbestandsmerkmale, sondern sie dienen der Beurteilung, ob eine Tätigkeit, bei der sich ein Unfall ereignet, als versicherte Tätigkeit zu werten ist (sog. innerer oder sachlicher Zusammenhang). Für die Bejahung einer Wie-Beschäftigung gemäß § 2 Abs. 2 S 1 SGB VII muss letztlich das Gesamtbild des Vorhabens in einem größeren zeitlichen Zusammenhang eine beschäftigungsähnliche Tätigkeit ergeben (BSG, Urteil vom 20. März 2018 - B 2 U 16/16 R -, juris)

Vorliegend wollte der Kläger zwar nach seiner Handlungstendenz das „fremde“ Unternehmen des GD mit dessen ausdrücklichen Willen unterstützen. Die Tätigkeit des Klägers entsprach der eines Helfers in der Landwirtschaft und ist als solche auch dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich und kann in einem Beschäftigungsverhältnis verrichtet werden. Eine konkrete arbeitnehmerähnliche Tätigkeit verrichtete der Kläger zum Unfallzeitpunkt jedoch nicht. Zur Überzeugung des Senats entsprach die Tätigkeit des Klägers am Unfalltag nicht einer Tätigkeit wie im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, d.h. sie wurde nicht arbeitnehmerähnlich verrichtet. Prägend für die Tätigkeit war vielmehr die soziale Verbundenheit zwischen der Familie des Klägers einerseits und der Familie des GD andererseits.

Im Grundsatz schließen zwar auch Verrichtungen aufgrund freundschaftlicher, verwandtschaftlicher, nachbarschaftlicher oder sonstiger sozialer Beziehungen eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit eines Verletzten und damit den Versicherungsschutz über § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII nicht aus. Ein Versicherungsschutz besteht jedoch dann nicht, wenn es sich um einen aufgrund der konkreten sozialen Beziehungen geradezu selbstverständlichen Hilfsdienst handelt oder die zum Unfall führende Verrichtung als Erfüllung gesellschaftlicher (nicht rechtlicher) Verpflichtungen anzusehen ist, die bei besonders engen Beziehungen zwischen Freunden typisch, üblich und deshalb zu erwarten sind (BSG, Urteil vom 20. März 2018, a.a.O., Rn. 28; Bieresborn, a.a.O., Rn. 435; jeweils m.w.N.). Selbstverständliche Hilfeleistungen sind solche, die sich ausgehend von der sozial geprägten Sonderbeziehung in einem üblichen und zu erwartenden Rahmen bewegen. Maßgeblich für die Bewertung ist insoweit, ob die Tätigkeit in erster Linie durch die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft oder sozial geprägten Beziehung gekennzeichnet ist, da es in diesem Fall an einer konkreten Arbeitnehmerähnlichkeit fehlt (vgl. SG Hamburg, Urteil vom 21. September 2012 - S 40 U 288/11 -, Rn. 41). Es kommt demnach bei der Wertung entscheidend darauf an, ob unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles die Tätigkeit nach Art und Umfang entweder arbeitnehmerähnlich wie ein Beschäftigter oder aufgrund sozialer Beziehungen als Bekannter, als Freund oder als Verwandter durchgeführt wird. Steht die Pflege der sozialen Beziehung zum Auftraggeber im Vordergrund, so liegt keine beschäftigungsähnliche Tätigkeit vor.

Unter Würdigung aller Umstände ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Tätigkeit des Klägers am Unfalltag wesentlich auf den sozialen Beziehungen zwischen seiner Familie und der Familie des GD beruhte und der Pflege dieser Beziehung diente. Der Senat wertet das Gesamtgeschehen dahingehend, dass die Arbeit des Klägers am Unfalltag ganz vorrangig durch diese sozialen bzw. freundschaftlichen Beziehungen geprägt war und die Mitarbeit des Klägers gerade nicht unter solchen Umständen geleistet wurde, dass sie im Einzelfall der Tätigkeit eines Beschäftigungsverhältnisses entsprachen, also arbeitnehmerähnlich waren.

Die Familie des Klägers und des Zeugen GD sind freundschaftlich verbunden. Diese freundschaftliche Verbindung und gerade nicht eine beabsichtigte arbeitnehmerähnliche Dienstleistung war der Grund für die Mithilfe des Klägers am Unfalltag. Diese Feststellung stützt der Senat auf die eigenen Angaben des Klägers als auch auf die Angaben des GD im Verwaltungsverfahren und im Rahmen seiner Zeugenaussage vor dem SG. Der Kläger selbst hat im Fragebogen vom 8. September 2021 angegeben, dass sich der Unfall bei der Hilfe/Unterstützung zwischen Nachbarn, Freunden oder Verwandten ereignet hat. Dies entspricht der von GD unterzeichneten Unfallanzeige, in der er angab, der Kläger sei als befreundeter Helfer tätig gewesen. Inwieweit die Schilderung einer besonders engen Freundschaft (auch konkret zwischen GD und dem Kläger) im Schreiben vom 17. Dezember 2021 zutrifft oder ob die späteren, hiervon deutlich abweichenden Angaben des GD als Zeuge zutreffend sind, wonach eine Freundschaft in erster Linie zwischen dessen Ehefrau und der Schwester des Klägers bestand, muss vom Senat nicht weiter aufgeklärt werden. Dieser Frage kommt für die Beurteilung, ob die Verrichtung des Klägers als solche „wie ein Beschäftigter“ durchgeführt wurde, kein auschlaggebendes Gewicht zu. Entscheidend ist nicht die extrem subjektive und unter Umständen auch nur einseitige Bewertung einer Sonderbeziehung als „Freund“ oder als „Bekannter“. Für die Bewertung einer arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit ist nicht auf eine detaillierte graduelle Abstufung der emotionalen Verbundenheit einzelner Familienmitglieder abzustellen, die einer objektive Feststellung ohnehin kaum zugänglich ist, sondern es kommt immer auf das Gesamtbild der verrichteten Tätigkeit und der Umstände an.

Für die Tätigkeit des Klägers am Unfalltag war hier erkennbar nicht das arbeitnehmerähnliche Verrichten einer Arbeitsleistung für einen Dritten (als fremden Unternehmer) prägend, sondern ganz im Vordergrund stand die „Pflege der Beziehung" als unversicherte, eigenwirtschaftliche Tätigkeit. Für den Senat stellt sich der Sachverhalt so dar, dass der Kläger dem Zeugen GD am Unfalltag aus innerer Verbundenheit der beiden Familien bei dessen Arbeit unterstützen wollte und gerade nicht wie ein Arbeitnehmer (im Rahmen eines Weisungsverhältnisses) für GD tätig sein wollte. Aus den Angaben des Klägers und denen des GD ergibt sich zunächst, dass hier eine Gegenleistung im Gegensatz zu einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis gerade nicht vorher fest vereinbart wurde. Der Zeuge GD hat im Fragebogen vom 3. Oktober 2021 die Fragen, ob eine Entlohnung bar oder in Naturalien vereinbart gewesen sei und ob der Kläger seine Hilfe von einer Entschädigung oder Bezahlung abhängig gemacht habe, vielmehr jeweils ausdrücklich verneint. Der Kläger selbst hat im Erörterungstermin vor dem SG angegeben, die Frage einer Entlohnung sei zum Zeitpunkt des Telefonats kein Thema gewesen. Wenn ihn jemand um Hilfe bitte, sei es für ihn erst mal wichtig, dass er ihm helfe. Vielleicht hätte er (der Zeuge GD) ihn ja später zum Essen eingeladen oder so etwas. Der Zeuge GD hat in teilweiser Abweichung von den ursprünglichen Angaben im Erörterungstermin ausgeführt, die Frage einer Bezahlung sei kein Thema gewesen, sie hätten das vielleicht später geregelt. Er könnte sich vorstellen, dass es einfach der Mindestlohn gewesen wäre. Unabhängig davon welche der sich teilweise widersprechenden Angaben zutreffen, ergibt sich hieraus eindeutig, dass es keine irgendwie im Vorfeld vereinbarte Art der Entlohnung gab, sondern allenfalls die vage Aussicht bestand, der GD werde sich für die Mithilfe des Kläger irgendwann, in irgendeiner Form auch materiell erkenntlich zeigen. Eben dies ist jedoch prägend für Tätigkeiten im Rahmen einer sozialen und/oder freundschaftlichen Sonderbeziehung und nicht für das Verhältnis Arbeitnehmer zu einem Arbeitgeber, in dem vielmehr eine zuvor festgelegte finanzielle Entlohnung typisch ist. Als gegen eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit sprechend sind zudem die Angaben des Klägers im EÖT vor dem SG zu berücksichtigen. Der Kläger selbst hat dargelegt, „er helfe eben einfach auch so mal, so habe er es etwa bei einer Nachbarin gehalten. Es komme ja auch immer etwas zurück. Er sei auch schon in Not und froh gewesen, wenn von Anderen Hilfe gekommen sei.“ Eben dies entspricht einer nicht versicherten Hilfe zur Pflege einer sozialen Beziehung und nicht einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, welches nicht durch uneigennützige Hilfe, sondern durch einen gegenseitigen Austausch von Leistungen geprägt ist.

Die Hilfeleistung des Klägers bewegte sich ausgehend von der konkreten sozial geprägten Sonderbeziehung zwischen ihm und GD und dessen Familie sowohl nach Art als auch nach Umfang in einem gänzlich üblichen und zu erwartenden Rahmen (vgl. zur Beurteilung vergleichbarer Arbeiten, bei denen jeweils der Versicherungsschutz verneint wurde: BSG, Urteil vom 30. Juli 1987 - 2 RU 17/86 -, juris [Hilfe beim Holzfällen und Brennholzzubereiten von 3 ½ bis 4 Tagen]; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Februar 2018 - L 3 U 4257717 - juris [Brennholzsägen im Umfang von etwa einem Tag]; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 16. September 2004 - L 5 U 158/03 -, juris [Baumausastungsarbeiten über zwei Tage]; Sächsisches LSG, Urteil vom 10. Februar 2011 - L 2 U 68/09 -, juris [Hilfe bei Baumfällarbeiten]; Bayerisches LSG, Urteil vom 28.05.2008 - L 2 U 28/08 -, juris [Hilfe bei Errichtung eines Einfamilienhauses mit einer wöchentlichen Stundezahl von 8 Stunden]). Der Kläger und der Zeuge GD haben für den geplanten Umfang der Tätigkeit des Klägers einen Zeitrahmen zwischen 5 bis 6 Stunden angegeben, was im Rahmen einer (zumal einmaligen) Mithilfe in der Landwirtschaft nicht ungewöhnlich ist und insbesondere nicht über den Rahmen hinausgeht, die bei der Hilfe freundschaftlich verbundener Familien erwartet werden kann.

Eine Zurechnung zum Versicherungsschutz folgt vorliegend auch nicht aus dem Umstandsmoment der „besonderen Gefährlichkeit“ der Tätigkeit, die dann in Betracht kommt, wenn Arbeiten verrichtet werden, die ein allgemein bekanntes Unfallrisiko darstellen und in der Regel nur von speziell ausgebildeten Kräften durchgeführt werden (vgl. zur streitigen Aussagekraft des Kriteriums der besonderen Gefährlichkeit: Sächsisches LSG - L 2 U 68/09 - a.a.O., Rn. 60; Schleswig-Holsteinisches LSG - L 5 U 158/03 -, a.a.O., Rn. 35, jeweils m.w.N.). Diesem Kriterium kann vorliegend bereits deshalb kein ausschlaggebendes Gewicht beigemessen werden, da die Tätigkeit an sich weder objektiv noch subjektiv besonders gefährlich war und eine spezielle Fachkraft erfordert hätte. Nach der Aussage des Zeugen GD, war die Tätigkeit gerade nicht per se hochgradig gefährlich. Soweit er vorgetragen hat, durch das Handling mit schweren Gegenständen bestünden schon Risiken, ist dies sicherlich zutreffend, begründet aber keine besondere Gefährlichkeit im zuvor genannten Sinn. Auf das Kriterium der „besonderen Gefährlichkeit“ kann es nach Rechtsprechung des Senats im Übrigen allenfalls dann entscheidungserheblich ankommen, wenn die Beteiligten aufgrund der besonderen Gefährlichkeit subjektiv berechtigt davon ausgingen, dass die konkrete Tätigkeit das Maß einer sozial erwartbaren Hilfeleistungen übersteigt (Urteil des Senats vom 28. September 2020 - L 1 U 3157/19 -). Es gibt jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass GD dem Kläger eine Tätigkeit von „besonderer Gefährlichkeit“ abverlangt und sich der Kläger in Kenntnis dieses Risikos hiermit einverstanden erklärt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.

 

Rechtskraft
Aus
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