L 10 R 76/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 1653/22
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 76/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Wird die (Wiederaufnahme-)Klage als E-Mail von einem De-Mail-Konto aus versandt, die nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, liegt der dann erforderliche sichere Übermittlungsweg i.S. von § 65a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGG nur vor, wenn die das Dokument signierende und somit verantwortende Person mit der des tatsächlichen Versenders übereinstimmt.
2. Für eine isolierte Restitutionsklage gegen die erstinstanzliche Ausgangsentscheidung fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, denn eine Wiederaufnahme dieses Verfahrens würde an dem rechtskräftigen Sachurteil der Berufungsinstanz nichts ändern.

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30.12.2022 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Wiederaufnahmeklage als unzulässig verworfen wird.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Klageverfahrens S 3 R 3354/19 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG).

In jenem Rechtsstreit ging es um die Gewährung einer höheren Regelaltersrente der im Oktober 1939 geborenen griechischen Klägerin unter Berücksichtigung eines Zuschlags von einem Entgeltpunkt ab dem 01.07.2014 sowie eines weiteren halben Entgeltpunkts ab dem 01.01.2019 für die Kindererziehung ihres1960 in Griechenland geborenen Sohnes D1.

Mit Bescheid vom 08.03.2019 hatte die Beklagte im Rahmen der Neuberechnung der der Klägerin bewilligten Regelaltersrente (Rentenbescheid vom 25.10.2004, Rentenbeginn am 01.11.2004; Neuberechnung mit Bescheid vom 08.08.2014 ab dem 01.07.2014 mit einem Zuschlag für Kindererziehung für den Sohn P1, geb. 1971) ab dem 01.01.2019 einen höheren Zuschlag für die Kindererziehung ihres Sohnes P1 berücksichtigt. Die Klägerin hatte daraufhin gefordert, auch einen Zuschlag für die Kindererziehung von D1 zu erhalten, was die Beklagte mit Bescheid vom 01.10.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.10.2019 abgelehnt hatte. Die dagegen erhobene Klage wies das SG mit Urteil vom 29.06.2021 (S 3 R 3354/19) ab. Zur Begründung führte das SG im Wesentlichen aus, dass bei der Rente der Klägerin weder eine Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt von D1 angerechnet worden sei noch eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt (Hinweis auf § 307d Abs. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VI -). Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Anerkennung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten für D1, da die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. § 56 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB VI nicht vorlägen, ebenso wenig wie der Ausnahmetatbestand des § 56 Abs. 4 SGB VI. Die erforderliche Inlandsanknüpfung bestehe nicht, da die Klägerin während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt von D1 in Griechenland keine Pflichtbeitragszeiten für eine im Bundesgebiet ausgeübte Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit habe; erst am 02.09.1968 habe sie eine versicherungspflichtige Beschäftigung (im Bundesgebiet) aufgenommen. Aus europarechtlichen Bestimmungen ergebe sich nichts Abweichendes. Die dagegen eingelegte Berufung der Klägerin wies der 13. Senat des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg mit Urteil vom 09.11.2021 (L 13 R 2266/21) aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -); ergänzend führte er aus, dass die Klägerin entgegen der Darstellung im Berufungsverfahren in der Zeit von 1961 bis 1967 in Griechenland versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei und diese Zeit dem entsprechend bei der Bewilligung der Regelaltersrente im Rahmen der dortigen Vergleichsberechnung berücksichtigt worden sei.

Die gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 13. Senats vom 09.11.2021 gerichtete Beschwerde verwarf das Bundessozialgericht (BSG) unter Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren (§ 73a Abs. 1 SGG i.V.m. §118 Abs. 2 Satz 4 und § 121 Abs. 1 der Zivilprozessordnung - ZPO -) mit Beschluss vom 11.03.2022 (B 5 R 302/21 B) als unzulässig (§ 73 Abs. 4 Satz 1 SGG).

Am 25.03.2022 übersandte der Sohn der Klägerin, D1, dem BSG an das dortige elektronische egvp.de-mail.de-Postfach per absenderbestätigter De-Mail (Absender: D1 G1, D1. G1 @t-online.de-mail.de) zum Aktenzeichen „B 5 R 302/21 B (S 3 R 3354/19)“ einen „Änderungsantrag zum Beschluss vom 11.03.2022: Überweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht Karlsruhe und Wiederaufnahme des Verfahrens S 3 R 3354/19 nach § 580 ZPO“. Der E-Mail war ein von der Klägerin einfach signiertes Schreiben vom 25.03.2022 als pdf-Dokument mit den genannten Anträgen angeschlossen. Zur Begründung machte sie einen Verstoß des SG gegen Art. 16 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) geltend. In der Zeit von 1961 bis 1967 sei sie in Griechenland nicht versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Gemäß „Bescheid der Griechischen Rentenversicherung“ bestehe für diesen Zeitraum kein Anspruch auf Rente und Anrechnung der Kindererziehungszeit in Griechenland (s. zu allem S. 61 ff. SG-Akte S 3 R 3354/19).

Mit Beschluss vom 05.05.2022 (B 5 R 37/22 AR) verwarf der 5. Senat des BSG das Gesuch der Klägerin als unzulässig und wies u.a. darauf hin (Rn. 7 des Beschlusses), dass die Einreichung elektronischer Dokumente über ein De-Mail-Konto nur formgerecht sei, wenn der Absender bei Versand der Nachricht sicher angemeldet sei und dieser Absender das Dokument als verantwortende Person auch selbst signiert habe (Hinweis auf § 65a Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGG). Außerdem verstehe der 5. Senat die Eingabe dahingehend, dass die Klägerin ein Wiederaufnahmeverfahren vor dem SG anstrebe. Er lasse offen, ob ein solches Verfahren vor dem SG zulässig wäre (Hinweis auf § 179 SGG i.V.m. § 584 Abs. 1 ZPO; Rn. 4 des Beschlusses).

Die o.a. De-Mail nebst pdf-Dokument leitete das BSG sodann mit Schreiben vom 26.05.2022 zuständigkeitshalber an das SG weiter (dortiger Eingang am 30.05.2022, S 3 R 1653/22).

Mit elektronischem Dokument vom 25.06.2022 (dem SG wiederum via De-Mail über das De-Mail-Konto des Sohnes D1 am 26.06.2022 übersandt) wiederholte die Klägerin - die das Dokument einfach signiert hatte - ihr oben dargestelltes Begehren und vertiefte dies später mittels Eingaben in nämlicher elektronischer Weise.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG den „Antrag auf Wiederaufnahme“ des Verfahrens S 3 R 3354/19 mit Gerichtsbescheid vom 30.12.2022 „abgelehnt“. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Wiederaufnahme bereits unzulässig sei; die Klägerin habe einen Wiederaufnahmegrund nicht schlüssig dargetan.

Gegen den ihr am 04.01.2023 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin - weiterhin vertreten durch ihren Sohn D1 - mit nicht absenderbestätigter De-Mail über das De-Mail-Konto ihres Sohnes am 04.01.2023 Berufung eingelegt. Nach Hinweisen des erkennenden Senats (s. im Einzelnen S. 8 Senats-Akte) hat sie mit Telefaxschreiben vom 14.01.2023 eine von ihr unterschriebene Rechtsmittelschrift eingereicht. Zur Begründung ihrer Berufung hat sie im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und klargestellt (s. S. 4, 19, 28 Senats-Akte), dass sie ihr Wiederaufnahmebegehren wegen des Bescheids der griechischen Versicherungsanstalt für Landwirte (OGA) vom 03.08.2016 (S. 5 Senats-Akte) für begründet erachte.

Die Klägerin beantragt (teilweise sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30.12.2022 (S 3 R 1653/22) aufzuheben, das Klageverfahren S 3 R 3354/19 wieder aufzunehmen, das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29.06.2021 (S 3 R 3354/19) sowie den Bescheid der Beklagten vom 01.10.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.10.2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine höhere Altersrente unter Berücksichtigung eines Zuschlags von einem Entgeltpunkt ab dem 01.07.2014 sowie eines weiteren halben Entgeltpunkts ab dem 01.01.2019 für die Kindererziehung ihres Sohnes D1 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.


Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Prozessakten der Verfahren S 3 R 3354/19 und L 13 R 2266/21 sowie der Verfahrensakten erster und zweiter Instanz verwiesen.


Entscheidungsgründe

Der Senat konnte in der mündlichen Verhandlung am 25.05.2023 in Abwesenheit der Beteiligten über den Rechtsstreit entscheiden, da sie ordnungsgemäß zum Termin geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden sind, dass auch im Falle des Ausbleibens von Beteiligten bzw. Bevollmächtigten Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann (vgl. § 153 Abs. 1 i.V.m. § 110 Abs. 1 Satz 2, § 126 SGG).


Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG mit Telefaxschreiben vom 14.01.2023 form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch unbegründet.

Mit ihrem Schreiben vom 25.03.2022 hat die Klägerin ausdrücklich und ausschließlich die Wiederaufnahme des Klageverfahrens S 3 R 3354/19 beim SG begehrt. Dergestalt hat bereits das BSG ihr Begehren verstanden (s. Beschluss vom 05.05.2022, B 5 R 37/22 AR, Rn. 4) und auch der erkennende Senat versteht es nicht anders, zumal die Klägerin im gesamten Wiederaufnahmeverfahren das (rechtskräftige) Urteil des 13. Senats des LSG Baden-Württemberg vom 09.11.2021 (L 13 R 2266/21), mit dem dieser die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG vom 29.06.2021 (S 3 R 3354/19) aus sachlich-rechtlichen Gründen zurückwies, nicht einmal auch nur erwähnt hat.

Gegenstand der Wiederaufnahmeklage (entgegen dem SG im Tenor des angefochtenen Gerichtsbescheids nicht Wiederaufnahmeantrag; zur Unterscheidung zwischen einer Wiederaufnahmeklage und einem entsprechenden Antragsverfahren s. nur Senatsbeschluss vom 04.04.2023, L 10 R 3518/22 WA, n.v.; Bundesverfassungsgericht - BVerfG - 22.01.1992, 2 BvR 40/92, in juris, Rn. 6; Bullwan in BeckOGK SGG, § 179 Rn. 68, Stand 01.02.2013; Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 179 Rn. 7, alle m.w.N.) ist mithin allein das Urteil des SG vom 29.06.2021 (S 3 R 3354/19) respektive die Fortführung jenes Klageverfahrens.

Zu Recht hat das SG diese Wiederaufnahmeklage - ausweislich der Entscheidungsgründe der Sache nach - als unzulässig angesehen, sodass die Berufung der Klägerin unbegründet ist. Da eine unstatthafte bzw. nicht in der gesetzlichen Form und Frist erhobene Klage gemäß § 179 Abs. 1 SGG i.V.m. § 589 Abs. 1 Satz 2 ZPO „als unzulässig zu verwerfen“ ist, macht der Senat zwecks Klarstellung von seiner Befugnis als Rechtsmittelgericht Gebrauch, die offenbare Unrichtigkeit (§ 138 Satz 1 SGG) im Tenor des angefochtenen Gerichtsbescheids von Amts wegen im Rahmen der Zurückweisung der Berufung durch einen entsprechenden Maßgabeausspruch zu korrigieren (vgl. dazu nur Senatsurteil vom 30.04.2020, L 10 R 1177/16, in juris, Rn. 20; Feskorn in Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 319 Rn. 13, 33 f., beide m.w.N.).

Die Wiederaufnahmeklage ist bereits unzulässig - worauf der Senat die Klägerin vorab hingewiesen hat (vgl. S. 15 Senats-Akte) - weil sie nicht in der gesetzlichen Form erhoben worden ist; d
as Gericht - auch in der Rechtsmittelinstanz - hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Klage an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist (vgl. § 179 Abs. 1 SGG, § 589 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Gemäß § 179 Abs. 1 SGG i.V.m. § 585 Halbsatz 1 ZPO gelten für die Erhebung der Klage die allgemeinen Vorschriften entsprechend. Nach § 90 SGG ist die (Wiederaufnahme-)Klage schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts zu erheben. § 65a Abs. 1 SGG bestimmt ergänzend, dass schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Beteiligten stattdessen auch als elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden können. Ein elektronisches Dokument muss dabei entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen (§ 65a Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 SGG) oder signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (§ 65a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGG). Wird wie vorliegend die (Wiederaufnahme-)Klage (elektronisches Dokument vom 25.03.2022) als E-Mail von einem De-Mail-Konto aus versandt (hier vom Absenderkonto des Sohnes D1, D1. G1 @t-online.de-mail.de), die nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, liegt der dann erforderliche sichere Übermittlungsweg i.S. von § 65a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGG nur vor, wenn die das Dokument signierende und somit verantwortende Person mit der des tatsächlichen Versenders übereinstimmt (BSG 16.02.2022, B 5 R 198/21 B, in juris, Rn. 7 m.w.N.); darauf hat das BSG auch bereits in seinem zwischen den Beteiligten ergangenen Beschluss vom 05.05.2022 (B 5 R 37/22 AR, Rn. 7) ausdrücklich hingewiesen.

Diese Vorsausetzungen sind nicht gegeben, da die Wiederaufnahmeschrift als elektronisches Dokument vom Absenderkonto des Sohnes D1 versandt worden ist, sie indes die Klägerin als verantwortende Person ausweist, denn nur die Klägerin hat das elektronische Dokument (einfach) signiert. Damit ist die Wiederaufnahmeklage mangels Personenidentität nicht formgerecht erhoben. Die nämlichen Erwägungen gelten namentlich auch hinsichtlich des weiteren elektronischen Dokuments vom 25.06.2022 an das SG, das wiederum vom De-Mail-Konto des Sohnes versandt und von der Klägerin (einfach) signiert worden ist.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen (§ 67 Abs. 2 Satz 4 SGG), die auch bei unwirksamen Prozesshandlungen in Betracht kommt (s. statt vieler nur Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a.a.O., § 67 Rn. 2a m.w.N.), scheidet schon deshalb aus, weil die Klägerin - wie dargelegt - schon durch den Hinweis im Beschluss des BSG vom 05.05.2022 (B 5 R 37/22 AR) über die Formwidrigkeit entsprechend informiert gewesen ist, sodass sie jedenfalls nicht ohne Verschulden verhindert war, die gesetzlichen Formbestimmungen einzuhalten. Eine nach obiger Maßgabe formwirksame Wiederaufnahmeklageschrift ist - wie ebenfalls bereits dargelegt - weder mit dem elektronischen Dokument vom 25.06.2022 noch in der Zeit danach eingereicht worden.

Die Wiederaufnahmeklage ist mithin mangels Formwirksamkeit unzulässig.

Sie ist ferner auch deshalb unzulässig, weil die Klägerin entsprechend den obigen Ausführungen mit ihrem Wiederaufnahmebegehren ausdrücklich und ausschließlich die Fortführung des Klageverfahrens S 3 R 3354/19 beim SG begehrt hat. Für eine solche isolierte Restitutionsklage (§ 179 Abs. 1 SGG, § 578 Abs. 1 Alt. 2, § 580 ff. ZPO) gegen die erstinstanzliche Ausgangsentscheidung fehlt ihr indes das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis - das in der Statthaftigkeit seinen speziellen Ausdruck findet (vgl. § 578 Abs. 1 ZPO: „rechtskräftiges Endurteil“, § 584 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO: ausschließliche Zuständigkeit des Berufungsgerichts, hier: der 13. Senat im Verfahren L 13 R 2266/21) -, denn eine Wiederaufnahme dieses Verfahrens würde nichts daran ändern, dass der 13. Senat des LSG Baden-Württemberg als Tatsachengericht (§ 157 SGG) mit Sachurteil vom 09.11.2021 (L 13 R 2266/21) rechtskräftig über den klageweise geltend gemachten materiellen Anspruch der Klägerin entschieden hat (§ 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Das SG wäre für eine Beseitigung des Berufungsurteils vom 09.11.2021 auch gar nicht zuständig - ebenso wenig wie der nunmehr mit der Berufungssache befasste erkennende Senat in seiner Eigenschaft als Rechtsmittelgericht -, eben weil der 13. Senat des LSG Baden-Württemberg als Berufungsgericht über die seinerzeitige Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG vom 29.06.2021 mit Sachurteil (vgl. dazu statt vieler nur Bullwan in BeckOGK SGG, a.a.O. Rn. 61; Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a.a.O. Rn. 8) entschieden hat und damit dieses Urteil maßgeblich ist, weswegen gesetzlich insoweit auch eine entsprechende ausschließliche Zuständigkeit des Ausgangsberufungsgerichts als Wiederaufnahmegericht angeordnet ist (§ 179 Abs. 1 SGG i.V.m. § 584 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO).

Unter Zugrundelegung dessen ist die Wiederaufnahmeklage der Klägerin unstatthaft und damit auch aus diesem Grund unzulässig, worauf die Klägerin ebenfalls vorab vom Senat hingewiesen worden ist (vgl. S. 15 Senats-Akte). Bereits das BSG hat im Übrigen in seinem Beschluss vom 05.05.2022 (B 5 R 37/22 AR, Rn. 4) auf die insoweitigen Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Wiederaufnahmeklage aufmerksam gemacht. Gleichwohl ist die Klägerin mit ihrem Begehren ausdrücklich dabei geblieben, dass sie sich allein gegen das Urteil des SG vom 29.06.2021 wendet und die Wiederaufnahme des Klageverfahrens S 3 R 3354/19 verfolgt (s.o.).

Schließlich hat die Klägerin auch - worauf das SG in der angefochtenen Entscheidung zutreffend erkannt hat -
einen Wiederaufnahmegrund nicht schlüssig dargetan, woraus ebenfalls die Unzulässigkeit der Klage folgt. Zur Statthaftigkeit einer Wiederaufnahmeklage gehört nämlich auch, dass der jeweilige Kläger das Vorliegen eines gesetzlichen Wiederaufnahmegrunds schlüssig darlegt (statt vieler nur BSG 23.04.2014, B 14 AS 368/13 B, in juris, Rn. 10 m.w.N.).

Da die Klägerin ihr Wiederaufnahmebegehren in der Sache mit dem
Bescheid der griechischen Versicherungsanstalt für Landwirte (OGA) vom 03.08.2016 (S. 5 Senats-Akte) begründet - genauer: mit der Kopie einer an sie wie auch an die Beklagte gerichteten Mitteilung der OGA - kommt als Restitutionsgrund allein § 179 Abs. 1 SGG i.V.m. § 580 Nr. 7 lit. b) ZPO in Betracht. Danach findet die Restitutionsklage statt, wenn der Beteiligte eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihm günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde.

Es kann vorliegend auf sich beruhen, ob es sich bei diesem Bescheid der OGA überhaupt um eine Urkunde i.S.d. des § 580 Nr. 7 lit. b) ZPO handelt (vgl. dazu nur Senatsbeschluss vom 04.04.2023, L 10 R 3518/22 WA, n.v., unter Hinweis auf Bundesgerichtshof - BGH -
23.11.1983, IVb ZB 6/82, in juris, Rn. 12 m.w.N.; s. auch Bullwan in BeckOGK SGG, a.a.O., Rn. 53). Denn es kann jedenfalls schon keine Rede davon sein, dass die Klägerin außerstande gewesen sein soll, die Verlautbarungen der OGA vom 03.08.2016 ohne ihr Verschulden (§ 179 Abs. 1 SGG, § 582 ZPO) bereits im Ausgangsrechtsstreit i.S.d. § 580 Nr. 7 lit. b) ZPO zu benutzen. Die Verlautbarungen der OGA vom 03.08.2016 gingen ebenfalls nachrichtlich an die Beklagte (s.o.), sind Bestandteil der Rentenverwaltungsakten des Ausgangsrechtsstreits gewesen (s. S. 98 eVerwA) und waren auch Gegenstand der im Ausgangsprozess angegriffenen Verwaltungsentscheidungen der Beklagten. Auch gab das SG der Klägerin im Verfahren S 3 R 3354/19 ausdrücklich Gelegenheit, die Verwaltungsakten der Beklagten einzusehen (s. S. 11 SG-Akte S 3 R 3354/19), wovon die Klägerin keinen Gebrauch gemacht hat. Damit steht einer Wiederaufnahme bereits die sog. Hilfsnatur der Restitutionsklage (§ 582 ZPO) entgegen.

Da die Wiederaufnahmeklage nach alledem schon unzulässig ist, kommt dem sachlich-rechtlichen Vorbringen der Klägerin mithin keinerlei Bedeutung zu. Über ihr materielles Begehren ist rechtskräftig entschieden und dabei verbleibt es.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.


 

Rechtskraft
Aus
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