L 13 SB 46/22

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Sachgebiet
Schwerbehindertenrecht
1. Instanz
SG Oldenburg (NSB)
Aktenzeichen
S 12 SB 367/20
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 13 SB 46/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen einen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts (SG) Oldenburg, mit welchem ihre am 26. August 2020 erhobene Klage aufgrund von Unzulässigkeit abgewiesen worden ist. In der Sache selbst hat die Klägerin die Feststellung des Merkzeichens aG beantragt.

 

Nachdem der Grad der Behinderung (GdB) der 1970 geborenen Klägerin mit Bescheid vom 22. Mai 2018 mit 70 festgestellt worden war, beantragte sie am 23. August 2019 eine Neufeststellung und richtete diese auf die Feststellung eines höheren GdB sowie des Merkzeichens G. Erstmals mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 25. Juni 2020 im nachfolgenden Widerspruchsverfahren erweiterte sie ihren Antrag u. a. auch um das Merkzeichen aG. Der Ärztliche Dienst nahm (auch) hierzu unter dem 10. August 2020 kurz ablehnend Stellung, der nachfolgende Widerspruchsbescheid vom 11. August 2020 – in welchem pauschal u. a. auf die Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes vom 10. August 2020 Bezug genommen wurde – erwähnte einen Antrag auf das Merkzeichen aG nicht und befasste sich neben der Bemessung des mittlerweile mit einem Wert von 100 festgestellten GdB vordergründig mit der Frage nach der Feststellung des Merkzeichens G.

 

Die Klägerin hat am 26. August 2020 Klage erhoben und diese zunächst auf Feststellung der Merkzeichen G und aG gerichtet. Mit Teilanerkenntnis vom 15. Januar 2021 hat der Beklagte das Merkzeichen G ab Antragstellung festgestellt. Die Klage ist alsdann allein wegen der Feststellung des Merkzeichens aG weitergeführt worden.

 

Mit Gerichtsbescheid vom 26. April 2022 hat das SG Oldenburg die Klage als unzulässig abgewiesen und hat zur Begründung ausgeführt, für die geltend gemachte Anfechtungsklage fehle es an einer gerichtlich überprüfbaren Verwaltungsentscheidung in Bezug auf das Merkzeichen aG.

 

Gegen den ihrer Prozessbevollmächtigten am 28. April 2022 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 25. Mai 2022 Berufung eingelegt. Sie meint, sie habe einen Anspruch auf Feststellung des Merkzeichens aG und die Klage sei entgegen der Auffassung des SG Oldenburg auch insoweit zulässig gewesen, da der Ärztliche Dienst des Beklagten unter dem 10. August 2020 zu diesem Merkzeichen Stellung genommen habe und der Widerspruchsbescheid wiederum auf diese Stellungnahme Bezug genommen habe.

 

 

Die Klägerin beantragt,

 

den Gerichtsbescheid des SG Oldenburg vom 26. April 2022 aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 11. November 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2020, des Abhilfebescheides vom 5. Mai 2020 und des Ausführungsbescheides vom 15. Januar 2021 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, das Merkzeichen aG festzustellen, hilfsweise den Gerichtsbescheid des SG Oldenburg vom 26. April 2022 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG Oldenburg zurückzuverweisen.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Er hält die Entscheidung des SG Oldenburg für zutreffend.

 

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch Urteil ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie durch den Berichterstatter als Einzelrichter einverstanden erklärt.

 

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, die dem Gericht vorgelegen haben.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG) durch den Berichterstatter als Einzelrichter (§ 155 Abs. 3, 4 SGG) entscheidet, bleibt ohne Erfolg. Der Gerichtsbescheid des SG Oldenburg vom 26. April 2022 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klage ist in Bezug auf das Merkzeichen aG unzulässig.

 

Wie der Senat bereits im Beschluss betreffend die Ablehnung des Antrags der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 25. August 2022 dargelegt hat, teilt er die Auffassung des SG Oldenburg, dass eine überprüfbare Verwaltungsentscheidung in Bezug auf die Feststellung des Merkzeichens aG nicht vorliegt. Insoweit ist keine Regelung im Sinne eines Verwaltungsakts getroffen worden. Zwar wurde das Merkzeichen aG im Widerspruchsverfahren mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 25. Juni 2020 ergänzend beantragt. Auch hat sich der Ärztliche Dienst des Beklagten in der nachfolgenden Stellungnahme vom 10. August 2020 damit befasst. Indes verhält sich der Widerspruchsbescheid vom 11. August 2020 nicht hierzu, sondern er erwähnt in Bezug auf Merkzeichen explizit allein das Merkzeichen G. Außerdem wäre eine Entscheidung über das zusätzlich beantragte Merkzeichen aG in einem weiteren Ausgangsbescheid zu treffen und insoweit ggf. ein eigenständiges Widerspruchsverfahren anzuschließen gewesen. Es sind demnach auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Prozessbevollmächtigten der Klägerin keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte für eine überprüfbare Verwaltungsentscheidung in Bezug auf die Feststellung des Merkzeichens aG gegeben. Der Senat folgt der diesbezüglichen Argumentation in der Berufungsbegründung nicht. Soweit dort ergänzend auf die Möglichkeit der Erhebung einer Untätigkeitsklage abgestellt wird, wäre der Senat hierfür nicht zuständig, sondern zunächst erstinstanzlich das SG Oldenburg. Zudem würde auch eine Untätigkeitsklage eine Sachentscheidung der Verwaltung nicht entbehrlich machen, sondern würde zunächst auf die Verpflichtung des Beklagten zum Erlass einer solchen Sachentscheidung zielen (vgl. B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 88 Rn. 9 m. w. N.).

 

Zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Klage auf ein Merkzeichen gehört im Falle der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage die Durchführung eines darauf gerichteten vorherigen Verwaltungsverfahrens mit einem abschließenden Bescheid und eines Vorverfahrens mit einem Widerspruchsbescheid (Landessozialgericht – LSG – Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. September 2006 – L 11 SB 24/05-26 – juris Rn. 48 ff., mit Verweis auf Bundessozialgericht – BSG –, Urteil vom 16. November 2005 – B 2 U 28/04 R – juris Rn. 9 ff.). Liegt – wie hier – kein Verwaltungsakt vor, ist die Klage unzulässig (BSG a. a. O.). An einem solchen Verwaltungsakt fehlt es in Bezug auf das Merkzeichen aG. Insbesondere stellt der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 11. August 2020 keinen hierauf bezogenen Verwaltungsakt dar. Bei der Auslegung von Verwaltungsakten ist in Anwendung der für Willenserklärungen maßgeblichen Grundsätze (§§ 133157 Bürgerliches Gesetzbuch) vom objektiven Sinngehalt ihrer Erklärungen auszugehen, wie sie der Empfänger bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen musste. Insoweit ist festzustellen, dass der Widerspruchsbescheid nach dem Wortlaut seiner Begründung allein das Merkzeichen G in Bezug nimmt und dies nach den vorhergehenden Abläufen auch allein Gegenstand eines Widerspruchsbescheides sein konnte, während für das ergänzend beantragte Merkzeichen aG, das einen eigenständigen Streitgegenstand darstellt (LSG Berlin-Brandenburg, a. a. O. juris Rn. 48 mit Verweis auf die Rechtsprechung des BSG), zunächst ein rechtsmittelfähiger Ausgangsbescheid erforderlich gewesen wäre.

 

Wegen weiterer Einzelheiten folgt der Senat der ausführlichen und überzeugenden Begründung des Gerichtsbescheides des SG Oldenburg vom 26. April 2022, der er sich nach eigener Sachprüfung anschließt und die er daher nicht wiederholt (§ 153 Abs. 2 SGG).

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 1 und Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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