L 3 KA 55/19

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
1. Instanz
SG Hannover (NSB)
Aktenzeichen
S 24 KA 144/16
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 3 KA 55/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Die Befugnis der Krankenkassen, die Richtigkeit der vertragsärztlichen Abrechnungen zu prüfen, erstreckt sich auch auf die erforderliche Teilnahmeberechtigung der Versicherten, die Leistungen aus Disease-Management-Programmen in Anspruch genommen haben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 9. Oktober 2019 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte bei der Neubescheidung die Rechtsauffassung des Senats zu beachten hat.

 

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 1.223,50 Euro festgesetzt.

 

 

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten über die sachlich-rechnerische Berichtigung von acht Gebührenordnungspositionen (GOPen), die in den Verträgen über strukturierte Behandlungsprogramme (sog Disease-Management-Programme <DMP>) zur Verbesserung der Versorgung von Brustkrebs-Patientinnen (DMP-Brustkrebs), von Typ-2-Diabetes-Patienten (DMP-Diabetes), von Patienten mit Asthma (DMP-Asthma) und in der Vereinbarung zur Optimierung der Betreuung von an Diabetes erkrankten Versicherten der Ersatzkassen durch diabetologische Schwerpunktpraxen (DSP-Vereinbarung) geregelt sind. Im Einzelnen handelt es sich um die GOPen 99100 der DSP-Vereinbarung (Strukturpauschale), 99501, 99510, 99515 und 99519 DMP-Diabetes (Erstellung und Versand der Folgedokumentationen ggf einschließlich Beratung; Schulungsprogramm für Typ-2-Diabetiker, die nicht Insulin spritzen; strukturiertes Hypertonie-Therapie- und Schulungsprogramm; Schulungsmaterial inklusive Diabetespass), 99532 DMP-Brustkrebs (Beratungspauschale) sowie 99550 und 99552 DMP-Asthma (Einschreibung der Versicherten einschließlich Beratung, Erstellung der vollständigen und plausiblen Erstdokumentationen sowie fristgerechter Versand der entsprechenden Unterlagen durch Vertragsärzte an die Datenstelle; Pauschalhonorar).

 

Die klagende Krankenkasse beantragte mit Schreiben vom 27. Dezember 2013 bei der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV), nach den angeführten GOPen - sowie nach den
GOPen 99110, 99118 und 99120 - abgerechnete Fälle im 4. Quartal 2012 zu prüfen und ohne vertragliche Grundlage abgerechnete Leistungen zu erstatten. Denn in Hinblick auf die genannten Ziffern sei zu keinem Zeitpunkt in der Vergangenheit eine Teilnahme des jeweiligen Versicherten am jeweiligen Programm zustande gekommen.

 

Von den geltend gemachten insgesamt 58 Fällen wurde im Bescheid der Beklagten vom 30. Juni 2015 lediglich einem Fall stattgegeben. In 38 Fällen wurde eine Berichtigung dagegen abgelehnt, weil die Leistungen auf der Basis der von der Datenstelle nach § 34 Abs 4 DMP-Diabetes gelieferten Daten erbracht worden seien bzw die Einschreibung in ein DMP nach Stellungnahmen des jeweiligen Arztes durch die jeweiligen Patienten glaubhaft versichert oder bestätigt worden sei. In weiteren 18 - die GOPen 99110, 99118 und 99120 betreffenden - Fällen sei eine Einschreibung in ein DMP für die Leistung nicht erforderlich. In einem Fall wurde die Berichtigung (in Hinblick auf die GOP 99532) wegen Geringfügigkeit abgelehnt.

 

Zur Begründung ihres hiergegen gerichteten Widerspruchs vom 9. Juli 2015 machte die Klägerin geltend, die Abrechnung von DMP-Ziffern sei nur dann möglich, wenn eine Einschreibung tatsächlich erfolgt sei, wofür das Vorliegen der hierfür notwendigen Unterlagen bei der Krankenkasse erforderlich sei. In den geprüften Fällen lägen aber weder eine Teilnahmeerklärung des Versicherten noch eine Erstdokumentation vor; eine Zusicherung des Patienten sei als Abrechnungsgrundlage nicht ausreichend.

 

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. April 2016 (bei der Klägerin eingegangen am 25. April 2016) zurück. Ein sachlich-rechnerischer Fehler der Abrechnungen sei nicht festzustellen, weil die betreffenden Praxen jeweils mitgeteilt hätten, dass die genannten Patienten ausdrücklich versichert bzw bestätigt hätten, an einem DMP-Programm teilzunehmen. Eine nähere Prüfung sei in der Praxis insofern nicht möglich; würde der Arzt diesbezügliche Aussagen bei jedem Versicherten jedes Quartal infrage stellen, wäre das Arzt-Patienten-Verhältnis voraussichtlich bald so sehr belastet, dass der Versicherte sich einen anderen Arzt suchen würde. Vor diesem Hintergrund sei seinerzeit eine informelle Vereinbarung mit den Krankenkassen getroffen worden, dass in den Fällen einer fehlenden DMP-Einschreibung auf eine Regressierung verzichtet werden solle, wenn der Patient glaubhaft versichert habe, dass er in ein DMP-Programm eingeschrieben sei.  Das pauschale Honorar für die ausführliche Beratung und Behandlung einschließlich Instruktion nach GOP 99552 werde gemäß § 34 Abs 4 DMP-Asthma nach Einschreibung in das DMP gezahlt; dass insoweit eine korrekte Einschreibung erfolgt sei, habe die Beklagte den Statusdatensätzen, die ihr von der Datenstelle geliefert worden seien, entnommen.

 

Am 25. Mai 2016 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) Hannover erhoben, mit der sie sich gegen den Bescheid vom 30. Juni 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom „21. April 2016“ gewandt hat, soweit es sich nicht um die GOPen 99110, 99118 und 99120 handelt. Rechtsgrundlage der geltend gemachten Abrechnungsprüfung sei § 106a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) iVm der nach § 106a Abs 5 SGB V abgeschlossenen Prüfvereinbarung bzw den zu § 106a Abs 6 SGB V ergangenen Richtlinien. § 106a Abs 3 SGB V sehe eine Prüfzuständigkeit der Klägerin in Hinblick auf das Bestehen und den Umfang ihrer Leistungspflicht vor. Dabei handele es sich um Prüfungen, die die KÄV mangels Kenntnis der erforderlichen Daten nicht vornehmen könne. Vorliegend habe die Klägerin im Rahmen ihrer Prüfung festgestellt, dass sie nicht leistungspflichtig sei, weil die Versicherten, für die Vergütungen für Leistungen nach den DMP-Verträgen angefordert worden seien, in diese nicht eingeschrieben gewesen seien. Allein die Erklärungen der Versicherten gegenüber ihren Ärzten seien insoweit nicht ausreichend. Auch aus der Übermittlung von Dokumentationsdaten durch die Datenstelle nach § 21 der DMP-Verträge könne nicht geschlossen werden, dass Versicherte eingeschriebene DMP-Teilnehmer seien, zumal die Datenstelle nur zur Entgegennahme und Weiterleitung der Teilnahme- und Einwilligungserklärung der Versicherten zuständig sei. Eine angebliche informelle Absprache zwischen der Beklagten und den Krankenkassen über einen Regressverzicht in Fällen einer fehlenden DMP-Einschreibung sei der Klägerin nicht bekannt und wäre im Übrigen unzulässig. Eine Berufung auf die Geringfügigkeitsvorschrift in § 8 Abs 1 der Prüfvereinbarung sei nicht möglich, weil sich diese Vorschrift ausschließlich auf gezielte Prüfanträge nach § 106a Abs 4 SGB V beziehe.

 

Demgegenüber hat die Beklagte die Auffassung vertreten, die vorliegend umstrittenen sachlich-rechnerischen Berichtigungen beträfen nicht Fälle des § 106a Abs 3 Nr 1 SGB V, weil sachlich-rechnerische Berichtigungen wegen fehlender DMP-Einschreibung nicht unter § 16 Abs 2 der Richtlinien gemäß § 106a Abs 6 SGB V fielen. Darüber hinaus handele es sich um Prüfungen von Leistungen aus Strukturverträgen, in denen beispielsweise in der DSP-Vereinbarung die Abrechnungsprüfung klar der Beklagten bzw einer Vertrags-Kommission gemäß § 5 der DSP-Vereinbarung zugewiesen sei. Unabhängig hiervon sei die Beklagte nur berechtigt, gegenüber dem Vertragsarzt eine sachlich-rechnerische Berichtigung vorzunehmen, wenn dieser tatsächlich fehlerhaft abgerechnet habe. Dies sei vorliegend aber nicht der Fall. Die Vertragsärzte hätten insofern nur die Möglichkeit, den Patienten zu befragen, sich auf dessen Auskünfte zu verlassen und das Ergebnis in der Patientenakte zu dokumentieren. Auf der Krankenversichertenkarte seien zwar entsprechende Statusergänzungsfelder für DMP-Teilnehmer vorgesehen; die Klägerin komme ihrer Pflicht, die Karte mit einer entsprechenden Kennzeichnung zu versehen, jedoch nicht nach. Alleiniger Anknüpfungspunkt für die Abrechnung der GOPen 99501, 99550 und 99552 seien schließlich die durch die Datenstelle an die Beklagte gelieferten Daten.

 

Mit Urteil vom 9. Oktober 2019 hat das SG den Bescheid vom 30. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom „21. April 2016“ insoweit aufgehoben, als es sich darin nicht um die GOPen 99110, 99118 und 99120 handele; die Beklagte ist verurteilt worden, über das Korrekturbegehren der Klägerin auf sachlich-rechnerische Berichtigung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Die Beklagte habe die Feststellung von Abrechnungsfehlern zu Unrecht verweigert. Die hier streitgegenständliche Frage der (rechtzeitigen) Einschreibung im DMP falle unter den Gesichtspunkt der genehmigungsbedürftigen Leistungen in die Prüfzuständigkeit der Klägerin nach § 106a Abs 3 SGB V. Der diesbezügliche Wortlaut differenziere nicht danach, wem gegenüber die Genehmigung zu erteilen sei. Außerdem werde eine Zuweisung dieser Fallgruppe zu den Krankenkassen auch dahingehend begründet sein, dass diese - anders als die Beklagte - über die entsprechenden Daten zur Durchführung einer Abrechnungsprüfung verfügten. Die Formulierung in § 106a Abs 3 SGB V und in § 5 der Prüfvereinbarung sei schließlich offen und erlaube damit auch die Einbeziehung von Fallkonstellationen, die nicht unmittelbar von deren Wortlaut umfasst, aber wertungsmäßig mit den aufgeführten Fällen vergleichbar seien. In der Rechtsprechung sei auch schon geklärt, dass die KÄV in Fällen der Abrechnungsprüfung nach § 106a Abs 3 SGB V über keine inhaltliche Prüfkompetenz mehr verfüge (Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts <BSG> vom 23. März 2016 - B 6 KA 8/15 R). Auf die im vorliegenden Fall von der Beklagten vorgebrachten inhaltlichen Einwände gegen das von der Klägerin gefundene Prüfergebnis komme es deshalb nicht mehr entscheidend an.

 

Gegen das ihr am 17. Oktober 2019 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 11. November 2019 Berufung eingelegt, die am 14. November 2019 bei dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingegangen ist. Mit seinem Hinweis auf die BSG-Entscheidung vom 23. März 2016 verkenne das SG, dass es sich vorliegend um Prüfungen von Leistungen aus Strukturverträgen handele, in denen beispielsweise in der DSP-Vereinbarung die Abrechnungsprüfung klar der KÄV zugewiesen sei. Unabhängig hiervon bestehe keine Prüfzuständigkeit der Kassen in Hinblick auf die gültige DMP-Teilnahme der Versicherten nach § 106a Abs 3 S 1 Nr 1 SGB V. Denn nach § 16 Abs 2 Nr 3 der gemäß § 106a Abs 6 S 1 SGB V erlassenen Richtlinien unterliege der Prüfzuständigkeit der Krankenkassen ausschließlich die Feststellung der Voraussetzungen der Leistungspflicht bei Leistungen, welche eine Genehmigung der Krankenkassen bedürften; in den streitgegenständlichen Strukturverträgen sei jedoch die Leistungserbringung nicht von einer Genehmigung der Krankenkasse, sondern der Beklagten abhängig. Die vorliegende Konstellation könne mit den in den Richtlinien aufgeführten Fällen auch nicht wertungsmäßig verglichen werden. Im Übrigen sei beispielsweise die gültige DMP-Teilnahme der Versicherten keine Vergütungsvoraussetzung für die GOPen 99501 und 99550. Gemäß § 34 Abs 3 bzw § 34 Abs 4 DMP-Diabetes seien Basis für die Auszahlung der Vergütungen die durch die Datenstelle an die Beklagte gelieferten Daten. Anderenfalls trügen die Ärzte in den Fällen, in denen es aufgrund außerhalb ihres Einflusses liegender Umstände nicht zu einer gültigen DMP-Teilnahme der Versicherten gekommen ist, das alleinige Vergütungsrisiko für die von ihnen erbrachten Leistungen. Dies gelte auch für die GOPen 99510, 99515 und 99519. Im Übrigen stünde den sachlich-rechnerischen Berichtigungen zulasten der betroffenen Vertragsärzte in Hinblick auf das streitbefangene Quartal IV/2012 der mittlerweile eingetretene Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist entgegen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 9. Oktober 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Die Klägerin beantragt,

 

              die Berufung zurückzuweisen.

 

Eine Einschränkung der Prüfzuständigkeit der Klägerin im Rahmen von Strukturverträgen sei nicht gegeben und wäre auch unzulässig. Die Leistungen, die aufgrund von DMP-Verträgen erbracht werden, seien solche der vertragsärztlichen Versorgung und unterlägen damit zweifelsfrei der vertragsärztlichen Abrechnungsprüfung nach § 106a SGB V. Der am DMP teilnehmende Arzt sei ausschließlich berechtigt, Leistungen nach den entsprechenden Verträgen zu erbringen, wenn die Versicherten der Klägerin in den Vertrag eingeschrieben seien. Diese Einschreibung erfolge nach Eingang der vollständigen Einschreibungsunterlagen und Prüfung der Versicherten durch Entscheidung der Krankenkasse, die eine zur Inanspruchnahme entsprechender Leistungen berechtigende Genehmigung darstelle. Die Prüfung der Einschreibung in den DMP-Vertrag dürfte damit auch unter die Prüfung des Versicherungsstatus nach § 16 der Richtlinien fallen. Zu Unrecht behaupte die Beklagte ferner, dass die DMP-Teilnahme keine Voraussetzung für die Vergütung darstelle. Der Verweis auf die durch die Datenstelle an die KÄV gelieferten Daten bedeute lediglich, dass diese die Grundlage für die Berechnung der Honorierung bildeten, die aber von weiteren Faktoren, insbesondere von der Einschreibung des Versicherten in das DMP abhänge. Schließlich bestehe das Bescheidungsinteresse der Krankenkasse im Hinblick auf die Vorstandshaftung gemäß § 106a Abs 7 iVm § 106 Abs 4b SGB V unabhängig davon, ob die KÄV noch Honorarrückforderungen gegen die betroffenen Vertragsärzte wegen Zeitablaufs durchsetzen könne (Hinweis auf das BSG-Urteil vom 26. Mai 2021 - B 6 KA 10/20 R).

 

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beteiligten verwiesen.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben; klarzustellen war lediglich, dass die Beklagte bei der Neubescheidung die Rechtsauffassung des Senats zu berücksichtigen hat.

 

I. Die Klage ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) - in der Gestalt der (Neu-)Bescheidungsklage (vgl § 131 Abs 3 SGG) - statthaft (zu dieser Klageart in Fällen der vorliegend umstrittenen sachlich-rechnerischen Berichtigung vgl BSG, Urteil vom 23. März 2016 - B 6 KA 8/15 R, SozR 4-2500 § 106a Nr 15). Die Klage ist auch im Übrigen zulässig.

 

II. Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 30. Juni 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. April 2016 (zur Berechtigung der KÄV, der antragstellenden Krankenkasse gegenüber durch Verwaltungsakt zu entscheiden vgl BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 6 KA 30/10 R, SozR 4-5555 § 21 Nr 2 mwN) ist rechtswidrig. Die Beklagte hat es der Klägerin gegenüber zu Unrecht abgelehnt, die von dieser geltend gemachten sachlich-rechnerischen Berichtigungen durchzuführen.

 

1. Rechtsgrundlage für die vorliegend streitbefangene Abrechnungsprüfung durch die Krankenkassen ist § 106a Abs 1 iVm Abs 3 SGB V (in der bis Ende 2016 geltenden Fassung <aF>; ab 1. Januar 2017 geregelt in § 106d Abs 1 und Abs 3 SGB V>). Nach § 106a Abs 1 SGB V aF prüfen die KÄVen und die Krankenkassen die Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnung in der vertragsärztlichen Versorgung. Nach Abs 3 prüfen die Krankenkassen die Abrechnungen der Vertragsärzte insbesondere hinsichtlich (1.) des Bestehens und des Umfangs ihrer Leistungspflicht, (2.) der Plausibilität von Art und Umfang der für die Behandlung eines Versicherten abgerechneten Leistungen in Bezug auf die angegebene Diagnose, bei zahnärztlichen Leistungen in Bezug auf die angegebenen Befunde, (3.) der Plausibilität der Zahl der vom Versicherten in Anspruch genommenen Vertragsärzte unter Berücksichtigung ihrer Fachgruppenzugehörigkeit und (4.) der vom Versicherten an den Arzt zu zahlenden Zuzahlung nach § 28 Abs 4 SGB V und der Beachtung des damit verbundenen Verfahrens nach § 43b Abs 2 SGB V.

 

a) Der Anwendung dieser Vorschriften im vorliegenden Fall steht - anders als die Beklagte meint - nicht entgegen, dass es sich bei den auf der Grundlage von § 137f SGB V abgeschlossenen DMP-Verträgen Brustkrebs, Diabetes und Asthma sowie dem DSP-Vertrag um Strukturverträge im Sinne des (bis zum Juli 2015 geltenden) § 73a SGB V handelt. Denn die auf der Grundlage entsprechender Verträge erbrachten Leistungen sind Bestandteile der „vertragsärztlichen Versorgung“ im Sinne von § 106a Abs 1 SGB V aF. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von § 73a SGB V aF, der die Strukturverträge als besondere Form der Gesamtverträge gemäß § 83 SGB V beschreibt, der vertragsärztlichen Versorgung zuordnet (§ 73a S 1 SGB V) und die auf dieser Grundlage erbrachten ärztlichen Leistungen in S 4 ausdrücklich als „vertragsärztliche Leistungen“ beschreibt (zu entsprechenden vertragsärztlichen Honoraransprüchen vgl auch BSG, Urteil vom 11. September 2019 - B 6 KA 13/18 R, SozR 4-7610 § 812 Nr 12). Im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung abgeschlossene Strukturverträge unterscheiden sich damit von Einzelverträgen in Sonderversorgungsformen - wie Modellvorhaben nach §§ 63 ff SGB V, die hausarztzentrierte Versorgung nach § 73b SGB V und die besondere (integrierte) Versorgung nach § 140a SGB V -, die nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind und für die dementsprechend § 106a Abs 1 SGB V aF- und damit auch § 106a Abs 3 SGB V aF - in der Regel nicht anwendbar sind (Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB V, § 106d, Stand: 2. EL 2023, Rn 12; zum Unterschied zwischen Strukturverträgen und Verträgen über die integrierte Versorgung in Hinblick auf den Sicherstellungsauftrag der Beklagten vgl auch Adolf in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl <Stand: 1. April 2012>, § 73a Rn 19). Demnach bleibt es bei den in § 106a SGB V aF vorgesehenen Prüfzuständigkeiten und auf vertragliche Vorschriften wie in § 5 DSP-Vereinbarung (Einrichtung einer Vertragskommission) kommt es nicht an.

 

b) Die vorliegend streitbefangenen Fälle, bei denen es um die Teilnahmeberechtigung einzelner Versicherter an DMP-Verträgen geht, betreffen auch das Bestehen bzw den Umfang der Leistungspflicht der Krankenkassen und damit deren Abrechnungsprüfung gemäß § 106a Abs 3 Nr 1 SGB V aF. In Bezug auf das Bestehen der Leistungspflicht ist zu prüfen, ob der Versicherte, für den die Leistungen zulasten der Krankenkasse abgerechnet werden, gegen diese dem Grunde und dem Umfang nach einen Anspruch hatte (BSG, Urteil vom 23. März 2016 aaO unter Hinweis auf den Gesetzentwurf zu § 106a Abs 3 SGB V im GKV-Modernisierungsgesetz <GMG>, BT-Drucks 15/25 S 118). Die hier betroffenen Ansprüche auf besondere DMP-Leistungen - wie zB regelmäßige Verlaufskontrollen und besondere Betreuungsmaßnahmen im Fall des DSP-Vertrags, Schulungen nach dem DMP-Diabetes, Beratungen nach den DMP- Brustkrebs und -Asthma - stehen nur Versicherten zu, die gemäß § 137f Abs 3 S 2 SGB V eine diesbezügliche ausdrückliche Einwilligungserklärung abgegeben haben. Diese Erklärung ist damit Voraussetzung der entsprechenden Leistungspflicht der Kassen im Sinne von § 106a Abs 3 S 1 Nr 1 SGB V aF.

 

Dies steht auch in Übereinstimmung mit der zwischen der Beklagten und den Kassen(verbänden) getroffenen „Vereinbarung über die Prüfung der Abrechnung auf Rechtmäßigkeit durch Plausibilitätskontrollen“ (PrüfV) vom 15. Oktober 2010 - in der gemäß § 106a Abs 5 SGB V aF Inhalt und Durchführung der Prüfungen (ua nach Abs 3 SGB V aF) zu vereinbaren waren - und mit den Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen gemäß § 106a Abs 6 SGB V aF, die gemäß § 106a Abs 5 S 3 SGB V aF Bestandteil der PrüfV sind. Nach § 5 Abs 2 der PrüfV und § 16 Abs 2 der Richtlinien ist der vorliegende Fall der Einschreibung von Versicherten in ein DMP zwar nicht ausdrücklich als Prüfung des Bestehens und des Umfangs der Leistungspflicht (§§ 5 Abs 1 Nr 1 PrüfV, 16 Abs 1 Nr 1 Richtlinien) aufgeführt. Zu Recht hat aber bereits das SG darauf hingewiesen, dass der Katalog in § 5 Abs 1 PrüfV bzw in § 16 Abs 1 Nr 1 der Richtlinien ohnehin nicht abschließend ist, was sich aus dem Begriff „insbesondere“ eingangs der Vorschrift ergibt. Es ist daher unschädlich, wenn die Teilnahmeerklärung der Versicherten nicht - jedenfalls nicht in engerem Sinne - den Versicherungsstatus oder Leistungen betrifft, die einer Genehmigung der Krankenkassen bedürfen. Denn die Einschreibung der Versicherten und die sich daraus ergebende Berechtigung, von den Krankenkassen finanzierte Leistungen aus den DMP-Verträgen in Anspruch zu nehmen, steht ihrem Regelungsgehalt nach einer Genehmigung durch die Krankenkassen gleich. Das folgt schon daraus, dass die Teilnahmeerklärung der Versicherten nur rechtswirksam wird, wenn sie von der jeweiligen Krankenkasse formal „bestätigt“ wird, wobei die Bestätigung nur nach vorheriger Prüfung des Vorliegens aller für die Einschreibung vorgesehener Unterlagen und Erklärungen erfolgen kann (vgl § 14 Abs 6 DMP-Brustkrebs; § 14 Abs 7 DMP-Asthma; § 14 Abs 6 DMP-Diabetes und die hierauf bezogene Regelung in § 9 Abs 2 des DSP-Vertrages zur Strukturpauschale).

 

Soweit die PrüfV in ihrer Anl 2 lediglich die Prüfung von Präventionsleistungen (versichertenbezogene Auffälligkeiten), Genehmigungen von Substitutionsbehandlungen, künstliche Befruchtung und genehmigte psychotherapeutische Sitzungen im Anerkennungsbescheid als Gegenstand der Abrechnungsprüfung durch die Krankenkassen auflistet, schließt dies die vorliegend umstrittenen Prüfungen nicht aus. Denn die in Anl 2 genannten Fälle sollen nur einige praxisrelevante Beispielsfälle illustrieren. Das zeigt sich schon daran, dass wesentliche in §§ 5 PrüfV, 16 Richtlinien aufgeführte Prüfgegenstände (zB Plausibilitätsprüfungen, Prüfungen des Versicherungsstatus, Zuzahlungen nach § 28 Abs 4 SGB V) dort nicht angeführt sind.

 

2. Die streitbefangenen GOPen im Quartal IV/2012 sind auch zu Unrecht in Ansatz gebracht worden, weil sie die Behandlung von Versicherten betroffen haben, die sich nicht (mit Bestätigung der Klägerin) in das jeweils einschlägige DMP-Brustkrebs, -Diabetes bzw -Asthma eingeschrieben hatten. Sie hatten demnach keinen Anspruch auf die Leistungen, die mit den vorliegenden GOPen abgegolten sind. Dass die Leistungen nur zugunsten eingeschriebener Versicherter erbracht werden dürfen, ergibt sich für die GOP 99100 aus § 9 Abs 2 DSP-Vereinbarung, für die GOPen 99501, 99510, 99515 und 99519 aus § 34 Abs 1 iVm Abs 3 und § 35 Abs 6 DMP-Diabetes. Für die GOP 99532 folgt dies aus § 34 iVm § 35 Abs 3 DMP-Brustkrebs und für die GOPen 99550 und 99552 aus § 34 Abs 1 iVm Abs 3 DMP-Asthma. An die entsprechenden Feststellungen der Klägerin - für deren Infragestellung von Amts wegen keine Anhaltspunkte bestehen - ist die Beklagte gebunden. Denn aus der in § 106a Abs 3 SGB V aF eingeräumten eigenen Prüfungskompetenz der Krankenkassen folgt, dass die KÄVen daneben keine eigene inhaltliche Prüfung der Abrechnungen vornehmen dürfen (BSG, Urteil vom 23. März 2016 aaO; Clemens in: jurisPK-SGB V, Stand: 24. Oktober 2022, § 106d Rn 62).

 

Unerheblich ist es in diesem Zusammenhang auch, wenn die Beklagte darauf hinweist, dass Basis für die Auszahlung der Vergütungen nach den streitbefangenen GOPen die durch die DMP-Datenstellen an sie gelieferten Daten seien (vgl zB § 34 Abs 4 DMP-Diabetes, § 34 Abs 3 DMP-Asthma). Denn hieraus ergibt sich nicht, dass eine nachträgliche Prüfung der sachlichen Richtigkeit der Abrechnungen ausgeschlossen wäre. Dies gilt insbesondere auch in Hinblick auf die Leistungsberechtigung der Versicherten, deren Prüfung - wie dargelegt - vom Gesetz in § 106a Abs 3 SGB V aF gefordert wird.

 

Im Fall der Versicherten J.. kann die Beklagte schließlich auch nicht geltend machen, einer Berichtigung der GOP 99532 (im Wert von 11 Euro) stehe der Gesichtspunkt der Geringfügigkeit entgegen. Zu Unrecht beruft sie sich insoweit auf § 8 Abs 1 der PrüfV. Denn diese Vorschrift betrifft allein das Verfahren nach § 106a Abs 4 SGB V aF (gezielte Prüfungen durch die KÄVen nach § 106a Abs 2 SGB V aF auf Antrag der Krankenkassen) und regelt in ihrem Abs 1 S 3, dass entsprechende Anträge von der KÄV nur bearbeitet werden, sofern der Antragsgegenstand pro Arzt und Quartal mindestens 50 Euro je Krankenkasse oder 250 Euro für den gesamten Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung beträgt. Der hier vorliegende Fall des § 106a Abs 3 SGB V aF ist hiervon jedoch zu unterscheiden.

 

3. Ist die Klägerin nach alledem in Übereinstimmung mit den rechtlichen Vorgaben zum Ergebnis gelangt, dass die streitbefangenen GOPen im 4. Quartal 2012 nicht abgerechnet werden durften, hatte sie die Beklagte nach § 106a Abs 3 S 2 SGB V aF hiervon zu unterrichten. Die Beklagte hat dies (von Amts wegen im Rahmen ihrer Zuständigkeit nach § 106a Abs 2 SGB V aF) zum Anlass zu nehmen, (grundsätzlich: gegenüber den betroffenen Vertragsärzten und) gegenüber der Klägerin entsprechende Berichtigungsbescheide zu erlassen (BSG, Urteil vom 23. März 2016 aaO; Clemens aaO, Rn 63 f).

 

a) Demgegenüber kann die Beklagte nicht einwenden, sie sei zur sachlich-rechnerischen Berichtigung nur befugt, wenn der betreffende Vertragsarzt fehlerhaft abgerechnet habe. In diesem Zusammenhang habe der Arzt nur die Möglichkeit, sich auf die Auskünfte der Patienten zur Teilnahme am jeweiligen DMP zu verlassen und es würde das Arzt-Patienten-Verhältnis unzumutbar belasten, wenn der Arzt diesbezügliche Aussagen bei jedem Versicherten in jedem Quartal infrage stellen würde.

 

Dem steht schon entgegen, dass es für die Berechtigung und Verpflichtung zur sachlich-rechnerischen Berichtigung von vornherein nur auf die inhaltliche Unrichtigkeit der Abrechnung ankommt, nicht aber auf deren subjektive Vorwerfbarkeit oder auf ein Verschulden des Arztes (stRspr, vgl zB BSG, Urteil vom 22. März 2006 - B 6 KA 76/04 R, SozR 4-5520 § 33 Nr 6; Urteil vom 28. August 2013 - B 6 KA 43/12 R, SozR 4-2500 § 106a Nr 11; Urteil vom 28. August 2013 - B 6 KA 50/12 R, SozR 4-2500 § 106a Nr 12; zur ausnahmsweise erforderlichen groben Fahrlässigkeit nach Ablauf der Ausschlussfrist vgl BSG, Urteil vom 23. Juni 2010 - B 6 KA 7/09 R, SozR 4-5520 § 32 Nr 4). Unabhängig hiervon muss der Vertragsarzt in den Fällen der vorliegenden Art regelmäßig auch Kenntnis davon haben, welche seiner Patienten an einem DMP teilnehmen. Denn er wirkt an der Einschreibung der Versicherten (durch Weiterleitung ihrer Einwilligungserklärung, vgl zB § 14 Abs 4 der DMP-Brustkrebs und -Diabetes) mit und die jeweilige Krankenkasse bestätigt die Teilnahme des Versicherten auch dem DMP-Arzt gegenüber unter Angabe des Eintrittsdatums (§ 14 Abs 6 der jeweiligen DMP-Vereinbarung). Dass der Vertragsarzt auf eine entsprechende Mitteilung nicht zurückgreifen kann, dürfte bei ordnungsgemäßer Patientendokumentation deshalb eher selten der Fall sein. Bei derartigen Ausnahmekonstellationen - etwa in Überweisungsfällen - kann nicht erkannt werden, warum es nicht zumutbar sein sollte, die Behandlung des Patienten an die vorherige Vorlage der Teilnahmebestätigung seitens der Krankenkasse zu knüpfen. Auf eine von der Beklagten ins Feld geführte „informelle“ Regelung zum Ausschluss sachlicher Berichtigungen kann es daher nicht ankommen, unabhängig davon, dass eine den Formerfordernissen des § 56 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) entsprechende Vereinbarung hierzu erforderlich wäre.

 

Wenn die Beklagte sich im Ergebnis gegen ihre Berichtigungspflicht unter Hinweis darauf wendet, dass die zur Berichtigung führenden Umstände nicht zu ihrem bzw zum vertragsärztlichen Kenntnisbereich gehören, beruft sie sich im Übrigen auf einen Gesichtspunkt, der der ausschließlichen Prüfungskompetenz der Krankenkassen nicht entgegensteht, sondern diese gerade begründet. Denn dass die KÄV das Bestehen der Leistungspflicht der Krankenkasse nicht eigenständig prüfen kann, weil ihr die hierzu erforderlichen Daten fehlen, ist der sachliche Grund für die Prüfungskompetenz der Krankenkassen nach § 106a Abs 3 SGB V aF (BSG, Urteil vom 23. März 2016 aaO).

 

b) Die Pflicht der Beklagten zur Neubescheidung der Klägerin besteht hier schließlich auch unabhängig davon, ob sich die betroffenen Vertragsärzte auf den Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist berufen können.

 

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung war bis zur Einführung des § 106d Abs 5 S 3 SGB V (durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz <TSVG> vom 6. Mai 2019 <BGBl I 646>) anerkannt, dass für sachlich-rechnerische Berichtigungen eine vierjährige Ausschlussfrist seit Erlass des Honorarbescheids galt (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2001 - B 6 KA 3/01 R, SozR 3-2500 § 82 Nr 3; Urteil vom 15. Mai 2019 - B 6 KA 63/17 R, SozR 4-2500 § 106a Nr 23). Auf den Ablauf der Ausschlussfrist kann sich die KÄV grundsätzlich auch berufen, wenn sie die von einer Krankenkasse gemäß § 106a Abs 3 SGB V aF geltend gemachte sachliche Unrichtigkeit durch Erlass entsprechender Berichtigungsbescheide umsetzen soll (BSG, Urteil vom 23. März 2016 - B 6 KA 8/15 R, SozR 4-2500 § 106a Nr 15).

 

Etwas anderes gilt aber, wenn die KÄV die betroffenen Vertragsärzte vom Prüfantrag der Krankenkasse in Kenntnis gesetzt hat, weil hierdurch der Ablauf der Ausschlussfrist gehemmt wird (BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 - B 6 KA 5/09 R, SozR 4-2500 § 106 Nr 28; Urteil vom 18. August 2010 - B 6 KA 14/09 R, SozR 4-2500 § 106 Nr 29). Dass eine derartige Information der Vertragsärzte seitens der Beklagten vorliegt, ist schon deshalb anzunehmen, weil diese in ihrem Widerspruchsbescheid vom 19. April 2016 ausgeführt hat, dass „die betreffenden Praxen“ in Stellungnahmen von Dezember 2014 / Januar 2015 näher dargelegt hätten, warum sie vom Vorliegen der nach dem Antrag der Klägerin fehlenden DMP-Eintragungen ausgegangen waren.    

 

Selbst wenn die KÄV es versäumt hätte, die betroffenen Vertragsärzte vom Antrag der Klägerin bzw einer evtl bevorstehenden Honorarberichtigung in Kenntnis zu setzen, kann dies nicht zulasten der Krankenkasse gehen (BSG, Urteil vom 26. Mai 2021 - B 6 KA 10/20 R, SozR 4-2500 § 106a Nr 28; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. November 2021 - L 5 KA 2036/19, juris). Hierzu hat das LSG Baden-Württemberg (aaO) zutreffend auf die besondere Verantwortung der KÄVen (auch) für die Richtigstellung unrichtiger Honorarabrechnungen hingewiesen, die sich in der Haftung der Vorstandsmitglieder der KÄVen gemäß § 106 Abs 4b SGB V (aF) zeigt, die gemäß § 106a Abs 7 SGB V aF auch in Berichtigungsfällen der vorliegenden Art gilt.

 

Da die Klägerin ihr Berichtigungsbegehren schon im Dezember 2013 unter Beifügung entsprechender Datenträger der Beklagten gegenüber geltend gemacht hatte, hat sie die oa Ausschlussfrist in Hinblick auf das Quartal IV/2012 gewahrt. Hätte die Beklagte im Anschluss hieran  das Bewirken einer Fristhemmung unterlassen, wäre sie für den Ablauf der Ausschlussfrist in Hinblick auf die Vertragsärzte selbst verantwortlich und könnte ihn dem Berichtigungsbegehren der Krankenkasse nicht entgegenhalten. Dabei hat das BSG (Urteil vom 26. Mai 2021 aaO) entschieden, dass die KÄV der Krankenkasse als Ergebnis der Berichtigungen auch die darauf entfallenden Beträge erstatten muss, wenn diese extrabudgetär zu honorieren und damit nicht von der Gesamtvergütung abgegolten waren, unabhängig davon, ob die KÄV noch einen evtl Rückzahlungsanspruch gegenüber dem Vertragsarzt geltend machen könnte. Eine derartige Konstellation liegt hier vor, weil alle streitbefangenen GOPen nach den zugrunde liegenden Strukturverträgen extrabudgetär vergütet werden (zur GOP 99100 vgl § 9 Abs 2 DSP-Vereinbarung; für die GOP 99501 vgl § 34 Abs 3 und für die GOPen 99510, 99515 und 99519 § 35 Abs 6 DMP-Diabetes; für die GOP 99532 vgl § 35 Abs 3 DMP-Brustkrebs und für die      GOPen 99550 und 99552 § 34 Abs 3 bzw Abs 4 DMP-Asthma). Nach alledem hat die Beklagte die Klägerin selbst dann unter Beachtung der vorgehend dargelegten Gesichtspunkte zu bescheiden, wenn sie keine Berichtigungsbescheide gegenüber den Vertragsärzten mehr erlassen könnte.

 

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

 

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), sind nicht ersichtlich.

 

Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren folgt aus der Anwendung des § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 iVm §§ 47 Abs 1, 52 Abs 1 Gerichtskostengesetz (GKG).

Rechtskraft
Aus
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