L 15 AS 19/23

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Bremen (NSB)
Aktenzeichen
S 26 AS 24/22
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 15 AS 19/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Die Erbringung von Arbeitslosengeld II als Zuschuss ist im Verhältnis zur darlehensweisen Bewilligung ein Aliud (vgl. BSG vom 28.2.2013 - B 8 SO 4/12 R). Wird im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X die Umwandlung einer Bewilligung von Arbeitslosengeld II als Darlehen in einen Zuschuss begehrt, wird damit die Erbringung von Leistungen im Sinne von § 44 Abs 1 S 1 SGB X geltend gemacht, so dass nach § 40 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II iVm § 44 Abs 4 S 1 SGB X eine sog Verfallfrist von einem Jahr gilt.

                     Die Berufung wird zurückgewiesen.

                     Kosten sind nicht zu erstatten.

                     Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

 

Tatbestand

Die Kläger begehren im sog. Zugunstenverfahren die Umwandlung der bisher für den Zeitraum 1. März bis 31. Dezember 2019 darlehensweise gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in zuschussweise Leistungen.

Die miteinander verheirateten Kläger zu 1 und 2 sind die Eltern der 2011 bzw. 2013 geborenen Kläger zu 3 und 4. Sie bewohnten auch im streitigen Zeitraum ein in ihrem Eigentum stehendes Wohnhaus in der M. in N. und erhielten Kindergeld für die Kläger zu 3 und 4 i.H.v. jeweils 194 €. Darüber hinaus waren die Kläger zu 1 und 2 im streitigen Zeitraum Eigentümer eines 2007 erworbenen Wohnhauses in der O. in N. und verfügten u.a. über einen Bausparvertrag (Kündigung und Auszahlung im Juni 2019 i.H.v. 12.625,62 €) sowie über Sparbriefe/sonstige Wertpapiere i.H.v. 2.658,14 €. Mit Beschluss vom 7. Januar 2019 ordnete das Amtsgerichts Bremen den Vermögensarrest i.H.v. 791.000 € in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Klägers zu 2 (Beschuldigter) gemäß §§ 111e Abs. 1, Abs. 4, 111j Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) i.V.m. §§ 73 Abs. 1, 73c, 73d Strafgesetzbuch (StGB) zur Sicherung der erweiterten Einziehung des Wertes des Taterlangten an. Nach der Begründung in dem Beschluss war der Kläger zu 2 verdächtig, mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel getrieben und dabei eine Schusswaffe oder sonstige Gegenstände mit sich geführt zu haben, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind. Die Arrestsumme berechnete sich danach, dass bei dem Kläger zu 2 vorläufig nicht erklärbare Bareinzahlungen bzw. Vermögenswerte in entsprechender Höhe festgestellt worden waren.

Im März 2019 beantragten die Kläger die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Soweit erkennbar im Mai 2019 gab der Kläger zu 1 gegenüber dem Beklagten folgende schriftliche Erklärung ab: „Hiermit bin ich einverstanden mit dem Darlehen vom Jobcenter. Wenn ich mein Vermögen zurückerhalte, werde ich alles auf einen Schlag zurückbezahlen“. Mit Bescheiden vom 7. August 2019 und 24. Oktober 2019 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II als Darlehen für die Zeiträume März bis August 2019 sowie September 2019 bis Februar 2020 in monatlich schwankender Höhe zwischen 1.010,04 € und 1.238,68 €. Die Bescheide wurden von den Klägern nicht angefochten.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 26. März 2021 beantragten die Kläger sinngemäß die Überprüfung der Bescheide, mit denen darlehensweise Leistungen nach dem SGB II bewilligt worden waren und führten aus, die Rechtswidrigkeit der Bescheide dürfte bereits daraus folgen, dass außer Frage stehen dürfte, dass die Vermögenswerte wegen des angeordneten Arrestes nicht innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten zur Bestreitung des Lebensunterhaltes hätten verwandt werden können. Mit Bescheid vom 14. Oktober 2021 entsprach der Beklagte dem Antrag hinsichtlich des Zeitraums ab 1. Januar 2020 in vollem Umfang. Hinsichtlich des Zeitraums 1. März bis 31. Dezember 2019 lehnte er den Antrag, die Bescheide vom 7. August bzw. 24. Oktober 2019 zurückzunehmen, ab und führte aus, eine Rücknahme und Nachzahlung von Leistungen nach § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.V.m. § 44 Abs. 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) könne nur für einen Zeitraum von einem Jahr erfolgen, wobei auszugehen sei vom Zeitpunkt des Beginns des Jahres, in dem der Überprüfungsantrag gestellt werde. Gegen den Bescheid legten die Kläger, soweit eine Zurücknahme der ursprünglichen Bescheide abgelehnt worden war, am 19. Oktober 2021 Widerspruch ein und führten aus, der Beklagte habe – unabhängig von der Frist nach § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II – von Amts wegen tätig werden können und müssen. Zudem gelte § 44 SGB X vorliegend uneingeschränkt, da keine weiteren Leistungsansprüche geltend gemacht würden, sondern nur, dass die bewilligten Leistungen zu Unrecht als Darlehen bewilligt worden seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Januar 2022 wies der Beklagte den Widerspruch unter Wiederholung seiner Rechtsauffassung zurück. Die Kläger haben am 10. Januar 2022 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Bremen erhoben und vorgetragen, sie könnten nicht nachvollziehen, aus welchen Gründen – bei eindeutiger Rechtslage hinsichtlich des im streitigen Zeitraum bestehenden Anspruchs – der Beklagte für den Zeitraum ab 2020 Leistungen als Zuschuss bewilligt habe, für die Zeit davor hingegen nicht. Offenbleiben könne, ob der Kläger zu 2 sich strafbar gemacht habe.

Mit Gerichtsbescheid vom 27. Januar 2023 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Entscheidung des Beklagten, die Zurücknahme der Darlehensbescheide bzw. die Umwandlung der Darlehen in einen Zuschuss sei hinsichtlich des streitigen Zeitraums nicht zu beanstanden, denn im Überprüfungsverfahren komme nach den einschlägigen Normen des § 40 Abs. 1, 2 SGB II i.V.m. § 44 Abs. 4 SGB X die rückwirkende Gewährung von Leistungen längstens für einen Zeitraum von einem Jahr in Betracht. Die Regelung gelte auch für die von den Klägern begehrte Umwandlung einer bisher darlehensweisen gewährten Leistung in eine Leistung als Zuschuss.

Gegen den ihnen am 27. Januar 2023 zugestellten Gerichtsbescheid haben die Kläger am 30. Januar 2023 Berufung eingelegt, ohne diese vertiefend zu begründen.

Die Kläger beantragen,

den Beklagten zu verurteilen, die den Klägern für die Monate März bis Dezember 2019 gewährten Leistungen nach dem SGB II in Zuschussleistungen umzuwandeln, die bestandskräftigen Bescheide insoweit abzuändern sowie den Bescheid des Beklagten vom 14. Oktober 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Januar 2022 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bremen vom 27. Januar 2023 aufzuheben, soweit sie diesem Begehren entgegenstehen.

Der Beklagte beantragt,

       die Berufung zurückzuweisen.

Er nimmt Bezug auf die erstinstanzliche Entscheidung.

Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 9. Februar bzw. 14. Februar 2023 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten und die Gerichtsakte Bezug genommen. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung und Beratung gewesen.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet in der Sache nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung, nachdem die Beteiligten ihr Einverständnis mit dieser Verfahrensweise erklärt haben.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 14. Oktober 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Januar 2022 ist – soweit er von den Klägern im Hinblick auf den Zeitraum 1. März bis 31. Dezember 2019 angefochten worden ist – rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Kläger haben gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Rücknahme bzw. Änderung der ursprünglichen Bewilligungsbescheide und Umwandlung der für den genannten Zeitraum bewilligten darlehensweisen Leistungen in einen Zuschuss. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist neben dem Gerichtsbescheid des SG der Bescheid des Beklagten vom 14. Oktober 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Januar 2022, mit dem der Beklagte die von den Klägern begehrte Änderung der Bescheide vom 7. August 2019 und 24. Oktober 2019 – d.h. die begehrte Umwandlung der der darlehensweisen Leistungsbewilligung in einen Zuschuss – abgelehnt hatte. Die hiergegen gerichtete Klage ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§§ 54 Abs. 1, 56 SGG) zulässig. Insoweit gilt vorliegend – auch wenn dem Verfahren ein Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X zugrunde liegt – nichts anderes als im Rahmen eines Verfahrens gegen die Leistungsbewilligung als Darlehen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 – B 4 AS 5/09 R – juris Rn. 10). Nach den Anträgen der Kläger ist nicht über höhere Leistungen nach dem SGB II zu befinden, sondern nur darüber, ob die zugebilligten Darlehensleistungen als Zuschuss hätten erbracht werden müssen. Da der Beklagte bereits geleistet hat und deshalb nicht erneut zur Leistung verurteilt werden kann, muss lediglich der Rechtsgrund der Zahlung (Zuschuss statt Darlehen) verändert werden (BSG, Urteil vom 19. Mai 2009 - B 8 SO 7/08 R – juris Rn. 10). Dagegen haben die Kläger vorliegend die erhaltenen Darlehen nicht bereits an den Beklagten zurückgezahlt, so dass auch nicht die (erneute) Auszahlung der Leistungen begehrt würde (vgl. zu dieser Konstellation BSG, Urteil vom 28. Februar 2013 – B 8 SO 4/12 R juris Rn.9).

Soweit die Kläger die Umwandlung der für den Zeitraum 1. März bis 31. August 2019 als Darlehen gewährten Leistungen in einen Zuschuss geltend machen, ist das Begehren schon deshalb unbegründet, weil es an einer Beschwer fehlt. Der Kläger zu 2 hat mit seiner schriftlichen Erklärung aus Mai 2019 – zumindest bezogen auf den Leistungsantrag vom März 2019, über den zu diesem Zeitpunkt noch nicht entschieden war, und damit für den Bewilligungszeitraum 1. März bis 31. August 2019 den Antrag dahingehend beschränkt, dass nur noch darlehensweise Leistungen geltend gemacht werden. Er hat sich ausdrücklich mit der Leistungsgewährung als Darlehen einverstanden erklärt und eine Rückzahlung der Leistungen angekündigt. Bezogen auf den im März 2019 gestellten Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II stellt die ausdrücklich erklärte Beschränkung des Antrags auf Gewährung eines Darlehens einen (Teil-)Verzicht dar. Die Erklärung hat er als Vertreter der Bedarfsgemeinschaft abgegeben (§ 38 SGB II); Anhaltspunkte dafür, dass er die Erklärung ausschließlich für sich selbst abgeben wollte, sind nicht ersichtlich. In Anbetracht dieser Erklärung erweist sich die spätere – im Wege des Überprüfungsantrags nach § 44 SGB X – geltend gemachte Leistungsgewährung als Zuschuss für die Bedarfsgemeinschaft für den Bewilligungszeitraum 1. März bis 31. August 2019 als nicht nachvollziehbar.  

Unabhängig davon liegen die Voraussetzungen für eine Rücknahme bzw. Änderung der bestandskräftigen Bescheide und eine nachträgliche Umwandlung der Darlehensleistungen in Zuschussleistungen für den gesamten streitigen Zeitraum – d.h. auch für den Zeitraum vom 1. März bis 31. August 2019, so dass folgende Ausführungen als selbständig tragende Erwägungen des Senats anzusehen sind – nicht vor. Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt worden oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht sind. Die Rücknahme steht jedoch unter dem Vorbehalt, dass Leistungen nach § 44 Abs. 4 SGB X i.V. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II noch zu erbringen sind.

Den Klägern sind zwar für den streitbefangenen Zeitraum Sozialleistungen i.S. des § 44 Abs. 1 SGB X „nicht erbracht“ worden. Insoweit ist als Maßstab anzusehen, welche Sozialleistungen tatsächlich gewollt waren; dies sind vorliegend – sofern man für den Zeitraum 1. März bis 31. August 2019 nicht bereits von einer Beschränkung des Antrags auf darlehensweise Leistungen ausgeht (dazu siehe oben) – Leistungen nach dem SGB II als Zuschuss und nicht als Darlehen. Zuschussleistungen sind im Verhältnis zu darlehensweise gewährten Leistungen nach dem SGB II ein aliud (BSG, Urteil vom 28. Februar 2013 – B 8 SO 4/12 R - juris Rn.11).

Eine Rücknahme der bestandskräftigen Bescheide ist allerdings, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, durch die im vorliegenden Fall zwingend und uneingeschränkt anwendbare Regelung des § 44 Abs. 4 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen. Danach werden Sozialleistungen, falls ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen wird, längstens für einen Zeitraum von einem Jahr vor der Rücknahme erbracht. Der Zeitraum der Rücknahme wird von Beginn des Jahres angerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (§ 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Die Regelung gilt – entgegen der Rechtsauffassung der Kläger – auch für Fälle wie den vorliegenden, d.h. im Falle der begehrten Umwandlung einer darlehensweisen Leistungsgewährung in einen Zuschuss (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 2013 – B 8 SO 4/12 R- juris Rn.12f.; BSG, Urteil vom 6. März 1991 – 9b RAr 7/90 – juris Rn. 12f.; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 18. März 2016 – L 19 AS 1889/15 – juris, und vom 25. Juli 2019 – L 19 AS 2151/18 – juris Rn. 37; SG München, Gerichtsbescheid vom 8. August 2018 – S 46 AS 1477/15 – juris Rn. 18; BVerwG, Urteil vom 1. Februar 1993 – 11 B 91/92; Aubel in: jurisPK-SGB II, § 40 Rn. 59; Rüfner in: Wannagat/Eichenhofer, SGB X, § 44 Rn. 58). Diesem Ergebnis steht die Entscheidung des BSG vom 13. Juli 2022 (B 7/14 AS 57/21 R – juris) nicht entgegen. Das BSG hat in diesem Verfahren, in dem die abschließende Leistungsfestsetzung nach dem SGB II im Wege des Zugunstenverfahrens zur Überprüfung gestanden hat, festgestellt, dass die endgültige Festsetzung vorläufig bewilligter Leistungen mit der Aufhebung und Erstattung von Leistungen nach dem SGB II vergleichbar und deshalb der verkürzten Rückwirkungssperre nach § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht unterworfen sei (a.a.O. juris Rn. 22 ff.), auch wenn vorläufig bewilligte Leistungen ein aliud gegenüber abschließend bewilligten Leistungen bildeten. Das BSG hat aber in der genannten Entscheidung unter Hinweis auf die oben zitierte Rechtsprechung des 8. und des 9. Senates deutlich gemacht, dass mit der Entscheidung keine Abweichung zu den dort beschriebenen Auswirkungen einer Zahlung als Zuschuss oder als Darlehen einhergehe (a.a.O. juris Rn. 22).

Nachdem § 44 Abs. 1 SGB X im Ergebnis auf die Ersetzung eines rechtswidrigen ablehnenden Verwaltungsakts durch einen die Leistung gewährenden Verwaltungsakt abzielt, können die Kläger, die Leistungen außerhalb der Jahresfrist des § 44 Abs. 4 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II begehren, keine Leistungen mehr für die Vergangenheit beanspruchen. Daraus folgt, dass sie auch kein rechtliches Interesse mehr an der Rücknahme i.S. des § 44 Abs. 1 SGB X geltend machen können (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 2013 – B 8 SO 4/12 R- juris Rn.13).

Es kann nach alledem dahinstehen, ob die Entscheidung des Beklagten, Leistungen nach dem SGB II nicht als Zuschuss, sondern als Darlehen zu gewähren, rechtswidrig gewesen ist. Gegen eine Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung könnte nach Auffassung des Senats durchaus sprechen, dass zum Zeitpunkt der Leistungsgewährung im Jahr 2019 keineswegs offensichtlich gewesen ist, für welchen Zeitraum der vom Amtsgericht festgestellte Vermögensarrest bestehen bleiben würde, so dass Zweifel bestehen, ob zu diesem Zeitpunkt im Rahmen einer Prognoseentscheidung davon auszugehen gewesen sein musste, dass die Verwertung des Vermögens für einen Zeitraum von über sechs bzw. zwölf Monate nicht möglich sein würde. Hinzu kommt, dass die Dauer des Vermögensarrestes ganz wesentlich davon abhängig gewesen sein dürfte, inwieweit der Kläger zu 2 am Ermittlungs- bzw. Strafverfahren mitwirkt und wahrheitsgemäße Angaben macht. Insoweit dürfte zweifelhaft sein, ob eine Leistungsgewährung als Zuschuss auch dann in Betracht kommt, wenn die Person, die trotz vorhandenen Vermögens Leistungen nach dem SGB II begehrt und Hilfebedürftigkeit geltend macht, durch mangelnde Mitwirkung und Verweigerung wahrheitsgemäßer Angaben maßgeblich selbst dafür verantwortlich ist, dass der Vermögensarrest fortbesteht. Anderenfalls hätte es ein Antragsteller in einer solchen Situation selbst in die Hand, die nach der Rechtslage nicht vorgesehene zuschussweise Leistungsgewährung herbeizuführen. Sofern man hinsichtlich des Eingreifens der Jahresfrist nach § 44 Abs. 4 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II zu einem abweichenden Ergebnis kommen würde, müsste folglich die Frage der Rechtswidrigkeit geprüft werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 60 Abs. 2 SGG).

Rechtskraft
Aus
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