Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 06.12.2021 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten auch im Berufungsverfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) im Zeitraum 01.08.2017 bis 31.01.2018 und dabei um die Berücksichtigung einer Aufwandsentschädigung für Stadtrats- bzw. Kreistagsmitglieder als Einkommen.
Die 1964 geborene Klägerin bewohnt eine Wohnung in D. zu einer monatlichen Grundmiete i.H.v. 280,39 € zzgl. 39,61 € monatliche Betriebskosten und 71 € monatliche Heizkostenvorauszahlung, wobei diese in den Monaten November und Dezember 2017 nicht anfiel und für Januar 2018 21,52 € betrug.
Die Klägerin war seit 2014 Mitglied des Rats der Stadt D. und dort im streitgegenständlichen Zeitraum Vorsitzende ihrer Fraktion. Seit September 2015 war sie daneben Mitglied des Kreistags des Landkreises M.. Als solche erhielt sie für die Mitgliedschaften im Stadtrat und im Kreistag jeweils Aufwandsentschädigungen. Diese betrugen im streitgegenständlichen Zeitraum für die Mitgliedschaft im Stadtrat und den Fraktionsvorsitz insgesamt 900,30 € monatlich (300,10 € als Ratsmitglied, 600,20 € als Fraktionsvorsitzende), für die Mitgliedschaft im Kreistag 382,30 € (bzw. 395,30 € ab August 2017) monatlich. Als Kreistagsmitglied erhielt sie zudem für die Teilnahme an Kreistags- und Fraktionssitzungen ein Sitzungsgeld i.H.v. 20,30 € je Sitzung, insgesamt 243,60 € im streitgegenständlichen Zeitraum und Fahrtkosten i.H.v. 18 € je Sitzungstag, insgesamt 144 €. Im streitgegenständlichen Zeitraum ging die Klägerin ferner zwei selbstständigen Tätigkeiten nach, sie gab Nachhilfestunden und Yogaunterricht. Daraus erzielte sie ebenfalls Einkommen, im Zeitraum 01.08.2017 bis 31.01.2018 gab sie Betriebseinnahmen i.H.v. insgesamt 381,50 € an.
In der Vergangenheit bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II ohne Anrechnung der Aufwandsentschädigung für die Mitgliedschaft im Stadtrat einschließlich Fraktionsvorsitz, jedoch unter Anrechnung der Aufwandsentschädigung für das Kreistagsmandat, denn diese diene, im Gegensatz zur Aufwandsentschädigung für die Mitgliedschaft im Stadtrat, dem gleichen Zweck wie die Leistungen nach dem SGB II. So enthält beispielsweise der Bescheid vom 21.08.2015, mit dem für den Zeitraum 01.08.2015 bis 31.01.2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes vorläufig bewilligt wurden, den Hinweis: [die] „Aufwandsentschädigung für ihre Tätigkeit als Mitglied kommunaler Vertretungen ist kein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit und wird gesondert als privilegiertes Einkommen bewertet.“
Der Beklagte bewilligte der Klägerin für den Zeitraum 01.08.2017 bis 31.01.2018 zunächst vorläufig mit Bescheid vom 10.08.2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes i.H.v. 676,74 € monatlich unter Berücksichtigung von Einkommen aus Erwerbstätigkeit i.H.v. 123,26 € monatlich. Dabei ist nach den Ausführungen des Beklagten das Einkommen ausgehend von den Angaben der Klägerin in der Anlage zur vorläufigen oder abschließenden Erklärung zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft (EKS) wie folgt angesetzt: 253 € aus der Aufwandsentschädigung für die Tätigkeit im Kreistag M. zuzüglich 157,02 € Einnahmen Nachhilfe und 5,42 € Einnahmen Yoga = 415,44 € Gesamtnetto abzüglich eines Freibetrages nach § 11b SGB II i.H.v. 293,08 € = 122,36 €. Telefonkosten wurden dabei nur zu 25 % und Aufwendungen für das KFZ wegen der fehlenden überwiegenden betrieblichen Nutzung gar nicht als Betriebsausgaben anerkannt. Gegen die vorläufige Bewilligung erhob die Klägerin Widerspruch. Für den Monat Januar 2018 erhöhte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 25.11.2017 die bewilligten Leistungen auf 683,74 €.
Mit Bescheid vom 22.01.2019 lehnte der Beklagte den Antrag auf Leistungen für diesen Zeitraum ab. Aufgrund der Höhe des anzurechnenden Einkommens sei die Klägerin nicht hilfebedürftig. Angerechnet werde Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit als Yogalehrerin i.H.v. 1,84 € monatlich und als Nachhilfelehrerin i.H.v. 35,42 € monatlich. Zudem werde die Aufwandsentschädigung der Stadt D. als Ratsmitglied und Fraktionsvorsitzende i.H.v. 900,30 € monatlich und als Kreistagsmitglied im Kreisverband M. i.H.v. 393,13 € monatlich als Einkommen angerechnet. Abzüglich eines Freibetrages i.H.v. 400 € sei ein den Bedarf übersteigendes Gesamteinkommen i.H.v. 930,69 € anzurechnen. Mit weiterem Bescheid vom 22.01.2019 forderte der Beklagte sodann den Differenzbetrag zwischen vorläufiger Bewilligung und endgültiger Festsetzung laut „anliegendem Bescheid“ i.H.v. 4067,44 € von der Klägerin für den Zeitraum 01.08.2017 bis 31.01.2018 zurück. Auch hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch.
Die Widersprüche wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 24.01.2019 als unbegründet zurück. Sowohl die Ablehnung der Leistungen als auch die Erstattungsforderung seien zu Recht erfolgt.
Die Klägerin hat hiergegen am 20.02.2019 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben. Sie hat geltend gemacht, dass die Aufwandsentschädigungen für die ehrenamtlichen politischen Tätigkeiten zweckbestimmt und daher gemäß § 11a Abs. 3 SGB II nicht als Einkommen zu berücksichtigen seien. Denn sie dienten einem anderen Zweck als dem der Unterhaltssicherung. Es sollten davon die Kosten für die Wahrnehmung der politischen Mandate gedeckt werden, so z.B. Fahrtkosten, Material und Weiterbildung. So unterscheide auch sowohl § 10 der Hauptsatzung der Stadt D. als auch § 6 der Hauptsatzung des Kreises M. zwischen Verdienstausfall und Aufwandsentschädigung. Außerdem habe sie die Aufwandsentschädigungen komplett für ihre Mandatstätigkeit verbraucht und nicht für den Lebensunterhalt aufwenden können. Bislang sei die Aufwandsentschädigung für die Mitgliedschaft im Stadtrat zudem nicht als Einkommen berücksichtigt worden – so ausdrücklich schriftlich im Bescheid vom 21.08.2015 –, daher bestehe Vertrauensschutz. Selbst wenn die Aufwandsentschädigung als Einkommen anzurechnen sei, wären aber Kraftfahrzeugkosten abzusetzen. Dies habe der Beklagte auch schriftlich mit Schreiben vom 07.04.2016 zugesichert.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides zur vorläufigen Bewilligung von Leistungen vom 11.08.2017 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 25.11.2017 in Gestalt des Ablehnungsbescheides vom 22.01.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2019 zu verurteilen, ihr Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Anrechnung einer Aufwandsentschädigung für die Stellung als Fraktionsvorsitzende im Stadtrat und im Kreistag zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat geltend gemacht, die Aufwandsentschädigungen aus der politischen Tätigkeit seien als Einkommen auf die Leistungen anzurechnen. Als einzige in Betracht kommende Ausnahmeregelung passe § 11a Abs. 3 S. 1 SGB II nicht auf den vorliegenden Fall. Für die Aufwandsentschädigungen werde keine bestimmte Verwendung vorgegeben. Es sei kein anderer Zweck ersichtlich, als die Deckung des Lebensunterhalts. Lediglich die Sitzungsgelder und die Fahrtkosten seien davon auszunehmen. Auf die Entstehung komme es zur Zweckbestimmung hingegen nicht an. Die veränderte Vorgehensweise hinsichtlich der Einkommensanrechnung basiere auf einer veränderten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG).
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 06.12.2021 vor dem SG hat die Klägerin erklärt, weitere Ausgaben für die Tätigkeit als Yoga- und Nachhilfelehrerin mache sie nicht geltend.
Das SG hat den Beklagten mit Urteil vom 06.12.2021 unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum von August bis Dezember 2017 und Januar 2018 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Berücksichtigung eines Einkommens aus den Ehrenämtern für den Fraktionsvorsitz im Stadtrat der Stadt D. und für den Sitz im Kreistag des Landkreises M. zu gewähren. Die Aufwandsentschädigungen seien als Einnahme in Geld gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II als Einkommen einzuordnen. Sie unterfielen aber der Ausnahmeregelung des § 11a Abs. 3 S. 1 SGB II und seien daher nicht auf die Bedarfe anzurechnen. Die Aufwandsentschädigung für das Kreistagsmandat werde aufgrund der Vorschrift des § 6 Abs. 1 der Hauptsatzung des Kreises M. vom 07.11.2014 in der Fassung nach Beschluss vom 28.03.2017 i.V.m. § 30 Abs. 5 Kreisordnung Nordrhein-Westfalen (KrO NRW) in der Fassung vom 29.11.2016 erbracht, die Aufwandsentschädigung für die Mitgliedschaft im Stadtrat und den Fraktionsvorsitz aufgrund § 10 der Hauptsatzung der Stadt D. vom 22.02.2017 und damit aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Vorschrift, da sie einen Träger der öffentlich-rechtlichen Verwaltung, den Landkreis M. bzw. die Stadt D., zur Leistung verpflichten. Ihr Zweck sei, die durch die Mandatsausübung entstandenen Aufwendungen auszugleichen, nicht jedoch den Lebensunterhalt der Mandatsträger zu sichern, denn für diesen sei der Verdienstausfall bzw. das Haushaltsgeld vorgesehen. Das SG hat die Berufung zugelassen.
Gegen das ihm am 18.01.2022 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 16.02.2022 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Klageverfahren. Insbesondere ergebe sich aus der bisherigen Rechtsprechung des BSG, dass eine Leistung gebunden für etwas verwendet werden müsse und der Empfänger rechtlich oder tatsächlich an einer anderen Verwendung gehindert werden müsse, um als zweckbestimmte Leistung privilegiert zu sein. Für notwendige Ausgaben in Ausübung des Mandats seien hingegen Freibeträge nach § 11b SGB II geltend zu machen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 06.12.2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil des SG und führt ergänzend aus, dass bereits aus der Bezeichnung als Aufwandsentschädigung die Zweckbestimmung folge, nämlich einen geleisteten Aufwand zu entschädigen und nicht den Lebensunterhalt zu sichern.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
A. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist neben dem Urteil des SG vom 06.12.2021 der Bescheid vom 22.01.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2019 (§ 95 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Das SG hat ein sozialgerichtliches Grundurteil gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 SGG erlassen (zur Zulässigkeit eines Grundurteils im Höhenstreit: BSG Urteil vom 19.05.1982, 11 RA 47/81, Rn. 12, juris) und den Beklagten verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum von August bis Dezember 2017 und Januar 2018 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Berücksichtigung eines Einkommens aus den Ehrenämtern für den Sitz und Fraktionsvorsitz im Stadtrat der Stadt D. und für den Sitz im Kreistag des Landkreises M. zu gewähren (zur Zulässigkeit von Maßgaben im Entscheidungstenor eines Grundurteils vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 130 Rn. 3).
Bei dem Bescheid vom 22.01.2019 handelt es sich um eine abschließende bzw. endgültige Festsetzung von Leistungen i.S.d. § 41a Abs. 3 SGB II in der Fassung vom 26.07.2016. Das ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut des angefochtenen Bescheids, wohl aber aus dem Erstattungsbescheid vom selben Tag, denn dieser lautet: „da nun über ihren Leistungsanspruch endgültig entschieden werden konnte, wurde festgestellt, dass sie keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes haben“. Die endgültige Leistungsfestsetzung vom 22.01.2019 hat die vorläufigen Leistungsbewilligungen mit Bescheid vom 10.08.2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 25.11.2017 gemäß § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) erledigt (BSG Urteil vom 26.07.2016, B 4 AS 54/15 R, Rn. 14, juris), ohne dass es einer Aufhebung oder Änderung der vorläufigen Entscheidung bedurft hätte (vgl. nur BSG Urteil vom 22.8.2012, B 14 AS 13/12 R, Rn. 12). Der Bescheid vom 22.01.2019 ist zudem Gegenstand des gegen den Bescheid vom 10.08.2017 geführten Widerspruchsverfahrens geworden, denn gegen die vorläufige Entscheidung hatte die Klägerin Widerspruch erhoben, über den der Beklagte bei Erlass seiner abschließenden Entscheidung noch nicht entschieden hatte. Infolgedessen ist der diese vorläufige Bewilligung ersetzende abschließende Festsetzungsbescheid gemäß § 86 SGG Gegenstand des laufenden Widerspruchsverfahrens geworden ist, das durch den Widerspruchsbescheid vom 24.01.2019 endete, denn nicht nur abändernde, sondern auch ersetzende Verwaltungsakte fallen in dessen Anwendungsbereich (vgl. BSG Urteil vom 05.07.2017, B 14 AS 36/16 R, Rn. 16 ff., juris).
Der Erstattungsbescheid vom 22.01.2019 ist hingegen nicht nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchverfahrens geworden, denn der Erstattungsbescheid hat keine gestaltende Wirkung für die endgültige Festsetzung. Mit dem Erstattungsbescheid wird vielmehr als Folge der endgültigen Festsetzung die Differenz zwischen vorläufiger und endgültiger Festsetzung festgestellt, ohne die Bewilligungsbescheide inhaltlich zu ändern. Der Anspruch auf Erstattung bzw. Nachzahlung folgt unmittelbar aus § 41a Abs. 6 S. 3 SGB II auf der Grundlage der abschließenden Entscheidung nach § 41a Abs. 3 SGB II, die insoweit Tatbestandswirkung hat und nicht inzident zu prüfen ist (LSG NRW Beschluss vom 30.01.2019, L 19 AS 1810/18 B, Rn. 36, juris; Grote-Seifert in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage 2020, § 41a (Stand: 05.04.2022), Rn. 75). Zwar bildet der Erstattungsbescheid mit dem Bescheid über die abschließende Feststellung des Leistungsanspruchs vom gleichen Tag eine rechtliche Einheit, so dass die aufeinander bezogenen Bescheide als einheitlicher Bescheid zur Höhe des SGB II-Anspruchs in dem jeweiligen Bewilligungszeitraum anzusehen sind (so BSG Urteil vom 11.11.2021, B 14 AS 41/20 R, Rn. 14, juris). Der Umstand, dass Erstattungsbescheid und endgültige Festsetzung aufeinander bezogen sind, führt jedoch nicht zu dessen Einbeziehung in die vorliegende Klage, denn dieser basiert auf einer eigenständigen Rechtsgrundlage und hat einen eigenständigen Verfügungssatz, so dass er sowohl separat erlassen (vgl. hierzu BSG Urteil vom 28.11.2018, B 14 AS 34/17 R, Rn. 9, juris), als auch in einem gemeinsamen Verwaltungsakt mit dem Festsetzungsbescheid zusammengefasst werden kann. Insofern zutreffend hat der Beklagte auch einen eigenständigen Widerspruchsbescheid vom 24.01.2019 erlassen, das diesbezügliche Klageverfahren ruht.
Streitbefangen ist damit der Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II im Zeitraum 01.08.2017 bis 31.01.2018 ohne Berücksichtigung der monatlichen Aufwandsentschädigungen für Stadtrats- und Kreistagsmitglieder als Einkommen.
B. Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere kraft Zulassung durch das SG Dortmund statthaft (vgl. § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 SGG) und ist form- und fristgerecht eingelegt worden (vgl. § 151 Abs. 1 SGG).
C. Die Berufung des Beklagten ist jedoch unbegründet. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben, der Bescheid vom 22.01.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2019 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, vgl. § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Sie hat Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes.
I. Die Klage ist zulässig. Statthaft ist die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 SGG i.V.m. § 56 SGG, gerichtet auf den Erlass eines Grundurteils nach § 130 Abs. 1 S. 1 SGG. Denn Klageziel ist zum einen die Änderung der abschließenden Entscheidung, soweit Leistungen im Gegensatz zu der vorläufigen Bewilligung vollständig abgelehnt wurden, und zum anderen die Festsetzung höherer als vorläufig bewilligter endgültiger Leistungen (dazu BSG Urteil vom 11.11.2021, B 14 AS 41/20 R, Rn. 11, juris). Die Klagefrist gemäß § 87 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 SGG ist gewahrt. Die am 20.02.2019 beim SG Dortmund eingegangene Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 24.01.2019 ist binnen der maßgeblichen Monatsfrist erhoben worden.
II. Der Bescheid vom 22.01.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2019 ist rechtswidrig. Mit den angefochtenen Bescheiden hat der Beklagte zu Unrecht den Leistungsanspruch der Klägerin für die Zeit vom 01.08.2017 bis 31.01.2018 endgültig auf 0 € monatlich festgesetzt. Die Klägerin hat Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II im Zeitraum 01.08.2017 bis 31.01.2018 ohne Berücksichtigung der monatlichen Aufwandsentschädigungen für Stadtrats- bzw. Kreistagsmitglieder als Einkommen.
1. Rechtsgrundlage für die endgültige Festsetzung der zunächst mit Bescheid vom 10.08.2017 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 25.11.2017 vorläufig bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist § 41a Abs. 3, 4 SGB II (i.d.F. vom 26.07.2016). Der Beklagte ist berechtigt gewesen, mit Bescheid vom 22.01.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.01.2019 die vorläufig bewilligten Leistungen gemäß § 41a Abs. 3 S. 1 SGB II für den Zeitraum 01.08.2017 bis 31.01.2018 abschließend festzusetzen. Denn der Beklagte hatte mit Bescheid vom 10.08.2017 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 25.11.2017 der Klägerin für diesen Zeitraum Leistungen vorläufig unter Berufung auf § 41a SGB II bewilligt.
Gemäß § 41a Abs. 3 S. 1 SGB II entscheiden die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende abschließend über den monatlichen Leistungsanspruch, sofern die vorläufig bewilligte Leistung nicht der abschließend festzustellenden entspricht oder die leistungsberechtigte Person eine abschließende Entscheidung beantragt. Gemäß § 41a Abs. 4 S. 1 SGB II ist bei der abschließenden Feststellung des Leistungsanspruches nach § 41a Abs. 3 SGB II als Einkommen ein monatliches Durchschnittseinkommen zugrunde zu legen.
2. Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen eines Leistungsanspruchs dem Grunde nach. Sie ist eine erwerbsfähige Leistungsberechtigte i.S.d. § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II, hatte im streitigen Zeitraum das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II), war erwerbsfähig (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II) und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II). Leistungsausschlussgründe liegen nicht vor.
Die Klägerin war auch hilfebedürftig i.S.d. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 9 Abs. 1 SGB II. Danach ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
a. Als Bedarfe im Zeitraum 01.08.2017 bis 31.01.2018 sind der Regelbedarf gemäß § 20 SGB II i.H.v. 409 € bzw. ab dem 01.01.2018 i.H.v. 416 € (Regelbedarfsstufe 1) sowie die Bedarfe für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II (280,39 € Grundmiete, 39,61 € Betriebskosten, 71 € Heizkosten = 391 €), insgesamt monatlich 800 € bzw. 807 € anzusetzen, wobei für die Monate November, Dezember und Januar aufgrund abweichender Heizkostenvorauszahlungen die Bedarfe für Unterkunft und Heizung variieren und für November und Dezember 2017 monatlich 320 € und für Januar 2018 341,52 € betragen.
b. Auf diese Bedarfe ist das Einkommen gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II anzurechnen. Danach sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen als Einkommen zu berücksichtigen. Gemäß § 11 Abs. 2 S. 1 SGB II sind laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG grundsätzlich alles das, was jemand nach der Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was der Leistungsberechtigte vor der Antragstellung bereits hatte (modifizierte Zuflusstheorie siehe BSG Urteil vom 06.10.2011, B 14 AS 94/10 R, Rn. 18, juris m.w.N.). Auszugehen ist vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt (st. Rspr. vgl. BSG Urteil vom 30.07.2008, B 14 AS 26/07 R, Rn. 23, juris).
(1) Für die Berechnung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit bestimmt § 13 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 3 Abs. 1 S. 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld - Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg-II-VO, in der Fassung vom 26.07.2016) zunächst, dass von den Betriebseinnahmen auszugehen ist, also von allen Einnahmen, die im Bewilligungszeitraum tatsächlich zufließen. In einem zweiten Schritt sind dann von den Betriebseinnahmen nach § 3 Abs. 2 Alg-II-VO die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen. Nach § 3 Abs. 4 S. 2 Alg-II-VO sind von diesem Einkommen noch die Beträge nach § 11b SGB II abzusetzen.
Im streitigen Zeitraum erzielte die Klägerin Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit als Yoga- und als Nachhilfelehrerin.
(a) Aus dem Yogaunterricht erzielte die Klägerin Betriebseinnahmen i.H.v. 25 € im August, 45 € im November, 45 € im Januar, insgesamt 115 €.
Bezüglich der Betriebsausgaben ist grundsätzlich zu differenzieren, ob es sich um Absetzungsbeträge nach § 11b Abs. 1 S. 1 SGB II oder um tatsächlich geleistete notwendige Betriebsausgaben nach § 3 Abs. 2 Alg-II-V handelt. Betriebsausgaben sind – steuerrechtlich betrachtet – Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Davon ist auszugehen, wenn die Aufwendung objektiv mit dem Betrieb zusammenhängt und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt ist (st. Rspr. vgl. nur BFH-Urteil vom 14.05.2003, X R 14/99, Rn. 42, juris m.w.N.). Notwendig ist eine Ausgabe, die üblicherweise im Rahmen der selbstständigen Tätigkeit anfällt und die auch ohne Leistungsbezug nach dem SGB II bei wirtschaftlichem Ausgabeverhalten getätigt worden wäre (vgl. LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 24.08.2022, L 1 AS 401/18, Rn. 48, juris). Tatsächliche Betriebsausgaben sollen hingegen gem. § 3 Abs. 3 S. 1 Alg-II-V nicht abgesetzt werden, soweit sie ganz oder teilweise vermeidbar sind oder offensichtlich nicht den Lebensumständen während des SGB II-Leistungsbezugs entsprechen (vgl. dazu Geiger in Münder/Geiger, SGB II, 7. Auflage 2021, § 11 Rn. 103). Vorliegend hat der Beklagte entgegen der noch vorläufigen Bewilligung keine Beanstandungen gegen die von der Klägerin in der endgültigen EKS vom 12.01.2019 gemachten Angaben zu den Betriebsausgaben in Form der Kosten für die Homepage i.H.v. 49,98 €, der Kosten für Telefon 6x8 € = 48 € und der Kosten für Kontoführung 6x1 € = 6 € erhoben. Dies erscheint auch angesichts der aus den Kontoauszügen ersichtlichen Telefonkosten i.H.v. monatlich 16,07 € an die Telekom und wechselnd zwischen 20,21 € und 21,74 € monatlich an 1&1 Telecom, insgesamt damit etwa 36 € Kosten monatlich für Telefon und Internet, insofern sachgerecht, als es sich dabei um den Anteil betrieblich veranlasster Ausgaben handeln dürfte. Soweit der Beklagte Kosten der Kontenführung berücksichtigt hat, kann der Senat offenlassen, ob die von der Klägerin geltend gemachten Kontoführungsgebühren berücksichtigt werden können oder eine Berücksichtigung bereits deshalb nicht in Betracht kommt, weil es sich bei dem Konto der Klägerin nicht um ein Geschäftskonto handelt. Denn auch unter Berücksichtigung der Kontoführungsgebühren von 6 € liegen die monatlichen Einnahmen der Klägerin aus der selbstständigen Tätigkeit unterhalb des Freibetrages von 100 € gemäß § 11b Abs. 2 SGB II. Der Betriebsgewinn betrug 11,02 €. Verteilt man dies auf die streitgegenständlichen Monate und bildet ein (unbereinigtes) Durchschnittseinkommen gem. § 41a Abs. 4 SGB II (i.d.F. bis zum 31.03.2021. a.F.), so ist daraus Einkommen i.H.v. 1,84 € monatlich anzurechnen. Von diesem Einkommen ist gemäß § 11b Abs. 2 S. 1 SGB II ein Betrag von 100 € abzusetzen, so dass kein anzurechnendes Einkommen verbleibt (vgl. dazu BSG Urteil vom 11.07.2019, B 14 AS 44/18 R, Rn. 30, juris).
(b) Aus dem Nachhilfeunterricht erzielte die Klägerin Betriebseinnahmen i.H.v. 39 € im Oktober und 227,50 € im Januar, insgesamt 266,50 €. Dem stehen Betriebsausgaben i.H.v. 6x8€ = 48 € für Telefonkosten und 6x1€ = 6 € für Kontoführungsgebühren (siehe hierzu auch die Ausführungen unter (a)) gegenüber. Der Betriebsgewinn betrug damit 212,50 €. Verteilt man dies auf die streitgegenständlichen Monate und bildet ein (unbereinigtes) Durchschnittseinkommen gemäß § 41a Abs. 4 SGB II a.F., so ist daraus Einkommen i.H.v. 35,42 € monatlich anzurechnen.
Damit belaufen sich die Einnahmen aus den selbstständigen Tätigkeiten als Yoga- und Nachhilfelehrerin insgesamt auf einen Betrag, der unter dem Freibetrag von 100 € gemäß § 11b Abs. 2 S. 1 SGB II liegt.
(2) Die der Klägerin als Mitglied des Stadtrats der Stadt D. (300,10 €), als dortige Fraktionsvorsitzende (600,20 €) und als Mitglied des Kreistags des Landkreises M. (382,30 € bzw. 395,30 € als monatliche Pauschale zuzüglich 20,30 € Sitzungsgeld je Sitzung [insgesamt für den streitigen Zeitraum 243,60 €, verteilt auf 6 Monate = 40,60 €]) gewährten monatlichen Aufwandsentschädigungen i.H.v. insgesamt 1323,20 € bzw. 1336,20 € sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Zwar gehören zum Einkommen nach § 11 Abs. 1 SGB II grundsätzlich alle Einkünfte in Geld. Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, sind nach § 11a Abs. 3 SGB II allerdings nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach diesem Buch im Einzelfall demselben Zweck dienen.
Die der Klägerin gewährten Aufwandsentschädigungen als Mitglied des Stadtrats der Stadt D., als Fraktionsvorsitzende und als Mitglied des Kreistags des Landkreises M. sind als zweckbestimmte Einnahmen von der Einkommensberücksichtigung ausgenommen (so zu einem Gemeinderatsmitglied Senatsurteil vom 28.04.2021, L 12 SO 25/19, Rn. 34, juris; Paal in Rehn/Cronauge/Lennep/Knirsch, GO NRW (Stand Januar 2022) § 45 Rn. 44; a.A. LSG NRW Beschluss vom 07.09.2021, L 21 AS 1289/21 B, Rn. 9, juris, wohl auch Frenzen in Dietlein/Heusch, BeckOK KommunalR NRW (Stand 01.09.2022), § 45 GO NRW Rn. 44).
Da in § 11a Abs. 3 SGB II der Wortlaut des § 83 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII) übernommen wurde, kann auf die Rechtsprechung zur Anrechnung von zweckbestimmten öffentlich-rechtlichen Leistungen in der Sozialhilfe zurückgegriffen werden. Danach ist zur Feststellung, ob Einkommen anzurechnen ist, in einem ersten Schritt zu prüfen, ob in den öffentlich-rechtlichen Vorschriften ein über die Sicherung des Lebensunterhalts hinausgehender Zweck der Leistung ausdrücklich genannt ist. Lässt sich danach ein ausdrücklich genannter Zweck der anderen Leistung feststellen, ist in einem zweiten Schritt der Zweck der SGB II-Leistung zu ermitteln, bevor in einem dritten Schritt die Zwecke der beiden Leistungen einander gegenüberzustellen sind. Nur wenn es dann an der Identität der Zwecke fehlt, ist die andere Leistung bei der Gewährung des Arbeitslosengeld II nicht als anrechenbares Einkommen zu berücksichtigen (zur Sozialhilfe BSG Urteil vom 23.03.2010, B 8 SO 17/09 R, Rn. 24, juris).
(a) Die streitbefangenen Aufwandsentschädigungen werden auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften gewährt, nämlich zur Stadtratstätigkeit auf Grundlage des § 45 Abs. 5 Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen (GO NRW) (in der Fassung vom 15.11.2016: „Unabhängig von einem Anspruch auf Verdienstausfall besteht ein Anspruch auf angemessene Aufwandsentschädigung nach folgenden Maßgaben: 1. Einem Ratsmitglied oder einem Mitglied einer Bezirksvertretung kann die Aufwandsentschädigung teilweise als Sitzungsgeld für Rats-, Bezirksvertretungs-, Ausschuss- und Fraktionssitzungen gezahlt werden. […]“) i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1a Entschädigungsverordnung (EntschVO) (in der Fassung vom 20.06.2017: „Aufwandsentschädigungen für Mitglieder kommunaler Vertretungen können gezahlt werden 1. ausschließlich als monatliche Pauschale oder 2. gleichzeitig als monatliche Pauschale und Sitzungsgeld. Die Höhe der Aufwandsentschädigung beträgt 1. bei Ratsmitgliedern a) ausschließlich als monatliche Pauschale in Gemeinden […] bb) von 20 001 bis 50 000 Einwohnerinnen und Einwohnern 290,20 Euro […] 2. bei Kreistagsmitgliedern […] b) gleichzeitig als monatliche Pauschale und Sitzungsgeld in Kreisen […] bb) über 250 000 Einwohnerinnen und Einwohnern 382,30 Euro monatliche Pauschale, 19,60 Euro Sitzungsgeld […]“) i.V.m. § 10 Nr. 1 der Hauptsatzung der Stadt D. vom 17.12.2014 („1. Die Mitglieder des Rates erhalten eine Aufwandsentschädigung in Form eines monatlichen Pauschalbetrages nach Maßgabe der Entschädigungsverordnung – EntschVO. […], 4. Rats- und Ausschussmitglieder haben Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls, der ihnen durch die Mandatsausübung entsteht, soweit sie während der Arbeitszeit erforderlich ist. […]“). Zur Tätigkeit als Fraktionsvorsitzende wird die Aufwandsentschädigung auf Grundlage des § 46 S. 1 Nr. 3 GO NRW („Neben den Entschädigungen, die den Ratsmitgliedern nach § 45 zustehen, erhalten […] 3. Fraktionsvorsitzende - bei Fraktionen mit mindestens acht Mitgliedern auch ein stellvertretender Vorsitzender, mit mindestens 16 Mitgliedern auch zwei und mit mindestens 24 Mitgliedern auch drei stellvertretende Vorsitzende - eine vom für Inneres zuständigen Ministerium durch Rechtsverordnung festzusetzende angemessene Aufwandsentschädigung. […]“) i.V.m. § 3 Abs. 1 EntschVO („Die zusätzliche Aufwandsentschädigung beträgt: […] 3. bei Fraktionsvorsitzenden in Gemeinden und Kreisen den 2-fachen […] Satz des Betrages der Aufwandsentschädigung für Mitglieder kommunaler Vertretungen in Gemeinden beziehungsweise Kreisen gleicher Größe nach § 1 Abs. 2 Nr. 1a und Nr. 2a […]“) i.V.m. § 10 Nr. 2 der Hauptsatzung der Stadt D. („[…] Nr. 2 stellvertretende Bürgermeister/innen nach § 67 Abs. 1 GO und Fraktionsvorsitzende […] erhalten neben den Entschädigungen, die den Ratsmitgliedern nach § 45 GO zustehen, eine zusätzliche Aufwandsentschädigung nach Maßgabe der EntschVO […]“) und zur Kreistagstätigkeit auf Grundlage des § 30 Abs. 5 der KrO NRW (in der Fassung vom 15.11.2016: „Unabhängig von einem Anspruch auf Verdienstausfall besteht ein Anspruch auf angemessene Aufwandsentschädigung nach folgenden Maßgaben: 1. Einem Kreistagsmitglied kann die Aufwandsentschädigung teilweise als Sitzungsgeld für Kreistags-, Kreisausschuss-, Ausschuss- und Fraktionssitzungen gezahlt werden. […]“) i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2b EntschVO i.V.m. § 6 Abs. 1 der Hauptsatzung M. vom 07.11.2014 in der Fassung nach Beschluss vom 28.03.2017 („Kreistagsmitglieder erhalten eine Aufwandsentschädigung (§ 30 Abs. 5 KreisO NRW) als monatliche Pauschale und Sitzungsgeld (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2b EntschVO NRW) […]“) gewährt. Danach besteht für Stadtratsmitglieder und für Kreistagsmitglieder unabhängig von einem Anspruch auf Verdienstausfall ein Anspruch auf angemessene Aufwandsentschädigung. Diese Normen verpflichten einen Träger der öffentlich-rechtlichen Verwaltung, die Stadt D. bzw. den Landkreis M., zur Leistung.
(b) Die monatliche Aufwandsentschädigung wird auch jeweils zu einem ausdrücklich bestimmten Zweck gewährt. Mit diesem Erfordernis wollte der Gesetzgeber einerseits eine Zweckvereitelung und andererseits die Erbringung von Doppelleistungen für einen identischen Zweck vermeiden (Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II § 11a (Stand Mai 2020) Rn. 165 m.w.N.; Mues in Estelmann, SGB II, § 11a (Stand 01.11.2018) Rn. 22). Voraussetzung ist insoweit, dass eine Zweckbestimmung vorliegt. Diese muss sich aber nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut ergeben, vielmehr ist es ausreichend, dass sich ein Zweck aus dem Gesamtzusammenhang ergibt (vgl. BSG Urteil vom 23.03.2010, B 8 SO 17/09 R, Rn. 24, juris; Urteil vom 11.11.2021, B 14 AS 15/20 R, Rn. 26, juris). Der Zweck kann in den öffentlich-rechtlichen Vorschriften, aufgrund derer die Leistung gewährt wird, ggf. aber auch in dem Bescheid, der die Leistung bewilligt, oder auch nur in der Gesetzesbegründung ausdrücklich genannt werden. Der Verwendung des Worts „Zweck“ bedarf es wiederum nicht. Der ausdrückliche Zweck kommt auch durch Worte wie „zur Sicherung“, „zum Ausgleich“ oder Ähnlichem ausreichend deutlich zum Ausdruck. Es kann auch genügen, dass die Zweckbestimmung aus den Voraussetzungen für die Leistungsgewährung folgt, soweit sich aus dem Gesamtzusammenhang die vom Gesetzgeber gewollte Zweckbindung eindeutig ableiten lässt (vgl. auch Söhngen in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage 2020, § 11a (Stand: 18.07.2022) Rn. 39; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II § 11a (Stand Mai 2020) Rn. 169 ff.; Schwabe in Gagel, SGB II/SGB III § 11a (Stand März 2022) Rn. 22; Schmidt in Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Auflage 2021, § 11a Rn. 20).
Die Entschädigung der Stadtrats- und Kreistagsmitglieder ist in Nordrhein-Westfalen mehrgleisig ausgestaltet. Die maßgeblichen Vorschriften sehen insoweit sowohl einen – vorliegend nicht einschlägigen – Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls (§ 45 Abs. 1 GO NRW, § 30 Abs. 1 KrO NRW) als auch einen Anspruch auf eine angemessene Aufwandsentschädigung (§ 45 Abs. 5 GO NRW, § 30 Abs. 5 KrO NRW) vor. Die Aufwandsentschädigung wiederum kann gemäß § 45 Abs. 5, 7 GO NRW, § 30 Abs. 5, 7 KrO NRW i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 1 EntschVO entweder ausschließlich als monatliche Pauschale (Nr. 1) oder gleichzeitig als monatliche Pauschale und Sitzungsgeld (Nr. 2) gezahlt werden und richtet sich in der Höhe nach der Anzahl der Einwohnerinnen und Einwohner. Die Stadt D. hat sich in § 10 Nr. 1 ihrer Hauptsatzung für eine monatliche Pauschale, der Kreis M. in § 6 Abs. 1 seiner Hauptsatzung für ein Nebeneinander von monatlicher Pauschale und Sitzungsgeldern entschieden.
Zweck der Aufwandsentschädigung ist es, pauschal, d.h. ohne Nachweis im Einzelfall, den gesamten Aufwand abzugelten, der mit der Tätigkeit eines Mitglieds des Stadtrats bzw. des Kreistags verbunden ist (Smith in Kleerbaum/Palmen, Kreisordnung NRW, 1. Auflage 2009, § 30 IV; Bender in Kleerbaum/Palmen, Gemeindeordnung NRW, 3. Auflage 2018 § 45 V; Paal in Rehn/Cronauge/Lennep/Knirsch, GO NRW (Stand Januar 2022) § 45 Rn. 35; OVG NRW Urteil vom 30.03.2004, 15 A 2360/02, Rn. 53; VG Düsseldorf Urteil vom 29.10.2010, 1 K 8272/09, Rn. 23, juris unter Hinweis auf die frühere Regelung des § 30 GO NRW). Zu dieser Tätigkeit gehören insbesondere die Wahrnehmung der Rats-, Bezirksvertretungs-, Ausschuss- und Fraktionssitzungen, aber auch die Kosten für Büro und Büromaterial, Porto, Telefon oder Fachliteratur (OVG NRW Beschluss vom 27.03.2019, 15 E 46/19, Rn. 9, juris; Frenzen in Dietlein/Heusch, BeckOK KommunalR NRW (Stand 01.09.2022), § 45 GO NRW Rn. 21). Bezogen auf die Aufwandsentschädigung für Fraktionsvorsitzende gilt Gleiches, ihnen wird lediglich eine höhere Pauschale gewährt, um die mit ihrer herausgehobenen Stellung verbundene Mehrbelastung auszugleichen (Frenzen in Dietlein/Heusch, BeckOK KommunalR NRW (Stand 01.09.2022), § 46 GO NRW Rn. 5). Diesbezüglich verweist das OVG NRW auf die Aufgaben der Fraktionsvorsitzenden, die u.a. die sachliche und fachliche Vorbereitung von Sitzungen, Besprechungen mit Vertretern der Verwaltung und Dritten, sowie die Vertretung der Fraktion in der Öffentlichkeit umfassen (OVG NRW Urteil vom 14.06.1994, 15 A 2449/91, Rn. 39, juris). Einen Bezug zur tatsächlichen Ausübung des Mandats und damit zum Anfall entsprechender Aufwendungen stellt – im Rahmen des grundsätzlich pauschalierenden Ansatzes – insoweit auch § 4 Abs. 4 EntschVO her, nach dem Aufwandsentschädigungen, die in Form einer monatlichen Pauschale gezahlt werden, anteilig gekürzt werden, wenn die Tätigkeit im Verlauf eines Kalendermonats beginnt oder endet. Darüber hinaus kann die Zahlung der Aufwandsentschädigung ausnahmsweise verweigert werden, wenn jemand sein Mandat aus eigenem Entschluss dauerhaft nicht ausübt (OVG NRW Beschluss vom 27.03.2019, 15 E 46/19, Rn. 11, juris), ein zu entschädigender Aufwand also nicht anfällt. Der Nachweis eines tatsächlichen Aufwands im Einzelfall ist für die Aufwandsentschädigung hingegen nicht erforderlich, so besteht Anspruch auf den monatlichen Pauschalbetrag auch dann, wenn das Ratsmitglied beispielsweise infolge einer Erkrankung oder beruflich bedingter Ortsabwesenheit gehindert ist, sein Mandat auszuüben (vgl. Paal in Rehn/Cronauge/Lennep/Knirsch, GO NRW (Stand Januar 2022) § 45 Rn. 36; OVG NRW Beschluss vom 27.03.2019, 15 E 46/19 Rn. 10, juris). Sitzungsgelder werden hingegen nur gezahlt bei tatsächlicher Teilnahme an den Sitzungen (vgl. Frenzen in Dietlein/Heusch, BeckOK KommunalR NRW (Stand 01.09.2022), § 45 GO NRW Rn. 27; Paal in Rehn/Cronauge/Lennep/Knirsch, GO NRW (Stand Januar 2022) § 45 Rn. 43).
Dass es nicht darum geht, den Lebensunterhalt sicherzustellen und damit anderweitige finanzielle Nachteile, wie insbesondere einen Verdienstausfall, der durch die zeitliche Inanspruchnahme entsteht, aufzufangen, folgt gesetzessystematisch zudem daraus, dass die Aufwandsentschädigung ausdrücklich „unabhängig von einem Anspruch auf Verdienstausfall“ gewährt wird. Auch aus der Gesetzeshistorie ergibt sich dieses Nebeneinander von Verdienstausfall und Aufwandsentschädigung, so enthielt auch die Vorgängerregelung in § 30 Abs. 5 GO NRW ebenso wie § 22 Abs. 5 KrO NRW die Formulierung: „Neben dem Ersatz des Verdienstausfalls erhalten Ratsmitglieder [bzw. Kreistagsmitglieder] eine angemessene Aufwandsentschädigung, […]“. Der Ausgleich finanzieller Nachteile in Form eines Verdienstausfalls ist eigenständig geregelt und richtet sich vielmehr nach § 45 Abs. 1 GO NRW und § 30 Abs. 1 KrO NRW. Mit diesem sollen real erlittene und messbare Einkommenseinbußen ausgeglichen werden (zu § 45 GO NRW OVG NRW Urteil vom 06.06.1997, 15 A 1446/94, Rn. 11, juris; vgl. auch BSG Urteil vom 18.02.2016, B 3 KS 1/15 R, Rn. 22, juris). Gleiches gilt mit Blick auf mandatsbedingte Zeitverluste bei der Haushaltsführung; diese fallen ebenfalls nicht unter die Aufwandsentschädigung i.S.d. § 45 Abs. 5 GO NRW und § 30 Abs. 5 KrO NRW, sondern werden unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 3 GO NRW und § 30 Abs. 3 KrO NRW entschädigt (dazu: OVG NRW Urteile vom 06.11.2018, 15 A 144/18, Rn. 46, juris; und vom 26.09.1996, 15 A 2733/93, Rn. 15 f., juris). Sie werden in der Höhe nach einem Regelstundensatz berechnet, vgl. § 4 Abs. 1 EntschVO. Die Höhe der Aufwandsentschädigung wird hingegen durch die Bezugnahme auf die Anzahl der Einwohnerinnen und Einwohner zur Bestimmung ihrer Höhe mit der Art des politischen Mandats verknüpft. Die monatlichen Pauschalen werden höher, je mehr Einwohner vertreten werden. Dies kann nicht aus einem Gedanken der Unterhaltssicherung folgen, da der Unterhaltsbedarf sich nicht mit wachsender Einwohnerzahl erhöht. Wohl aber erhöht sich mit mehr Einwohnern der Mandatsaufwand, da mehr Personen durch die politische Tätigkeit erreicht werden müssen, so dass beispielsweise für die Öffentlichkeitsarbeit mehr Material z.B. für Flyer erforderlich ist. Insofern findet sich auch in den Gesetzesmaterialien zu § 30 GO NRW a.F. der Hinweis, dass der Grad der Inanspruchnahme mit der Einwohnerzahl wachse und aus diesem Grund eine Differenzierung der Pauschalen zu berücksichtigen sei (vgl. LT-Drucks. 6/695, S. 20).
Ob der Empfänger einer Leistung gehindert ist, die Leistung für den Lebensunterhalt einzusetzen, mithin ob ein Nachweis der Erfüllung des Verwendungszwecks der Leistung zu erbringen oder zu kontrollieren ist, ist hingegen unerheblich. Zwar soll dies nach der Gesetzesbegründung erforderlich sein (vgl. BT-Drucks. 17/3404, S. 94: Es fehle an einer anderen Zweckbestimmung, „wenn die Einkommensbezieherin oder der Einkommensbezieher weder rechtlich noch tatsächlich daran gehindert ist, die Leistung zur Deckung von Bedarfen nach diesem Buch einzusetzen“). Weder aus dem Wortlaut des § 11a Abs. 3 S. 1 SGB II noch aufgrund der Angleichung der Vorschrift an § 83 Abs. 1 SGB XII folgt jedoch eine solche Notwendigkeit einer zweckbestimmten Verwendung. § 11a SGB II verlangt nicht, dass der Empfänger die Leistung rechtlich oder faktisch nur zu dem vorgesehenen Zweck verwenden darf oder der Leistende eine zweckentsprechende Verwendung gar durchsetzen können muss (so ausdrücklich nunmehr BSG Urteil vom 11.11.2021, B 14 AS 15/20 R, Rn. 30 ff., juris; vgl. auch: BSG Urteil vom 11.12.2007, B 8/9b SO 20/06 R, Rn. 18, juris; vgl. Geiger in Münder/Geiger, SGB II, 7. Auflage 2021, § 11a Rn. 9; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11a (Stand Mai 2020) Rn. 176; Meißner in GK-SGB II, § 11a (Stand 12.07.2022) Rn. 47; Mues in Estelmann, SGB II, § 11a (Stand 01.11.2018) Rn. 25; Söhngen in jurisPK-SGB II, 5. Auflage 2020, § 11a (Stand 18.07.2022) Rn. 41.1; Schwabe in Gagel, SGB II/SGB III, § 11a (Stand März 2022) Rn. 22; Schmidt in Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Auflage 2021, § 11a Rn. 20). Es ist daher unschädlich, dass die Aufwandsentschädigung nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 2 EntschVO „als monatliche Pauschale“ gewährt wird, ein Nachweis konkreter Aufwendungen damit nicht erforderlich ist.
(c) Weiter dienen das von der Klägerin bezogene Arbeitslosengeld II auf der einen sowie die Aufwandsentschädigungen nach § 45 Abs. 5, § 46 GO NRW und § 30 Abs. 5 KrO NRW auf der anderen Seite unterschiedlichen Zwecken. Ersteres dient der Deckung des notwendigen Lebensunterhalts der Leistungsberechtigten (§ 20 SGB II) und damit der Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums (vgl. § 1 Abs. 1 SGB II). Demgegenüber dient die Aufwandsentschädigung nicht der Alimentation; sie ist keine Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts, sondern verfolgt allein den Zweck, den durch die Mandatsausübung anfallenden Aufwand abzugelten (Smith in Kleerbaum/Palmen, Kreisordnung NRW, 1. Auflage 2009, § 30 IV; Frenzen in Dietlein/Heusch, BeckOK KommunalR NRW (Stand 01.09.2022), § 45 GO NRW Rn. 21; Paal in Rehn/Cronauge/Lennep/Knirsch, GO NRW (Stand Januar 2022) § 45 Rn. 35; ebenso: VG Düsseldorf Beschluss vom 16.05.2019, 1 L 1210/19, Rn. 27, juris; VG Köln Urteil vom 10.04.2013, 4 K 796/12, Rn. 23, juris; so auch bereits BSG Urteil vom 18.02.2016, B 3 KS 1/15 R, Rn. 22, juris; zum Ersatz des Verdienstausfalls vgl. auch OVG NRW Urteile vom 06.11.2018, 15 A 132/18, Rn. 44 f., juris; und 15 A 144/18, Rn. 47 f., juris).
(d) Die Regelung über die Privilegierung zweckbestimmter Einnahmen in § 11a SGB II wird auch nicht durch die Vorschrift über den erhöhten Grundfreibetrag von 200 € für u.a. ehrenamtliche Tätigkeiten nach § 11a Abs. 2 S. 3 SGB II verdrängt. Dies ergibt sich bereits aus systematischen Gründen (vgl. dazu und zur Gesetzesentwicklung Senatsurteil vom 28.04.2021, L 12 SO 25/19, Rn. 43 ff., juris). Zwar dürfte der Gesetzeswortlaut nach § 3 Nr. 12 S. 2 Einkommenssteuergesetz (EStG) auf die vorliegend zu beurteilenden Aufwandsentschädigungen anwendbar sein (vgl. BFH Beschluss vom 13.10.2006, XI B 129/05, Rn. 5, juris). Für Bezüge und Einnahmen i.S.d. § 3 Nr. 12 S. 2 EStG sieht § 11b Abs. 2 S. 3 SGB II einen erhöhten Grundfreibetrag vor. Hieraus folgt aber nicht, dass § 11a SGB II auf Leistungen i.S.d. § 3 Nr. 12 EStG keine Anwendung fände. Die Frage, ob eine Einnahme zweckbestimmt ist, ist der Frage nach der Absetzung des Grundfreibetrages vielmehr notwendig vorgelagert. Die Freibeträge u.a. nach § 11b Abs. 2 S. 3 SGB II können schon nach dem Gesetzeswortlaut nur „von dem Einkommen“ abgesetzt werden. Soweit § 11a SGB II greift, sind die entsprechenden Einnahmen aber von vorneherein nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Anzunehmen, dass § 11b Abs. 2 S. 3 SGB II unterfallende Leistungen vom Anwendungsbereich des § 11a SGB II ausgenommen wären, kehrte dieses Verhältnis um. Einen Anhaltspunkt hierfür – etwa eine entsprechende Vorbehaltsklausel – lässt sich dem Gesetz aber nicht entnehmen (vgl. im Übrigen auch BSG Urteil vom 12.09.2018, B 14 AS 36/17 R, Rn. 20 ff., 26, juris, das ebenfalls nicht wegen der Einschlägigkeit des erhöhten Grundfreibetrages auf die Prüfung der Zweckbestimmung verzichtet).
Schließlich sind die Erwägungen des BSG zur einkommensmäßigen Berücksichtigung der Bezüge von Mitgliedern kommunaler Vertretungskörperschaften auf den vorliegenden Fall im Ergebnis nicht übertragbar. Maßgeblich für die Anwendung des § 11a SGB II sind die jeweils konkret in Rede stehende Leistung und das insoweit einschlägige Landesrecht. Die bisherigen Entscheidungen betrafen jedoch Leistungen nach dem Kommunalrecht anderer Bundesländer. Diese unterschieden sich zudem in der Sache wesentlich von der vorliegend im Streit stehenden Aufwandsentschädigung, weil sie zumindest auch der Sicherung des Lebensunterhalts auf Grund des Ausfalls anderweitiger Erwerbsmöglichkeiten dienten. So war das BSG in seinem Urteil vom 12.09.2018 (B 14 AS 36/17 R, Rn. 23, juris) an die landesrechtliche Auslegung zur Aufwandsentschädigung inkl. Grundentschädigung einer Berliner Bezirksverordneten gebunden, die das LSG Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 15.02.2017 (L 18 AS 2832/15, Rn. 31, juris) vorgenommen hatte und das auf das Erfordernis eines ausdrücklich genannten Verwendungszwecks abstellte. Der dortige § 11 Abs. 4 Bezirksverwaltungsgesetz Berlin in der Fassung vom 10.11.2011 lautet: „Die Bezirksverordneten erhalten Aufwandsentschädigung und Erstattung der Reisekosten. Das Nähere regelt das Gesetz über die Entschädigung der Mitglieder der Bezirksverordnetenversammlungen, der Bürgerdeputierten und sonstiger ehrenamtlich tätiger Personen.“ Dessen § 1 lautet: „Die Mitglieder der Bezirksverordnetenversammlungen erhalten nach Maßgabe dieses Gesetzes Aufwandsentschädigung und Erstattung der Dienstreisekosten. Die Aufwandsentschädigung setzt sich zusammen aus der Grundentschädigung, den Sitzungsgeldern und der Fahrgeldentschädigung.“ Nach § 2 bestimmt sich die Höhe der Grundentschädigung zu einem bestimmten Prozentsatz an der Entschädigung, die ein Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin nach § 6 Abs. 1 des Landesabgeordnetengesetzes erhält. Zu dieser ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung anerkannt, dass sie als Vollalimentation konzipiert ist (vgl. BVerwG Urteil vom 28.07.1989, 7 C 91/87, Rn. 12f., juris; BVerfG Urteil vom 05.11.1975, 2 BvR 193/74). Auch das LSG Niedersachsen-Bremen hat in seinem Urteil vom 22.11.2018 (L 15 AS 55/18, Rn. 24, juris) zur Aufwandsentschädigung eines niedersächsischen Stadtrats entschieden, dass diese zumindest auch der Sicherung des Lebensunterhalts auf Grund des Ausfalls anderweitiger Erwerbsmöglichkeiten dient. Im Urteil vom 26.05.2011 hat das BSG zur Entschädigung einer sächsischen Ortsbürgermeisterin und Stadträtin entschieden, dass diese als Verdienstausfall diente (BSG Urteil vom 26.05.2011, B 14 AS 93/10 R, Rn. 19, juris) und dabei auf die Auslegung des Sächsisches LSG (Urteil vom 17.05.2010, L 7 AS 25/07, Rn. 48f., juris) Bezug genommen, wonach die im Streit stehende Entschädigung sowohl dem Ersatz von notwendigen Aufwendungen bzw. Auslagen als auch dem Ersatz von Verdienstausfall diene. Das Sächsische LSG hat die Entschädigung auch grundsätzlich nur für teilweise anrechenbar angesehen (vgl. Sächsisches LSG Urteil vom 17.05.2010, L 7 AS 25/07, Rn. 51, juris) und eine Anrechnung letztlich aufgrund einer Gerechtfertigkeitsprüfung nach § 11 Abs. 3 SGB II vorgenommen. Der dortige § 21 Abs. 1, 2 Sächsische Gemeindeordnung lautet: „Ehrenamtlich Tätige haben Anspruch auf Ersatz ihrer notwendigen Auslagen und ihres Verdienstausfalls. Durch Satzung können Höchstbeträge oder Durchschnittssätze festgesetzt werden. Soweit kein Verdienstausfall entsteht, kann durch Satzung bestimmt werden, dass für den Zeitaufwand eine Entschädigung gewährt wird. Durch Satzung kann bestimmt werden, dass Gemeinderäten, Ortschaftsräten und sonstigen Mitgliedern der Ausschüsse und Beiräte des Gemeinderats und Ortschaftsrats eine Aufwandsentschädigung gewährt wird.“ Nach § 1 Abs. 1 Entschädigungssatzung erhalten Mitglieder der Ratsversammlung einen Ersatz von Auslagen und Verdienstausfall nach einheitlichen Durchschnittssätzen gemäß § 21 Abs. 1 SächsGemO. Soweit das BSG an anderer Stelle ausgeführt hat, es sei in der Rechtsprechung geklärt, dass Zahlungen mit Aufwendungsersatzcharakter keine zweckbestimmten Einnahmen sind (Urteil vom 24.08.2017, B 4 AS 9/16 R, Rn. 29, juris, zur Betreuerentschädigung), bezog sich dies nach seinem Kontext („insoweit“) auf Aufwandsentschädigungen, die – anders als im vorliegenden Fall – sowohl den Ersatz von notwendigen Aufwendungen bzw. Auslagen als auch von Verdienstausfall bezwecken.
(e) Neben den genannten Aufwandsentschädigungen für die Tätigkeit im Stadtrat der Stadt D., als dortige Fraktionsvorsitzende und für die Tätigkeit im Kreistag des Landkreises M. bestehend aus monatlichen Pauschalen und Sitzungsgeldern hat die Klägerin als Kreistagsmitglied für die Teilnahme an Kreistags- und Fraktionssitzungen auch Fahrtkosten i.H.v. 18 € je Sitzungstag, insgesamt 144 € erhalten. Der Beklagte hat dies jedoch bislang nicht als Einkommen berücksichtigt, das SG Dortmund hat in seinem Urteil formuliert, dass höhere Leistungen ohne Berücksichtigung eines Einkommens aus den Ehrenämtern zu gewähren sei und damit auch über Fahrtkosten entschieden, auch wenn dies in den Entscheidungsgründen keinen expliziten Niederschlag gefunden hat. Welche Rechtsfolgen sich hieraus ergeben, kann im Ergebnis dahinstehen (vgl. dazu Senatsurteil vom 28.03.2021, L 12 SO 25/19, Rn. 26 ff., juris), denn zutreffend sind die Fahrtkosten nicht als Einkommen zu berücksichtigen.
Die Fahrtkosten werden auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften gewährt, nämlich wegen der Kreistagstätigkeit auf Grundlage des § 30 Abs. 6 der KrO NRW (in der Fassung vom 15.11.2016) i.V.m. § 5 Abs. 1 EntschVO i.V.m. § 6 Abs. 1 der Hauptsatzung M. vom 07.11.2014 in der Fassung nach Beschluss vom 28.03.2017. Sie werden auch zu einem ausdrücklich bestimmten Zweck gewährt, nämlich um die durch Fahrten zum Sitzungsort und zurück entstandenen Kosten zu ersetzen. Die Fahrtkosten dienen damit auch unschwer einem anderen Zweck als der Sicherstellung des notwendigen Lebensunterhalts und sind infolgedessen gemäß § 11a Abs. 3 SGB II nicht als Einkommen zu berücksichtigen.
D. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 SGG.
E. Anlass, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, besteht nicht.