L 9 KR 26/21 KL

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 26/21 KL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 5/23 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Eine gesonderte Klage gegen die Aufforderung zur Übermittlung der Unterlagen nach § 35a Abs. 1 SGB V („Dossier“) ist nach § 35a Abs. 8 Satz 1 SGB V schlechthin unzulässig. 

2. Entgegen § 35a Abs. 8 Satz 1 SGB V ist eine gesonderte Klage gegen den Nutzenbewertungsbeschluss des GBA zulässig, sofern der Erstattungsbetrag einvernehmlich und ohne Schiedsspruch vereinbart wurde (Anschluss an B 3 KR 11/19 R).

 3. Unterlagenschutz ist das entscheidende Kriterium für die Frage, ob ein Arzneimittel als „neuer Wirkstoff“ bzw. „neue Wirkstoffkombination“ anzusehen ist.

Die Klage wird abgewiesen.

 

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

 

            Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 

 

Die Klägerin ist pharmazeutische Unternehmerin. Sie wendet sich gegen den Beschluss des beklagten Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) vom 5. August 2021 über eine „Änderung der Arzneimittel-Richtlinie Anlage XII – Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach § 35a SGB V: Beclometason / Formoterol / Glycopyrronium (erstmalige Dossierpflicht: Asthma)“.

 

Unter dem Handelsnamen Trimbow® vertreibt die Klägerin diese Wirkstoffkombination als Dosieraerosol seit dem 15. August 2017 auf dem deutschen Markt. Die feste Dreifach-Kombination besteht aus dem inhalativen Glucocorticoid (ICS) Beclometason, dem langwirksamen beta-2-Agonisten (LABA) Formoterol sowie dem langwirksamen Muscarin-Antagonisten (LAMA) Glycopyrronium.

 

Der Anwendungsbereich von Beclometason als Monosubstanz erstreckt sich vor allem auf die Behandlung von allergischen und nicht-allergischen Lungenerkrankungen wie Asthma oder chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD). 

 

Der Wirkstoff Formoterol wird in der Inhalationstherapie von Atemwegserkrankungen wie Asthma Bronchialechronischer Bronchitis und COPD eingesetzt.

 

Glycopyrronium ist als Monosubstanz zugelassen zur Therapie der COPD, nicht aber des Asthma Bronchiale.

 

Arzneimittelrechtlich zugelassen mit der Folge von Unterlagenschutz war Trimbow® seit dem 17. Juli 2017, zunächst nur für die Behandlung der COPD bei Erwachsenen, pro Druck 87 µg Beclometason, 5 µg Formoterol und 9 µg Glycopyrronium. 

 

In der Indikation COPD unterlag Trimbow® nach Auffassung auch des Beklagten nicht der Nutzenbewertung und der daraus resultierenden Dossierpflicht nach § 35a SGB V, „da die Wirkstoffkombination keinen neuen Wirkstoff enthält und das Anwendungsgebiet der Fixkombination in den zugelassenen Anwendungsgebieten der Einzelsubstanzen enthalten ist“ (Schreiben des Beklagten vom 30. September 2015). 

 

In der Folgezeit strebte die Klägerin eine Zulassungserweiterung für die Indikation Asthma Bronchiale bei Erwachsenen an. Im Zuge einer erneuten Anfrage zur Prüfung der Dossierpflicht für Trimbow®, nunmehr in Bezug auf die Indikation Asthma Bronchiale, teilte der Beklagte der Klägerin durch Schreiben vom 31. Juli 2018 mit, dass sich auf der Grundlage der bestehenden Regelungen in § 35a SGB V und im 5. Kapitel der VerfO aus einer etwaigen Erweiterung des Anwendungsgebiets von Trimbow® kein neuer Sachverhalt bzw. keine automatische Verpflichtung zur  Dossiereinreichung ergebe. Es werde aber darauf hingewiesen, dass mit einer Änderung von § 35a SGB V oder des 5. Kapitels der VerfO gegebenenfalls eine Neubewertung vorzunehmen sei.

 

Zu einer Änderung des 5. Kapitels der VerfO kam es durch Beschluss des Beklagten vom 20. Februar 2020 (in Kraft getreten am 8. August 2020). Eingeführt wurde § 1 Abs. 2 Nr. 4a, der lautet:

 

„Die Nutzenbewertung nach § 35a Absatz 1 SGB V wird durchgeführt für erstattungsfähige Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen und neuen Wirkstoffkombinationen, (…) die ab dem 1. Januar 2011 erstmals in den Verkehr gebracht werden und bei denen nach diesem Zeitpunkt die Zulassung eines neuen Anwendungsgebietes nach § 2 Absatz 2 erstmals nach § 2 Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 Spiegelstrich 2 eine Verpflichtung zur Vorlage eines vollständigen Dossiers begründet.“ 

 

§ 2 Absatz 1 Satz 1, Satz 2 und Satz 3 Nummer 1 lautet:

 

„1Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen sind Arzneimittel, die Wirkstoffe enthalten, deren Wirkungen bei der erstmaligen Zulassung in der medizinischen Wissenschaft nicht allgemein bekannt sind. 2Ein Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen gilt solange als ein Arzneimittel mit einem neuen Wirkstoff, wie für das erstmalig zugelassene Arzneimittel mit dem Wirkstoff Unterlagenschutz besteht. 3Als Arzneimittel im Sinne von Satz 1 gelten auch

 

  1. fixe Kombinationen von Wirkstoffen, die Unterlagenschutz genießen,

 

  • wenn sie entweder einen neuen Wirkstoff enthalten oder
  • sofern die Kombination aus bekannten Wirkstoffen besteht, wenn die Anwendungsgebiete dieser Kombination mit den Anwendungsgebieten der einzelnen Wirkstoffe jeweils ganz oder teilweise nicht identisch sind.“

 

 

In einem Schreiben vom 10. Juli 2020 zur Genehmigung des Beschlusses vom 20. Februar 2020 wies das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) den Beklagten insoweit darauf hin, dass der Begriff „Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen“ so auszulegen sei, „dass für die erstmals zugelassene fixe Kombination aus bekannten Wirkstoffen ein neuer Unterlagenschutz erteilt worden sein muss“.

 

Auf dieser Grundlage und im Zuge der geplanten Zulassungserweiterung forderte der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 28. Juli 2020 dazu auf, innerhalb von vier Wochen nach Zulassung des neuen Anwendungsgebiets oder der Unterrichtung über eine Genehmigung für eine Änderung des Typs 2 nach Anhang 2 Nr. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 1234/2008 ein vollständiges Dossier für die Indikation Asthma Bronchiale beim GBA einzureichen. Zur Begründung heißt es in diesem Schreiben:

 

„Bei dem Kombinationsarzneimittel Trimbow® handelt sich um ein erstattungsfähiges Arzneimittel mit einer neuen Wirkstoffkombination, das ab dem 1. Januar 2011 erstmals in Verkehr gebracht wurde. Dies ergibt sich daraus, dass für die erstmals zugelassene fixe Kombination der bekannten Wirkstoffe Beclometason, Formoterol und Glycopyrronium (in der Indikation COPD) Unterlagenschutz erteilt wurde, welcher noch fortbesteht, und damit die Neuheit der Wirkstoffkombination andauert. Ausgehend hiervon führt die Zulassungserweiterung für die Indikation Asthma Bronchiale als neues Anwendungsgebiet im Sinne des Kapitel 5, § 2 Absatz 2 VerfO zur Verpflichtung zur Vorlage eines Dossiers nach Kapitel 5, § 2 Absatz 1 Satz 3 Nummer 1, 2. Spiegelstrich, da es sich um eine neue Wirkstoffkombination handelt. Da der Wirkstoff Glycopyrronium bislang nicht in der Indikation Asthma Bronchiale zugelassen ist, ist das Anwendungsgebiet des Kombinationsarzneimittels auch teilweise nicht identisch mit den Anwendungsgebieten der einzelnen Wirkstoffe. Dies hat zur Folge, dass für das Kombinationsarzneimittel Trimbow® mit den Wirkstoffen Beclometason, Formoterol und Glycopyrronium in der Indikation Asthma Bronchiale eine Dossierpflicht nach § 35a Absatz 1 SGB V besteht.“

 

Seit dem 14. Januar 2021 ist die Dreifachkombination Beclometason / Formoterol / Gly­co­­pyrronium auch zur Erhaltungstherapie bei erwachsenen Patienten mit Asthma Bronchiale zugelassen, die mit einer Kombination aus einem langwirksamen Beta-2-Antagonisten und einem mittel- bzw. hochdosierten inhalativen Kortikosteroid nicht ausreichend eingestellt sind und bei denen im vergangenen Jahr mindestens eine Asthma-Exazerbation aufgetreten ist (Wirkstoffmenge 87/5/9 bzw. 172/5/9 µg).

 

Mit ihrer am 15. Januar 2021 erhobenen (und später zurückgenommenen) Klage hat die Klägerin sich gegen die Aufforderung zur Übermittlung der Nachweise nach        § 35a Abs. 1 SGB V für das Arzneimittel Trimbow® in Bezug auf die Indikation Asthma Bronchiale gewandt. Die Klage sei als Feststellungsklage zulässig. Das Aufforderungsschreiben vom 28. Juli 2020 sei eine „Entscheidung“ des GBA im Sinne von      § 29 Abs. 4 Nr. 3 SGG, denn die Dossierpflicht werde hiermit verbindlich festgestellt. Eine unterbliebene Dossiereinreichung hätte nach § 35a Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 130b Abs. 3 Satz 4 SGB V weitreichende Konsequenzen in den Verhandlungen über einen Erstattungsbetrag. Die Dossiereinreichung sei keine bloße Obliegenheit; vielmehr regele das Gesetz eine „quasi-Dossierpflicht“. Ob dem Aufforderungsschreiben, das die Klägerin zum Handeln nötige, die Qualität eines Verwaltungsakts zukomme, sei prozessrechtlich für die Statthaftigkeit der Feststellungsklage unerheblich. Ein Feststellungsinteresse sowie eine Klagebefugnis lägen vor, denn es seien schutzwürdige Belange der Klägerin berührt; so verursache allein die Erstellung des geforderten Dossiers Kosten in Höhe von etwa 400.000 Euro. Eine unzulässige Dossieranforderung berühre grundrechtlich geschützte Rechtspositionen der Klägerin. § 35a Abs. 8 Satz 1 SGB V stehe der Klage nicht entgegen. Danach sei zwar u.a. „eine gesonderte Klage gegen die Aufforderung zur Übermittlung der Nachweise“ nach § 35a Abs. 1 SGB V unzulässig; diese Norm sei aber nicht mit höherrangigem Recht in Gestalt von Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar, was das Bundessozialgericht zuletzt in Zusammenhang mit der gesonderten Anfechtbarkeit eines Nutzenbewertungsbeschlusses entschieden habe (Urteil vom 10. September 2020, B 3 KR 11/19 R [Ivermectin]).

 

In der Folgezeit – nachdem die Klägerin das angeforderte Dossier trotz rechtlicher Vorbehalte vorgelegt hatte – unterzog der Beklagte die Wirkstoffkombination Beclometason / Formo­­te­rol / Glycopyrronium für die Indikation Asthma Bronchiale einer Nutzenbewertung nach § 35a SGB V.

 

Mit Beschluss vom 5. August 2021 („Nutzenbewertungsbeschluss“) änderte der Beklagte die Arzneimittel-Richtlinie in Anlage XII und ergänzte sie um den Wirkstoff Beclometason / Formo­­te­rol / Glycopyrronium in Bezug auf das Anwendungsgebiet Erhaltungstherapie bei erwachsenen Patienten mit Asthma, die mit einer Kombination aus einem langwirksamen Beta-2-Antagonisten und einem mittel- bzw. hochdosierten inhalativen Kortikosteroid nicht ausreichend eingestellt sind und bei denen im vergangenen Jahr mindestens eine Asthma-Exazerbation aufgetreten ist. Der Beschluss sah einen Zusatznutzen im Vergleich zur zweckmäßigen Vergleichstherapie als nicht belegt an. Wegen der Einzelheiten des Nutzenbewertungsbeschlusses nebst tragenden Gründen wird auf Bl. 199 bis 207 sowie Bl. 208 bis 227 der Gerichtsakte Bezug genommen.

 

Im Nachgang hierzu einigte sich die Klägerin mit dem hier beigeladenen GKV-Spitzenverband ohne Schiedsverfahren am 10./21. März 2022 auf eine Vereinbarung nach § 130b SGB V über den Erstattungsbetrag für Trimbow® im Anwendungsgebiet Asthma Bronchiale („Diese Vereinbarung regelt den Erstattungsbetrag nach § 130b Abs. 1 Satz 1 SGB V und sonstige Rechte und Pflichten bezüglich aller Fertigarzneimittel mit der Wirkstoffkombination Beclometason / Formoterol / Glycopyrronium, die  in Deutschland vor dem Abschluss dieser Vereinbarung erstmalig in Verkehr gebracht hat und die derzeit auch im Anwendungsgebiet Asthma zugelassen sind […]“). Diese Vereinbarung enthält unter § 7 Abs. 5 die Bestimmung, dass die Klägerin berechtigt ist, die Vereinbarung zu kündigen, wenn rechtskräftig festgestellt ist, dass der Nutzenbewertungsbeschluss des GBA gemäß § 35a  SGB V vom 5. August 2021 rechtswidrig ist.

 

Am 10. Mai 2022 hat die Klägerin ihre Klage erweitert mit dem Ziel der Feststellung, dass die mit Beschluss des Beklagten vom 5. August 2021 vorgenommene Änderung der Arzneimittel-Richtlinie rechtswidrig sei.

 

Auch diese Klageerweiterung bzw. diese Klage seien zulässig. In der Klageerweiterung liege nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG keine Klageänderung, denn hier werde ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache erweitert. Der zugrundeliegende Lebenssachverhalt bleibe derselbe, denn es gehe hier wie dort (in der Ausgangsklage) um die Frage, ob Trimbow® in der Indikation Asthma Bronchiale der Nutzenbewertung unterliege. Die Rechtswidrigkeit des Nutzenbewertungsbeschlusses beruhe auf denselben Erwägungen wie diejenige des Aufforderungsschreibens. Unabhängig davon sei eine Klageänderung jedenfalls als sachdienlich anzusehen, denn mit der Hereinnahme des Nutzenbewertungsbeschlusses in die anhängige Klage werde ein neuer Prozess vermieden und der Streit zwischen den Beteiligten werde abschließend bereinigt.

 

Dass auch im Lichte von § 35a Abs. 8 Satz 1 SGB V eine Klage unmittelbar gegen den Nutzenbewertungsbeschluss geführt werden dürfe, sofern es ohne Schiedsspruch zu einer Vereinbarung über den Erstattungsbetrag gekommen sei, habe das Bundessozialgericht bei einer identischen Sachverhaltskonstellation ausdrücklich entschieden (Hinweis auf Urteil vom 10. September 2020, B 3 KR 11/19 R [Ivermectin]). Andernfalls komme es zu einer nicht hinnehmbaren Rechtsschutzlücke. Die Regelung eines Sonderkündigungsrechts der Klägerin (für den Erfolg der vorliegenden Klage) in der Vereinbarung über den Erstattungsbetrag ändere daran nichts. Denn wenn aufgrund erfolgreicher Klage kein Nutzenbewertungsbeschluss existiere, fehle der Vereinbarung über den Erstattungsbetrag die gesetzliche Grundlage; insoweit bedürfe es nicht einmal eines Sonderkündigungsrechts. Ein vorbehaltloser Abschluss der Vereinbarung über den Erstattungsbetrag sei der Klägerin nicht zumutbar gewesen. Immerhin habe sich auch der Beigeladene als Vertragspartei der Vereinbarung über den Erstattungsbetrag auf die Aufnahme des Sonderkündigungsrechts eingelassen. Ungeachtet dessen habe auch im vom Bundessozialgericht entschiedenen Ivermectin-Fall ein erklärter Vorbehalt des pharmazeutischen Unternehmers zur Statthaftigkeit der Nutzenbewertung bestanden. Trotz dieses Vorbehalts habe das Bundessozialgericht der Klage gegen den Nutzenbewertungsbeschluss nicht das Rechtsschutzbedürfnisabgesprochen. 

 

Die Klage sei auch begründet. Aus § 35a SGB V lasse sich die Dossierpflicht von Trimbow® in der Indikation Asthma Bronchiale nicht ableiten. Insbesondere ergebe sich keine Dossierpflicht aus der vom BMG genehmigten VerfO des Beklagten. Kapitel 5 § 1 Abs. 2 Nr. 4a finde auf Trimbow® in der Indikation Asthma Bronchiale keine Anwendung, da Trimbow® für diese Indikation keinen neuen Unterlagenschutz erhalte. Aus dem Genehmigungsschreiben des BMG vom 10. Juli 2020 ergebe sich eindeutig, dass Arzneimittel ohne neuen Unterlagenschutz keinem Nutzenbewertungsverfahren unterlägen. § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, 2. Spiegelstrich sei entsprechend zu lesen. Ein solcher neuer Unterlagenschutz bestehe aber nicht für Trimbow® in der Indikation Asthma Bronchiale, weshalb es keiner Dossierpflicht unterliege. Ohnehin regele die AM-NutzenV nicht, was eine „neue Wirkstoffkombination“ überhaupt ausmache. Abzustellen sei mit den allgemeinen Regelungen auf den einzelnen Wirkstoff; die Art der Kombination sei irrelevant. Weil die Tatbestandsvoraussetzungen für die Durchführung eines Nutzenbewertungsverfahrens 2017 nicht vorgelegen hätten, handele es sich bei Trimbow® nicht um ein „Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen“ im Sinne der VerfO. 

 

Unabhängig davon sei die Änderung der VerfO durch den Beschluss des Beklagten vom 20. Februar 2020 im Lichte von § 35a SGB V und der Arzneimittel-Nutzenbewertungsverordnung (AM-NutzenV) rechtswidrig und damit unwirksam. Das Gesetz knüpfe an die Nutzenbewertung „neuer Wirkstoffe“ an. Die AM-NutzenV sehe eine Nutzenbewertung in Konstellationen wie der von Trimbow® nicht vor, denn beim allein maßgeblichen Inverkehrbringen von Trimbow® im Jahre 2017 habe es sich nicht um eine neue, sondern um eine Kombination bekannter Wirkstoffe gehandelt, so dass die geplante Indikationserweiterung nicht zur frühen Nutzenbewertung führe. Die VerfO gehe rechts- und kompetenzwidrig über die Regelungen der AM-NutzenV hinaus. In der AM-NutzenV seien vom BMG nach § 35a Abs. 1 Satz 8 SGB V vorgelagert bestimmte Festlegungen zu treffen; der GBA dürfe nach § 35a Abs. 1 Satz 9 SGB V nur „weitere Einzelheiten“ in seiner VerfO regeln, aber keine Entscheidungen zur Ausdehnung der Nutzenbewertung treffen.

 

Schließlich sei die Einbeziehung von Trimbow® mit der Indikation Asthma Bronchiale in die Nutzenbewertung nicht mit dem Gesamtkontext des AMNOG vereinbar. Insoweit sei zu beachten, dass das Arzneimittel über eine einheitliche Zulassungsnummer verfüge und nach § 78 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3a AMG trotz verschiedener Anwendungsbereiche einem einheitlichen Abgabepreis unterliege. Damit gelte der nach       § 130b SGB V verhandelte Erstattungsbetrag für sämtliche Indikationen, vorliegend auch für die Indikation COPD, in Bezug auf die gar keine Nutzenbewertung habe durchgeführt werden müssen und auch nicht durchgeführt worden sei. Ein Arzneimittel nur in Bezug auf eine von mehreren Indikationen der Nutzenbewertung zu unterziehen, sei rechtswidrig. Das bestätige nicht zuletzt das Urteil des Bundessozialgerichts vom 22. Februar 2023 (B 3 KR 14/21 R), wonach die Festlegung einer zweckmäßigen Vergleichstherapie als Preisanker unverzichtbar sei im zweistufigen System der Preisregulierung für erstattungsfähige Arzneimittel. Auch könne ein Erstattungsbetrag nicht für ein nur teilnutzenbewertetes Arzneimittel festgelegt werden. Die dann notwendige Vereinbarung eines Mischpreises finde keine rechtliche Grundlage. Aufgrund dieser in eine Gesamtbetrachtung einzustellenden preisrechtlichen Regelungen sei die Nutzenbewertung von Trimbow® in der Indikation Asthma Bronchiale rechtswidrig gewesen.

 

Durch Schreiben vom 4. April 2023 hat der Senat die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Klage unzulässig sein dürfte, soweit sie sich gegen die Aufforderung zur Einreichung eines Dossiers richte. Hierauf hat die Klägerin die Klage am 6. April 2023 zurückgenommen, soweit sie auf die Feststellung gerichtet war, dass für das Kombinationsarzneimittel Trimbow® mit den Wirkstoffen Beclometasondipropionat, Formoterolfumarat-Dihydrat und Glycopyrroniumbromid in der Indikation Asthma Bronchiale keine Dossierpflicht nach § 35a Abs. 1 SGB V bestehe.

 

Die Klägerin beantragt nunmehr noch,

 

festzustellen, dass die mit Beschluss des Beklagten vom 5. August 2021 vorgenommene Änderung der Anlage XII der Arzneimittel-Richtlinie zur Nutzenbewertung des Kombinationsarzneimittels Trimbow® mit den Wirkstoffen Beclometason, Formo­­te­rol und Glycopyrronium in der Indikation Asthma Bronchiale unwirksam ist.

 

Der Beklagte beantragt,

 

            die Klage abzuweisen.

 

Der Beklagte ist der Klage schon in ihrer ursprünglichen Form als Feststellungsklage gegen die Aufforderung zur Dossiereinreichung entgegen getreten und hat im Wesentlichen ausgeführt: Diese Klage sei unzulässig. Die Aufforderung zur Dossiereinreichung begründe keine selbständige, mit den sonstigen Entscheidungen des GBA im Sinne des § 29 Abs. 4 Nr. 3 SGG vergleichbare Rechtspflicht der Klägerin. In Aufforderungsschreiben wie demjenigen vom 28. Juli 2020 liege eine bloße Verfahrenshandlung, die nicht gesondert angreifbar sei. Das habe der Senat schon am 28. Februar 2013 zum Aktenzeichen L 7 KA 106/12 KL ER entschieden. Im Übrigen verfolge die Klage gegen die Aufforderung zur Dossiereinreichung eine unzulässige Elementenfeststellung. Durch eine Klärung der Rechtmäßigkeit der Aufforderung zur Dossiereinreichung werde der Streit zwischen den Beteiligten auch nicht im Ganzen bereinigt. Das Verfahren münde in einen Nutzenbewertungsbeschluss nach § 35a Abs. 3 SGB V und anschließend in die Festlegung eines Erstattungsbetrages nach § 130b SGB V, nötigenfalls in einem Schiedsverfahren. Spätestens im Rahmen einer Klage gegen den Schiedsspruch nach § 130b Abs. 4 SGB V könne der Nutzenbewertungsbeschluss einschließlich der Verpflichtung zur Dossiereinreichung angegriffen werden. Es fehle auch an einem Feststellungsinteresse bzw. an der Klagebefugnis. Es sei der Klägerin zuzumuten, den Abschluss des Nutzenbewertungsverfahrens bzw. der Erstattungsbetragsverhandlungen abzuwarten. In der Aufforderung zur Dossiereinreichung könne auch keine mögliche Rechtsverletzung liegen; verbindliche Wirkung habe erst der das Verwaltungsverfahren abschließende Nutzenbewertungsbeschluss. Schließlich ergebe sich auch schon aus § 35a Abs. 8 Satz 1 SGB V, dass eine gesonderte Klage gegen die Aufforderung zur Übermittlung der Nachweise nach Abs. 1 („Dossier“) unzulässig sei. Dieser Rechtswegausschluss sei auch verfassungsgemäß. Nichts anderes ergebe sich aus dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 10. September 2020 (B 3 KR 11/19 R), denn dieses verhalte sich nur zum (statthaften) Rechtsschutz gegen einen Nutzenbewertungsbeschluss des GBA, wenn ein Erstattungsbetrag vereinbart worden und es zu keinem Schiedsverfahren gekommen sei. Es bestehe kein Bedürfnis für Rechtsschutz schon gegen die Aufforderung zur Dossiereinreichung; die Regelung in § 35a Abs. 8 Satz 1 SGB V dürfe nicht noch weiter aufgeweicht werden.

 

Für unzulässig hält der Beklagte auch die Klageerweiterung bzw. die Klage gegen den Nutzenbewertungsbeschluss. Der Klageänderung nach § 99 Abs. 1 SGG stimme er nicht zu; sie sei auch nicht sachdienlich. Die „Ausgangsklage“ gegen die Aufforderung zur Dossiereinreichung sei – wie dargelegt – unzulässig, so dass sie nicht um ein weiteres Begehren erweitert werden dürfe. Es existierten hier nun zwei auf einander folgende Klagen zu demselben Sachzusammenhang, was der Gesetzgeber mit § 35a Abs. 8 SGB V ausdrücklich habe verhindern wollen. Unabhängig von der Frage der Klageerweiterung sei auch die Klage gegen den Nutzenbewertungsbeschluss vom 5. August 2021 unzulässig, denn ihr stehe § 35a Abs. 8 Satz 1 SGB V entgegen. Diese Regelung dürfe nicht dadurch umgangen werden, dass sich der pharmazeutische Unternehmer mit dem GKV-Spitzenverband über einen Erstattungsbetrag einige und sich – wie hier – die fristlose Kündigung der Vereinbarung vorbehalte, je nach Ausgang des Rechtsstreits gegen den Nutzenbewertungsbeschluss. Ein Rechtsschutzinteresse für eine Klage gegen den Nutzenbewertungsbeschluss könne nur dann bestehen, wenn der pharmazeutische Unternehmer sich vorbehaltlos mit der Vereinbarung über den Erstattungsbetrag gebunden habe. Der pharmazeutische Unternehmer müsse sich entscheiden; wolle er die Vereinbarung über den Erstattungsbetrag offen halten, müsse er den Weg über die Schiedsstelle mit einer Klage gegen den Schiedsspruch gehen und dort die Rechtswidrigkeit des Nutzenbewertungsbeschlusses geltend machen.

 

Unabhängig davon sei die Klage auch unbegründet, denn für die Nutzenbewertung von Trimbow® in der Indikation Asthma Bronchiale seien alle Voraussetzungen aus dem 5. Kapitel § 1 Abs. 2 Nr. 4a VerfO erfüllt. So handele es sich insbesondere um ein erstattungsfähiges Arzneimittel mit einer neuen Wirkstoffkombination. Der mit der Zulassung von Trimbow® am 17. Juli 2017 begründete mindestens zehnjährige arzneimittelbezogene Unterlagenschutz im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 2 AM-NutzenV i.V.m. § 24b Abs. 1 AMG bestehe fort. Das allein sei für die Nutzenbewertung maßgeblich. Ein „neuer“ Unterlagenschutz für ein neues Anwendungsgebiet sei daher kein brauchbares Kriterium. Das Schreiben des BMG vom 20. Februar 2020 könne dementsprechend nur so verstanden werden, dass ein Kombinationsarzneimittel bei seiner ersten Zulassung einen „neuen“ Unterlagenschutz erhalten haben müsse, nicht aber in Folge der Zulassung eines neuen Anwendungsgebiets; letzteres sei rechtlich gar nicht vorgesehen. Weiter sei Trimbow® unstreitig nach dem 1. Januar 2011 (am 15. August 2017) erstmals in Verkehr gebracht worden und nach dem erstmaligen Inverkehrbringen sei (am 14. Januar 2021) die Zulassung eines neuen Anwendungsgebiets erfolgt. Damit sei erstmalig die Verpflichtung zur Vorlage eines vollständigen Dossiers entstanden, 5. Kapitel § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Spiegelstrich 2 VerfO. Das Anwendungsgebiet „Asthma Bronchiale“ sei nämlich nicht vollständig mit den Anwendungsgebieten der einzelnen Wirkstoffe identisch, da der Wirkstoff Glycopyrronium nur zur Therapie der COPD, nicht aber des Asthma Bronchiale zugelassen sei. Das 5. Kapitel § 1 Abs. 2 Nr. 4a VerfO bilde genau dies ab, nämlich das erstmalige Entstehen einer Dossierpflicht nach Zulassung eines neuen Anwendungsgebiets für ein bereits in Verkehr befindliches Arzneimittel. Die Dossierpflicht entstehe dann auch nur für das neue Anwendungsgebiet, nicht aber für sämtliche Indikationen. Insgesamt sei streng zu unterscheiden zwischen der Neuheit bzw. Bekanntheit der Monowirkstoffe, aus denen ein Kombinationsarzneimittel bestehe und der Neuheit des Kombinationsarzneimittels selbst; letzteres stelle eine eigenständige arzneimittelrechtliche Entität dar, unterliege eigenständigen Regelungen und sei für sich genommen der Nutzenbewertung zu unterziehen. Ohne Zweifel sei daher die im Jahre 2017 zugelassene Wirkstoffkombination von Trimbow® „neu“ im Sinne der Nutzenbewertung, so lange Unterlagenschutz hierfür bestehe.

 

Die in der VerfO getroffenen Regelungen seien auch mit § 35a SGB V bzw. der AM-NutzenV vereinbar. Das für die Nutzenbewertung entscheidende Kriterium der „neuen Wirkstoffkombination“ sei nicht aufgegeben worden, denn nach wie vor werde an das Bestehen von Unterlagenschutz angeknüpft, der im Zuge der erstmaligen Zulassung der Fixkombination – hier: 2017 – entstehe. Eine erst mit der Zulassung eines neuen Anwendungsgebiets – hier: 2021 – entstehende Dossierpflicht sei mit § 3 AM-NutzenV vereinbar. Die Neuregelung im 5. Kapitel, § 1 Abs. 2 Nr. 4a VerfO ziele auf die Gleichbehandlung neuer Wirkstoffkombinationen mit bekannten Einzelwirkstoffen. Es müsse stets gewährleistet sein, dass es zur Nutzenbewertung komme – sei es beim erstmaligen Inverkehrbringen oder im Fall der späteren Zulassungserweiterung – , wenn der Anwendungsbereich des Kombinationsarzneimittels nicht vollständig deckungsgleich sei mit den Anwendungsgebieten der Einzelwirkstoffe. Daher dürfe nicht ausschließlich der Zeitpunkt des erstmaligen Inverkehrbringens entscheidend sein. Die Regelung im 5. Kapitel, § 1 Abs. 2 Nr. 4 VerfO zeige, dass die Dossierpflicht eines Arzneimittels auch zu einem späteren Zeitpunkt als seinem erstmaligen Inverkehrbringen entstehen könne. Die Problematik lediglich „teilnutzenbewerteter“ Arzneimittel sei keine Seltenheit und habe beispielsweise auch für die Wirkstoffe Solriamfetol und Setmelanotide stattgefunden. Auch die Nutzenbewertung vom Wirkstoffkombinationen sei gängig und habe bislang 58-mal stattgefunden, und zwar auch in Konstellationen wie der vorliegenden. Dass eine Nutzenbewertung für eine fixe Wirkstoffkombination gerade auch in Bezug auf nur eines von mehreren Anwendungsgebieten durchgeführt werden dürfe, ergebe sich indirekt aus der Begründung des Gesetzgebers in Zusammenhang mit der Einführung von § 35a Abs. 3 Satz 4 SGB V durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz vom 7. November 2022 (Hinweis auf BT-Drs. 20/3448, S. 46).

 

Soweit die Klägerin schließlich anführe, die „Teilnutzenbewertung“ eines Arzneimittels, bezogen auf nur eine von mehreren Anwendungsgebieten, führe zu Schwierigkeiten in der Vereinbarung des Erstattungsbetrages, sei dies im Rahmen der Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband zu berücksichtigen, aber nicht im Rahmen der Nutzenbewertung. Unabhängig davon sei aber der Erstattungsbetrag mit der Vereinbarung vom 10./21. März 2022 ausdrücklich nur für die Wirkstoffkombination Beclometason / Formoterol / Glycopyrronium im Anwendungsgebiet Asthma abgeschlossen worden und der Anwendungsbereich COPD sei hiervon nicht erfasst. Damit bestehe Kongruenz zwischen der Nutzenbewertung und der Vereinbarung über den Erstattungsbetrag.

 

Der beigeladene Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat keinen Antrag gestellt. Mit Schriftsatz vom 20. April 2023 hat er ausgeführt: Im Nachgang zur rechtmäßigen Nutzenbewertung habe unproblematisch ein auf das Anwendungsgebiet Asthma Bronchiale bezogener Erstattungsbetrag vereinbart werden dürfen. Die Vereinbarung eines Erstattungsbetrages in Bezug auf ein Anwendungsgebiet bei gleichzeitigem Vorhandensein anderer, nicht nutzenbewerteter Anwendungsgebiete sei nicht unüblich und etwa auch bei Evolocumab und Inclisiran anzutreffen.

 

Zur Zulassungs- und Produkthistorie von Trimbow® hat der Beigeladene, von der Klägerin unwidersprochen, angeführt: Trimbow® sei gegenwärtig in drei Wirkstärken in Verkehr:

 

  • Trimbow® 87µg/5µg/9µg 120 Hub Druckgasinhalation, in Verkehr gebracht am 15. August 2017, Zulassung ursprünglich ausschließlich für COPD, ab 14. Januar 2021 auch für Asthma Bronchiale, Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers zunächst 75,59 Euro, ab 1. September 2017 abgesenkt auf 67,81 Euro (zugleich später vereinbarter Erstattungsbetrag),
  • Trimbow® 172µg/5µg/9µg 120 Hub Druckgasinhalation, in Verkehr gebracht am 1. September 2022, Zulassung ausschließlich für Asthma Bronchiale, Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers und zugleich geeinter Erstattungsbetrag  67,81 Euro,   
  • Trimbow® 88µg/5µg/9µg 120 ED Pulver zur Inhalation NEXThaler, in Verkehr gebracht am 1. September 2021, Zulassung ausschließlich für COPD, Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers 67,81 Euro, Erstattungsbetrag nicht vereinbart.

 

Die zugelassenen Anwendungsgebiete seien also auf verschiedenen Arzneimittel aufgeteilt worden. Mit der Zulassung von Trimbow® 88µg/5µg/9µg 120 ED Pulver zur Inhalation NEXThaler sei ein wirkstoffgleiches Arzneimittel und anderem Handelsnamen ausschließlich im Alt-Anwendungsgebiet COPD in den Verkehr gebracht worden bei nur zwei geringfügigen Modifikationen, nämlich 1 µg mehr Beclometason und ein neuer Inhalator. Der Erstattungsbetrag gelte insoweit nicht und bilde keine Preisobergrenze und es bestehe keine Verwechslungsgefahr in Bezug auf Trimbow® für die Indikation Asthma Bronchiale. Damit habe sich gezeigt, dass der pharmazeutische Unternehmer über eine gezielte Zulassung der Arzneimittel unerwünschte Erstreckungen des Erstattungsbetrages vermeiden könne – ganz abgesehen von dem Umstand, dass Trimbow® 88µg/5µg/9µg 120 ED Pulver zur Inhalation NEXThaler auch zu einem Preis in Höhe des Erstattungsbetrages abgegeben werde.

 

Vor diesem Hintergrund könne die Klägerin auch nicht einwenden, zu einer Mischpreisbildung gezwungen zu werden, denn der Erstattungsbetrag entspreche genau dem zuvor frei gewählten Abgabepreis.

 

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Akten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Die Klage, soweit über sie noch zu entscheiden ist, bleibt ohne Erfolg.

 

A. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ist für den vorliegenden Rechtsstreit gemäß § 29 Abs. 4 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im ersten Rechtszug sachlich zuständig. Die Klägerin wandte sich zum einen gegen die Rechtsauffassung des GBA, wonach das Arzneimittel Trimbow® im Anwendungsgebiet Asthma Bronchiale der Dossierpflicht nach § 35a Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) unterliege; diese Rechtsauffassung fand ihren Ausdruck in der Anforderung des Dossiers durch das Schreiben des GBA vom 28. Juli 2020. Zum anderen wendet sich die Klägerin gegen den Nutzenbewertungsbeschluss des GBA vom 5. August 2021. Letzterer unterliegt unzweifelhaft der Regelung des § 29 Abs. 4 Nr. 3 SGG, denn mit diesem Beschluss gestaltet der GBA die Arzneimittel-Richtlinie nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V, indem Anlage XII um die Wirkstoffkombination Beclometason / Formoterol / Glycopyrronium ergänzt wird; die Klägerin wendet sich insoweit also gegen eine Richtlinie des GBA im Sinne von § 29 Abs. 4 Nr. 3 SGG, was sich auch aus § 35a Abs. 3 Satz 6 SGB V ergibt, der den Nutzenbewertungsbeschluss zum Teil der Arzneimittel-Richtlinie erklärt. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg war aber auch für den Streit um die „Dossierpflicht“ von Trimbow® erstinstanzlich zuständig, denn insoweit hat der Beklagte eine „Entscheidung“ im Sinne von § 29 Abs. 4 Nr. 3 SGG getroffen. Diese Entscheidung hat sich im Schreiben vom 28. Juli 2020 verkörpert. Welche Rechtsqualität diese Entscheidung besitzt und ob sie überhaupt gesondert angreifbar ist, war eine Frage der Zulässigkeit der Klage und nicht der sachlichen Zuständigkeit des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg.

 

B. Zu Recht hat die Klägerin die Klage zurückgenommen, soweit mit ihr das Begehren verfolgt wurde, der Senat möge feststellen, dass für das Kombinationsarzneimittel Trimbow® mit den Wirkstoffen Beclometasondipropionat, Formoterolfumarat-Dihydrat und Glycopyrroniumbromid in der Indikation Asthma Bronchiale keine Dossierpflicht nach § 35a Abs. 1 SGB V bestehe. Unter (in den Worten der Klägerin) „Dossierpflicht“ in diesem Sinne ist die seitens des Beklagten ausgesprochene Aufforderung an die Klägerin als pharmazeutische Unternehmerin zu verstehen, Nachweise im Sinne von § 35a Abs. 1 Satz 3 SGB V zu übermitteln, die der Nutzenbewertung zugrunde zu legen sind; dieser Aufforderung durch den Beklagten liegt die Annahme zugrunde, dass aufgrund der geltenden Regularien eine Nutzenbewertung durchzuführen sei.

 

Diese Klage, über die der Senat nach erklärter Klagerücknahme nicht mehr zu entscheiden hat, war unzulässig; insoweit ist nur noch die Kostenentscheidung nach          § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 2 VwGO zu treffen.

 

Zu der ursprünglich erhobenen Klage ist aber allgemein klarstellend zu sagen: Unabhängig vom Vorliegen der sonstigen Sachentscheidungsvoraussetzungen ergab sich die Unzulässigkeit der Klage, mit der das vorliegende Verfahren am 15. Januar 2021 seinen Lauf nahm, aus der vom Senat zwingend zu beachtenden Vorschrift in   § 35a Abs. 8 Satz 1 SGB V (i.d.F. des Dritten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 7. August 2013, BGBl. I S. 3108). Danach ist „eine gesonderte Klage gegen die Aufforderung zur Übermittlung der Nachweise nach Absatz 1, die Nutzenbewertung nach Absatz 2, den Beschluss nach Absatz 3 und die Einbeziehung eines Arzneimittels in eine Festbetragsgruppe nach Absatz 4 (…) unzulässig“. Der Wortlaut dieser Regelung lässt keine andere Auslegung zu als diejenige, dass sich die Frage, ob ein Arzneimittel der Nutzenbewertung unterliegt und (in der Folge) ein Dossier nach § 35a Abs. 1 Satz 3 angefordert werden darf, der isolierten („gesonderten“) gerichtlichen Beurteilung entzieht.

 

In der Gesetzesbegründung heißt es insoweit (Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zum AMNOG, BT-Drucks. 17/2413, S. 23 Zu Nr. 5 Zu Absatz 8):

 

„Die Entscheidungen auf Grundlage des § 35a dienen der Vorbereitung von Preisvereinbarungen nach § 130b oder Festbetragsentscheidungen nach § 35 Absatz 3 und sind als unselbständige Verfahrensentscheidungen nicht gesondert, sondern erst im Rahmen der abschließenden Entscheidung über die Erstattung des Arzneimittels anfechtbar. Erst durch diese abschließende Entscheidung wird der vom pharmazeutischen Unternehmer zunächst einseitig festgelegte Preis für das Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung ersetzt. Das gilt für die Nutzenbewertung nach Absatz 2, die das beauftragte Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen oder der beauftragte Dritte dem Gemeinsamen Bundesausschuss lediglich als Empfehlung zu dessen Beschluss nach Absatz 3 zuleitet, schon mangels Rechtsverbindlichkeit dieser gutachterlichen Stellungnahme. Im Fall der nachfolgenden Zuordnung des Arzneimittels ohne Zusatznutzen zu einer Festbetragsgruppe ist die Klagemöglichkeit entsprechend dem Regelungszweck des bereits geltenden § 35 Absatz 7 erst gegen die Festsetzung des Festbetrages durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen eröffnet. Um im Fall nachfolgender Vereinbarungen über die Erstattung des Arzneimittels zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und dem pharmazeutischen Unternehmer eine Entscheidungsverzögerung zu Lasten der Arzneimittelausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung zu verhindern, ist auch dabei erst im Rahmen des Rechtsschutzes gegen die Entscheidung der Schiedsstelle nach § 130b Absatz 4 die gerichtliche Kontrolle der vorbereitenden Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses eröffnet. Dies wird in § 130b Absatz 4 klargestellt.“ 

 

Das Bundessozialgericht hat sich im Lichte des Gesetzeswortlauts und der Gesetzesbegründung wiederholt mit diesem gesetzlichen Klageausschluss befasst, allerdings stets nur in Zusammenhang mit der Frage, unter welchen Umständen § 35a Abs. 8 Satz 1 SGB V im Wege verfassungskonformer Auslegung eine Klage gegen den Nutzenbewertungsbeschluss nach § 35a Abs. 3 Satz 1 SGB V zulässt (vgl. zuletzt Urteil vom 10. September 2020, B 3 KR 11/19 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 36ff.; s.a. Urteil vom 28. März 2019, B 3 KR 2/18 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 36f.); das Bundessozialgericht hat eine solche Klage trotz der Regelung in § 35a Abs. 8 Satz 1 SGB V zum Zwecke der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes, Art. 19 Abs. 4 GG, für statthaft erachtet, sofern kein Schiedsspruch über den Erstattungsbetrag ergangen ist, sondern eine Vereinbarung über den Erstattungsbetrag getroffen wurde (Urteil vom 10. September 2020, B 3 KR 11/19 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 41f.).

 

Diese Rechtsprechung, der der Senat sich anschließt, ist nicht auf die Frage zu übertragen, ob eine Klagemöglichkeit entgegen dem klaren Wortlaut des Gesetzes auch schon gegen die Aufforderung zur Übermittlung der Nachweise nach § 35a Abs. 1 SGB V eröffnet sein muss, um der Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG Rechnung zu tragen. Diese Frage ist zur Überzeugung des Senats zu verneinen. Der Wille des Gesetzgebers, Klagen in Zusammenhang mit Nutzenbewertung und Festlegung eines Erstattungsbetrages durch die Schiedsstelle nach § 130b Abs. 4 SGB V zu konzentrieren, ist eindeutig. Eine eigenständige Klage gegen die eine bloße Verfahrenshandlung darstellende Aufforderung, Nachweise nach § 35a Abs. 1 SGB V zu übermitteln, ist unter keinen Umständen zulässig. Hierdurch wird die Rechtsschutzmöglichkeit auch nicht verkürzt, soweit es die Aufforderung zur Übermittlung der Nachweise nach § 35a Abs. 1 SGB V bzw. die Frage der – von der Klägerin so genannten – „Dossierpflicht“ betrifft. Denn im Rahmen der immer eröffneten rechtlichen Überprüfung des Nutzenbewertungsbeschlusses wird stets inzident zu prüfen sein, ob das jeweilige Arzneimittel überhaupt der Nutzenbewertung unterlag. Der gegenteiligen und vereinzelt gebliebenen Auffassung von F, des Prozessbevollmächtigten der Klägerin der vorliegenden Sache, in A&R 2022, S. 295 (297) folgt der Senat nicht. Denn mit der verfassungskonformen Auslegung von § 35a Abs. 8 Satz 1 SGB V wollte das Bundessozialgericht lediglich gewährleisten, dass der pharmazeutische Unternehmer überhaupt Rechtsschutz in Bezug auf den Nutzenbewertungsbeschluss erlangen kann, wenn es zu keinem Schiedsstellenentscheid über den Erstattungsbetrag nach § 130b SGB V kommt; die Gefahr gänzlich entfallender Rechtsschutzmöglichkeit besteht aber im Hinblick auf die Frage, ob ein Arzneimittel überhaupt der Nutzenbewertung unterliegt, nicht (ebenso: Krasney in NZS 2022, S. 216 [221]). Diese Frage wird stets entweder im Rahmen der Klage gegen die Schiedsstellenentscheidung nach § 130b Abs. 4 SGB V oder – in Ermangelung einer solchen – im Rahmen der Klage gegen den Nutzenbewertungsbeschluss zu beantworten sein. Das mag für den pharmazeutischen Unternehmer, der ein unter Umständen kostspieliges Dossier nach § 35a Abs. 1 Satz 3 SGB V aufzubereiten und einzureichen hat, zwar unbequem sein; im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG ist die Regelung des Gesetzgebers in § 35a Abs. 8 Satz 1 GG aber unproblematisch, zumal sie von dem vernünftigen Willen getragen ist, eine Entschei­dungsverzö­gerung zulasten der Arzneimittelausgaben in der GKV zu verhindern (vgl. hierzu Luthe in: Hauck/Noftz SGB V, § 35a, Rdnr. 201, unter Hinweis auf die oben zitierte Gesetzesbegründung).

 

C. Die Klage ist dagegen zulässig, soweit sie sich (nur noch) gegen den Nutzenbewertungsbeschluss des Beklagten vom 5. August 2021 richtet.

 

I. Die insoweit am 10. Mai 2022 erklärte Klageerweiterung ist statthaft. Auf die Zustimmung der übrigen Beteiligten oder Sachdienlichkeit nach § 99 Abs. 1 SGG kommt es insoweit nicht an, denn es greift § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG. Danach ist es nicht als eine Änderung der Klage anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache erweitert oder beschränkt wird. Diese Vor­aussetzungen sind zur Überzeugung des Senats erfüllt. Die ursprünglich erhobene Klage gegen die Aufforderung zur Vorlage der Nachweise nach § 35a Abs. 1 Satz 3 SGB V bzw. das Nutzenbewertungsverfahren an sich und die später formulierte Klage gegen den Nutzenbewertungsbeschluss basieren auf demselben Klagegrund, nämlich auf der Annahme, dass ein Nutzenbewertungsverfahren für Trimbow® im Anwendungsgebiet Asthma Bronchiale nicht durchgeführt werden durfte. Der „Klagegrund“ in diesem Sinne ist der Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger seinen Anspruch herleitet (vgl. B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, Rdnr. 2 b zu § 99). Dieser ist hier wie dort derselbe – nämlich die Annahme, die Wirkstoffkombination sei nicht „neu“ – und der erweiternde Antrag trägt lediglich der Fortentwicklung des Verwaltungsverfahrens Rechnung. Die Klageerweiterung ist gegenüber der anfänglich erhobenen Klage kein Aliud; vielmehr ist das ursprünglich geltend gemachte Begehren vollständig in der erweiterten Klage enthalten (vgl. Baudewin in: Kern/Diehm, ZPO, 2. Aufl. 2020, §§ 263–264,  Rdnr. 21).

 

Unabhängig davon sieht der Senat die Klageerweiterung auch als sachdienlich an, denn sie führt dazu, dass der Streit zwischen den Beteiligten in einem Verfahren beigelegt und endgültig bereinigt wird (vgl. B. Schmidt, a.a.O., Rdnr. 10 zu § 99).

 

II. Die erweiterte Klage ist auch im Übrigen zulässig.

 

1. Die Klage ist als (Normen-)Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthaft. Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG gebietet es, die Feststellungsklage gegen untergesetzliche Rechtsnormen als statthaft zuzulassen, wenn die Normbetroffenen ansonsten keinen effektiven Rechtsschutz erreichen könnten (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2020, B 3 KR 11/19 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 16f. [Ivermectin]). Der Nutzenbewertungsbeschluss vom 5. August 2021 gilt nach § 35a Abs. 3 Satz 6 SGB V ausdrücklich als Teil der Richtlinie nach     § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V und stellt damit eine untergesetzliche Rechtsnorm dar. Die in Bezug auf die Nutzenbewertung von Trimbow® (Beclometason / Formoterol / Glycopyrronium) geänderte AM-RL gilt grundsätzlich für alle Akteure im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung und hat als untergesetzlicher Rechtsetzungsakt ganz erhebliche Auswirkungen für alle von dem Regelwerk betroffenen Krankenkassen, Versicherten und vor allem für Vertragsärzte und sonstige Leistungserbringer. Die normative Anordnung, dass für Trimbow® in der Indikation Asthma Bronchiale ein Zusatznutzen als nicht belegt gilt, bedarf keines weiteren Vollzugsaktes und wirkt abstrakt-generell auch unabhängig von dem vereinbarten Erstattungsbetrag fort (Bundessozialgericht, a.a.O., Rdnr. 35).

 

2. Die Klägerin ist klagebefugt für die begehrte gerichtliche Feststellung, dass die um die frühe Nutzenbewertung ihres Fertigarzneimittels Trimbow® mit der festen Wirkstoffkombination Beclometason / Formoterol / Glycopyrronium ergänzte Anlage XII der Arzneimittel-Richtlinie unwirksam sei (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 54 Abs. 1 S. 2 SGG; Bundessozialgericht, a.a.O., Rdnr. 19). Sie erhebt keine Popularklage, sondern macht geltend, ihr Arzneimittel sei zu Unrecht in das frühe Nutzenbewertungsverfahren nach § 35a SGB V einbezogen. Sie kann geltend machen, insoweit in ihrer unternehmerischen Berufsfreiheit aus Art. 19 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und in ihrem in § 35a Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 3 SGB V i. V. m. §§ 2 Abs. 1 und 2, 3 AM-NutzenV verankerten Recht auf willkürfreie Einordnung bzw. Nutzenbewertung ihres Fertigarzneimittels im Vergleich zu konkurrierenden Arzneimitteln bzw. Therapien verletzt zu sein (vgl. näher BSG, a.a.O., Rdnrn. 20 ff., 32).

 

Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an baldiger Feststellung nach § 55 Abs. 1 Hs. 2 SGG, denn sie kann nur durch die hier erhobene Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Nutzenbewertungsbeschlusses effektiven Rechtsschutz im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG erlangen (vgl. BSG, a.a.O. Rdnr. 35).

 

3. Die damit statthafte und auch im Übrigen zulässige Feststellungsklage ist im Gegensatz zur Auffassung des Beklagten nicht gesetzlich ausgeschlossen, denn § 35a Abs. 8 S. 1 SGB V steht der Klage nicht entgegen. Das bedarf keiner besonderen Vertiefung, denn genau für die vorliegende Konstellation hat das Bundessozialgericht – wie oben unter B. bereits ausgeführt – entschieden, dass § 35a Abs. 8 Satz 1 SGB V in verfassungskonformer Auslegung so zu verstehen sei, dass eine eigenständige Klage gegen einen Nutzenbewertungsbeschluss zulässig sein soll, wenn es zu keinem Schiedsspruch der Schiedsstelle nach § 130b Abs. 4 SGB V gekommen ist, weil der pharmazeutische Unternehmer und der GKV-Spitzenverband sich auf eine Vereinbarung zum Erstattungsbetrag geeinigt haben (BSG, a.a.O., Rdnr. 43). So liegt es auch hier, denn im März 2022 haben die Genannten für die Wirkstoffkombination Beclometason / Formoterol / Glycopyrronium eine Vereinbarung nach § 130b SGB V geschlossen.

 

4. Dem Klagerecht steht im Gegensatz zur Auffassung des Beklagten, die maßgeblich zurückgeht auf Krasney, NZS 2022, S. 216 (221), nicht entgegen, dass die Klägerin in der Vereinbarung zum Erstattungsbetrag mit § 7 Abs. 5 ein Sonderkündigungsrecht für den Fall besitzt, dass sich der Nutzenbewertungsbeschluss rechtskräftig als rechtswidrig und damit unwirksam erweist. Folgte man diesem Ansatz, wären pharmazeutische Unternehmer gleichsam genötigt, ihren Rechtsstandpunkt zur Statthaftigkeit der Nutzenbewertung an sich im Rahmen der Verhandlungen über den Erstattungsbetrag vollständig aufzugeben. Das kann aber auch auf sich beruhen, denn der Senat hält das in § 7 Abs. 5 der Vereinbarung festgeschriebene Sonderkündigungsrecht ohnehin für nur deklaratorisch, da es die Rechtsstellung der Klägerin nicht entscheidend verbessert.

 

Das zeigt schon § 130b Abs. 7 Satz 3 SGB V. Danach ist eine Kündigung der Vereinbarung über den Erstattungsbetrag vor Ablauf eines Jahres möglich u.a. im Falle der Veröffentlichung eines neuen Beschlusses zur Nutzenbewertung nach § 35a Abs. 3 SGB V. Erst recht muss danach eine außerordentliche, nicht fristgebundene Kündigungsmöglichkeit bestehen, wenn der zugrunde liegende Beschluss zur Nutzenbewertung rechtskräftig aufgehoben wird.

 

Unabhängig davon bestünde ein Kündigungsrecht jedenfalls nach § 59 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Eine ohne Schiedsspruch zustande gekommene Vereinbarung über den Erstattungsbetrag ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne von § 53 Abs. 1 SGB X. Für diesen greift die Möglichkeit der Kündigung in besonderen Fällen nach dem Gedanken des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB X (vgl. dazu Huster/Langenegger, in Festschrift für Preis, „Die Kündigung der Erstattungsbetragsvereinbarung nach einem Schiedsspruch im AMNOG-Verfahren“, S. 489 [492]). Danach gilt:

 

Haben die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, sich seit Abschluss des Vertrages so wesentlich geändert, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist, so kann diese Vertragspartei eine Anpassung des Vertragsinhalts an die geänderten Verhältnisse verlangen oder, sofern eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, den Vertrag kündigen.

 

Eine „wesentliche Änderung“ läge unzweifelhaft vor, wenn ein Nutzenbewertungsbeschluss rechtskräftig gerichtlich kassiert wird; dieser stellt schon nach dem Wortlaut des Gesetzes die Geschäftsgrundlage der Vereinbarung über den Erstattungsbetrag  dar (§ 130b Abs. 1 Satz 1 SGB V: „auf Grundlage des Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Nutzenbewertung nach § 35a Absatz 3“). Dementsprechend hat das Bundessozialgericht auch entschieden, dass ein Schiedsspruch nach  § 130b Abs. 4 Satz 1 SGB V aufzuheben ist, wenn er auf der Grundlage eines gerichtlich für rechtswidrig und damit unwirksam erklärten Nutzenbewertungsbeschlusses ergangen ist (Urteil vom 22. Februar 2023, B 3 KR 14/21 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 44 [Regadenoson]). Weiter ist es nicht vorstellbar, dass es einem pharmazeutischen Unternehmer zumutbar sein könnte, an der Vereinbarung über einen Erstattungsbetrag festzuhalten, wenn rechtskräftig feststeht, dass das Nutzenbewertungsverfahren rechtswidrig war. 

 

D. Die Klage gegen den Nutzenbewertungsbeschluss vom 5. August 2021 ist jedoch unbegründet. Der Nutzenbewertungsbeschluss des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

 

I. Die Rechtsgrundlage der frühen Nutzenbewertung besteht in § 35a SGB V, eingeführt durch das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2262). Mit dem AMNOG verfolgt der Gesetzgeber das erklärte Ziel, den Versicherten im Krankheitsfall die besten und wirksamsten Arzneimittel zur Verfügung zu stellen, die Preise und Verordnungen von Arzneimitteln wirtschaftlich und kosteneffizient zu halten und verlässliche Rahmenbedingungen für Innovationen, die Versorgung der Versicherten und die Sicherung von Arbeitsplätzen zu schaffen (vgl. den Gesetzentwurf vom 6. Juli 2010, BT-Drs. 17/2413, S. 1).

 

Nach § 35a Abs. 1 Satz 1 SGB V bewertet der GBA den Nutzen von erstattungsfähigen Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen. Hierzu gehört insbesondere die Bewertung des Zusatznutzens gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie, des Ausmaßes des Zusatznutzens und seiner therapeutischen Bedeutung (Satz 2). Die Nutzenbewertung erfolgt auf Grund von Nachweisen des pharmazeutischen Unternehmers, die er einschließlich aller von ihm durchgeführten oder in Auftrag gegebenen klinischen Prüfungen spätestens zum Zeitpunkt des erstmaligen Inverkehrbringens sowie vier Wochen nach Zulassung neuer Anwendungsgebiete des Arzneimittels an den Gemeinsamen Bundesausschuss elektronisch zu übermitteln hat (Satz 3). Satz 4 bestimmt den Katalog der Angaben, die das einzureichende Dossier beinhalten muss. Satz 7 enthält eine Verordnungsermächtigung zu Gunsten des BMG, dasohne Zustimmung des Bundesrats das Nähere zur Nutzenbewertung regelt, und zwar insbesondere zu den in Satz 8 aufgeführten Einzelheiten, wie etwa in Nr. 1 die Anforderungen an die Übermittlung der Nachweise nach Satz 3. Hierauf beruht die AM-NutzenV, die am 1. Januar 2011 in Kraft getreten ist. Nach § 35a Abs. 1 Satz 9 SGB V schließlich regelt der GBA „weitere Einzelheiten“ in seiner VerfO, so geschehen im 5. Kapitel der VerfO („Bewertung des Nutzens und der Kosten von Arzneimitteln nach §§ 35a und 35b SGB V“).

 

Im System der Normenhierarchie bewegt sich die VerfO des GBA, die als Richtlinie auf § 91 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB V beruht, im Range unter der AM-NutzenV, einer Rechtsverordnung, die ihrer Rechtsqualität nach wiederum unterhalb von § 35a SGB V als förmlichem Bundesgesetz rangiert. 

 

Der mit der zulässigen Klage angegriffene Nutzenbewertungsbeschluss des Beklagten vom 5. August 2021 begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Von der Klägerin beanstandet wird nur der Aufruf zur Nutzenbewertung an sich, nicht aber der Inhalt bzw. das Ergebnis der Nutzenbewertung selbst, etwa im Hinblick auf die Wahl der zweckmäßigen Vergleichstherapie oder andere Elemente der Nutzenbewertung. Mängel kann der Senat insoweit auch nicht erkennen.  

 

Der im Zentrum der Klage stehende Aufruf zur Nutzenbewertung bewegt sich im Rahmen der Regularien, wie die VerfO sie vorsieht (unten II.). Die VerfO ist mit den Trimbow® erfassenden Regelungen in ihrem 5. Kapitel mit höherrangigem Recht – mit § 35a SGB V und der AM-NutzenV – vereinbar (unten III.). Die Durchführung einer Nutzenbewertung von Trimbow® verstößt auch nicht gegen das „Gesamtkonzept des AMNOG“ (unten IV.)

 

II. Gemessen am Regelungsinhalt des 5. Kapitels der VerfO des GBA ist der Aufruf des Arzneimittels Trimbow® zur Nutzenbewertung nach § 35a Abs. 1 SGB V rechtlich nicht zu beanstanden.

 

Nach § 1 Abs. 2 Nr. 4a, eingeführt durch den Beschluss des GBA vom 20. Februar 2020, wird die Nutzenbewertung nach § 35a Absatz 1 SGB V durchgeführt für erstattungsfähige Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen und neuen Wirkstoffkombinationen, (…) die ab dem 1. Januar 2011 erstmals in den Verkehr gebracht werden und bei denen nach diesem Zeitpunkt die Zulassung eines neuen Anwendungsgebietes nach § 2 Absatz 2 erstmals nach § 2 Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 Spiegelstrich 2 eine Verpflichtung zur Vorlage eines vollständigen Dossiers begründet.

 

Diese Voraussetzungen sind zweifellos für Trimbow® erfüllt, nachdem dessen Zulassungsbereich am 14. Januar 2021 um die Therapie des Asthma Bronchiale erweitert wurde.

 

Erstens handelt es sich bei Trimbow®, das ein aus drei Monowirkstoffen bestehendes Kombinationsarzneimittel ist, um eine „neue Wirkstoffkombination“. Die insoweit von der Klägerin vorgebrachten Bedenken vermag der Senat schlechthin nicht nachzuvollziehen.

 

Der Begriff des „neuen Wirkstoffs“ ist der tragende Anknüpfungspunkt schon in § 35a Abs. 1 SGB V. Eine Begriffsbestimmung enthält insoweit § 2 Abs. 1 AM-NutzenV.  Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen sind danach Arzneimittel, die Wirkstoffe enthalten, deren Wirkungen bei der erstmaligen Zulassung in der medizinischen Wissenschaft nicht allgemein bekannt sind (Satz 1). Ein Arzneimittel mit einem neuen Wirkstoff im Sinne dieser Verordnung gilt solange als ein Arzneimittel mit einem neuen Wirkstoff, wie für das erstmalig zugelassene Arzneimittel mit dem Wirkstoff Unterlagenschutz besteht (Satz 2). Dementsprechend hatte schon der Gesetzgeber neue Wirkstoffe als solche bezeichnet, „deren Wirkung bei der erstmaligen Zulassung durch die zuständige Bundesoberbehörde oder durch die Europäische Kommission der medizinischen Wissenschaft nicht allgemein bekannt sind und die daher der Verschreibungspflicht unterliegen (§ 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 AMG sowie die Verordnung [EG] Nr. 726/2004).“ Weiter heißt es in dem Gesetzentwurf (BT-Drs. 17/2413, S. 20): „Die Neuregelung gilt damit beispielsweise nicht für Generika oder sonstige Arzneimittel mit Wirkstoffen, deren Wirkung der medizinischen Wissenschaft allgemein bekannt ist.“ 

 

Darauf aufbauend unterwirft § 3 Abs. 1 AM-NutzenV zu Recht gleichermaßen „neue Wirkstoffe“ wie „neue Wirkstoffkombinationen“ der Nutzenbewertung. Danach muss auch eine neue Wirkstoffkombination den Regeln über die Nutzenbewertung standhalten, selbst wenn gegebenenfalls ältere Monowirkstoffe kombiniert werden, denn mit der Kombination enthält das neue Arzneimittel eine eigenständige neue Qualität und auch eigenständiges Gefahrenpotential (vgl. hierzu etwa Bundessozialgericht, Urteil vom 14. Dezember 2011, B 6 KA 29/10 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 39 [Monapax]). Die vom Beklagten genutzte Begrifflichkeit der „eigenständigen arzneimittelrechtlichen Entität“ fixer Wirkstoffkombinationen (Tragende Gründe zum Beschluss vom 20. Februar 29020, S. 2) erscheint daher adäquat.

 

Hieran gemessen ist auch Trimbow® als Kombinationspräparat zur Überzeugung des Senats wie ein Arzneimittel mit einer „neuen Wirkstoffkombination“ zu behandeln, denn die Wirkungen der Wirkstoffkombination waren bei der erstmaligen Zulassung im Jahre 2017 in der medizinischen Wissenschaft nicht allgemein bekannt und seit der erstmaligen arzneimittelrechtlichen Zulassung genoss Trimbow® unbestritten Unterlagenschutz. Letzterer ist das entscheidende Kriterium für die Frage, ob ein Arzneimittel als „neuer Wirkstoff“ bzw. „neue Wirkstoffkombination“ anzusehen ist (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 3. Mai 2018, B 3 KR 7/17 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 45 [Medikinet®adult]).

 

Der Unterlagenschutz ver­hin­dert, dass Her­stel­ler von wirk­stoff­glei­chen Prä­pa­ra­ten (Ge­ne­ri­ka bzw. Bio­si­mi­lars) Be­zug auf die Zu­las­sungs­un­ter­la­gen des Re­fe­renz­arz­nei­mit­tels (ins­be­son­de­re Stu­di­en­er­geb­nis­se) neh­men kön­nen und un­ter­bin­det da­mit de­ren Zu­las­sung. Ein pharmazeutischer Unternehmer kann für einen Wirk­stoff nur ein­ma­lig Un­ter­la­gen­schutz er­lan­gen (Prin­zip der Globalzulassung, „Glo­bal Mar­ke­ting    Aut­ho­ri­sa­ti­on“), auch wenn die­ser Wirk­stoff – wie hier – von dem­sel­ben Un­ter­neh­men an­schlie­ßend für ein neu­es An­wen­dungs­ge­biet zur Zu­las­sung ge­bracht wird. Der Un­ter­la­gen­schutz gilt für ei­nen Zeit­raum von mindestens acht Jah­ren ab Zu­las­sung des Arz­nei­mit­tels. Das ergibt sich aus § 24b AMG sowie Art. 14 Abs. 11 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 und ist in der arzneimittelrechtlichen Rechtsprechung unbestritten. So hat etwa das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen am 27. November 2014 entschieden (13 B 950/14, Leitsätze 1 und 2): „Erhält der Zulassungsinhaber des Originalerzeugnisses weitere Zulassungen für wirkstoffgleiche Arzneimittel mit anderen therapeutischen Indikationen, Wirkstoffstärken oder Dosierungen, sind diese Weiterentwicklungen nach dem Prinzip der Globalzulassung für die Zwecke des Unterlagenschutzes als Bestandteil der erstmaligen Zulassung für das Originalerzeugnis anzusehen. Dass die Weiterentwicklung aufgrund eines umfassenden Antrags, unter Vorlage neuer Unterlagen und mit einer anderen Bezeichnung eigenständig zugelassen wurde, steht der Anwendung des Prinzips der Globalzulassung nicht entgegen und begründet keine selbständige Unterlagenschutzfrist.“

 

Hieraus folgt: Die Zulassungserweiterung um das Anwendungsgebiet Asthma Bronchiale im Jahre 2021 bleibt ohne Auswirkungen auf den Unterlagenschutz von Trimbow®, der ausschließlich anknüpft an die Erstzulassung im Jahre 2017. Die Interpretation, der die Klägerin das Genehmigungsschreiben des BMG vom 10. Juli 2020 unterzieht, geht danach fehl, denn „neuer Unterlagenschutz“ entsteht nur bei erstmaliger Zulassung einer fixen Kombination, aber sicher nicht bei der Erweiterung um ein Anwendungsgebiet. Entscheidend für die Frage der Neuheit der Wirkstoffkombination ist somit nur, ob für sie im Moment der Zulassungserweiterung noch Unterlagenschutz bestand, was in Bezug auf Trimbow® im Jahre 2021 eindeutig zu bejahen ist.

 

Dass es sich bei den drei Trimbow® bildenden Monopräparaten Beclometason, Formoterol und Glycopyrronium je für sich um bekannte und nicht um neue Wirkstoffe gehandelt haben mag, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang. Denn zu Recht führt der Beklagte insoweit in seinem Schriftsatz vom 7. Dezember 2022 an, dass eine fixe Wirkstoffkombination auch älterer Monopräparate eine „eigenständige arzneimittelrechtliche Entität“ (Größe, Einheit) darstelle, die gesonderter Betrachtung unterliege. Das ergibt sich schon aus den besonderen Regelungen, die das AMG zu Kombinationsarzneimitteln trifft (z.B. §§ 22 Abs. 3a, 25 Abs. 2 Nr. 5a) und die darüber hinaus auf europäischer Ebene bestehen, etwa in Gestalt der „Guideline on clinical development of fixed combination medicinal products“ der European Medicines Agency (EMA). 

 

Zweitens wurde diese Wirkstoffkombination nach dem 1. Januar 2011 erstmals in den Verkehr gebracht, nämlich am 15. August 2017.

 

Drittens erfolgte nach diesem Zeitpunkt – also nach dem erstmaligen Inverkehrbringen – die Zulassung eines neuen Anwendungsgebietes, hier zugunsten der Indikation Asthma Bronchiale durch Zulassungsentscheidung am 14. Januar 2021.

 

Viertens begründet die Zulassung des neuen Anwendungsgebiets „Asthma Bronchiale“ nach § 2 Absatz 2 erstmals nach § 2 Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 Spiegelstrich 2 VerfO eine Verpflichtung zur Vorlage eines vollständigen Dossiers. Bei Trimbow® handelt es sich um eine Unterlagenschutz genießende fixe Kombination aus bekannten Wirkstoffen, bei der das Anwendungsgebiet der Wirkstoffkombination nicht vollständig identisch ist mit den Anwendungsgebieten der einzelnen Monowirkstoffe: Glycopyrronium ist als Monosubstanz nicht für die Therapie des Asthma Bronchiale zugelassen. Hierin liegt zugleich der Grund, warum Trimbow® in Bezug auf das Anwendungsgebiet COPD nicht der Nutzenbewertung unterlag, denn insoweit bestand eine Anwendungsidentität zwischen Kombipräparat und Monopräparaten.

 

Dieses Ergebnis der Rechtsanwendung liegt auch ganz in der Absicht des Beklagten als Normgeber, was die Tragenden Gründe zum Beschluss vom 20. Februar 2020 ohne Weiteres belegen. Der GBA wollte hier ausdrücklich Wirkstoffkombinationen erfassen, die anfänglich im Moment des Inverkehrbringens in Bezug auf das Kombinationspräparat und die Monowirkstoffe Anwendungsidentität aufwiesen, die aber später ein weiteres Anwendungsgebiet erhielten, für das keine vollständige Anwendungsidentität mehr zwischen Kombinationspräparat und Monowirkstoffen bestand. Das „dossierpflichtbegründende Ereignis“ wird hier in der Zulassung des neuen Anwendungsgebiets gesehen.

 

Es liegt auf der Hand, dass diese Regulierung der Nutzenbewertung auf Arzneimittel wie Trimbow® geradezu zugeschnitten ist. Im Augenblick des Inverkehrbringens unterlag das Kombinationsarzneimittel nicht der Nutzenbewertung, weil dessen Anwendungsgebiet „COPD“ identisch war mit dem Anwendungsgebiet der drei Monopräparate. Das änderte sich mit der Hinzunahme des Asthma Bronchiale als Anwendungsgebiet; in Bezug hierauf bestand keine volle Anwendungsidentität mehr, denn Glycopyrronium ist als Monosubstanz nicht für die Therapie des Asthma Bronchiale zugelassen. In der Folge lagen nach der Hinzunahme des neuen Anwendungsgebiets die Voraussetzungen von § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Spiegelstrich 2 vor („ganz oder teilweise nicht identisch“). 

 

III. Der Senat kann der Klägerin nicht in der Auffassung folgen, dass die Regelungen des 5. Kapitels der VerfO, aus denen sich die Dossierpflicht für Trimbow® in der Indikation Asthma Bronchiale zweifelsfrei ergibt, nicht mit höherrangigem Recht vereinbar seien. Das Gegenteil ist der Fall. Das System von § 35a SGB V, AM-NutzenV und 5. Kapitel der VerfO ist schlüssig und beachtet die Vorgaben des jeweils höherrangigen Rechts.

 

1. Die Klägerin führt insoweit an, die VerfO gehe mit 5. Kapitel, § 1 Abs. 2 Nr. 4a i.V.m. § 2 Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 Spiegelstrich 2 unstatthaft über die Regelungen der AM-NutzenV hinaus und erweitere den Kreis der der Nutzenbewertung unterliegenden Arzneimittel ohne hinreichende Ermächtigung. Tatsächlich gibt es im Regelungssystem von AM-NutzenV und 5. Kapitel der VerfO aber keine Brüche.

 

So ist zum einen der Gedanke, dass die Nutzenbewertung auch „nach Zulassung neuer Anwendungsgebiete“ greift, sogar unmittelbar im Gesetz angelegt, vgl. § 35a Abs. 1 Satz 3 SGB V

 

Zum anderen finden die von der Klägerin beanstandeten Regelungen der VerfO, hier in der Gestalt des Beschlusses des Beklagten vom 20. Februar 2020, ihre sichere Grundlage schon bei einfacher Wortlautanalyse in § 3 Abs. 1 Nr. 2 der AM-NutzenV. Danach gilt:

 

„Die Nutzenbewertung nach § 35a Absatz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch wird durchgeführt für erstattungsfähige Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen und neuen Wirkstoffkombinationen, (Nr. 2) die ab dem 1. Januar 2011 erstmals in den Verkehr gebracht worden sind und die nach dem 1. Januar 2011 ein neues Anwendungsgebiet nach § 2 Absatz 2 erhalten.“

 

In anderen Worten ist damit gemeint: Der Nutzenbewertung unterliegen solche Arzneimittel mit einer neuen Wirkstoffkombination, die, wie Trimbow®, nach dem 1. Januar 2011 erstmals in den Verkehr gebracht worden sind und die danach eine neues Anwendungsgebiet erhalten haben. Anders kann der Passus nicht gelesen werden.

 

Hier setzt dann auch die VerfO auf und regelt im Detail zwei unterschiedliche Kon­stellationen, wie bereits weiter oben ausgeführt. Zum einen nämlich den Umstand, dass es einer Nutzenbewertung nicht bedarf, wenn die Monowirkstoffe in ihrem Anwendungsbereich jeweils identisch sind mit dem Anwendungsbereich der Wirkstoffkombination (siehe Trimbow® in der Indikation COPD); zum anderen ist der Umstand geregelt, dass es zu einer Nutzenbewertung kommt, wenn zu der bereits zugelassenen Wirkstoffkombination ein Anwendungsgebiet hinzutritt, bei dem die Monowirkstoffe in ihren Anwendungsbereichen nicht oder nicht vollständig identisch sind mit dem Anwendungsbereich der Wirkstoffkombination (siehe Trimbow® in der Indikation Asthma Bronchiale).

 

Der Senat vermag nicht zu erkennen, warum sich die VerfO hier nicht im Rahmen der AM-NutzenV bewegen sollte. Es wäre auch überraschend, wenn die AM-NutzenV das in der VerfO entwickelte System der Nutzenbewertung insoweit nicht decken sollte, denn die vom GBA getroffenen Regelungen spiegeln Sinn und Zweck der Nutzenbewertung, wie sie mit der Einführung von § 35a SGB V vom Gesetzgeber intendiert waren. So erscheint es zweifellos sachgerecht und konsequent, eine Wirkstoffkombination, die in ihrem Anwendungsgebiet nicht vollständig identisch ist mit den Anwendungsgebieten der beinhalteten Monowirkstoffe, der Nutzenbewertung zu unterziehen, denn die Wirkstoffkombination ist insoweit innovativ, hat neue Qualität und ihre Wirkungen sind in der medizinischen Wissenschaft nicht allgemein bekannt (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 AM-NutzenV), so dass der Grundgedanke des § 35a Abs. 1 Satz 1 SGB V greift. Außerdem dienen die im Verfahren der Nutzenbewertung gewonnenen Erkenntnisse der Bewertung der allgemeinen Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung mit dem entsprechenden Arzneimittel (vgl. Beck in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl, § 35a SGB V [Stand: 01.04.2012)] Rdnr. 13), was z.B. in Bezug auf Trimbow® in der Indikation Asthma Bronchiale unbedingt sachgerecht erscheint.

 

2. Zur mit dem AMNOG eingeführten Grundlagennorm § 35a SGB V hat die Klägerin keine verfassungsrechtlichen Rügen erhoben. Der Senat sieht insoweit auch kein verfassungsrechtliches Problem, insbesondere bezogen auf Art. 12 Abs. 1 GG. Regelungen der Berufsausübung sind regelmäßig durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls – wie die Sicherung der finanziellen Stabilität der GKV – gerechtfertigt (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 28. März 2019, B 3 KR 2/18 R [Constella], zitiert nach juris, dort Rdnr. 62 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts; s.a. Urteil vom 12. August 2021, B 3 KR 3/20 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 55 [Dimethylfumarat]). Die Nutzenbewertung nach § 35a SGB V und die nutzenorientierte Preisregulierung nach § 130b SGB V stellen ein verhältnismäßiges Mittel zur Erreichung dieses Ziels dar.

 

3. Gegen die in der AM-NutzenV enthaltenen und oben zitierten Regelungen hat die Klägerin nichts weiter eingewendet. Auch insoweit drängen sich dem Senat im entscheidungserheblichen Kontext keine durchgreifenden Bedenken unter dem Blickwinkel eines Verstoßes gegen höherrangiges Gesetzesrecht auf. Insbesondere dürften sich die heranzuziehenden Regelungen der AM-NutzenV im Rahmen der Ermächtigung in § 35a Abs. 1 Satz 7 SGB V halten; dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Krankenkassen bereits nach § 12 Abs. 1 SGB V keine dem Wirtschaftlichkeitsgebot widersprechenden Leistungen übernehmen dürfen (vgl. Bundessozialgericht, a.a.O., Rdnr. 61).

 

IV. Die Nutzenbewertung von Trimbow® in der Indikation Asthma Bronchiale führt auch nicht zu den von der Klägerin befürchteten „Verwerfungen im Gesamtkonzept des AMNOG“, ganz unabhängig von der Frage, wo genau eine Rechtswidrigkeit der Nutzenbewertung hier dogmatisch abgeleitet werden soll.

 

1. Allerdings ist damit der Aspekt angesprochen, der dem Fall sein spezielles Gepräge gibt: Trimbow® ist nur im Anwendungsgebiet Asthma Bronchiale nutzenbewertet (mit dem Ergebnis „ohne Zusatznutzen“) und unterliegt damit der Vereinbarung eines Erstattungsbetrages nach § 130b SGB V. Dieser Erstattungsbetrag gilt aber grundsätzlich auch für dasjenige Anwendungsgebiet von Trimbow®, das aus rechtlichen Gründen nicht der Nutzenbewertung unterlag (COPD). Dem liegt zugrunde:

 

Nach dem Recht der EU werden Arzneimittel auch bei mehreren Anwendungsgebieten eines Wirkstoffs regelmäßig unter einem einheitlichen Namen mit einer einheitlichen Genehmigung zugelassen (siehe hierzu schon weiter oben D.II.; vgl. Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel, ABl. L 311 vom 28. November 2001, S. 67; Art. 6 Abs. 1 Satz 3, Art. 82 Abs. 1 Satz 1 EGV Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur, ABl. L 136/1 vom 30. April 2004). Das deutsche Arzneimittelpreisrecht sieht daran anknüpfend in § 78 Abs. 2 Satz 2 AMG für apothekenpflichtige, zulasten der GKV abgegebene Arzneimittel grundsätzlich einheitliche Abgabepreise vor, und zwar auch bei einer Zulassung für verschiedene Indikationen. Dies gilt auch für die nach § 130b SGB V zu vereinbarenden bzw. durch die Schiedsstelle festzusetzenden Erstattungsbeträge (§ 78 Abs. 3a AMG seit Inkrafttreten des AMNOG m.W.v. 1. Januar 2011). Daher darf für „ein (apothekenpflichtiges) Arzneimittel“ grundsätzlich auch nur „ein Preis“ existieren (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 4. Juli 2018, B 3 KR 20/17 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 25 [Albiglutid]).

 

Das Dogma des einheitlichen Apothekenabgabepreises kann in der vorliegenden Konstellation der „Teilnutzenbewertung“ ein Ungleichgewicht erzeugen, denn nach    § 130b Abs. 1 Satz 1 wird der Erstattungsbetrag vereinbart „auf Grundlage des Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Nutzenbewertung“, der in der Konstellation von Trimbow® aber nur ein Anwendungsgebiet von zweien erfasst. Im Ergebnis greift der für Trimbow® vereinbarte Erstattungsbetrag wirtschaftlich also auch für dasjenige Anwendungsgebiet (COPD), für das keine Nutzenbewertung durchgeführt worden ist.  

 

Allerdings sieht der Senat hierin keinen Grund, die Nutzenbewertung, die für Trimbow® in der Indikation Asthma Bronchiale durchgeführt worden ist, für rechtswidrig zu halten. Im Gegenteil spricht aus den oben genannten Gründen alles für die Rechtmäßigkeit der vorliegend allein streitgegenständlichen Nutzenbewertung und darüber hinaus auch für ihre Sinnhaftigkeit und Zweckmäßigkeit, gemessen an den Intentionen des AMNOG.

 

Der Umstand der „Teilnutzenbewertung“ nach hinzugetretenem Anwendungsgebiet findet zur Überzeugung des Senats seine adäquate und rechtmäßige Fortsetzung auf Ebene der Preisbildung, die, wie gezeigt, einheitlich zu erfolgen hat. Die Preisbildung erfolgt auch im Falle der „Teilnutzenbewertung“ im Sinne von § 130b Abs. 1 Satz 1 SGB V auf der Grundlage der Entscheidung zur Nutzenbewertung, wobei diese allerdings im Rahmen der Vereinbarung des Erstattungsbetrages nur eine von mehreren Koordinaten darstellen wird. Denn in die Preisverhandlungen ist auch einzustellen, dass der Wirkstoff für ein weiteres, nicht von der Nutzenbewertung erfasstes Anwendungsgebiet zugelassen ist. Genau dies ist der Klägerin und dem Beigeladenen im Falle von Trimbow® offenbar auch im gegenseitigen Einvernehmen im Zuge ihrer Vertragsgestaltungsfreiheit gelungen (vgl. dazu Urteil des Bundessozialgerichts vom 12. August 2021, B 3 KR 3/20 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 39), was der Abschluss der Vereinbarung über den Erstattungsbetrag im März 2022 zeigt.

 

Damit kann es in den Fällen der „Teilnutzenbewertung“ im Zuge der Preisbildung zu einer Mischkalkulation kommen. Das Bundessozialgericht hat am 4. Juli 2018 ausdrücklich entschieden, dass der Gesetzgeber die Vereinbarung bzw. Festsetzung von Erstattungsbeträgen auf der Basis einer Mischkalkulation nicht ausgeschlossen habe (B 3 KR 20/17 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 28 [Albiglutid]; siehe auch das Urteil vom selben Tage, B 3 KR 21/17 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 22 [Idelalisib/Rituximab]). Zwar bezogen sich diese Entscheidungen nur auf die Konstellation, dass eine Nutzenbewertung in Bezug auf verschiedene Patientengruppen bzw. Anwendungsgebiete durchgeführt wurde und es hier zu verschiedenen Ergebnissen im Hinblick auf den Zusatznutzen kam. Der Senat hält den Gedanken der statthaften Mischpreisbildung aber für auf die vorliegende Konstellation übertragbar und sieht sich dabei, wie bereits ausgeführt, auch empirisch bestätigt durch die im vorliegenden Fall konsensual abgeschlossene Vereinbarung über den Erstattungsbetrag, auf die sich weder Klägerin noch Beigeladener eingelassen hätten, wenn sie unbillige Ergebnisse nach sich gezogen hätte. Die Praxistauglichkeit der Mischpreisbildung, auf die sich gerade im Zuge der umstrittenen Entscheidungen des Senats zu dieser Fragestellung (Urteile vom 28. Juni 2017, L 9 KR 213/16 KL [Albiglutid] und L 9 KR 72/16 KL [Idelalisib/Rituximab]) viele pharmazeutische Unternehmer berufen hatten, belegt damit die Übertragbarkeit der o.g. Rechtsprechung des 3. Senats des Bundessozialgerichts auf die vorliegende Konstellation. Die Gesamtbetrachtung führt auch hier zu einem Ausgleich, der als Ergebnis einer Rechenoperation sowohl für die Krankenkassen als auch für den pharmazeutischen Unternehmer wirtschaftlich angemessen ist, wenn die Verteilung des Arzneimittels auf die verschiedenen Anwendungsgebiete bzw. auf die erwarteten Verordnungsmengen adäquat berücksichtigt wird (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 4. Juli 2018, B 3 KR 20/17 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 33 [Albiglutid]). Dies herbeizuführen hatte auch die Klägerin in der Hand; die Vereinbarung eines wirtschaftlichen Preises sichert ihr als pharmazeutischer Unternehmerin den Zugang zu dem großen Absatzmarkt in der GKV, den sie maßgeblich und aktiv durch das Verhandlungsverfahren mitgestalten kann (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 12. August 2021, B 3 KR 3/20 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 56 [Dimethylfumarat] unter Hinweis auf Armbruster in Eichenhofer/v. Koppenfels-Spies/Wenner, 3. Aufl. 2018, SGB V, § 130b Rdnr. 48). Haben auf der anderen Seite wettbewerbliche Verhandlungen des Abgabepreises zur Folge, dass pharmazeutische Unternehmer das wirtschaftliche Interesse verlieren, ein Arzneimittel zu produzieren, das mit dem geltenden Erstattungsbetrag nicht gewinnbringend vermarktet werden kann, so kann dies den Verlust eines gegebenenfalls versorgungspolitisch nicht irrelevanten Arzneimittels zur Behandlung von Patienten auf dem Arzneimittelmarkt bedeuten; dieses Versorgungsrisiko muss der GKV-Spitzenverband im Rahmen seiner Preisverhandlungen einkalkulieren (vgl. Bundessozialgericht, a.a.O., Rdnr. 58).

 

2. Unabhängig von alledem erscheinen die von der Klägerin befürchteten „Verwerfungen im Gesamtkonzept des AMNOG“ nach dem Erkenntnisstand, den der Senat dem Schriftsatz des Beigeladenen vom 20. April 2023 zu verdanken hat, auch nur zielgerichtet konstruiert. Denn es ist der Klägerin gelungen, Trimbow® in der Indikation COPD dem faktisch einheitlichen Erstattungsbetrag zu entziehen, indem es einen neuen Handelsnamen vergeben, die Wirkstoffkombination äußerst geringfügig verändert (88µg Beclometason statt zuvor 87µg), eine andere Darreichungsform (Pulver) und einen anderen Inhalator (NEXThaler) gewählt hat. Infolgedessen greift hier nicht der einheitliche Apothekenabgabepreis in Höhe des vereinbarten Erstattungsbetrages, sondern der Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers, der grundsätzlich höher sein dürfte. Vor diesem Hintergrund steht die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit des gesamtem vorliegenden Klageverfahrens in Frage, denn obwohl Trimbow® in der Indikation COPD aufgrund der genannten Modifikationen nicht dem vereinbarten Erstattungsbetrag unterliegt, gibt die Klägerin Trimbow® auch für diese Indikation zu dem Betrag von 67,81 Euro ab. Dieser Preis ist frei gewählt und entspricht dem Erstattungsbetrag von Trimbow® in der Indikation Asthma Bronchiale. 

 

E. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 und 162 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung. Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.

Rechtskraft
Aus
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