L 13 AS 477/21

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Bremen (NSB)
Aktenzeichen
S 22 AS 2577/18
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 13 AS 477/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

 

Die Urteile des Sozialgerichts Bremen vom 25. Oktober 2021 werden aufgehoben.

 

            Die Klagen werden abgewiesen.

 

            Kosten sind nicht zu erstatten.

 

            Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich in sechs zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Verfahren gegen die Rücknahme von Leistungsbewilligungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeiträume von Januar bis März 2014, April bis September 2014, Oktober 2014 bis März 2015, April 2015 bis März 2016, April bis September 2016 sowie März 2017 und hieraus resultierende Erstattungsforderungen in Höhe von insgesamt 29.211,24 €. Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob in den Streitzeiträumen eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft mit dem Mitbewohner N. (im Folgenden: H) bestand.

 

Die im laufenden Leistungsbezug nach dem SGB II stehende, 1989 geborene Klägerin bezog mit ihren 2007 und 2011 geborenen Kindern und dem 1988 geborenen H zum 1. Januar 2014 ein Reihenhaus unter der Anschrift O. P., Q.. Dieses Objekt hatte H von den Eigentümern, der Zeugin R. und ihrem Ehemann, angemietet. Bei dem Beklagten legte die Klägerin einen Mietvertrag vor, welcher sie als Mieterin und H als Vermieter auswies, wobei als Adresse des H angegeben wurde: S. T., U.. Tatsächlich war H zum Zeitpunkt des angegebenen Mietvertragsschlusses (11. Oktober 2013) bei der Mutter der Klägerin (V. W., X.) gemeldet. Unter dieser Adresse hatte er auch den Mietvertrag mit den Hauseigentümern R. geschlossen. Die Bruttowarmmiete betrug nach dem bei dem Beklagten vorgelegten Mietvertrag 614 € und war auf ein Konto des H bei der Sparkasse Y. zu zahlen. Mit Schreiben vom 9. November 2013 wandte sich H an den Beklagten und bat darum, die vereinbarte Kaution in Höhe von 1.200 € direkt auf sein Konto zu zahlen. Der Beklagte bewilligte der Klägerin ein entsprechendes Darlehen und zahlte den Betrag auf das Konto des H. In ihrem am 5. März 2014 eingegangenen Weiterbewilligungsantrag gab die Klägerin an, dass in ihrem Haushalt zwei weitere Personen lebten. Den Umstand, dass neben den beiden Kindern auch H in dem Haus wohnte, verschwieg sie. Der Beklagte bewilligte der Klägerin und den Kindern in der Folgezeit Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung des in dem vorgelegten Mietvertrag ausgewiesenen Bedarfs für Unterkunft und Heizung in Höhe von 614 € monatlich. Ferner berücksichtigte er einen Mehrbedarf für Alleinerziehende und entrichtete für die Klägerin Pflichtbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Einen Vorläufigkeitsvorbehalt enthielten die hier streitbefangenen Bescheide nicht. Die Klägerin hatte mit ihren Unterschriften unter den Weiterbewilligungsanträgen die Richtigkeit ihrer Angaben bestätigt und sie war darüber belehrt worden, dass unrichtige und unvollständige Angaben zu einem Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren führen können.

 

Mit Schreiben vom 22. September 2016 wandte sich H, welcher sich zum 31. März 2014 in den O. P., Q., umgemeldet hatte, erneut unter der Anschrift S. T., U., an den Beklagten und teilte mit, dass die Klägerin ihn wegen einer von dem Beklagten angeforderten Betriebskostenabrechnung angesprochen habe. Soweit in dem Mietvertrag Vorauszahlungen auf die Betriebskosten vorgesehen seien, handele es sich um einen Fehler. Da andere Mietobjekte in der Vergangenheit so vermietet worden seien, sei das Kreuz „nach System automatisch gesetzt“ worden. Es sei allerdings mit der Klägerin mündlich vereinbart, dass die Betriebskosten als Pauschale gezahlt würden, um „jegliche Aus- und Nachzahlungskomplikationen zwischen Mieter und Vermieter zu vermeiden.“

 

Im September 2015 und im Juli 2016 erschienen in der örtlichen Presse Zeitungsartikel über die namentlich genannte Klägerin, die sich als alleinerziehende Mutter von zwei Kindern trotz mangelnder Unterstützung durch das G. eine Weiterbildung in ihrem Traumberuf als Mediengestalterin erkämpft habe, diese Weiterbildung jetzt aber wegen eines fehlenden Hortplatzes für ihren Sohn womöglich abbrechen müsse.

 

Anfang November 2016 ging bei dem Beklagten ein an das Amt Z. adressiertes anonymes Schreiben vom 20. Oktober 2016 ein, in dem es heißt, dass es sich bei der in den Zeitungsartikeln genannten Person um eine Sozialbetrügerin handele. Diese bewohne mit ihrem Lebensgefährten und ihren beiden Kindern bereits seit Jahren ein Reihenhaus im O.. Es handele sich nicht um eine Wohngemeinschaft, sondern um eine Partnerschaft. Der Außendienst des Beklagten führte daraufhin am 8. Februar 2017 einen Hausbesuch durch. Es wurde festgestellt, dass am Briefkasten die Namen der Klägerin und des H angebracht waren. Hierzu erklärte die vor Ort angetroffene Klägerin, dass sie das Haus mit ihren beiden Kindern bewohne und der Briefkasten auch mit dem Namen ihres Vermieters beschriftet sei, damit für ihn bestimmte Post des Energieversorgers ihn erreichen könne. Der Vermieter wohne in AA. und wolle das Haus jetzt verkaufen. Sie – die Klägerin - ziehe daher zum 1. März 2017 in ein anderes Haus des Vermieters um, welches sie sich mit einem Mitbewohner teilen werde. Weiter erklärte die Klägerin ausweislich des Berichts, dass sie den PKW des Vermieters nutzen könne, da dieser über einen Firmenwagen verfüge. Angesprochen auf in der Wohnung vorhandene Hygieneartikel und Kleidung für Männer gab die Klägerin an, dass diese von ihrem 10jährigen Sohn und ihrem Bruder genutzt würden. Eine Lebensgemeinschaft mit dem Vermieter bestehe nicht, sie sei Single.

 

Die Klägerin hatte sich zuvor wegen des geplanten Umzugs an den Beklagten gewandt und per Mail vom 31. Oktober 2016 mitgeteilt, dass ihr Vermieter die Immobilie verkaufen wolle und sie daher in nicht allzu ferner Zukunft umziehen müsse. Sie habe mit ihrem Vermieter gesprochen und dieser würde ihr Wohnräume zu denselben Konditionen in AB. anbieten. Er habe auch noch andere Wohnungen in Y., diese seien aber nach seinen Angaben belegt. Es komme aber auf den Käufer ihrer Wohnung an, ob sie überhaupt ausziehen müsse. In einem mit Datum vom 26. Januar 2017 ausgefüllten Laufzettel gab die Klägerin an, dass ihre jetzige Wohnung verkauft werde und ihr Vermieter ihr eine andere Wohnung in demselben Stadtbezirk angeboten habe. Mit der Miete sei der Vermieter ihr entgegengekommen. Beigefügt war ein Mietangebot des H (Adresse: AC. T., AD.) über ein Haus in der C. D., Q. zu einer monatlichen Gesamtmiete von 664 € ab dem 1. März 2017. Entsprechende Angaben enthielt auch der nachfolgend bei dem Beklagten eingereichte Formularmietvertrag vom 3. Februar 2017, welcher zur Grundlage für die Leistungsgewährung des Beklagten wurde. Die Klägerin zog in die neue Wohnung wiederum mit H ein, welcher sich zum 1. April 2017 bei der Meldebehörde ummeldete. In Unkenntnis dieses Umstandes gewährte der Beklagte der Klägerin und ihren Kindern weiterhin Leistungen nach dem SGB II.

 

Im Januar 2018 ging bei dem Beklagten erneut eine anonyme Anzeige ein, in der es heißt, dass die Klägerin seit mehreren Jahren in einer eheähnlichen Gemeinschaft mit H lebe. Seit Ende 2013 hätten sie im O. P., Q. zusammengewohnt und aktuell in der C. D., Q.. Die Klägerin und H gäben auch gegenüber Dritten, z. B. Nachbarn, an, ein Paar zu sein. Es liege wohl ein langjähriger Leistungsmissbrauch vor, weil H arbeiten gehe und Einkommen erziele.

 

In einem Aktenvermerk über einen nachfolgenden Kontakt mit der Anzeigeerstatterin, der Zeugin R., sind folgende Auszüge aus Facebook und aus einem WhatsApp-Chat der Anzeigeerstatterin dokumentiert:

- Bild - 

Außerdem gelangte ein anwaltlicher Schriftsatz vom 4. Oktober 2017 aus einem vor dem Amtsgericht Bremen geführten Mietrechtsstreit zwischen H und dessen früheren Vermietern R. (Az. 23 C 60/17) zur Akte. In diesem Schriftsatz ließ H die Klägerin als Zeugin benennen und vortragen, dass es sich bei ihr um seine Lebensgefährtin handele, mit welcher er zusammen in der betreffenden Wohnung gewohnt habe (Schriftsatz vom 4. Oktober 2017). Die Zeugin R. stellte dem Beklagten ferner eine ihr von H bei Anmietung vorgelegte Lohnabrechnung für Oktober 2013 zur Verfügung, aus der sich ein Nettoverdienst von 1.556,54 € ergab.Bild entfernt.

 

Zur Klärung der Angelegenheit sprach die Klägerin auf Einladung des Beklagten am 23. April 2018 persönlich vor. Der ebenfalls geladene H hatte zuvor telefonisch mitgeteilt, berufsbedingt nicht erscheinen zu können. Nach dem Gesprächsvermerk des Beklagten erklärte die Klägerin, dass zu keinem Zeitpunkt eine eheähnliche Gemeinschaft mit H bestanden habe. Es habe sich um eine Wohngemeinschaft gehandelt, dies sei dem Beklagten bekannt. Der Klägerin wurde erklärt, dass für die Prüfung des Leistungsanspruchs Einkommensnachweise des H seit August 2011 benötigt würden. Die Klägerin habe sich zur Mitwirkung bereit gezeigt und wolle die Angelegenheit mit H besprechen. In dem Vermerk wird abschließend die Einschätzung geäußert, dass der Verdacht auf Leistungsbetrug nicht habe ausgeräumt werden können. Die Klägerin habe in der Sache praktisch keine Angaben gemacht, die über die Verneinung einer eheähnlichen Gemeinschaft hinausgingen.

 

Per Mail vom 25. April 2018 teilte die Klägerin mit, dass H bereit sei, seine Einkommensnachweise zur Verfügung zu stellen. Er müsse diese aber noch bei seinem aktuellen Arbeitgeber anfordern, auch habe er mitgeteilt, dass dem Arbeitsamt Einkommensnachweise vorlägen.

 

Am Folgetag suchte die Klägerin bei dem Sozialgericht (SG) Bremen hinsichtlich einer zwischenzeitlich erfolgten Leistungseinstellung um Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach und trug vor, dass sie mit ihrem Mitbewohner keine eheähnliche Beziehung führe und auch nie geführt habe. Sie lebten seit 2014 in einer Wohngemeinschaft zusammen. Das SG wertete dies in seinem ablehnenden Beschluss vom 14. Mai 2018 (S 16 AS 839/18 ER) als Schutzbehauptung. Aus den Facebook-Einträgen gehe deutlich hervor, dass die Klägerin mit H eine partnerschaftliche Beziehung führe. Die dagegen eingelegte Beschwerde nahm die Klägerin zurück.

 

Unter Bezugnahme auf die Einschätzung des SG hörte der Beklagte die Klägerin, auch in ihrer Eigenschaft als gesetzliche Vertreterin der Kinder, mit Schreiben vom 25. Mai, 1. Juni, 15. Juni, 22. Juni, 29. Juni, 27. Juli, 3. August und 24. September 2018 zu einer vollständigen Rücknahme der Leistungsbewilligungen für den Zeitraum von Januar 2014 bis April 2018 und die Erstattung überzahlter Leistungen (insgesamt 43.981,44 €) an. Die Klägerin habe in der Vergangenheit falsche Angaben gemacht und jetzt nichts zur Aufklärung beigetragen. Die für die Prüfung der Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft erforderlichen Nachweise über das Einkommen des Partners seien trotz wiederholter Aufforderungen nicht eingereicht worden. Die Leistungsbewilligungen seien zurückzunehmen, da die Klägerin diese durch arglistige Täuschung erwirkt habe. Die überzahlten Leistungen unter Einschluss der gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung seien zu erstatten.

 

Nachdem eine Äußerung der Klägerin nicht eingegangen war, erteilte der Beklagte die angekündigten Rücknahme- und Erstattungsbescheide, wobei er sämtliche für die jeweiligen Bewilligungszeiträume erteilten Bewilligungs- und Änderungsbescheide unter Aufführung der einzelnen Bescheiddaten gestützt auf § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i. V. m. § 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) vollständig zurücknahm und die Klägerin und deren Kinder zur Erstattung der gezahlten Leistungen und der von ihm getragenen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, jeweils in voller Höhe, aufforderte.

 

Gegenstand der vorliegenden, zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen sechs Berufungsverfahren sind dabei – nach erstinstanzlich erfolgter Teilerledigung – noch die folgenden Bescheide:

 

Datum des

Rücknahme- u.

Erstattungs-bescheides

Bewilligungszeitraum

Erstattungssumme

für die Klägerin

(einschl. Kranken-

u. Pflegeversicherungsbeiträge)

Erstinstanzliches Aktenzeichen

17. August 2018

März 2017

891,57

S 22 AS 2575/18

24. August 2018

April – Sept. 2016

5.155,74

S 22 AS 2576/18

31. August 2018

April 2015 – März 2016

10.832,22

S 22 AS 2578/18

7. September 2018

Okt. 2014 – März 2015

5.448,81

S 22 AS 2577/18

18. September 2018

April – Sept. 2014

5.394,60

S 22 AS 2579/18

5. April 2019

Januar – März 2014

1.488,30

S 22 AS 1376/19

 

Die Klägerin legte u. a. gegen diese Bescheide Widersprüche ein, die sie nicht begründete. Mit Widerspruchsbescheiden vom 30. November 2018 bzw. 21. Juni 2019 (Bescheid vom 5. April 2019) wies der Beklagte die Widersprüche zurück und führte zur Begründung aus, dass nach den getroffenen Feststellungen neben der Klägerin und den Kindern auch H in der Bedarfsgemeinschaft gelebt habe. Dieser habe Einkommen erzielt, wodurch die bisher angenommene Hilfebedürftigkeit entfallen sei. Die Klägerin habe die Leistungsbewilligungen durch arglistige Täuschung und falsche Angaben erwirkt und könne sich mithin auf Vertrauensschutz nicht berufen. Die Leistungsbewilligungen seien daher in vollem Umfang zurückzunehmen, so dass die gewährten Leistungen zu erstatten seien.

 

Die Klägerin hat am 3. Januar 2019 (Widerspruchsbescheide vom 30. November 2018) und am 17. Juli 2019 (Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2019) im eigenen Namen - nicht auch im Namen der Kinder – Klagen erhoben. Die Behauptungen des Beklagten seien rein spekulativ und entbehrten jeder Grundlage. Es sei bereits fraglich, ob die privaten Daten einer fremden Person herangezogen werden dürften. Jedenfalls führe sie keine eheähnliche Beziehung mit H. Dieser sei seit 2014 ihr Mitbewohner. Sie hätten getrennte Kassen und eine getrennte Haushaltsführung. Die Posts auf Facebook erklärten sich so, dass H häufig wechselnde Partnerschaften habe. Mit wem er eine Beziehung führe, wisse sie – die Klägerin – nicht. Da H über ein Firmenauto verfüge, könne sie sein Privatauto nutzen. Ihr Bruder übernachte häufiger bei ihr, so dass sich männliche Kleidung in ihrer Wohnung befinde. Sie habe ihre Kinder ausschließlich alleine betreut.

 

Während des Klageverfahrens ist ein Bescheid des Amtes für Soziale Dienste vom 24. Juni 2019 ergangen, mit dem Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz für das Kind AE. wegen fehlender Mitwirkung versagt worden sind, weil die Klägerin einen Gesprächstermin zur Klärung von Fragen hinsichtlich der unbekannten Vaterschaft nicht wahrgenommen habe.

 

Der Beklagte hat in dem Verfahren S 22 AS 2575/18 den angefochtenen Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 17. August 2018, welcher ursprünglich den gesamten Bewilligungszeitraum von Oktober 2016 bis März 2017 betraf, hinsichtlich des Zeitraums von Oktober 2016 bis Februar 2017 aufgehoben. Hintergrund war ein Hinweis des SG, dass für diesen Zeitraum eine vorläufige Leistungsbewilligung vorlag, welche nur im Rahmen einer endgültigen Festsetzung hätte korrigiert werden können. Damit ist in diesem Klageverfahren lediglich die Rücknahme und Erstattung von Leistungen für März 2017, für den mit Änderungsbescheid vom 14. März 2017 eine Bewilligung ohne Vorläufigkeitsvorbehalt erfolgt war, streitig geblieben.

 

In dem Parallelverfahren S 22 AS 2119/18 hat das SG am 25. Mai 2020 einen Erörterungs- und Beweisaufnahmetermin durchgeführt. Die Klägerin hat auf Befragen erklärt, dass sie mit H seit langem befreundet sei, sie aber nie eine Beziehung oder eine Partnerschaft geführt hätten. Zum 1. Januar 2014 sei sie notgedrungen mit H zusammengezogen, nachdem der Beklagte die Erteilung einer Zusicherung zur Übernahme der Kosten für eine andere Wohnung abgelehnt habe. Sie hätten in dem Reihenhaus das Wohnzimmer im Erdgeschoss gemeinsam genutzt und H habe entweder dort (auf einem Schlafsofa) oder auf dem Dachboden geschlafen. Dort habe sich ein großer, noch nicht fertiggestellter Raum ohne Heizung und Fenster befunden, welcher über eine feste Holztreppe erreichbar gewesen sei. Neben zwei Schlafzimmern und einem Badezimmer im Obergeschoss hätte sich im Erdgeschoss noch eine Küche befunden. Ca. 2016/2017 seien sie gemeinsam in ein anderes Reihenhaus umgezogen. Sie sei erneut mit H zusammengezogen, weil es ihr so finanziell möglich gewesen sei, ein eigenes Zimmer zu haben. H habe ihr sein Auto für einen Pauschalbetrag von 100 € monatlich (ohne Benzin) zur Verfügung gestellt. Sie hätten selten gemeinsam gekocht und gegessen und sie habe grundsätzlich nur für sich und ihre Kinder eingekauft. Im Rahmen der Wohngemeinschaft benötigte Artikel wie Putzmittel habe sie mitgekauft und diese mit H abgerechnet. Es habe keine Haushaltskasse gegeben. Eine Trennung der Fächer im Kühlschrank sei nicht erfolgt. Die Reinigung der Gemeinschaftsräume sei gemeinsam abgesprochen worden. Sie habe mit H einen Untermietvertrag geschlossen, ihm ihren Mietanteil überwiesen und er habe die Gesamtmiete nach ihrer Kenntnis an die Vermieterin überwiesen. Finanzielle Zuwendungen habe sie von H nicht erhalten. Dieser sei auch nicht der Vater der Kinder. Auch hätten sie gegenüber der Zeugin R. bei Anmietung des Hauses nicht angegeben, dass sie ein Paar seien. Die anderslautende Aussage der Zeugin R. sei womöglich darauf zurückzuführen, dass diese einen Mietrechtsstreit mit H verloren habe. Der Facebook-Eintrag zu den Sommerreifen und dem bevorstehenden Urlaub beziehe sich nur darauf, dass sie mit H das Auto gewaschen und poliert habe, nicht aber darauf, dass sie gemeinsam in den Urlaub gefahren seien. Bei den in dem weiteren Eintrag erwähnten drei wichtigsten Personen im Leben des H handele es sich vermutlich um die Schwester, die Nichte und weitere Verwandte. Genaue Kenntnis darüber habe sie nicht. Sie sei nie mit H in Urlaub gefahren, sondern sie hätten lediglich einmal einen Gruppen-Tagesausflug im Rahmen der bestehenden Freundschaft absolviert. Den Facebook-Eintrag „im neuen Haus (…) den Abend mit meiner Traumfrau genießen“ könne sie sich nicht erklären, hierzu müsste H befragt werden.

 

Der als Zeuge geladene H hat sich im Hinblick auf ein laufendes Strafverfahren auf ein Aussageverweigerungsrecht nach § 384 Zivilprozessordnung (ZPO) berufen. Der Bruder der Klägerin (AF.) und die Kinder der Klägerin haben die Aussage ebenfalls verweigert.

 

Im Termin zur mündlichen Verhandlung haben der Bruder der Klägerin und H erneut die Aussage verweigert. Die Mutter der Klägerin ist unentschuldigt nicht erschienen. Die Klägerin ist nochmals persönlich gehört worden. Sie hat im Wesentlichen ihren Vortrag aus dem Erörterungstermin wiederholt und vertieft. Sie hat ferner erklärt, dass sie weiterhin mit H im Rahmen einer Wohngemeinschaft zusammenwohne, einen festen Partner habe sie weder vor noch nach dem Zusammenzug mit H gehabt. In dem jetzt bewohnten Reihenhaus in der C. habe H sein Zimmer im Keller bzw. Souterrain. Im Erdgeschoss befinde sich ein Gemeinschaftszimmer. Es sei weiterhin so, dass jeder für sich separat einkaufe und koche und jeder finanziell eigenständig sei. Zu dem Facebook-Eintrag hinsichtlich des Familienausflugs hat die Klägerin erklärt, dass sie damals in einer größeren Gruppe, u. a. mit der Schwester und der Nichte von H, im Tierpark gewesen seien. Den Eintrag zu den drei wichtigsten Personen könne sie sich nur so erklären, dass H seine Schwester und seine Nichte gemeint habe. Die dritte Person könnte der Schwager gewesen sein. Zu dem WhatsApp-Chat hat sie erklärt, dass sie nie die Absicht gehabt habe, das Haus der Zeugin R. zu erwerben. Sie könne sich auch nicht erklären, wie H darauf gekommen sei. Soweit sie bei dem Hausbesuch H als ihren Vermieter bezeichnet habe, sei dies nicht ganz richtig gewesen. Korrekter wäre die Bezeichnung als Mitbewohner gewesen. Sie habe damals wegen einer Prüfung andere Sachen im Kopf gehabt und auch befürchtet, dass der Beklagte gleich eine Lebensgemeinschaft annehme.

 

Die Zeugin R. hat ausgesagt, dass sie bei Anmietung der Wohnung den Eindruck gehabt habe, dass die Klägerin und H ein Paar seien. Beide hätten Händchen gehalten. H habe bei Vertragsunterzeichnung erklärt, dass der Mietvertrag über ihn laufen solle. Dieser habe seinerzeit als Gas- und Wasserinstallateur gearbeitet und sie habe sich die Gehaltsnachweise auch zeigen lassen. Sie – die Zeugin – habe die beiden u. a. auch deswegen als Paar wahrgenommen, weil – wie sie beobachtet habe – H öfter die Kinder von der Schule abgeholt habe. Im Rahmen einer Wohnungsbesichtigung mit Mietinteresssenten habe sie im Schlafzimmer ein Doppelbett (Ehebett) gesehen. Auf dem Dachboden habe sich überwiegend Gerümpel befunden und H habe ihr gegenüber erklärt, dass man dort wegen des fehlenden Fensters nicht schlafen könne und der Dachboden für die Kinder ausgebaut werden solle. Sie erinnere sich, dass die Klägerin und H schon vorher in der V. zusammengelebt hätten.

 

Die Zeugin AG. (jetziger Nachname nach Eheschließung: AH.), die die Klägerin nach eigenem Bekunden aus der gemeinsamen Ausbildungszeit kennt, hat ausgesagt, dass sie sich im Rahmen der Ausbildung auch privat getroffen und sich angefreundet hätten. H habe sie erst 2018 „wirklich kennengelernt“. Sie sei nur in der Wohnung in der C. gewesen, nicht auch in der vorherigen Wohnung. In der jetzigen Wohnung habe die Klägerin ihr Zimmer auf dem Dachboden und im Keller lebe H. Die Treffen hätten meistens im Wohnzimmer stattgefunden. Nach ihren Informationen seien H und die Klägerin nie ein Paar gewesen und sie hätten auch keine Beziehung. Sie seien Freunde und lebten in einer Wohngemeinschaft zusammen.

 

Mit Urteilen vom 25. Oktober 2021 hat das SG u. a. in den sechs vorliegenden Verfahren den Klagen stattgegeben und die angefochtenen Rücknahme- und Erstattungsbescheide in der Gestalt der zugehörigen Widerspruchsbescheide aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass unter Würdigung aller Umstände nicht positiv festgestellt werden könne, dass die Klägerin und H Partner i. S. des § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II seien. Zwar sei das Gericht davon überzeugt, dass die Klägerin den Beklagten planvoll darüber getäuscht habe, dass H nicht nur ihr Vermieter sei, sondern auch mit ihr zusammenwohne. Die irreführenden Angaben in den Anträgen, die unzutreffenden Angaben in den Mietverträgen zu der Anschrift von H und die Lügen der Klägerin im Rahmen des Hausbesuchs sprächen dafür. Für die Überzeugung vom Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft reiche dies jedoch nicht aus. Dem Gericht sei nämlich unklar geblieben, ob die Klägerin nicht lediglich eine Prüfung des Beklagten und eine etwaige Leistungseinstellung habe vermeiden wollen. Auch sei das Gericht davon überzeugt, dass die Klägerin die Zeugin R. über ihre Lebensumstände habe täuschen wollen, um das Haus anmieten zu können. Die Facebook-Einträge seien nicht so eindeutig, dass sie Rückschlüsse zuließen. Zudem könne den Angaben der Klägerin ein Wahrheitsgehalt nicht völlig abgesprochen werden, da die beschriebenen Umstände von den Zeugen teilweise bestätigt worden seien.

 

Gegen die ihm am 8. November 2021 in den Verfahren S 22 AS 2576/18, S 22 AS 2577/18, S 22 AS 2578/18 und S 22 AS 2579/18 zugestellten Urteile hat der Beklagte am 25. November 2021 Berufungen eingelegt, die der Senat mit Beschluss vom 3. März 2022 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat. Die Urteile in den Verfahren S 22 AS 2575/18 und S 22 AS 1376/19 sind dem Beklagten auf dessen Nachfrage erst am 23. September 2022 zugestellt worden. Gegen diese Urteile hat dieser am 19. Oktober 2022 Berufungen eingelegt, die der Senat mit Beschluss vom 14. November 2022 mit den bereits anhängigen Verfahren verbunden hat.

 

Der Beklagte vermag die Beweiswürdigung des SG nicht nachzuvollziehen. Die Facebook-Einträge sprächen für sich und die Erklärungsversuche der Klägerin hierzu seien nicht plausibel. Die Klägerin habe H nicht nur unzutreffend als Vermieter bezeichnet, sondern ganze Geschichten ausgeschmückt, etwa dahingehend, dass ihr „Vermieter“ sein Haus verkaufen wolle und sie dann wahrscheinlich demnächst ausziehen müsse. Die gesamten Umstände deuteten auf eine Bedarfsgemeinschaft hin und auch die Zeugin AG. habe sich lediglich auf „Informationen“ bezogen, die wohl nur von der Klägerin selbst stammen könnten.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Urteile des SG Bremen vom 25. Oktober 2021 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

 

Die Klägerin beantragt,

 

                   die Berufungen zurückzuweisen.

 

Sie hat auf die Berufung schriftsätzlich nicht erwidert und ist auch der mit einer Präklusionsfrist bis zum 25. März 2022 verbundenen Auflage des Berichterstatters nicht nachgekommen, die in den Berufungsbegründungen aufgeworfene Frage nach dem Vater ihrer Tochter AI. zu beantworten und die Namen und die ladungsfähigen Anschriften im Sitzungsprotokoll vom 25. Oktober 2021 erwähnter Personen (Schwester, Schwager und Nichte des Zeugen H, eigene Arbeitskollegen) anzugeben.

 

Zu einem Hinweis des Berichterstatters auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 25. Juni 2015 (B 14 AS 30/14 R) und ein bislang unterbliebenes Auskunftsersuchen nach § 60 Abs. 4 SGB II hat der Beklagte dahingehend Stellung genommen, dass die Klägerin im Verwaltungsverfahren erfolglos aufgefordert worden sei, Einkommensbescheinigungen des H vorzulegen. H habe eine Kopie des entsprechenden Schreibens erhalten und sei gebeten worden, ebenfalls zu dem Termin am 23. April 2018 zu erscheinen. Diesen Termin habe H telefonisch abgesagt und er sei aufgefordert worden, sich schriftlich zu der Angelegenheit zu äußern. Hierin sei die Aufforderung zur Vorlage der Einkommensnachweise zu sehen und dies sei von H auch durchaus so verstanden worden. Die Klägerin habe schließlich telefonisch mitgeteilt, dass H zur Auskunftserteilung nicht bereit sei. Rein vorsorglich sei dennoch jetzt ein Auskunftsverlangen nach § 60 Abs. 4 SGB II an H gerichtet worden. Gegen den entsprechenden Bescheid des Beklagten vom 29. April 2022 hat H mit Schreiben vom 25. Mai 2022 Widerspruch eingelegt und die geforderten Auskünfte verweigert.

 

Im Rahmen eines gegen die Klägerin und H geführten Strafverfahrens wegen Leistungsbetrugs (Az. 120 Js 43894/19 der Staatsanwaltschaft Bremen) ist am 16. August 2019 eine Wohnungsdurchsuchung in der C. D., Q., durchgeführt worden ist. Der Senat hat den Durchsuchungsvermerk der Kriminalpolizei Bremen vom 19. August 2019 und Kopien der angefertigten Lichtbilder beigezogen.

 

Der Senat hat die Zeuginnen AJ. R. und AK. AH. (geb. AG.) erneut vernommen, wobei die Zeugin R. umfangreiche weitere Unterlagen (insbesondere WhatsApp-Chats, Fotos der Wohnräume) zu den Akten gereicht hat. Wegen der Aussagen wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Der ebenfalls als Zeuge geladene H hat die Aussage im Hinblick auf das laufende Strafverfahren erneut verweigert. Auf die Vernehmung der wiederholt nicht erschienenen Zeugin AL. (Mutter der Klägerin) hat der Senat schließlich verzichtet.

 

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

 

Die zulässigen Berufungen des Beklagten sind begründet.

 

Die Berufungen sind fristgerecht eingelegt worden, auch in den Verfahren L 13 AS 242/22 und L 13 AS 243/22, in denen die Urteile dem Beklagten erst am 23. September 2022 zugestellt worden sind.

 

Die Berufungen sind auch begründet. Zu Unrecht hat das SG den Anfechtungsklagen stattgegeben. Die angefochtenen Rücknahme- und Erstattungsbescheide des Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Urteile des SG Bremen vom 25. Oktober 2021 waren daher aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

 

Gegenstand der Berufungsverfahren sind neben den Urteilen des SG Bremen vom 25. Oktober 2021 die Rücknahme- und Erstattungsbescheide des Beklagten vom 17., 24. und 31. August 2018, 7. und 18. September 2018 und 5. April 2019 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 30. November 2018 und 21. Juni 2019, soweit diese Regelungen zu Lasten der Klägerin enthalten. Soweit diese Bescheide auch die Kinder betreffen, sind sie in Ermangelung einer Klageerhebung für die Kinder bestandskräftig geworden.

 

Die Rücknahme- und Erstattungsbescheide des Beklagten sind formell rechtmäßig, insbesondere ist die Klägerin vor Erlass der Bescheide ordnungsgemäß angehört worden (§ 24 SGB X).

 

Die angefochtenen Bescheide sind auch materiell rechtmäßig. Sie sind zunächst hinreichend bestimmt i. S. des § 33 Abs. 1 SGB X, weil aus ihnen klar und unzweideutig hervorgeht, dass der Beklagte die zugunsten der Klägerin in bestimmten Zeiträumen erfolgten Leistungsbewilligungen in bestimmten, näher bezeichneten Bescheiden in vollem Umfang aufhebt (vgl. zu den Anforderungen an die Bestimmtheit von Aufhebungsbescheiden: BSG, Urteile vom 29. November 2012 – B 14 AS 196/11 R – juris Rn. 16 ff. und – B 14 AS 6/12 R – juris Rn. 25 ff.; vom 4. Juni 2014 - B 14 AS 2/13 R - juris Rn. 30 ff.).

 

Rechtsgrundlage für die Rücknahmeentscheidungen des Beklagten ist § 45 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB III und § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II. Danach ist ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit er rechtswidrig ist und der Begünstigte sich in Anwendung von § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X nicht auf sein Vertrauen in den Bestand des Verwaltungsaktes berufen kann.

 

Die Rücknahmeentscheidungen des Beklagten erweisen sich nicht bereits deshalb als rechtswidrig, weil der Beklagte keine ausreichenden Feststellungen zu den Rücknahmevoraussetzungen, namentlich zur Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens des H, getroffen hat. Nach dem Urteil des BSG vom 25. Juni 2015 (B 14 AS 30/14 R) ist das Gericht aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes nicht verpflichtet, bei einer reinen Anfechtungsklage Ermittlungen nachzuholen, die die beklagte Behörde unterlassen hat, um die Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts selbst festzustellen. In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall hatte das G. die Leistungsbewilligung wegen einer von ihm festgestellten Bedarfsgemeinschaft der Leistungsberechtigten mit dem geschiedenen Ehemann aufgehoben, ohne Feststellungen zur Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens zu treffen und insbesondere ohne ein Auskunftsverlangen nach § 60 Abs. 4 S. 1 SGB II gegen den früheren Ehemann einzuleiten. So liegt der Fall hier aber nicht. Insbesondere hat der Beklagte seinen Rücknahmebescheid nicht auf eine bloße Vermutung bedarfsdeckenden Einkommens gestützt. Vielmehr lag ihm eine Lohnabrechnung des H aus Oktober 2013 vor und hieran anknüpfend hatte er die Klägerin aufgefordert, sämtliche Einkommensnachweise seit August 2011 vorzulegen. Nachdem diese Ermittlungen nicht zum Erfolg geführt hatten, hat er seine Rücknahmebescheide darauf gestützt, dass die für die Prüfung der Hilfebedürftigkeit erforderlichen Einkommensnachweise trotz wiederholter Aufforderungen nicht eingereicht worden seien. Insoweit hat der Beklagte zwar vorschnell eine Beweislastentscheidung getroffen, da vor einer solchen Entscheidung ein Auskunftsverlangen nach § 60 Abs. 4 S. 1 SGB II an H zu richten gewesen wäre. Dieses Ermittlungsdefizit führt aber – anders als in dem vom BSG entschiedenen Fall – nicht dazu, dass seitens des Gerichts umfassende Ermittlungen erforderlich wären und der Verwaltungsakt hierdurch einen anderen Wesenskern erhielte, weil der angefochtene Verwaltungsakt – bei einem entsprechenden Ergebnis der Ermittlungen – mit einer wesentlichen anderen Begründung Bestand hätte (vgl. BSG a. a. O. Rn. 24). Vielmehr hat sich der Sachverhalt hinsichtlich des zu berücksichtigenden Partnereinkommens, über welches nur H selbst Auskunft erteilen könnte, im Berufungsverfahren als nicht aufklärbar erwiesen, da H auf das zwischenzeitlich eingeleitete Auskunftsverlangen des Beklagten unmissverständlich deutlich gemacht hat, dass er zur Auskunftserteilung nicht bereit ist. Dementsprechend hat er auch gegenüber dem Senat als Zeuge keine Angaben gemacht. Die Rücknahmebescheide sind bei dieser Sachlage – wie noch auszuführen sein wird – ohne die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen mit ihrer ursprünglichen Begründung aufrechtzuerhalten, nämlich dass in Ermangelung von Einkommensnachweisen die Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft nicht nachgewiesen ist.

 

Bei den Bewilligungsbescheiden, die der Beklagte zurückgenommen hat, handelt es sich um rechtswidrige Verwaltungsakte i. S. des § 45 Abs. 1 SGB X.

 

Leistungen nach dem SGB II kann nach dessen § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 nur beanspruchen, wer hilfebedürftig ist. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen und Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 S. 1 und 2 SGB II). Zur Bedarfsgemeinschaft gehört nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 c) SGB II eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Dieser Wille wird gemäß § 7 Abs. 3a SGB II vermutet, wenn Partner

1. länger als ein Jahr zusammenleben,

2. mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,

3. Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder

4. befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

 

Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 Nr. 3 c) SGB II sind in der Rechtsprechung des BSG dahingehend konkretisiert worden, dass drei Merkmale kumulativ gegeben sein müssen. Bei den fraglichen Personen muss es sich um Partner handeln (1.), die in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft leben (objektive Voraussetzungen, 2.), und zwar so, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (subjektive Voraussetzung, 3.). Der Begriff der "Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft" wird gegenüber der (bloßen) Wohngemeinschaft dadurch gekennzeichnet, dass ihre Mitglieder nicht nur vorübergehend in einer Wohnung leben, sondern einen gemeinsamen Haushalt in der Weise führen, dass sie aus einem "Topf" wirtschaften. Die Prüfung, ob die genannten Voraussetzungen zur Annahme einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft berechtigen, ist durch das Tatsachengericht anhand von Indizien im Wege einer Gesamtwürdigung festzustellen (BSG, Urteile vom 23. August 2012 – B 4 AS 34/12 R – juris Rn. 14 und vom 12. Oktober 2016 – B 4 AS 60/15 R – juris Rn. 24)

 

Von dem Bestehen einer Partnerschaft ist auszugehen, wenn eine gewisse Ausschließlichkeit der Beziehung gegeben ist, die keine vergleichbare Lebensgemeinschaft daneben zulässt. Zudem muss zwischen dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und dem Dritten die grundsätzliche rechtlich zulässige Möglichkeit der Heirat bzw. Begründung einer Lebenspartnerschaft nach dem früheren Lebenspartnergesetz bestehen (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2012 – B 4 AS 34/12 R – juris Rn. 20). Zur vollen Überzeugung des Senats bestand zwischen der Klägerin und H in den streitbefangenen Zeiträumen eine Partnerschaft im vorstehenden Sinne.

 

Die gesamten Angaben der Klägerin zu ihren Wohn- und Lebensverhältnissen und die hierzu vorgelegten, unter Mitwirkung des H erstellten Unterlagen waren ganz offensichtlich auf Verschleierung des wahren Sachverhalts angelegt. Trotz der Unterscheidung in den Antragsvordrucken zwischen Haushaltsangehörigen und Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft gab die Klägerin an keiner Stelle an, dass H mit ihr in einer Wohnung lebte. Mit den eingereichten Unterlagen wie Mietangeboten, -verträgen und –bescheinigungen, in denen jeweils eine falsche Adresse des H angegeben war, wurde gezielt der Eindruck eines tatsächlich nicht bestehenden Hauptmietverhältnisses vermittelt und insbesondere im Zusammenhang mit dem Umzug zum 1. März 2017 machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten umfangreiche und detailreiche Angaben (Verkauf der bisherigen Wohnung durch H, welcher in AA. wohne, mehrere Mietobjekte habe und ihr jetzt eine andere Wohnung angeboten habe), welche frei erfunden waren. Bei dem Hausbesuch am 8. Februar 2017 belog die Klägerin die Mitarbeiter des Beklagten dahingehend, dass H, ihr angeblicher Vermieter, nicht in dem Haus wohne. Ihre Beweggründe hierfür hat die Klägerin weder im Klage- noch im Berufungsverfahren offengelegt.

 

Zur Überzeugung des Senats diente das Täuschungsverhalten der Klägerin und des H nicht lediglich dazu, eine Prüfung der Wohn- und Lebensverhältnisse durch den Beklagten zu unterbinden und Schwierigkeiten bei der Realisierung berechtigter Leistungsansprüche zu vermeiden. Vielmehr bestand zwischen der Klägerin und H tatsächlich keine Wohngemeinschaft, sondern eine eheähnliche Lebensgemeinschaft und das Täuschungsverhalten zielte gerade auf Verdeckung dieses Sachverhalts ab, um auf diese Weise Leistungen nach dem SGB II ohne Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen des H zu erlangen. Für das Bestehen einer Partnerschaft zwischen der Klägerin und H spricht eine Fülle von Indizien. Insbesondere lassen die aus dem Tatbestand ersichtlichen WhatsApp-Nachrichten und Facebook-Einträge entgegen der Einschätzung des SG eindeutige Rückschlüsse zu, wobei die Klägerin die Urheberschaft des H zu keinem Zeitpunkt bestritten hat. Der Eintrag vom 22. Dezember 2013: „Schön im neuem Haus chillen und den Abend mit meiner Traumfrau genießen“ steht im zeitlichen Zusammenhang mit dem Bezug der neuen Wohnung im O. P., welcher zusammen mit der Klägerin erfolgte, so dass die Bezeichnung als Traumfrau sich offenkundig nur auf diese beziehen kann. Eine anderslautende Erklärung hat auch die Klägerin hierzu nicht anbieten können. Dementsprechend sind mit den drei wichtigsten Personen im Leben des H, die er liebe (Eintrag vom 21. Mai 2015), offenkundig die Klägerin und die Kinder als Familie gemeint, wobei die von der Klägerin hierzu vor dem SG abgegebene Erklärung, es seien wohl die Schwester, die Nichte und der Schwager des H gemeint, als abwegig zu bezeichnen ist. Schließlich ist in dem Facebook-Eintrag vom 12. April 2015 eindeutig von einem Urlaub mit „AM.“, also der Klägerin, die Rede, nicht nur von einem gemeinsamen Autowaschen, wie die Klägerin vor dem SG hat glauben machen wollen. Die in dem WhatsApp-Chat mit der Zeugin R. dokumentierten Kaufabsichten hinsichtlich des Reihenhauses der Zeugin („AN. und ich würden es gerne kaufen“) sprechen mit hinreichender Deutlichkeit für eine gemeinsame Lebensplanung und auch insoweit hat die Klägerin auf entsprechenden Vorhalt keine anderslautende Erklärung anbieten können. Auch hat sie selbst im Kontakt mit der Zeugin R. den H als ihren Mann bezeichnet (WhatsApp-Nachricht vom 29. November 2013) und im Mietrechtsprozess ist sie wiederum von H als Lebensgefährtin betitelt worden. Dass es sich hierbei um ein Missverständnis gehandelt habe könnte – wie die Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Verhandlungstermin vorgetragen hat –, erscheint dem Senat ebenso wenig plausibel wie die Behauptung, die Klägerin und H seien gegenüber der Zeugin R. nur deshalb als Paar aufgetreten, weil sie als Wohngemeinschaft die Wohnung nicht erhalten hätten. Denn die Klägerin selbst hat in ihrer Anhörung vor dem SG ausdrücklich bestritten, dass sie sich gegenüber der Zeugin als Paar ausgegeben hätten. Bei lebensnaher Betrachtung war der einzige Grund für den Bezug der gemeinsamen Wohnung im O. und für den späteren gemeinsamen Umzug in die C. eine langjährige Partnerschaft der Klägerin mit dem gleichaltrigen H, welcher schon vor dem offiziellen Zusammenzug bei deren Mutter gemeldet war. Die Darstellung der Klägerin, es habe sich um eine Wohngemeinschaft gehandelt, läuft darauf hinaus, dass sich der berufstätige H als Hauptmieter mit einer Schlafgelegenheit auf dem Dachboden bzw. im Keller begnügt haben soll und im Übrigen Küche, Bad und Wohnzimmer mit einer dreiköpfigen Familie, bestehend aus einer alleinerziehenden Mutter mit zwei kleinen Kindern, als Untermieter geteilt haben soll, ohne dass ersichtlich ist, welche Vorteile ihm aus dieser Art des Zusammenwohnens erwachsen sein sollen. Es liegt auch keine plausible Erklärung darauf vor, dass die Wohngemeinschaft trotz der hiermit für H verbundenen Einschränkungen nach Beendigung des Mietverhältnisses mit den Eheleuten R. durch gemeinsamen Umzug in eine andere Wohnung fortgesetzt wurde. Hinzu kommt, dass H sein Privatfahrzeug der Klägerin – wenn auch angeblich gegen ein geringes Entgelt – zur Nutzung überlassen hat, eine Großzügigkeit, die im Rahmen eines Untermietverhältnisses als ausgesprochen ungewöhnlich zu bezeichnen ist. Die Darstellung der Klägerin ist zudem dadurch in Frage gestellt, dass der angeblich von H zu Wohnzwecken genutzte Dachboden in dem Reihenhaus O. niemals fertiggestellt wurde und weder über eine Heizung noch über ein Dachfenster verfügte.

 

Vor diesem Hintergrund hält der Senat die Aussage der Zeugin R., die Klägerin und H seien ihr gegenüber als Paar aufgetreten, so seien sie zur Besichtigung Hand in Hand erschienen, für glaubhaft. Die Glaubwürdigkeit dieser Zeugin ist nicht dadurch erschüttert, dass sie womöglich aufgrund mietrechtlicher Auseinandersetzungen über die Klägerin und H verärgert war und diese Verärgerung das Motiv für die Anzeigen bei dem Beklagten war. Denn für grundlose Anschuldigungen liegen keinerlei Anhaltspunkte vor, vielmehr ist die Aussage der Zeugin, insbesondere auch zu dem gemeinsamen Schulbesuch der Kinder und zu ihren Wahrnehmungen in diesem Zusammenhang, insgesamt schlüssig und plausibel und lässt sich in vollem Umfang mit den bereits dargelegten Indizien für eine Partnerschaft vereinbaren. 

 

Demgegenüber vermag der Senat den Aussagen der Zeugin AH. (geb. AG.) nicht zu folgen. Es ist bereits unklar geblieben, inwiefern die Einschätzung, die Klägerin und H seien kein Paar, auf eigenen Wahrnehmungen beruht. Vor dem SG hat die Zeugin nämlich bekundet, dass die Treffen mit der Klägerin meistens in ihrer Wohnung stattgefunden hätten, weil sie dort ungestört von den Kindern hätten lernen können. Demgegenüber war in der Aussage vor dem Senat zunächst nur von einem gemeinsamen Lernen in der Wohnung der Klägerin – trotz Anwesenheit der Kinder – die Rede („mindestens 30 bis 40 Mal“) und erst auf Vorhalt hat sich die Zeugin dahingehend korrigiert, dass sie in beiden Wohnung gelernt hätten, vielleicht häufiger bei der Klägerin. Auch erscheint es dem Senat wenig plausibel, dass die Zeugin AH. auf der einen Seite bei ihren Besuchen mit dem vermeintlichen Mitbewohner H kaum Kontakt aufgenommen haben will, auf der anderen Seite aber als Gast der Klägerin Einblick in das Zimmer des Mitbewohners im Keller gehabt haben will. Es erscheint dem Senat vor diesem Hintergrund nicht ausgeschlossen, dass die Angaben der Zeugin – soweit diese als Freundin der Klägerin nicht bewusst die Unwahrheit gesagt hat – im Wesentlichen auf Informationen der Klägerin beruhen, die nicht der Wahrheit entsprochen haben müssen. Immerhin war die Klägerin aus Anlass ihrer gemeinsam mit der Zeugin absolvierten Ausbildung wiederholt als alleinerziehende Mutter in der Presse aufgetreten, so dass sie sich veranlasst gesehen haben könnte, diese Rolle auch gegenüber ihren Mitschülerinnen aufrecht zu erhalten.

 

Ist der Senat aufgrund des bisherigen Beweisergebnisses vom Vorliegen einer Partnerschaft überzeugt, sieht er gemäß § 106a Abs. 3 SGG von weiteren Ermittlungen ab, nachdem die Klägerin innerhalb der ihr im Berufungsverfahren gesetzten Frist weitere in Betracht kommende Zeugen nicht benannt hat. Sie hat auch in der mündlichen Verhandlung keinen weiteren Beweis für ihre Behauptung einer Wohngemeinschaft angeboten und sich insbesondere diesbezüglich auch nicht auf das Zeugnis ihrer Mutter berufen, so dass der Senat auf die Vernehmung dieser wiederholt nicht erschienenen Zeugin letztlich verzichtet hat.

 

Auch die weitere Voraussetzung des Zusammenlebens in einem gemeinsamen Haushalt ist gegeben. Erforderlich ist insoweit eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft, d. h. die Verbundenheit der Partner muss durch das Zusammenleben in einer Wohnung nach außen erkennbar werden und die Haushaltsführung an sich und das Bestreiten der Kosten des Haushalts müssen gemeinschaftlich – wenn auch nicht zwingend gleichwertig – durch beide Partner erfolgen (vgl. hierzu im Einzelnen: BSG, Urteil vom 23. August 2012 – B 4 AS 34/12 R – juris Rn. Rn. 21 ff.). Die Verbundenheit der Klägerin und H als Partner ist durch das Zusammenleben in einer Wohnung unzweifelhaft nach außen erkennbar geworden, was sich insbesondere anschaulich aus der Aussage der Zeugin R. ergibt. Davon ausgehend erscheint es unter Berücksichtigung der im Haushalt lebenden zwei Kleinkinder fernliegend, dass nicht auch ein gemeinsames Wirtschaften der Familie vorgelegen hat. Hierauf deutet auch der Umstand hat, dass H sein Kraftfahrzeug der Klägerin zur Nutzung überlassen hat. Die in eine andere Richtung deutenden Angaben der Klägerin zur Haushaltsführung in ihrer Anhörung vor dem SG waren offensichtlich von dem Bemühen getragen, die von ihr behauptete Wohngemeinschaft zu untermauern. Dieser Darstellung vermag der Senat nicht zu folgen, da die Glaubwürdigkeit der Klägerin durch in der Vergangenheit gemachte unwahre Angaben in hohem Maße erschüttert ist. Da der in diesem Zusammenhang in erster Linie in Betracht kommende Zeuge H die Aussage verweigert hat, ist es dem Senat letztlich nicht möglich, konkrete Feststellungen zur Haushaltsführung zu treffen, so dass anhand der Beweislast zu entscheiden ist. Zwar trägt grundsätzlich die Behörde die objektive Beweislast für die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheids, wenn sie diesen zurücknimmt. Eine Umkehr der Beweislast ist aber gerechtfertigt, wenn eine besondere Beweisnähe zu einem Beteiligten besteht. Das ist anzunehmen, wenn in dessen persönlicher Sphäre oder in dessen Verantwortungssphäre wurzelnde Vorgänge nicht aufklärbar sind und die zeitnahe Aufklärung des Sachverhalts durch unterlassene Angaben oder unzureichende Mitwirkung bei der Sachverhaltsaufklärung erschwert oder verhindert wird (vgl. BSG, Urteil vom 15. Juni 2016 – B 4 AS 41/15 R – juris Rn. 30 m. w. N.). Dementsprechend hat das BSG bei der Prüfung der Erreichbarkeit eines Arbeitslosen entschieden, dass der fehlende Nachweis der hierfür maßgeblichen Tatsachen (nicht mehr nachvollziehbare Dauer und Lage von Auslandsaufenthalten) zu Lasten des Leistungsempfängers gehen kann, wenn die Beweislage maßgeblich auf dessen fehlender Mitteilung beruht (BSG, Urteil vom 9. Dezember 2003 – B 7 AL 56/02 R – juris Rn. 17). So liegt der Fall auch hier. Die Klägerin hat – wie bereits ausgeführt – im Verwaltungsverfahren durch unwahre Angaben den Sachverhalt gezielt verschleiert und sie hat auch nachträglich nichts zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen. Sie hat sich in ihren Anhörungen sowohl bei dem Beklagten als auch vor dem SG und dem Senat im Wesentlichen auf das Bestreiten eines eheähnlichen Verhältnisses beschränkt. Zu den behaupteten wechselnden Partnerschaften des H liegen keine konkreten, einer Überprüfung zugänglichen Angaben vor. Der Auflage des Senats, in Betracht kommende Zeugen zu benennen, ist die Klägerin ebenfalls nicht nachgekommen. Soweit ihr die für eine Partnerschaft sprechenden Indizien vorgehalten worden sind, hat sie entweder Erklärungen abgegeben, die nicht plausibel sind, oder auf H verwiesen, welcher wiederum die Aussage verweigert hat. In der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren hat sie auf Nachfrage des Senats unwillig und abweisend reagiert und sich letztlich darauf zurückgezogen, dass sie bereits vor dem SG alle Fragen beantwortet habe. Vor diesem Hintergrund ist im Rahmen der zu treffenden Beweislastentscheidung zugunsten des Beklagten von einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft der Klägerin und H auszugehen.

 

Der als dritte Voraussetzung erforderliche Einstandswille wird nach § 7 Abs. 3a Nr. 3 SGB II (Versorgung von Kindern im Haushalt) vermutet.

 

Soweit nach alledem bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit der Klägerin und der Kinder das Einkommen und Vermögen des mit ihnen in Bedarfsgemeinschaft lebenden H zu berücksichtigen ist, hat sich der Sachverhalt auch insoweit als unaufklärbar erwiesen. Hinsichtlich der Einkommensverhältnisse des H in den streitbefangenen Zeiträumen liegt lediglich eine einzige Lohnabrechnung vor; die Vermögensverhältnisse des H sind völlig offen. Sowohl vor dem SG als auch vor dem Senat hat H die Aussage verweigert, dem zwischenzeitlich erfolgten Auskunftsverlangen des Beklagten nach § 60 Abs. 4 SGG ist er ebenfalls nicht nachgekommen. Sind damit die Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft, ist auch insoweit eine Beweislastentscheidung zu treffen, wobei aus den dargelegten Gründen wiederum eine Beweislastumkehr zugunsten des Beklagten eingreift.

 

Auf Vertrauensschutz kann sich die Klägerin nicht berufen. Sie hat die in Rede stehenden Verwaltungsakte durch arglistige Täuschung erwirkt und diese beruhen zudem auf Angaben, die sie vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig und unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 und 2 SGB X).

 

Die Fristen des § 45 Abs. 3 S. 3 und Abs. 4 S. 2 SGB X sind gewahrt. Der Beklagte war nach alledem verpflichtet, seine als rechtswidrig erkannten Bewilligungsbescheide gemäß § 45 Abs. 1 SGB X in vollem Umfang aufzuheben. Ein Ermessensspielraum stand ihm insoweit nicht zu (§ 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i. V. m. § 330 Abs. 2 SGB III).

 

Die Verpflichtung zur Erstattung der überzahlten Leistungen folgt aus § 50 Abs. 1 SGB X.  Aus der rückwirkenden Aufhebung der Entscheidungen über die Leistungen und deren Rückforderung folgt zugleich die Verpflichtung der Klägerin, dem Beklagten die gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu ersetzen (§ 40 Abs. 2 Nr. 5 SGB II i. V. m. § 335 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 SGB III). Berechnungsfehler sind nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht geltend gemacht worden.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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