L 3 U 24/14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3.
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 7 U 83/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 24/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 74/23 B
Datum
-
Kategorie
Urteil

 

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 13. Dezember 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben auch für das Berufungsverfahren einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

 

Der Kläger begehrt nach der Beschränkung des Streitgegenstandes im Rahmen des Berufungsverfahrens gegenüber der Beklagten noch die Anerkennung einer bei ihm bestehenden Atemwegserkrankung als Berufskrankheit Nr. 4302 (BK 4302) der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV – durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankung).

 

Die Antragstellung im Rahmen des Verwaltungsverfahrens erfolgte noch gegenüber der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Mittel- und Ostdeutschland, einer Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagte).

 

Der  1952 geborene Kläger war – nach seinen Angaben vom 01. Juni 2010 auf einem formularmäßigen Fragebogen der Beklagten– vom 01. September 1967 bis 1971 bei der LPG E mit allen Arbeiten in der Gärtnerei und dem Feldgemüseanbau beschäftigt und dabei Pflanzenschutzmitteln ausgesetzt. Er gab an, unter Atemnot oder Übelkeit, Kopfschmerzen und Schmerzen in der Brust gelitten zu haben. Bei seiner Tätigkeit als Kraftfahrer und Schlosser in der Mosterei B von 1971 bis 1975 sei er Dämpfen und während seiner Tätigkeit von 1976 bis 1977 als Transportfahrer in der Kokerei des Schwermaschinenbau L Rauch und Stäuben ausgesetzt gewesen, ohne dass dies zu Beschwerden geführt hätte. Auch bei der nachfolgenden Tätigkeit als Schlosser in der Weberei C von 1978 bis Ende Februar 1986 sei er Stäuben ausgesetzt gewesen, als Atemwegsbeschwerden gab er „schlechte Luft“ an. Ab März 1986 war der Kläger dann zunächst bei der LPG E (bis Dezember 1989) und dann bei deren Nachfolgebetrieb (ab Januar 1990), der G GmbH  Betriebsteil Gemüsebau  (i. F.: G GmbH), bis zum Eintritt seiner Arbeitsunfähigkeit im September 2009 tätig. Er arbeitete in der Gärtnerei, in der Gemüse in Gewächshäusern und auf Feldern angebaut wurde. In Beschäftigung war der Kläger regelmäßig von April bis November mit anschließender Arbeitslosigkeit über den Winter. Ab 1990 war der Kläger als Agrotechniker tätig, davon ab 1995 bis 2009 als Beauftragter für Pflanzenschutz. Er gab weiter an, eine private Mutterkuhhaltung mit 8 Tieren (einschließlich Kälber), von März bis Dezember in Weidehaltung, zu betreiben und diese mit einem Arbeitsaufwand von etwa 45 Minuten pro Tag zu füttern und zu pflegen.

 

Am 08. Februar 2005 stellte die Fachärztin für Lungenkrankheiten Dr. K die Diagnosen einer deutlichen bronchialen Hyperreagibilität, Hypertonus und Adipositas. In ihrem Befund führte sie aus, der Kläger arbeite seit Jahren im Pflanzenschutz und habe über zunehmende bronchitische Beschwerden – besonders in Herbst und Winter, verstärkt nach Kontakt zu Arbeitsstoffen - berichtet. Der Provokationstest mit Methacholin habe eine leichte bronchiale Hyperreagibilität (deutliche Reaktion in Stufe 4) ergeben. Seit dem 09. September 2009 ist der Kläger arbeitsunfähig erkrankt, nachdem er – nach seinen Angaben - während seiner Beschäftigung beim Pflücken von Gurken an akuter Atemnot gelitten hatte. Am 08. Oktober 2009 stellte Dr. K nach Vorstellung des Klägers auf Grund eines Atemwegsinfektes die Diagnose einer rezidivierenden Bronchitis mit leichter Obstruktion. Der behandelnde Hausarzt, der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. W, gab im Rehabilitationsantrag gegenüber der Rentenversicherung am 27. Januar 2010 an, dass der Kläger seit Jahren unter asthmoider Bronchitis leide und die Beschwerden im Winterhalbjahr zunehmen würden, als Gefährdung gab er Adipositas an.

 

In der Zeit vom 25. März bis zum 15. April 2010 nahm der Kläger wegen länger andauernder Arbeitsunfähigkeit zu Lasten der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg (DRV) an einer Rehabilitationsmaßnahme in der M Klinik H teil. Es wurden die folgenden Diagnosen gestellt: endogenes Asthma bronchiale mit zusätzlichem Verdacht auf berufsbedingt auslösende Noxen im Sinne einer BK 4302,  Adipositas I. Grades, BMI 34 und benigne essentielle Hypertonie. Im Entlassungsbericht vom 26. April 2010 wurde weiter mitgeteilt, dass beim Kläger seit 2005 ein Asthma bronchiale bestehe, dessen „Auslöser eine schwer verlaufende Pneumonie damals gewesen“ sei. Aus der Familienanamnese sei bekannt, dass sein Großvater väterlicherseits an einer Lungenerkrankung gelitten habe (und später  an Lungenkrebs gestorben sei). Der Kläger habe angegeben, dass er bei feuchtem Wetter sehr häufig Husten und sonst auch fast ständig Husten habe. Bei feuchtem Wetter komme es zu nächtlicher Atemnot und darüber hinaus zu einer Kurzatmigkeit bei Belastung. Seit fünf Jahren habe er aber auch während der beruflichen Tätigkeit verstärkt Probleme. Der Wechsel zwischen dem sehr warmen Gewächshaus und den kalten Witterungsbedingungen auf den Feldern sei ungünstig gewesen. Er schwitze sehr viel und aufgrund dieses Wechsels erkälte er sich dann auch viel. Wegen gehäuft auftretender Infekte sei er seit September 2009 arbeitsunfähig. Er berichtete auch über Atemnot bei der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln, wobei er ohne Schutzanzug und Maske gearbeitet habe. Der auch bei der Aufnahme vorhandene persistierende Husten trete immer im Winter auf. Er rauche nicht.

 

Am 07. Mai 2010 ging bei der Beklagten die Anzeige einer Berufskrankheit von der Krankenkasse des Klägers ein. Dem Antrag war ein Verzeichnis über die Arbeitsunfähigkeitszeiten für den Zeitraum vom 01. Januar 1991 bis zum 24. März 2010 beigefügt. Darin waren Arbeitsunfähigkeitszeiten mit bronchopulmonalen Diagnosen im Januar 1994 (Bronchitis, Grippe), Dezember 1994 (grippöser Infekt, Bronchitis, Schmerzzustände), September 1995 (grippöser Infekt, Bronchitis, Luftwegserkrankung, akuter Luftwegsinfekt, reduzierter Allgemeinzustand), Juli 2000 (virale Grippe, Bronchopneumonie) und ab dem Zeitpunkt der Beendigung der Tätigkeit vom 09. September 2009 (akuter Infekt der oberen Atemwege, akute Bronchitis, Virusinfektion) vermerkt.

 

Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens holte die Beklagte vom behandelnden Hausarzt, dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. W, den ärztlichen „Bericht BK allgemein“ vom 27. Mai 2010 ein. Dr. W gab eine „reine COPD“ als Grunderkrankung an, bisher ohne einen Hinweis auf das Vorliegen einer Berufserkrankung. Eine Zusammenhangsvermutung mit der Tätigkeit als Pflanzenschutzexperte der G GmbH sei erst bei der Kur geäußert worden, die diesbezüglichen Ermittlungen dauerten noch an. Die Beklagte zog weiter medizinische Behandlungsunterlagen von dem Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde G bei. Daraus ergab sich eine dortige Vorstellung des Klägers am 14. Januar 2010 mit Dyspnoe. Immer im Herbst bestehe Husten mit pulmonaler Spastik. Ein Allergietest im November 2009 sei negativ gewesen. Ein am 14. Januar 2010 durchgeführter Provokationstest habe eine leichte bronchiale Hyperreagibilität ergeben. Aus Sicht des Facharztes G bestand hauptsächlich ein Asthma bronchiale.

 

Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten (Herr G) teilte nach persönlicher Befragung des Klägers am 21. Juli 2010 in Auswertung der Daten im „Ermittlungsbericht zum Berufskrankheitenverdachtsfall“ mit, dass der Kläger seit 1990 im Gemüseanbau als Agrotechniker und ab ca. 1995 bis September 2009 als Pflanzenschutzbeauftragter tätig gewesen sei. Seine Aufgabe habe darin bestanden, Pflanzenschutz- und Düngemittel im Feldgemüsebau und in Gewächshausanlagen auszubringen. Die Freilandspritzungen seien ab 1991 mit gezogener 1000 Liter Feldspritze und Zugtraktor MTS 52, ab 2003 dann mit Zugtraktor John Deere mit Kabinenfilteranlage erfolgt. Gesundheitliche Beschwerden bei bzw. nach der Ausbringung von Düngemitteln seien durch den Kläger nicht festgestellt worden. Ergänzend führte der TAD (Herr F) am 28. September 2010 aus, dass der Kläger nach den Angaben der G GmbH bei seiner Tätigkeit von ca. 1995 bis September 2009 als Pflanzenschutzbeauftragter jährlich zwischen April und September zwischen 150 und 200 Stunden Pflanzenschutz- und Düngemittel im Feldgemüsebau sowie 20 Stunden jährlich in Gewächshausanlagen ausgebracht habe. Der Betrieb sei nochmals besucht worden. Dabei habe sich herausgestellt, dass der Betrieb „zertifiziert“ sei und über jede Fläche ein Verzeichnis geführt werde, aus dem hervorgehe, welche Kultur wie oft mit welchem Pflanzenschutzmittel in welcher Konzentration behandelt worden sei. Nach Einsicht in dieses Verzeichnis seien die Angaben des Klägers nach unten korrigiert worden. Eine Exposition gegenüber Substanzen mit erhöhtem allergenen Potential habe nicht ermittelt werden können. Weiterhin würden Pflanzenschutzmittel einen geringen Dampfdruck aufweisen, um ein gutes Anhaften auf den Pflanzenteilen zu gewährleisten. Daher sei nicht zu erwarten, dass während des nur wenige Sekunden bis Minuten dauernden Anmischens im Atembereich eine Konzentration erreicht werde, die eine BK der Listennummer 4302 verursachen könne. Das Gleiche gelte für das Ausbringen der von 1:220 bis 1:6660 verdünnten Spritzbrühe.

 

Die Gewerbeärztin, die Fachärztin für Arbeitsmedizin und für HNO-Krankheiten Dipl.-Med. O, führte in ihren Stellungnahmen vom 10. Dezember 2010 aus, dass die Anerkennung einer Berufskrankheit nicht empfohlen werde, da kein Kontakt zu Stoffen im Sinne der BK 4302 vorgelegen habe und eine berufliche Exposition im Sinne der BK 4301 nicht gegeben sei.

 

Mit Bescheid vom 11. Januar 2011 lehnte die Beklagte die Feststellung einer BK der

Nr. 4301 und der Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV beim Kläger ab. Es hätten keine medizinischen Befunde ermittelt werden können, die eine allergische Verursachung der Atemwegsbeschwerden des Klägers belegen würden, weshalb die Anerkennung der Erkrankung des Klägers als BK der Nr. 4301 nicht in Betracht komme. Auch eine BK der Nr. 4302 könne nicht anerkannt werden, da der Kläger nach den Ermittlungen des TAD während seiner Berufstätigkeit chemisch-irritativen oder toxisch wirkenden Stoffen mit grenzwertüberschreitender Schadstoffkonzentration nicht ausgesetzt gewesen sei.

 

Hiergegen erhob der Kläger am 18. Januar 2011 Widerspruch. Er gehe davon aus, dass seine Atemwegserkrankung darauf zurückzuführen sei, dass er während seiner Berufstätigkeit in einem Zeitraum von 14 Jahren chemisch-irritativ oder toxisch wirkenden Stoffen mit grenzwertüberschreitender Schadstoffkonzentration ausgesetzt gewesen sei. Er habe keine persönliche Schutzausrüstung getragen. Die Angaben seines Arbeitgebers seien ohne ausreichende Ermittlungen durch die Beklagte nach unten korrigiert worden.

 

Zum Einwand des Klägers im Widerspruchsverfahren, dass die Schadstoffbelastung nicht ausreichend ermittelt worden sei, nahm der TAD unter dem 07. Juni 2011 dahingehend Stellung, dass er am 01. September 2010 das Gefahrstoffkataster der G GmbH mit dem Pflanzenschutzmitteltagebuch des Betriebes abgeglichen habe. Dabei habe sich herausgestellt, dass der Kläger lediglich die Pflanzenschutzmittel „Acrobat“, „Bulldock“, „Fastac SC“, „Karate Zeon“ und „Ortiva“ ausgebracht habe, welche nach der Gefahrenkennzeichnung als „gesundheitsschädlich“ und/oder „umweltgefährlich“ eingestuft seien, nicht aber als „reizend“ und /oder als „giftig“. Somit sei ausgeschlossen, dass das Anmischen dieser Pflanzenschutzmittel eine BK der Nr. 4302 verursachen könne. Nach Angaben des Betriebes sei dem Kläger 2005 die komplette Pflanzenschutzausrüstung zur Verfügung gestellt worden, diese sei am 01. September 2010 auch vorhanden gewesen. Ob und welche Schutzausrüstung der Kläger vor 2005 getragen habe, könne nicht mehr ermittelt werden.

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 07. Juli 2011 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und führte zur Begründung aus, dass keine klinische Sensibilisierung auf berufliche Allergene vorliege und hinsichtlich der BK 4302 die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht vorlägen.

 

Mit seiner am 08. August 2011 vor dem Sozialgericht (SG) Cottbus erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er hat die Auffassung vertreten, dass die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen aufgrund der fehlenden persönlichen Schutzausrüstung und der Arbeitsbedingungen erfüllt seien. Ein Zusammenhang zwischen seiner Atemwegserkrankung und den beruflichen Einwirkungen sei gegeben.

 

Das SG hat eine Übersicht zu den Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers von der Krankenversicherung des Klägers vom 28. Februar 2012 (zurückreichend bis 1995), ein im Auftrag der Agentur für Arbeit Cottbus nach Aktenlage erstelltes medizinisches Gutachten des Dr. H vom 01. Juni 2011, die Behandlungsberichte des C(CTK)  vom 21. Januar 2011 und vom 14. Februar 2011  (Aufnahme wegen seit 1,5 Jahren rezidivierenden Hustens; Verschlimmerung bei feuchter und kalter Witterung, obstruktives Atemmuster nur in Spiroergometrie), den PET/CT – Befund der CB vom 29. März 2011, den Befundbericht der Fachärztin für Innere Medizin/Pneumologie Le vom 05. März 2012 für Behandlungen seit Juni 2010 (Belastungsdyspnoe, Husten, Verschleimung, reduzierte körperliche Belastbarkeit, mittelgradige Obstruktion, Obstruktion der kleinen Atemwege, mittelgradige Restriktion), den Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. W vom 26. Februar 2012 über Behandlungen seit 2007, den Befundbericht des Facharztes für Innere Medizin/Pneumologie G vom 15. März 2012 sowie die Verwaltungsakten der DRV und des Landesamtes für Soziales und Versorgung (LASV) beigezogen.

 

Ein im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung (DRV) von der Fachärztin für Innere Medizin und Sozialmedizin Dr. K erstelltes Gutachten vom 11. April 2011 ergab folgende Diagnosen: zentrale Raumforderung der linken Lunge unsicheren Verhaltens und rechtsseitiger Pleuraerguss unklarer Genese, chronische Bronchitis, überempfindliches Bronchialsystem, Übergewicht, Hämangiom der Leber und arterieller Bluthochdruck. Die Sachverständige führte aus, der Kläger habe bei der Untersuchung angegeben, vor sieben Jahren nach einer Erkältung eine Lungenentzündung gehabt zu haben, die ambulant behandelt worden sei. Seine jetzige Arbeitsunfähigkeit habe am 09. September 2009 nach einer Erkältung mit anhaltender Luftnot, Schwindel und Husten begonnen. Er sei während seiner beruflichen Tätigkeit bei vorbereitenden Arbeiten zum Pflanzenschutz auch schon zweimal umgefallen, ohne ärztlich betreut worden zu sein. Husten bestehe des Öfteren insbesondere bei Zugluft und bei einem Wechsel von warmen in kalte Räumlichkeiten. Kalte Witterung und leichte körperliche Arbeiten würden schlecht vertragen werden. Bei seiner Tätigkeit habe er Pflanzenschutzmittel mit dem Traktor und der elektrischen Pumpe auf das Gemüse aufgebracht. Die Arbeitszeit sei 45 Std./Woche von Montag bis Freitag gewesen. Die Pflanzenschutzmittel „habe der Chef selbst zusammengerührt“.

 

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines lungenfachärztlichen Sachverständigengutachtens des Facharztes für Lungen- und Bronchialheilkunde/Allergologie Dr. S vom 28. Dezember 2012. Bei der Untersuchung des Klägers am 12. Dezember 2012 hat dieser von dem Beginn einer anhaltenden bronchopulmonalen Symptomatik ab Mitte der 2000er Jahre berichtet. Es bestehe wechselnd ausgeprägter Husten, Kurzatmigkeit bei körperlicher Belastung und bei unspezifischer Belastung wie Nässe, Kälte und Wind. Außerdem seien diese Beschwerden beim Versprühen von Pflanzenschutzmitteln aufgetreten. Die Beschwerden hätten sich in den letzten zwei Jahren noch einmal gesteigert. Dr. S ist im Wesentlichen zu dem Ergebnis gekommen, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass der Kläger an einem Asthma bronchiale leide mit einer Erstmanifestation Mitte der 2000er Jahre. Eine BK 4301 liege nicht vor, da klinisch-anamnestisch keine Hinweise für eine relevante Allergie gegenüber inhalativen Allergenen bestehe. Auch das Vorliegen einer BK 4302 könne nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht werden, eine obstruktive Ventilationsstörung lasse sich unter Ruhebedingungen und auch ohne Medikamenteneinfluss weder im Februar 2005 noch im Januar 2010 verobjektivieren. Die Reaktion im inhalativen Provokationstest mit Methacholin und Histamin sei ein häufiger und unspezifischer Befund. Eine Verursachung des bestehenden Leidens durch die berufliche Tätigkeit sei nicht wahrscheinlich. Es seien weder Episoden einer Asthmareaktion, noch eine Eskalation im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit dokumentiert. Auch habe die Symptomatik nach Aufgabe der Tätigkeit im September 2009 in den Folgejahren zugenommen. Es sei hinreichend wahrscheinlich, dass das Asthmaleiden des Klägers im Wesentlichen durch rezidivierende Infekte der oberen und unteren Atemwege verursacht und moduliert worden sei.

Im Rahmen der Begutachtung hat der Kläger eine von seiner Arbeitgeberin erstellte Übersichten über die in den Jahren 1999 bis 2005 im Umgang mit Pflanzenschutzmitteln geleisteten Arbeitsstunden vom 05. Januar 2011 und 20. November 2012 sowie einen Auszug aus dem Arbeitsstoff- und Gefahrstoffkataster über die nach seinen eigenen Angaben von 1991 bis 2009 verwendeten Pflanzenschutz- und Düngemittel eingereicht.

 

Mit Urteil vom 13. Dezember 2013 hat das SG die Klage abgewiesen und sich hierbei im Wesentlichen auf das Gutachten des Dr. S gestützt. Die Voraussetzungen der BK 4301 lägen zur Überzeugung des Gerichts nicht vor, da keine Hinweise für eine relevante Allergie gegenüber inhalativen Allergenen bei dem Kläger bestünden. Das Gericht folge mit seiner Einschätzung den Ausführungen im Gutachten von Dr. S. Dessen Darstellungen seien nachvollziehbar, in sich widerspruchsfrei und überzeugend. Es seien keine Zweifel erkennbar, die für das Vorliegen einer relevanten Allergie des Klägers sprechen könnten. Auch eine BK 4302 sei nicht anzuerkennen. Nach der Überzeugung des Gerichts sei kein Zusammenhang zwischen den beruflichen Einwirkungen und der Erkrankung des Klägers im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung gegeben. Auch insoweit werde der Einschätzung durch Dr. S gefolgt, wonach ein Zusammenhang hier nicht wahrscheinlich sei, da eine Verschlimmerung des Leidens erst nach Aufgabe der Tätigkeit eingetreten sei. Die Ausführungen von Dr. S seien insoweit gut nachvollziehbar, in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Aufgrund des fehlenden Zusammenhangs zwischen der beruflichen Einwirkung und der Erkrankung seien keine weiteren Ermittlungen durch das Gericht zu den Arbeitsbedingungen des Klägers geboten gewesen, da hierdurch ein Zusammenhang nicht begründet werden könne.

 

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 24. Januar 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20. Februar 2014 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, er sei durch seinen früheren Arbeitgeber genötigt worden, ohne Schutzausrüstung zu arbeiten, da diese dem Betrieb zu teuer gewesen sei. Sie sei nur für Überprüfungen in den Schrank gelegt worden. Bei Bestehen auf Schutzausrüstung habe der Arbeitgeber mit Kündigung gedroht. Zur Aufbewahrung der Pflanzenschutzmittel, den Arbeitsbedingungen und der Schutzausrüstung hat der Kläger Fotos zur Akte gereicht. Der Kläger hat weiter vorgetragen, die Mittel hätten per Hand angemischt und in die Spritzanlagen eingebracht werden müssen. Es sei auch mit dem Gift „BI 58“ gearbeitet worden. Dr. W habe bestätigt, dass es sich dabei um einen kontaktallergenen Stoff handele, mit dem er beim Anmischen mit der Haut und durch Einatmen in Berührung gekommen sei. Mit welchen Stoffen er sonst noch Umgang gehabt habe, habe er nicht gewusst. Der Betrieb habe noch im Jahr 2000 große Mengen Pflanzenschutzmittel aus alten DDR-Beständen aufgekauft. 2007/2008 sei es dann auch zu behördlich festgestellten Kontaminationen des Gemüses gekommen, was zu Strafzahlungen geführt hätte. Es werde bestritten, dass die im Pflanzenschutz verwendeten Mittel – wie es der TAD behaupte – ohne toxisches/allergenes Potenzial seien. Es müsse festgestellt werden, welche Pflanzenschutzmittel tatsächlich verwendet wurden. Es gehe auch nicht nur um eine allergische Reaktion, sondern um eine Einwirkung auf die Lungenzellen selbst im Sinne eines Dauerschadens. Hierzu hat der Kläger ein Attest vorgelegt, das Dr. W ausgestellt haben soll.

 

Mit Schriftsatz vom 19. Februar 2015 hat der Kläger weiter geltend gemacht, dass er Giften ausgesetzt gewesen sei. Damit meine er „BI 58“ und „Perfekthion“. Beide Mittel seien stets verwendet und den Hauptpflanzenschutzmitteln beigemengt worden. Es sei, insbesondere beim Einrühren der Pulver oft vorgekommen, dass er den Giftstaub habe einatmen müssen. Es sei dabei zu akuten Intoxikationen gekommen. Dann habe er sich in eine Ecke gesetzt und so lange im hohen Bogen erbrochen, bis sich das Unwohlsein wieder gelegt und er wieder Luft bekommen habe. Dann habe er die Arbeit fortgesetzt. Es seien auch Spritzstäube beim Ausbringen der Mittel durch die geöffneten Scheiben des Traktors „M52“ gedrungen und von ihm eingeatmet worden. Die vom Arbeitgeber vorgelegten Auflistungen der Arbeitsstunden mit Pflanzenschutzmitteln für die Zeit ab 1999 stimmten in etwa mit seiner eigenen Einschätzung überein. In der Zeit von 1967 bis 1971 habe er keinen Kontakt zu Pflanzenschutzmitteln gehabt.

 

Nachdem der Kläger zunächst auch im Berufungsverfahren noch die Feststellung des Vorliegens der BKen 4301 und 4302 begehrt hatte, hat er in der mündlichen Verhandlung den Streitgegenstand beschränkt und zuvor nicht angekündigte Beweisanträge gestellt.

 

Der Kläger beantragt zuletzt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 13. Dezember 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Juli 2011 abzuändern und festzustellen, dass seine Erkrankung (anhaltend therapiebedürftige obstruktive Atemwegserkrankung) eine Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung ist, die seit dem 09. September 2009 besteht.

 

Des Weiteren beantragt er, zum Beweis der Tatsache, dass sein Kontakt mit den in den Rechtsstreit eingeführten Pflanzenschutzmitteln ursächlich für seine Atemwegserkrankung <geworden ist, soll Beweis erhoben werden durch die Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. med.  B – auch zur Erläuterung seines Gutachtens – und Vernehmung des Hausarztes Dr. Wr.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie verweist auf das Urteil der ersten Instanz, die Stellungnahmen des TAD sowie das Gutachten des Dr. S, das sie für zutreffend hält.

 

Der Senat hat auf das Berufungsvorbringen des Klägers eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. S vom 06. September 2014 eingeholt. Hierin hat der Sachverständige nochmals darauf verwiesen, dass die Anerkennung einer BK 4302 aus folgenden Gründen von ihm nicht empfohlen worden sei: Keine Notwendigkeit einer Anti-Asthmatherapie während des Expositionszeitraums und zu jeder Zeit Manifestation einer normalen Ventilationsfunktion, keine gehäuften Arbeitsunfähigkeiten aufgrund bronchopulmonaler Erkrankungen im Beschäftigungszeitraum, Verstärkung der Symptomatik erst Monate nach Beendigung der früheren Expositionsbedingungen und auch zu diesem Zeitpunkt weiterhin normale ventilatorische Funktion. Hingegen würden folgende Umstände auf eine Relevanz beruflicher Bedingungen für die Entstehung des Asthmaleidens hinweisen: Zunehmende Symptomatik durch bestimmte Arbeitsbedingungen mit der Notwendigkeit zur Krankschreibung, respektive zur sofortigen ärztlichen Intervention, Nachlassen der Symptomatik in arbeitsfreier Zeit bzw. Reduzierung oder gar Einstellung therapeutischer Maßnahmen. Beides sei im Fall des Klägers nicht hinreichend wahrscheinlich zu machen. Eine erneute ärztliche Intervention bei asthmatischen Beschwerden sei erst Monate nach Beendigung der gefährdenden Tätigkeit erfolgt. Selbst zu diesem Zeitpunkt habe keine dauerhafte Einschränkung der ventilatorischen Funktion vorgelegen. Die Asthmaneigung habe bereits im unspezifischen inhalativen Provokationstest nachgewiesen werden können. In den Monaten nach Aufgabe der Tätigkeit habe sich eine Zunahme der Symptomatik mit stufenweiser Eskalation der therapeutischen Maßnahmen gezeigt, obwohl die damaligen Expositionsbedingungen längst weggefallen waren. Daraus ergäben sich keine sicheren Hinweise für das Vorliegen einer Berufskrankheit.

 

Der Senat hat neben Auszügen aus dem Sozialversicherungsausweis (SV-Ausweis) die Behandlungsunterlagen des Klägers vom CTK für seine dortigen stationären Aufenthalte vom 17. bis zum 21. Januar 2011 und vom 03. bis zum 15. Februar 2011 beigezogen. Bei den Aufenthalten im CTK konnte keine Obstruktion, nur eine Restriktion der Atemfunktion festgestellt werden. Es findet sich dort die Aussage einer „Pseudoobstruktion“. Zudem wird in einem Untersuchungsbefund der C B vom 29. März 2011 geäußert, dass der Lungenbefund am ehesten postspezifisch (z. B. nach Tbc) zu bewerten sei. Behandlungsunterlagen von Dr. Sch, Dr. F und Dr. K konnten nicht eingeholt werden, da sie nicht mehr vertragsärztlich tätig bzw. bereits verstorben waren. Stattdessen konnte die von Dr. K geführte Patientenakte des Klägers über die Fachärztin für Innere Medizin Lbeigezogen werden. Aus dieser ergab sich, dass der Kläger sich bereits im Juli 2000 bei Dr. K mit Verdacht auf chronischen Husten vorgestellt hatte. Weiterhin hat der Senat zum Umgang mit Pflanzenschutzmitteln eine Auskunft der G GmbH vom 13. Februar 2015 eingeholt. Zudem wurden aus den vom Senat angeforderten Gerichts- und Verwaltungsakten zu den beim SG Cottbus unter den Aktenzeichen S 28 R 596/13 und S 35 SB 305/14 geführten Verfahren Kopien von medizinischen Unterlagen - u. a. des Entlassungsberichts CTK nach Lungenentzündung vom 11. April 2013, nach dem keine Obstruktion vorgelegen habe - zum vorliegenden Verfahren genommen. Hierzu wird auf die Gerichtakten Blatt 396 sowie auf die Beiakten verwiesen.

 

Der Senat hat sodann Beweis erhoben durch die Einholung eines lungenfachärztlichen Sachverständigengutachtens des Facharztes für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie, Prof. Dr. H, das dieser nach ambulanter Untersuchung des Klägers vom 18. November 2015 am 25. November 2015 erstellt hat. Der Sachverständige hat angegeben, der Kläger habe im Rahmen der Untersuchung berichtet, dass bei der Verarbeitung der Pflanzenschutzmittel manchmal Übelkeit allein durch Gestank aufgetreten sei. Er habe Pulver- und Flüssigmittel versprüht und eingefüllt. Bei der Reinigung von Sprühsystemen habe er auch direkten Kontakt mit den Mitteln gehabt, dadurch sei es manchmal zu Blasenbildungen an den Armen und Händen gekommen. Als Schutzkleidung hätten allenfalls Gummihandschuhe zur Verfügung gestanden. Im September 2009 sei bei der Arbeit plötzlich Atemnot aufgetreten. Im Übrigen habe der Kläger von keiner arbeitsplatzbezogenen Symptomatik berichtet. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass bei der körperlichen Untersuchung des Klägers kein pathologischer Befund bezüglich der Lungen habe festgestellt werden können. Zwar hätten die atemmechanischen Untersuchungen den Hinweis auf eine Restriktion ergeben. Eine Obstruktion mit oder ohne Lungenüberblähung habe nach den Funktionsprotokollen jedoch nicht vorgelegen. Die erhobenen objektiven Funktionsdaten würden nicht mit den Beschwerden des Klägers übereinstimmen. Unter Berücksichtigung der ärztlichen Mitteilungen in den beigezogenen Akten könne die Diagnose eines nicht-allergischen Asthma bronchiale angenommen werden. Es könne aber nicht angenommen werden, dass die chronische Atemwegserkrankung durch Schadstoffe am Arbeitsplatz als Agrartechniker verursacht worden sei. Dagegen spreche die Tatsache, dass es bei Fernbleiben vom Arbeitsplatz nicht zu einer Beschwerdefreiheit gekommen sei. Auch die Aufgabe der Tätigkeit habe nicht zu einer Verbesserung des Gesundheitszustandes des Klägers geführt. Die mehrfachen Angaben der Lungenärztin, wonach eine Obstruktion vorliege, seien unverständlich. Die Restriktion sei bei normaler Atemmittellage und erniedrigtem exspiratorischem Reservevolumen auf eine verminderte Zwerchfellbeweglichkeit als Auswirkung der bauchbetonten Adipositas zurückzuführen. Dies sei röntgenologisch belegt. Die in den Verwaltungsakten aufgeführten Pflanzenschutzmittel seien zwar gesundheitsschädlich, deren toxische oder allergisierende Wirkung auf die Atemwege sei jedoch nicht belegt. Die umstrittene Substanz „Glyphosat“ sei nicht in den angegebenen Mitteln enthalten. „Ortiva“ könne nach Inhalation zu einer Beeinträchtigung der Atmung erheblichen Ausmaßes führen. Der Arbeitsplatz müsse dann sofort verlassen werden. Ein solcher bedrohlicher Zustand sei von dem Kläger aber nicht beschrieben worden. Eine chronische Schädigung der Atemwege durch kontinuierliche Inhalation geringer Konzentration der angegebenen Stoffe sei in der Literatur hingegen nicht belegt. Zu dem Gutachten des Herrn Dr. S ergebe sich keine Abweichung.

 

Auf den Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat das Gutachten des Facharztes für Innere Medizin/Pneumologie B vom 30. September 2016 eingeholt. Bei der hierzu vorgenommenen körperlichen Untersuchung vom 20. Juli 2016 hat der Kläger geschildert, dass erste Auslöser seiner Beschwerden Arbeiten in der Gärtnerei gewesen seien. Ca. seit dem Jahr 2008 seien ihm häufiger Beschwerden am Arbeitsplatz mit Übelkeit, Husten, Kopfschmerzen und Atembeschwerden aufgefallen. Er sei jedoch wegen der Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes oder eines Ausfalls von Prämien nicht sofort zu einem Arzt gegangen. Die Pflanzenschutzmittel (z. B. „BI 58“) habe er immer am Wochenende ausgebracht. Schutzanzüge und Atemmasken seien trotz Anfrage nicht zur Verfügung gestellt worden. Je nach Erfordernissen hätte er an einem Wochenende bis zu 20 bis 25 Tanks mit 1000 Litern Inhalt abgefüllt und ausgebracht. Der Sachverständige hat ausgeführt, die Anamnese sei durch rezidivierende fieberhafte bronchopulmonale Infekte gekennzeichnet. Die in der Lungenfunktionsuntersuchung erhobenen Befunde träten üblicherweise bei Adipositas auf, könnten aber auch Folge narbiger Veränderungen der Lunge oder des Rippenfells, z. B. nach Lungenentzündung, sein. Weder in der aktuellen unter antiobstruktiver Medikation erfolgten Untersuchung, noch in den meisten der Voruntersuchungen lasse sich eine vorwiegend obstruktive Ventilationsstörung nachweisen. Es bestehe bei Adipositas eine gemischtförmige, führend restriktive, gering periphere obstruktive Ventilationsstörung. Ein allergisches Asthma bronchiale liege beim Kläger nicht vor. Aus den vorliegenden Unterlagen und der Tatsache, dass auch Allergietests in der Vergangenheit mehrfach negativ gewesen seien und sich auch in den aktuellen Laboruntersuchungen kein Hinweis auf eine Neigung zur Entwicklung von Allergien (Atopie) ergeben habe, lasse sich die Diagnose eines intrinsischen (nicht-allergischen) Asthma bronchiale ableiten. Eine BK der Nr. 4301 sei daher ausgeschlossen, zumal die verwendeten Arbeitsstoffe nicht geeignet seien, spezifische allergische Reaktionen auszulösen. Besonders klärungsbedürftig sei, ob eine Berufskrankheit der Nr. 4302 (obstruktive Atemwegserkrankung durch chemisch-irritative oder toxisch wirkende Stoffe) aufgetreten sein könne. Nach medizinischem Ermessen sei es wenig wahrscheinlich, dass das Ausbringen einer hochverdünnten Lösung (1:220 bzw. 1:6650) unter freiem Himmel zu einer wesentlichen Anreicherung in den Atemwegen hätte führen können. Zutreffend habe Prof. Dr. H darauf verwiesen, dass eine direkte Intoxikation durch Inhalation der Konzentrate beim Anmischen zu einer akuten toxischen Reaktion und zum sofortigen Verlassen des Arbeitsplatzes geführt hätte. Solche Ereignisse seien vom Kläger weder konkret beschrieben noch in den Akten dokumentiert worden. Zwar habe der Kläger bei der Untersuchung angegeben, am Arbeitsplatz und bei Kontakt mit arbeitsplatzbezogenen chemischen Substanzen zeitweilig Symptome seines bestehenden Asthmas verspürt zu haben. Dies sei jedoch weder im Sinne der Unterbrechung der beruflichen Tätigkeit noch durch eine Intensivierung der Therapie dokumentiert. Vielmehr erscheine es aufgrund des zeitlichen Verlaufs der Erkrankung (Zunahme erst nach Aufgabe der exponierten Tätigkeit) und des mehrfach dokumentierten Zusammenhangs mit akuten fieberhaften Infekten während der Herbst- und Wintermonate wenig wahrscheinlich, dass die chronische Atemwegserkrankung zu wesentlichen Teilen durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden sei. Dabei sei zwischen einem Auslöser und der Ursache des Asthmas zu unterscheiden. Eine haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität für das Vorliegen einer BK 4302 sei somit nicht gegeben. Soweit der behandelnde Hausarzt des Klägers Dr. W in seinem Attest darauf hingewiesen habe, dass es nicht um eine allergische Reaktion auf das Pflanzenschutzmittel, sondern um eine „Zerstörung von Lungengewebe durch die Einwirkung des Pflanzenschutzmittels auf die Lungenzellen selbst mit Dauerschaden“ gehe, sei festzustellen, dass zwar die Inhalation toxischer Substanzen grundsätzlich in der Lage sei, Veränderungen des Lungengewebes zu verursachen, dies beim Kläger jedoch weder radiologisch noch funktionell nachzuweisen gewesen sei. Die in einem solchen Fall ausgeprägten narbigen bzw. fibrotischen Umbauprozesse des Lungengerüstes seien weder in den CT- noch in den Röntgenbefunden festzustellen. Differenzialdiagnostisch und zur Abgrenzung mit außerberuflichen Ursachen sei beim Kläger von der erhöhten Infektanfälligkeit als wesentlich auslösendem Faktor mit hoher Wahrscheinlichkeit auszugehen. Im Ergebnis sei beim Kläger keine obstruktive Atemwegserkrankung durch allergisierende, chemisch-irritative oder toxische Stoffe nachweisbar.

 

Mit Schriftsatz vom 01. März 2017 hat der Kläger zum Gutachten Stellung genommen und dieses, versehen mit handschriftlichen Anmerkungen des Dr. W, zur Gerichtsakte zurückgereicht. Die Annahme des TAD der Beklagten, die der Sachverständige zu Grunde gelegt habe, wonach bei den Arbeiten des Klägers weder eine Exposition gegenüber Substanzen mit einem erhöhten Allergiepotential bestanden habe, noch eine relevante toxisch-irritative Beeinträchtigung zu erwarten gewesen sei, werde bestritten.

 

Hierauf hat der Sachverständige B unter dem 30. März 2017 ergänzend Stellung genommen: Der klinische Ablauf der Erkrankung sei im Sachverständigengutachten ausführlich dargestellt worden. Insbesondere sei darauf hingewiesen worden, dass nach den vorliegenden ärztlichen Berichten wesentliche Exacerbationen der Atemwegserkrankung in den Wintermonaten und im Zusammenhang mit fieberhaften bronchopulmonalen Infekten auftraten, Lungenentzündungen seien radiologisch gesichert festgestellt worden. Dies habe in keinem zeitlichen Zusammenhang mit dem saisonalen Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln während der Wachstumsperioden gestanden. Insoweit sei es für den Sachverständigen nicht erforderlich, sich über die „Arbeitsbedingungen vor Ort“ in Kenntnis zu setzen, wenn kein direkter zeitlicher Zusammenhang mit beruflicher Exposition und Verschlechterung der Erkrankung nachgewiesen worden sei. Insbesondere deswegen müsse das Vorliegen einer Berufskrankheit bestritten werden. Ein allergisches Asthma, welches beim Kläger eben nicht vorliege, setze eine spezifische Sensibilisierung mit Nachweis von Eiweißkörpern vom Typ Immunglobulin E voraus. Dieser Nachweis habe zu keinem Zeitpunkt geführt werden können. Nach allen international anerkannten Definitionen liege daher kein allergisches Asthma bronchiale vor. Lungenfunktionsdaten mit Messungen am Arbeitsplatz bzw. in direktem zeitlichen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit seien der Akte nicht zu entnehmen und nach so vielen Jahren auch nicht zu reproduzieren. Daher müsse auf die vorhandenen medizinischen Befunde zurückgegriffen werden. Die Behauptung, dass eine Inhalation des Konzentrats eine schwerere toxische Reaktion zur Folge hätte als das Ausbringen der verdünnten Lösung im Freiland, sei medizinisch-wissenschaftlich nicht zu bestreiten, würde jedoch zu einem schweren akuten Atemnotanfall führen, ein solcher habe nach Aktenlage nicht stattgefunden. Eine Lungenfibrose als mögliche Folge einer langdauernden inhalativen Intoxikation liege radiologisch aktuell nicht vor. Dies schließe aber nicht aus, dass im Bereich der Brustwand narbige Bindegewebsveränderungen (Pleuraschwielen, wie sie bei vielen älteren Menschen insbesondere nach Infekten auftreten) radiologisch nachweisbar sein können.

 

Hierauf hat der Kläger nochmals mit Schriftsatz vom 19. April 2017 unter Beifügung einer Stellungnahme des Dr. W vom 05. April 2017 erwidert.

 

Am 27. April 2017 hat ein Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat und am 25. Oktober 2017 hat ein Erörterungstermin vor der Berichterstatterin mit der Vernehmung des Zeugen R stattgefunden, der bei der Arbeitgeberin des Klägers als Gärtner für die Festlegung, wann welche Pflanzenschutzmittel aufgebracht werden, zuständig war. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, die Pflanzenschutzmittel selber angemischt zu haben. Wenn Spritzdüsen verstopft gewesen seien, habe er sie reinigen müssen. Ähnliche Anfälle wie im Jahr 2009 habe er schon früher bei der Arbeit gehabt. Er habe dann eine Pause gemacht und sich zum Teil auch übergeben müssen, anschließend aber weitergearbeitet. Im Erörterungstermin hat der Kläger weitere Angaben zu den von ihm aufgebrachten Pflanzenschutzmitteln gemacht. Der Zeuge R hat ausgesagt, dass der Kläger seit 1991 oder 1992 im Pflanzenschutz tätig gewesen sei. Das Anmischen habe er, der Zeuge, in der Regel selbst übernommen. Der Kläger habe die Mittel nur noch umfüllen müssen. Das Ausspritzen des 1000 Liter-Tankes habe etwa 15 bis 20 Minuten gedauert. Darüber hinaus hat der Zeuge Angaben zur Art und Häufigkeit der verwendeten Pflanzenschutzmittel gemacht und hierzu im Nachgang zum Erörterungstermin schriftlich weitere Unterlagen eingereicht. Der Zeuge hat angegeben, der Kläger habe von 1999 bis 2009 die folgenden Pflanzenschutzmittel verwendet: Acrobat, Afalon, Aliette, Bandur, BI58, Bulldock, Butisan, Calypso, Cuprozin, Fastac SC, Forum, Fusilade Max, Karate Zeon, Kiron, Lentagran, Ordoval, Ortiva, Perfekthion, Pirimor, Previcur, Roundup, Rovral, Ripcord 40, Score, Sencor, SpinTor, Stomp, Tamaron und Treflan. Für die Jahre von 1991 bis 1999 kämen noch Berecema Manoceb 80, Berecema Zineb 90, Berecema Ridomil Zineb, Decis, , Metasytox R, Pirimor Granulat, Ripcord 10 und Spritz Cupar 45 in Betracht. Zu den Einzelheiten wird auf das Protokoll des Erörterungstermins sowie auf die Beiakten „Anlagen zum Protokoll vom 25.10.2017“ und „Zeuge R“ ergänzend Bezug genommen. Hierzu hat der Kläger noch einmal Stellung genommen und vorgetragen, dass über die vom Zeugen R angegebenen Mittel hinaus weitere Mittel durch ihn gespritzt worden seien. Zusätzlich zu den vom Zeugen R angegebenen Mitteln hat der Kläger folgende Mittel benannt: Chinoin Fundazol, Fekama Dichlorvos 50, Malipur, Wotafox Konzentrat 50 und Wotafox Spritzmittel.

 

Die Arbeitgeberin des Klägers hat mit Schreiben vom 26. Juli 2018 angegeben, über eine Dokumentation des Pflanzenschutzmitteleinsatzes für die Jahre 1995 bis 2009 nicht mehr zu verfügen. Das Landesamt für Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung hat auf entsprechende Nachfrage des Senats zu den im Hinblick auf den Pflanzenschutz bei der G GmbH vorhandenen Unterlagen mit Schreiben vom 08. Januar 2019 mitgeteilt, dass lediglich noch Unterlagen zu einer Anwendungskontrolle im Jahr 2005 vorhanden seien, aus denen sich aber keine konkreten Pflanzenschutzmitteleinsätze ergeben würden. Zudem hat das Landesamt mit Schreiben vom 23. Dezember 2019 Auszüge aus der „Pflanzenschutzmittel-Auswertung und Pflanzenschutzmittel-Information“ (PAPI) des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zu den einzelnen vom Kläger und dem Zeugen benannten Pflanzenschutzmitteln übersandt.

 

Der Senat hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines toxikologischen Sachverständigengutachtens des Facharztes für Pharmakologie und Toxikologie Prof. Dr. Sch vom 19. Dezember 2020. Prof. Dr. Sch hat ausgeführt, dass der Kläger nach den in entsprechenden Datenbanken verfügbaren Informationen durch die 41 aufgezählten Pflanzenschutzmittel allergisierend sowie toxisch-irritativ wirkenden Stoffen ausgesetzt gewesen sei. Einzelne in den Mitteln enthaltene Wirkstoffe seien entsprechend einzuordnen. Da jedoch während der Exposition kein Biomonitoring stattgefunden habe und – auch unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers, keine Schutzkleidung getragen zu haben und mit einem Traktor mit nicht verschlossener Kabine gefahren zu sein – keine Rückschlüsse auf die konkrete Konzentration der Gefahrstoffe am Arbeitsplatz gezogen werden könnten, lasse sich keine Kausalität herstellen. Die beim Kläger vorliegenden Symptomkomplexe könnten unterschiedliche Ursachen haben. Sie stünden nicht für einen biologischen Fingerabdruck nach Exposition mit einzelnen Stoffen oder Stoffgemischen. Die Atemwegserkrankung könne daher nicht durch Exposition mit den benannten Pflanzenschutzmitteln erklärt werden. Ein allergisierendes, chemisch-irritatives oder toxisches Potential besäßen die folgenden Stoffe:

allergisierend:          Zineb,

(1,2-)Benzisothiazol-3(2h)on (Bandur, BI58, SpinTor)

Kupfer(II)-hydroxid (Cuprozin)

Lambda-Cyhalothrin (Karate Zeon)

chemisch-irritativ:    Zineb

Manoceb (Manoceb, Ridomil)

Beta-Cyfluthrin (Bulldock)

Benomyl (Chinoin Fundazol 50 WP,

Alpha-Cypermethrin (Fastac SC, Ripcord 10, Ripcord 40)

Tebuconazol (Folicur)

Lambda-Cyhalothrin (Karate Zeon)

toxisch:                      Zineb

Beta-Cyfluthrin (Bulldock)

Alpha-Cypermethrin (Fastac SC, Ripcord 10, Ripcord 40)

Dichlorvos (Fekama Dichlorvos)

Clomazone (Centium 36CS)

Fenpyroximat (Kiron)

Captan (Malipur)

Azoxystrobin (Ortiva)

Pirimicarb (Pirimor)

Difenoconazol (Score)

Metribuzin (Sencor Liquid)

Indoxacarb (Steward)

Metamidophos (Tamaron)

Parathion-methyl (Wofatox)

 

Der Kläger hat hierzu mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 19. Februar 2021 Stellung genommen und die Auffassung vertreten, dass der Umfang seines Kontaktes mit den Chemikalien im Verlaufe des Verfahrens herausgearbeitet worden sei. Er sei den Mitteln unmittelbar ausgesetzt gewesen, denn er habe sie bzw. die daraus entstehenden Dämpfe und sonstige davon ausgehende Partikel und Aerosole kurzdistanzig eingeatmet. Es werde davon ausgegangen, dass die Bestimmung von Arbeitsplatzkonzentrationen in Bezug auf die einzelnen Stoffe möglich sei.

 

Nachfolgend hat der Senat ein Sachverständigengutachten auf dem Gebiet der Lungen- und Bronchialheilkunde, der Allergologie sowie der Umwelt- und Arbeitsmedizin eingeholt, das der Facharzt für Innere Medizin, Arbeitsmedizin, Lungen- und Bronchialheilkunde Prof. Dr. B auf Grund einer körperlichen Untersuchung des Klägers vom 11. Mai 2022 am 20. Mai 2022 erstellt hat. Der Sachverständige hat ausgeführt, der Kläger habe im Rahmen der Untersuchung angegeben, im Zeitraum von 1999 bis 2009 die Pflanzenschutzmittel auch zubereitet zu haben. Der Zeuge R habe jeweils nur die erste Spritze in einem Kübel vorbereitet. Er selbst habe die zubereiteten Lösungen händisch in die 1000 l fassende Spritze geschüttet und dann jeweils abends von Mittwoch bis Sonntag auf die Gemüsefelder gespritzt. Pro Tag habe er 2 bis 3 Spritzen ausgebracht, wobei jeweils 1 Stunde benötigt worden sei. Der Spritzvorgang habe 15 bis 30 Minuten gedauert. Das Spritzen pro Jahr selbst habe ca. 350 bis 400 Stunden gedauert. Bei dem bis zum Jahr 2001/2002 verwendeten Traktor russischer Bauart seien aufgrund fehlender Klimaanlage die Fenster wegen der Hitze zumeist geöffnet gewesen. Er sei daher dem Sprühnebel ausgesetzt gewesen. Danach sei ein Traktor der Firma John Deere zum Einsatz gekommen, aber auch dessen Klimaanlage sei nicht dicht gewesen. Besonders unangenehm hätten die Pflanzenschutzmittel BI 58 und Perfekthion gerochen. Montags bis mittwochs habe er vor allem auch bei der Ernte von Gurken und anderem Gemüse mitgeholfen. Bis auf Gummihandschuhe, die zum Teil auch die Unterarme bedeckt hätten, hätte es praktisch keine persönlichen Schutzmaßnahmen gegeben. Bereits kurz nach Beginn des Spritzens von Pflanzenschutzmitteln habe er einen Hustenreiz und erschwerte Atmung, zum Teil mit Atempfeifgeräuschen bemerkt. Deshalb sei auch im Jahr 2000 eine ärztliche Konsultation erfolgt. Vor allem der ungeschützte und intensive Kontakt mit den Pflanzenschutzmitteln BI 58 und Perfekthion habe regelmäßig bei intensivem Kontakt je nach Arbeitsanfall ein bis dreimal pro Woche die Atembeschwerden ausgelöst, zusätzlich starke Übelkeit bis hin zu schwallartigem Erbrechen, Bauchkrämpfen, Augentränen, Husten, Auswurf, Atemnot, zum Teil auch etwas Verwirrtheit. Er habe dann die Arbeit unterbrechen müssen und ca. 15 bis 30 Minuten ruhig mit ausgeschalteter Spritze im Traktor gesessen bzw. sich im Gebäude in eine Ecke gesetzt, bis die Beschwerden nachgelassen hätten. Er habe auch ein vermehrtes Schwitzen bemerkt. Wegen der vorgenannten sich chronifizierenden Beschwerden habe er im Durchschnitt zwei-, zum Teil auch dreimal jährlich seinen Hausarzt Dr. W aufgesucht. Der direkte Hautkontakt mit dem Pflanzenschutzmittel habe wiederholt zu akuten Hautreaktionen mit Blasenbildung geführt, so an den Oberarmen und im Gesicht. Hierzu sei es auch bei der Ernte, z. B. von Gurken gekommen. Ab Mitte der 2000er Jahre seien zunehmende Beschwerden im Sinne einer unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität aufgetreten, z. B. Husten und Atemnot bei Exposition gegenüber Zigarettenrauch, Autoabgasen, starken Gerüchen und bei feuchtkaltem Wetter sowie unter körperlicher Belastung. Zunehmend seien diese Beschwerden dann auch ohne Arbeitsplatzbezug aufgetreten. Bis 2009 sei er in den Wintermonaten nicht häufig krank gewesen. Am 09. September 2009 sei es dann beim Pflücken von gespritzten Gurken zu starker Übelkeit, Erbrechen, krampfartigen Bauchschmerzen, Husten, sehr schwerer Atemnot mit atemabhängigen Pfeifgeräuschen gekommen und er habe notfallmäßig ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen. Er habe unter erheblichem Druck von Seiten des Vorgesetzten bezüglich der Kritik an der fehlenden Arbeitshygiene und von Krankschreibungen gestanden. Es bestehe derzeit häufig ein Hustenreiz mit weißlichem Auswurf sowie eine Belastungsdyspnoe.

Der Sachverständige hat ausgeführt, dass im vorliegenden Fall aussagekräftige Expositionsermittlungen durch Bio-Monitoring-Daten bzw. Befunde eines Betriebsarztes nicht vorliegen würden. Schutzmaßnahmen seien nicht angewendet worden und Überwachungsuntersuchungen nicht erfolgt, sodass von einer erheblichen Verletzung der Dokumentations- und Fürsorgepflicht des Arbeitgebers auszugehen sei. Im Hinblick auf die angenommene Berufskrankheit müsse die Einwirkungskausalität mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit objektiviert werden. Dabei könnten jedoch die vom Kläger nicht verschuldeten Defizite, speziell der Dokumentations- und Überwachungsuntersuchungen nicht zu dessen Nachteil gereichen. Hier sei die erhebliche ungeschützte langjährige inhalative und auch dermale Exposition gegenüber einer Reihe chemisch-irritativ und zum Teil toxisch wirkende und entsprechend gekennzeichneter Pflanzenschutzmittel (PSM) unstreitig. Wegen der einzelnen vom Sachverständigen genannten Stoffe wird auf Bl. 33 des Gutachtens, Bl. 997 der Gerichtsakten, verwiesen. Insbesondere bei den vom Kläger verwendeten Mitteln BI 58 und Perfekthion handele es sich um Cholinesterase-Hemmer, die bei zu hoher Dosis auf das zentrale Nervensystem wirkten und geeignet seien, die vom Kläger beschriebenen Beschwerden zu verursachen. Neben dem intensiven Kontakt mit Sprühnebel sei es auch zu Hautkontakten gekommen, zum Beispiel beim Anmischen der Spritzmittel, beim Befüllen der Spritzbehälter oder Reinigen der Düsen und bei der Ernte von gespritztem Gemüse. Des Weiteren sei zu berücksichtigen, dass im Betrieb infolge der unzureichenden Verschlüsse der Pflanzenschutzmittel und der allgemeinen Kontamination offensichtlich entsprechender Kontakt auch zu Zeiten bestanden habe, in denen Pflanzenschutzmittel nicht ausgebracht worden seien. Insgesamt bestehe nach bereits zuvor bestandenen arbeitsplatzbezogenen respiratorischen und gastrointestinalen Beschwerden am Vorliegen einer seit 2005 objektivierten therapiebedürftigen obstruktiven Atemwegserkrankung mit reversibler obstruktiver Ventilationsstörung kein vernünftiger Zweifel. Es liege eine seit dem 08. Februar 2005 dokumentierte leichtgradige therapiebedürftige chronische obstruktive Atemwegserkrankung vor. Hierfür spreche auch die wiederholt messtechnisch festgestellte unspezifische bronchiale Hyperreagibilität und die diesbezügliche Therapiebedürftigkeit, die zumindest seit 2009 erweitert worden sei. Es lägen keine Hinweise darauf vor, dass vorbestehende Gesundheitsstörungen bei der Entstehung des Krankheitsbildes eine Rolle gespielt haben könnten, lediglich 6% der chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankungen seien auf keine exogene Schadstoffbelastung zurückzuführen. Beim Kläger bestehe ein Nichtraucherstatus. Im Hinblick auf die Adipositas sei davon auszugehen, dass sie wesentliche Ursache der restriktiven, nicht aber der obstruktiven Lungenfunktionseinschränkung sei.

Die vom Kläger berichteten erheblichen expositionsabhängigen Beschwerden in Form von Übelkeit und Erbrechen, Dyspnoe, Husten sowie Tränenfluss und vermehrtem Schwitzen seien mit Wahrscheinlichkeit durch die intermittierend erhebliche berufliche Organphosphatbelastung im Sinne einer BK 1307 hervorgerufen worden (Seite 37 des Gutachtens). Hinsichtlich der Entstehung der chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung sei die hohe und langjährige berufliche Belastung durch eine Reihe von atemwegsirritativ bzw. toxisch wirkenden Pflanzenschutzmitteln von ursächlicher Bedeutung. Dabei sei davon auszugehen, dass die arbeitsplatzbezogen aufgetretenen akuten Atembeschwerden auch durch die daneben wirkenden Organphosphate mitbedingt gewesen seien. Die ärztlicherseits berichteten bronchitischen Beschwerden seien großteils auf die chemisch-irritativen und toxischen Schädigungen des respiratorischen Apparates durch Pflanzenschutzmittel zurückzuführen. Außerdem sei von einer Begünstigung von Infekten des Respirationstraktes durch die stattgefundenen Schadstoffexpositionen, die die Atemwege schädigten und chronische Entzündungsreaktionen hervorriefen, auszugehen. Es lägen keine Hinweise auf eine andere überzeugende Genese der obstruktiven Atemwegserkrankung mit auch infektähnlichem Beschwerdebild vor. Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass - soweit Zweifel an den Angaben des Klägers über die Arbeitsbezogenheit seiner geschilderten Beschwerden bestehen sollten - von Seiten des Gerichts die klinischen Befunde und die Beurteilung des Haus- und Betriebsarztes Dr. W eingeholt werden sollten (Seite 39 des Gutachtens). Zu der von den Vorgutachtern wiederholt vorgebrachten Infektgenese der Atembeschwerden sei anzuführen, dass sich aufgrund praktisch gleichartiger Krankheitssymptome ein Atemwegsinfekt von chemisch-irritativ bedingten Schädigungen am Atemtrakt anamnestisch und klinisch nicht ohne Weiteres unterscheiden lasse. Zu berücksichtigen sei weiter, dass unter der als hoch einzuschätzenden Exposition gegenüber atemwegsirritativ und toxisch wirkenden Pflanzenschutzmitteln eine Schädigung der Atemwegsschleimhaut anzunehmen gewesen sei, die zu Atemwegsinfekten prädestiniere. Soweit solche aufgetreten seien, seien sie mit Wahrscheinlichkeit im wesentlichen Folge der beruflichen Schadstoffexpositionen. Die im Jahr 2005 nach fünfjähriger erheblicher Schadstoffexposition nachgewiesene und persistierende unspezifische bronchiale Hyperreagibilität mit Auslösung von Atembeschwerden nicht nur am Arbeitsplatz, sondern durch unspezifische Reize wie Tabakrauch, Autoabgasen, Kälte und scharfe Gerüche sowie körperliche Belastung sei erwartungsgemäß. In umfangreichen Untersuchungen sei gut belegt, dass chemisch-irritativ und toxisch am Atemtrakt wirkende Schadstoffe bei langjähriger Einwirkung in der Lage seien, schleichend eine obstruktive Atemwegserkrankung mit Chronifizierung hervorzurufen. Abweichend von den Aussagen in den Vorgutachten seien Krankheitssymptome auch außerhalb des Arbeitsplatzes sowie verstärkte Atembeschwerden an kalten Wintertagen und auch nach Beendigung der ursächlichen Exposition nicht als Argument gegen eine berufliche Verursachung zu bewerten. Dies gelte selbst bei einer Verschlimmerung der Erkrankung nach Beendigung der Exposition. Hierzu sei auch im Merkblatt zur BK 4302 ausgeführt „im chronischen Erkrankungsstadium bestehen Beschwerden und Befunde unabhängig von der beruflichen Exposition gegenüber den genannten Arbeitsstoffen“. Auch in der arbeitsmedizinischen Literatur sei belegt, dass die Beschwerden in etwa einem Drittel der Fälle trotz Karenz gegenüber den ursächlichen Noxen infolge der erfolgten Schädigung der Atemwege im weiteren Verlauf persistierten und sich bei einem weiteren Drittel sogar verschlimmerten. Hiervon sei auch im vorliegenden Fall auszugehen.

Insgesamt lägen die Einwirkungskausalität und die haftungsbegründende Kausalität hinsichtlich der BK 4302 vor. Labortechnische Untersuchungen zur Absicherung existierten nicht und seien auch nicht erforderlich. Es werde jedoch angeregt, die ärztlichen Unterlagen des Betriebs- und Hausarztes Dr. W beizuziehen. Der Gutachter hat hervorgehoben, dass seine Zusammenhangsbeurteilung unter dem Vorbehalt erfolge, dass die Unterlagen und Äußerungen des Haus- und Betriebsarztes Dr. W nicht im Widerspruch zu den dargelegten Angaben des Klägers stehen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit sei i.H.v. 20 vom Hundert beginnend ab dem 08. Februar 2005 anzunehmen.

Darüber hinaus bestehe bei zweifelsfrei erheblicher Einwirkung von organischen Phosphorverbindungen und typischer entsprechender Intoxikationssymptomatik neben der Einwirkungskausalität auch die haftungsbegründende Kausalität hinsichtlich der BK Nr. 1307. Es ergebe sich zudem der Verdacht auf einen Morbus Parkinson sowie eine toxische Enzephalopathie.

 

Die Beklagte hat hierzu dahingehend Stellung genommen, dass durch das Gutachten ein ursächlicher Zusammenhang nicht belegt, sondern nur dessen Möglichkeit aufgezeigt werde. Der Sachverständige lege die anamnestischen Angaben des Klägers ungeprüft zu Grunde.

 

Anschließend hat der Senat noch einen ergänzenden Befundbericht des Hausarztes Dr. W vom 12. Juli 2022, der den Kläger nach seinen Angaben seit April 2002 behandelt hat, und eine Auflistung der ärztlichen Behandlungen durch ihn für den Zeitraum bis 2009 angefordert. Konkrete Angaben zur Häufigkeit der Konsultationen für die Zeit bis 2009 hat Dr. W nicht gemacht, sondern in Übereinstimmung mit dem Kläger angegeben, dass sich dieser bei ihm erst seit 2007 bzw. 2008 in kontinuierlicher Behandlung befinde. Aus der für den Zeitraum vom 01. Januar 2003 bis zum 28. August 2022 übersandten Krankenblattübersicht ergeben sich vor September 2009 lediglich Vorstellungen am 25. September 2007 wegen Grippe-Impfung und am 18. Januar 2008 wegen grippalen Infekts. Die ihn zuvor behandelnde Ärztin sei die bereits vor Jahren verstorbene Dr. Sch, deren Praxisunterlagen nicht mehr verfügbar seien.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, des Vorbringens der Beteiligten und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die in Auszügen beigezogenen Gerichtsakten zu den Aktenzeichen S 28 R 596/13 und S 35 SB 305/14 verwiesen und inhaltlich Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

 

 

Entscheidungsgründe

 

 Die form- und fristgemäß eingereichte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Juli 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung einer Berufskrankheit nach der Nr. 4302 der Anlage 1 zu BKV.

 

Gegenstand des Verfahrens ist eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG), mit der der Kläger unter Abänderung der Ablehnungsentscheidung der Beklagten die gerichtliche Feststellung begehrt, dass die bei ihm vorliegende Atemwegserkrankung eine Berufskrankheit im Sinne der BK 4302 ist. Ein Versicherter, dem gegenüber ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung durch Verwaltungsakt entschieden hat, dass eine bestimmte Berufskrankheit nicht gegeben ist, kann deren Vorliegen als Grundlage in Frage kommender Leistungsansprüche vorab im Wege einer Kombination von Anfechtungs- und Feststellungsklage klären lassen (vgl. Bundessozialgericht <BSG>, Urteile vom 02. April 2009 – B 2 U 30/07 - und vom 28. April 2004 - B 2 U 21/03 R –, jeweils juris).

 

Die Klage erweist sich jedoch als unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Anerkennung seiner Atemwegserkrankung als Berufskrankheit im Sinne der BK 4302.

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII), sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Ermächtigungsgrundlage für die Bezeichnung von Berufskrankheiten ist § 9 Abs. 1 SGB VII. Danach sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 und 6 SGB VII erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (§ 9 Abs. 1 Satz 3 SGB VII in der bis zum 31. Dezember 2020 geltenden Fassung).

 

Der Tatbestand der BK 4302 umfasst die durch chemisch-irritative oder toxisch wirkende Stoffe verursachten obstruktiven Atemwegserkrankungen. Für die Anerkennung der Berufskrankheit war bis zum 31. Dezember 2020 darüber hinaus erforderlich, dass diese Erkrankung zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Dieses Merkmal des Unterlassungszwangs ist für die BK 4302 auf Grund der Änderung des § 9 SGB VII durch Art. 7 Nr. 3 lit a) des Siebten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 12. Juni 2020 zum 01. Januar 2021 entfallen.

 

Gemäß diesen Vorgaben lassen sich folgende Tatbestandsmerkmale ableiten: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine obstruktive Atemwegserkrankung verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die vorgenannten Merkmale der versicherten Tätigkeit, Verrichtung, Einwirkungen und Krankheit müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. nur BSG, Urteile vom 30. März 2017 – B 2 U 6/15 R –, Rn. 12, und vom 17. Dezember 2015 – B 2 U 11/14 R -, Rn. 10, beide zitiert nach juris, m.w.N.). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (BSG, Urteil vom 27. Juni 2017 – B 2 U 17/15 R -, Rn. 13, juris).

 

1. Unter den Begriff der obstruktiven Atemwegserkrankung im Sinne der BK 4302 fallen die Krankheitsbilder Asthma bronchiale und chronische obstruktive Bronchitis (COPD) (Empfehlung für die Begutachtung der Berufskrankheiten der Nummern 1315 (ohne Alveolitis), 4301 und 4302 der Anlage zur BKV, November 2012 – Reichenhaller Empfehlung –, S. 30).

 

Die für die Feststellung der BK 4302 erforderliche Erkrankung im Sinne einer obstruktiven Atemwegserkrankung ist zur Überzeugung des Senats lediglich im Hinblick auf ein nichtallergisches Asthma bronchiale gegeben. Eine anderweitige Lungenerkrankung mit dauerhaften obstruktiven Einschränkungen (COPD) ist im Zeitpunkt der Aufgabe der beruflichen Tätigkeit des Klägers im Jahre 2009 nicht zur Überzeugung des Senats im Vollbeweis gesichert. Seine Einschätzung stützt der Senat auf die Ausführungen der Sachverständigen Dr. S, Prof. Dr. Hund B

 

a. Die Sachverständigen Dr. S, Prof. Dr. H und B legen nachvollziehbar und unter Auswertung der von ihnen bei der körperlichen Untersuchung des Klägers selbst erhobenen und der in den Akten befindlichen Befunde für den Senat überzeugend dar, dass eine Lungenerkrankung mit dauerhaften obstruktiven Einschränkungen beim Kläger nicht gegeben ist.

 

Die Lungenfunktion des Klägers ist sowohl erstinstanzlich am 28. Dezember 2012 durch Dr. S als auch im Berufungsverfahren durch die Sachverständigen Prof. Dr. H am 25. November 2015 und B am 30. September 2016 untersucht worden. Bei diesen Untersuchungen hat sich eine vorwiegend restriktive Ventilationsstörung gezeigt. Nach gutachterlicher Auswertung lasse sich auch überwiegend in den früheren Aufzeichnungen zur Lungenfunktion des Klägers keine vorwiegend obstruktive Ventilationsstörung nachweisen. Dr. Sch hat hierzu in seinem Gutachten ausgeführt, dass sich auch aus den Vorbefunden eine obstruktive Ventilationsstörung unter Ruhebedingungen und auch ohne Medikamenteneinfluss weder im Februar 2005 noch im Januar 2010 verobjektivieren lasse, dabei stelle die Reaktion im inhalativen Provokationstest mit Methacholin und Histamin einen häufigen und unspezifischen Befund dar. Damit in Übereinstimmung hat Prof. Dr. H keinen pathologischen Befund bezüglich der Lungen feststellen können. Die atemmechanischen Untersuchungen hätten den Hinweis auf eine Restriktion ergeben, eine Obstruktion mit oder ohne Lungenüberblähung lasse sich aus den Funktionsprotokollen jedoch nicht ableiten. Auch nach den Ausführungen des Sachverständigen B lasse sich weder in der aktuellen noch in den meisten der Voruntersuchungen eine vorwiegend obstruktive Ventilationsstörung nachweisen. Der Sachverständige hat gemeint, es bestehe eine gemischtförmige, bei Adipositas führend restriktive, aber nur gering periphere obstruktive Ventilationsstörung. Soweit der Sachverständige Prof. Dr. Bin seinem Gutachtendagegen ausgeführt hat, dass nach bereits zuvor bestandenen arbeitsplatzbezogenen respiratorischen und gastrointestinalen Beschwerden am Vorliegen einer seit 2005 objektivierten therapiebedürftigen obstruktiven Atemwegserkrankung mit reversibler obstruktiver Ventilationsstörung kein vernünftiger Zweifel bestehe, steht dies nicht im Widerspruch zu den Feststellungen der Vorgutachter. Die Reversibilität der Obstruktion ist gerade ein Merkmal des in der Regel anfallartigen Auftretens von Atemnot bei einer asthmatischen Erkrankung. Eine anderweitige (chronische) obstruktive Atemwegserkrankung stellt auch Prof. Dr. B nicht ausdrücklich fest. Sie ergibt sich auch nicht aus seinen übrigen Ausführungen. Soweit Prof. Dr. B das Vorliegen einer obstruktiven Atemwegserkrankung mit einer messtechnisch festgestellten unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität und der diesbezüglichen Therapiebedürftigkeit, die zumindest seit 2009 erweitert worden sei, begründet, ergibt sich daraus keine weitergehende Feststellung. Allein eine bronchiale Hyperreagibilität stellt keine obstruktive Atemwegserkrankung im Sinne der BK 4302 dar. Dies ergibt sich bereits aus den Ausführungen im Merkblatt zur BK 4302, wonach eine unspezifische bronchiale Hyperreagibilität und/oder eine chronisch-obstruktive Bronchitis aus außerberuflicher Ursache und ohne wesentliche Verschlimmerung durch Einwirkung chemisch-irritativ oder toxisch wirkender Arbeitsstoffe nicht unter die BK 4302 falle. Eine bronchiale Hyperreagibilität bezeichnet vielmehr die gesteigerte Reaktionsbereitschaft der Bronchien gegenüber potentiell bronchokonstriktorisch wirkenden Reizen. Sie ist zwar Symptom verschiedener Atemwegserkrankungen, insbesondere des Asthma bronchiale, mit pathologischer Verengung der Atemwege auf Grund bestimmter exogener Reize (https://www.pschyrembel.de/Bronchiale%20Hyperreaktivit%C3%A4t/K0ABH), aber an sich keine obstruktive Atemwegserkrankung.

 

Dabei ist dem Senat bewusst, dass die Lungenfunktionsuntersuchungen durch alle gerichtlichen Sachverständigen unter antiobstruktiver bzw. bronchienerweiternder medikamentöser Therapie (z. B. Bronchoretard, Theophyllin) erfolgten. Daraus allein kann aber nicht auf das Vorliegen einer chronischen Obstruktion geschlossen werden. Auch nach den Angaben des Klägers erfolgte die medikamentöse Therapie vor der Einstellung seiner beruflichen Tätigkeit auf Grund damals im Zusammenhang mit Infekten oder seinen Arbeitsbedingungen auftretender akuter Atemnot und nicht zur Therapie einer permanent bestehenden Beeinträchtigung des Atemflusses. Die Bewertung der Sachverständigen wird zudem von der Einschätzung der den Kläger bei seinen stationären Aufenthalten im CTK vom 17. bis zum 21. Januar 2011 und vom 03. bis zum 15. Februar 2011 behandelnden Ärzte bestätigt. Diese konnten keine Obstruktion, nur eine Restriktion feststellen. Es findet sich die Aussage einer „Pseudoobstruktion“.

 

Der Senat hat sich auch nicht zur Beauftragung einer erneuten Begutachtung unter Auslassung der medikamentösen Therapie des Klägers veranlasst gesehen. Die Vornahme einer entsprechenden Untersuchung unter Aussetzung der Therapie unterliegt der ärztlichen Verantwortung und Entscheidung des Gutachters. Da die Berufskrankheit bereits zum Zeitpunkt der Beendigung der Tätigkeit vorliegen muss, wäre hieraus für den bereits knapp 14 Jahre zurückliegenden Zeitpunkt kaum ein verwertbarer Erkenntnisgewinn zu erwarten.

 

b. Nach den überstimmenden Bewertungen aller Gutachter und Behandler liegt ein nicht allergisches Asthma beim Kläger vor. Der Senat hat keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Diagnose zu zweifeln

 

2. Das Vorliegen der für die Feststellung der BK 4302 erforderlichen arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne einer ausreichenden Exposition gegenüber chemisch-irritativ oder toxisch wirkenden Arbeitsstoffen kann nicht festgestellt werden.

 

Chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Arbeitsstoffe kommen an zahlreichen Arbeitsplätzen als Inhalationsnoxen in Form von Gasen, Dämpfen, Stäuben oder Rauchen vor (vgl. Merkblatt zur BK Nr. 4302, Bek. des BMA vom 10. Juli 1979 im Bundesarbeitsblatt 7/8/1979, S. 74). Trotz der vom Senat angestellten Ermittlungen sind der Umfang, die Dauer und die Dosis der auf den Kläger einwirkenden chemisch-irritativ oder toxisch wirkenden Stoffe nicht mit der für den Vollbeweis erforderlichen vollen Überzeugung des Senats feststellbar.

 

Der Senat geht dabei davon aus, dass der Kläger bei seiner versicherten Tätigkeit von 1991 bis zum September 2009 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der inhalativen Einwirkung einer Reihe unterschiedlicher Pflanzenschutzmittel ausgesetzt gewesen ist. Ebenso steht zur Überzeugung des Senats fest, dass ein Teil dieser Stoffe geeignet ist, chemisch-irritative oder toxische Wirkung zu entfalten. Insoweit wird auf die Aufzählung der entsprechenden Stoffe im Gutachten des Prof. Dr. Sch verwiesen.

 

Dass der Kläger diesen Stoffen aber in einem Umfang ausgesetzt gewesen ist, der grundsätzlich geeignet ist, eine schädigende Wirkung insbesondere auf die Atemwege auszuüben, kann aber ebenso wenig festgestellt werden wie der zeitliche Umfang der schädigenden Einwirkungen.

 

Zu den verwendeten Spritzmitteln hat der Senat über die Befragung und die Auskünfte des Klägers hinaus den Zeugen R vernommen. Dieser hat sowohl zur Art der verwendeten Mittel Auskunft gegeben als auch zum Umfang und zur Menge der auf die Felder aufgebrachten Substanzen. Er hat hierzu den Turnus des Spritzens für die einzelnen Gemüsearten, das jeweilige Mischungsverhältnis und die Menge des ausgebrachten Spritzmittels angegeben. Aus den vom Landesamt für Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung beigezogenen Auszügen aus der „Pflanzenschutzmittel-Auswertung und Pflanzenschutzmittel-Information“ (PAPI) des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zu den einzelnen vom Kläger und vom Zeugen angegebenen Pflanzenschutzmitteln und dem von Prof. Dr. Sch erstellten toxikologischen Sachverständigengutachten vom 19. Dezember 2020 ergibt sich die entsprechende Klassifikation einzelner Stoffe.

 

Die Inhalationsmenge und damit das Maß der Einwirkung auf den Körper des Klägers, z. B. ob Vorsorge- oder Grenzwerte an seinem Arbeitsplatz überschritten wurden, lässt sich daraus aber nicht ableiten. Der toxikologische Sachverständige Prof. Dr. Sch hat hierzu ausgeführt, dass der Kläger nach den in entsprechenden Datenbanken verfügbaren Informationen durch die 41 aufgezählten Pflanzenschutzmittel allergisierend sowie toxisch-irritativ wirkenden Stoffen ausgesetzt gewesen sei. Da jedoch während der Exposition kein Biomonitoring stattgefunden habe, könnten – auch unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers, keine Schutzkleidung getragen zu haben und mit einem Traktor mit nicht verschlossener Kabine gefahren zu sein – keine Rückschlüsse auf die konkrete Konzentration der Gefahrstoffe am Arbeitsplatz gezogen werden. Dieser Bewertung schließt sich der Senat an. Das Ausmaß, in dem der Kläger dem beim Ausbringen der Pflanzenschutzmittel entstehenden Sprühnebel ausgesetzt gewesen ist, ist von sehr individuellen, nicht mehr nachstellbaren Umständen abhängig. Es kommt auf die verwendeten Spritzdüsen, die konkrete Einstellung der Düsen im Hinblick auf Ausrichtung, Größe und Dampfdruck an. Für die Fahrerkabine, zu der der Kläger angibt, dass sie bei dem bis 2001 oder 2002 verwendeten Traktor russischer Bauart „M52“ nicht verschlossen gewesen sein soll, käme es auf die Stellung der Fenster, die gefahrene Geschwindigkeit und nicht zuletzt auf die Richtung und Stärke des jeweils vorherrschenden Windes an. Es kann für die Betrachtungen auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger dem Sprühnebel während des jeweils 15- bis 20minütigen Spritzvorgangs dauerhaft ausgesetzt gewesen ist. Zum einen ist dem Unfallversicherungsrecht eine worst-case-Betrachtung fremd (BSG, Urteil vom 15. September 2011 – B 2 U 25/10 R –, Rn. 18, juris) und zum anderen liegt eine entsprechende Annahme äußerst fern. Die Sprührichtung der Mittel ist eine andere als die Fahrtrichtung des Traktors. Sie ist nach (ggf. schräg) unten gerichtet und der Traktor bewegt sich parallel zum Boden nach vorn. Im Hinblick auf die geringe Höhe der im Gemüseanbau zu spritzenden Pflanzen ist zudem davon auszugehen, dass die Spritzdüsen sich nicht auf der Höhe der Fahrerkabine befunden haben, sondern deutlich tiefer angeordnet waren. Es müsste daher davon ausgegangen werden, dass der mit geringem Dampfdruck ausgebrachte Sprühnebel – bevor er auf die Pflanzen absinkt – den Traktor quasi durch Windbewegungen ein- bzw. überholt, zur Fahrerkabine aufsteigt  und dann noch in die Fahrerkabine einbiegt. Dies scheint bei entsprechenden Windverhältnissen zwar nicht ausgeschlossen, wie häufig dies der Fall gewesen ist oder gewesen sein kann und welche Mengen in die Fahrerkabine dabei eingedrungen sind, lässt sich allerdings in keiner Weise mehr ermitteln.

 

Auch das Ausmaß einer etwaigem Aufnahme der versprühten Stoffe über die Haut und beim Einatmen von Dämpfen oder Stäuben beim Anrühren der Spritzmittel lässt sich nicht mehr mit der erforderlichen Überzeugung des Senats feststellen. Insoweit steht zur Überzeugung des Senats bereits nicht fest, dass der Kläger die Spritzmittel immer selbst angemischt hat. Der Zeuge R hat bei seiner Vernehmung bekundet, dass er die Spritzbrühe hergestellt habe. Der Kläger hat in Übereinstimmung hiermit bei seiner Begutachtung durch Dr. K (DRV) im Jahr 2011 den Vorgang noch so dargestellt, dass der Chef die Pflanzenschutzmittel „selbst zusammengerührt“ habe. Erst im Laufe des gerichtlichen Verfahrens hat der Kläger dann (z. B. im Rahmen der Begutachtung durch Prof. Dr. B) angegeben, die Mittel in größerem Umfang selbst angemischt zu haben. Dies vermag den Senat angesichts der früheren und zur beruflichen Tätigkeit wesentlich zeitnäheren Angaben bei Dr. K nicht zu überzeugen. Die auch nach den Bekundungen des Zeugen R auf den Kläger entfallenden Arbeiten des Einfüllens der Mischung in den 1000 Liter-Tank und des Auffüllens des Tanks mit Wasser dürften hingegen nur zu einer kurzzeitigen Einwirkung und vor allem ohne Staubverursachung geführt haben. Des Weiteren ist auch hier der konkrete Hergang und die Exposition nicht mehr nachstellbar.

 

3. Aber auch bei Unterstellung einer zur Schädigung ausreichenden Exposition gegenüber chemisch-irritativen oder toxisch wirkenden Stoffen, ist die Verursachung des Asthma bronchiale oder die wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung durch diese Einwirkungen nicht überwiegend wahrscheinlich. Dies gilt – unabhängig davon, dass solche schon nicht im Vollbeweis festgestellt worden sind – auch für etwaige anderweitige obstruktive Atemwegserkrankungen, insbesondere für eine COPD.

 

Der Senat folgt auch insoweit den Bewertungen der Sachverständigen Dr. S, Prof. Dr. H und B, die im Einklang mit den Ausführungen des Prof. Dr. Sch stehen. Auch das Gutachten des Prof. Dr. B rechtfertigt nicht den Schluss auf eine überwiegend wahrscheinliche Verursachung.

 

a. Die Sachverständigen Dr. S, Prof. Dr. H und B haben nach sorgfältiger Auswertung der beigezogenen Befundunterlagen, der Untersuchung des Klägers, der Angaben des Klägers zu seinen Beschwerden während und nach der beruflichen Tätigkeit sowie der in den Akten enthaltenen Unterlagen zum Umgang des Klägers mit Pflanzenschutzmitteln ihren Schluss, dass eine Verursachung des bestehenden Leidens nicht wahrscheinlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen sei, nachvollziehbar und schlüssig begründet. Sie gehen inhaltlich übereinstimmend davon aus, dass keine Umstände vorliegen, die für eine Verursachung durch die beruflichen Einwirkungen sprechen.

 

Die Sachverständigen Dr. S, Prof. Dr. H und B legen in ihren Gutachten jeweils dar, dass weder Episoden einer Asthmareaktion noch eine Eskalation im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit dokumentiert seien und die Symptomatik nach Aufgabe der Tätigkeit im September 2009 in den Folgejahren zugenommen habe. Es sei bei Fernbleiben vom Arbeitsplatz auch nicht zu einer Beschwerdefreiheit gekommen. Ebenso habe die Aufgabe der Tätigkeit nicht zu einer Verbesserung des Gesundheitszustandes des Klägers geführt. Zwar habe der Kläger bei der Untersuchung angegeben, am Arbeitsplatz und bei Kontakt mit arbeitsplatzbezogenen chemischen Substanzen zeitweilig Symptome eines bestehenden Asthmas verspürt zu haben. Dies sei jedoch weder im Sinne der Unterbrechung der beruflichen Tätigkeit noch durch eine Intensivierung der Therapie dokumentiert. Vor diesem Hintergrund könne eine Verursachung durch die berufliche Exposition nicht angenommen werden. Dies überzeugt den Senat. Das zeitliche Inbezugsetzen der Exposition mit den Symptomen stimmt mit den in dem Merkblatt zur BK 4302 niedergelegten wissenschaftlichen Erkenntnissen überein. Danach ist der zeitliche Zusammenhang zwischen Exposition und Krankheitsbeginn bedeutsam. Ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der Inhalation ist danach in der Regel gegeben. Hilfreich bei der Einschätzung der krankheitsauslösenden und –unterhaltenden Potenz der Arbeitsstoffe kann die Prüfung sein, ob sich die Intensität der klinischen Erscheinungen in Folge saisonaler oder anderer Faktoren bei gleichen Expositionsbedingungen unterscheidet (Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, Kap. 17.13, S. 1115, S. 1118). Der Verlauf der Symptomatik nach dem tatsächlichen oder vermeintlichen Expositionsende gegenüber der angeschuldigten inhalativen Noxe ist zu beachten (Reichenhaller Empfehlung, S. 64). Einen spezifischen Zusammenhang zwischen der Exposition am Arbeitsplatz und den aufgetretenen Beschwerden hat der Kläger gegenüber den o. g. Gutachtern nicht beschrieben. Auch seine im Rahmen der im Jahr 2010 durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme gemachten Angaben lassen einen spezifischen Bezug zu der Tätigkeit des Aufbringens der Spritzmittel nicht erkennen. Der Kläger hatte angegeben, bei feuchtem Wetter sehr häufig Husten und sonst auch fast ständig Husten zu haben. Bei feuchtem Wetter komme es zu nächtlicher Atemnot und darüber hinaus zu einer Kurzatmigkeit bei Belastung. Seit fünf Jahren habe er aber auch während der beruflichen Tätigkeit verstärkt Probleme. Der Wechsel zwischen dem sehr warmen Gewächshaus und den kalten Witterungsbedingungen auf den Feldern sei ungünstig gewesen. Er berichtete auch über Atemnot bei der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln, wobei er ohne Schutzanzug und Maske gearbeitet habe. Der auch bei der Aufnahme vorhandene persistierende Husten trete immer im Winter auf. Im Vordergrund der Beschwerden stand nach den Schilderungen des Klägers demnach nicht das Ausbringen der im Sinne der BK 4302 als potentiell gefährdend anzusehenden Mittel, sondern die Witterung. Das wird durch die Angaben des Klägers, vor der Aufgabe der Tätigkeit gerade im Winter, mithin in seinen arbeitsfreien Zeiten, unter Atemwegsinfekten gelitten zu haben, bestätigt. Ein Auslösen der Beschwerden durch den Umgang mit Pflanzenschutzmitteln wird nicht nur quantitativ, sondern auch zeitlich nachrangig geschildert. Im Jahr 2010 sollen die Probleme während der beruflichen Tätigkeit erst seit fünf Jahren, also ab dem Jahr 2005, aufgetreten sein. Die lungenfachärztliche Behandlung hatte aber bereits im Jahr 2000 anlässlich einer Lungenentzündung begonnen, die der Kläger bei der Aufnahme in die Reha-Einrichtung auch selbst als Beginn seiner bronchopulmonalen Beschwerden schilderte. Arbeitsunfähigkeitszeiten auf Grund bronchopulmonaler Beschwerden sind nach der Lungenentzündung im Jahr 2000 nicht dokumentiert. Ebenso fehlt es an der Dokumentation von Beschwerden im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Klägers. Soweit der Kläger nunmehr im Berufungsverfahren und bei der Begutachtung durch Prof. Dr. B vorgetragen hat, dass er bereits kurz nach Beginn des Spritzens von Pflanzenschutzmitteln einen Hustenreiz und erschwerte Atmung, zum Teil mit Atempfeifgeräuschen bemerkt habe und deshalb im Jahr 2000 eine ärztliche Konsultation erfolgt sei, und weiter, dass der Kontakt mit den Pflanzenschutzmitteln BI 58 und Perfekthion regelmäßig bei intensivem Kontakt je nach Arbeitsanfall ein- bis dreimal pro Woche Atembeschwerden ausgelöst und zusätzlich zu starker Übelkeit bis hin zu schwallartigem Erbrechen, Bauchkrämpfen, Augentränen, Husten, Auswurf, Atemnot, zum Teil auch etwas Verwirrtheit geführt habe, woraufhin er die Arbeit habe unterbrechen müssen, ist dies eine für den Senat nicht erklärliche Steigerung des Vortrags. Sie sind – ohne weitere Dokumentation - nicht geeignet, den Senat vom Vorliegen der geschilderten Symptomatik im beruflichen Zusammenhang zu überzeugen. Es sind keine Umstände erkennbar oder vom Kläger dargetan, die es nachvollziehbar erscheinen ließen, weshalb der Kläger hiervon nicht bereits im Rahmen der Rehabilitationsmaßnahme oder bei den vorherigen gutachterlichen Untersuchungen berichtet hat. Dort hatte er lediglich angegeben, dass es u. a. auch bei der Arbeit zu Atemnot gekommen sei, hat aber den Wechsel zwischen Kalt und Warm in den Vordergrund gerückt und auch von Übelkeit, gastrointestinalen Beschwerden, Augentränen und Verwirrtheit nichts berichtet. Auch der weitere Vortrag bei Prof. Dr. B, wonach er wegen Beschwerden nach beruflicher Belastung im Durchschnitt zwei-, zum Teil auch dreimal jährlich seinen Hausarzt Dr. W aufgesucht habe, ist nicht belegt. Entsprechende ärztliche Vorstellungen wurden durch Dr. W auf konkrete Nachfrage nicht bestätigt. Aus dem von Dr. W ausgefüllten Rehabilitationsantrag gegenüber der Rentenversicherung vom 27. Januar 2010 ergibt sich vielmehr, dass er zu diesem Zeitpunkt, mithin noch nach Aufgabe der Tätigkeit, von einer seit Jahren bestehenden asthmoiden Bronchitis ausging und die Beschwerden im Winterhalbjahr zunehmen würden, sowie dass er als Gefährdung eine Adipositas sehe. Auch aus den übrigen beigezogenen ärztlichen Unterlagen, wie z. B. dem Bericht der Fachärztin für Lungenkrankheiten Dr. K vom 08. Februar 2005, ergeben sich zunehmende bronchitische Beschwerden – besonders im Herbst und im Winter, verstärkt nach Kontakt zu Arbeitsstoffen. Die Vorstellung beim Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde G am 14. Januar 2010 ergab anamnestisch einen immer im Herbst bestehenden Husten mit pulmonaler Spastik. Auch nach dem Behandlungsbericht des CTK erfolgte die Aufnahme des Klägers im Januar 2011 wegen rezidivierenden Hustens mit Verschlimmerung bei feuchter und kalter Witterung. Hinweise auf einen zeitlich unmittelbaren Zusammenhang mit dem beruflich bedingten Kontakt mit Pflanzenschutz- oder Düngemitteln fehlen hingegen.

 

Soweit Prof. Dr. B in seinem Gutachten ausführt, dass die Infektgenese nicht gegen eine berufliche Verursachung spreche, konnte das den Senat lediglich insoweit überzeugen, als dass ein Kausalzusammenhang nicht allein deshalb ausgeschlossen ist, weil die Beschwerden nicht überwiegend am Arbeitsplatz aufgetretenen sind und bei Expositionskarenz und Beendigung der Tätigkeit eine Verbesserung ausgeblieben ist. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Verursachung durch die beruflichen Einwirkungen ergibt sich daraus dagegen für den Senat nicht. Prof. Dr. B hat dargelegt, dass die im Jahr 2005 nach fünfjähriger erheblicher Schadstoffexposition nachgewiesene und persistierende unspezifische bronchiale Hyperreagibilität mit Auslösung von Atembeschwerden nicht nur am Arbeitsplatz, sondern durch unspezifische Reize wie Tabakrauch, Autoabgase, Kälte und scharfe Gerüche sowie körperliche Belastung erwartungsgemäß sei. In umfangreichen Untersuchungen sei gut belegt, dass chemisch-irritativ und toxisch am Atemtrakt wirkende Schadstoffe bei langjähriger Einwirkung in der Lage seien, schleichend eine obstruktive Atemwegserkrankung mit Chronifizierung hervorzurufen. Abweichend von den Aussagen in den Vorgutachten seien Krankheitssymptome auch außerhalb des Arbeitsplatzes sowie verstärkte Atembeschwerden an kalten Wintertagen und auch nach Beendigung der ursächlichen Exposition nicht als Argument gegen eine berufliche Verursachung zu bewerten. Dies gelte selbst bei einer Verschlimmerung der Erkrankung nach Beendigung der Exposition. Hierzu sei auch im Merkblatt zur BK 4302 ausgeführt „im chronischen Erkrankungsstadium bestehen Beschwerden und Befunde unabhängig von der beruflichen Exposition gegenüber den genannten Arbeitsstoffen“. Auch in der arbeitsmedizinischen Literatur sei belegt, dass in etwa einem Drittel der Fälle trotz Karenz gegenüber den ursächlichen Noxen infolge der erfolgten Schädigung der Atemwege die Beschwerden im weiteren Verlauf persistierten und sich bei einem weiteren Drittel sogar verschlimmerten. Aus diesen Ausführungen des Sachverständigen folgt lediglich, dass eine Verschlimmerung nach Expositionsende einen Kausalzusammenhang nicht von vornherein ausschließt. Ein Argument für eine berufliche Verursachung lässt sich daraus hingegen nicht ableiten.

 

Soweit Prof. Dr. B – anders als die anderen Sachverständigen – positiv einen zeitlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit des Aufbringens von Spritzmitteln mit den Beschwerden des Klägers hergestellt hat, ist dies allein auf der Grundlage der klägerischen Angaben im Untersuchungstermin geschehen, wonach es regelmäßig beim Spritzen zu arbeitsplatzbezogenen respiratorischen und gastrointestinalen Beschwerden gekommen sei. Dies hat Prof. Dr. B in seinem Gutachten mehrfach hervorgehoben und angeregt, zu den Angaben des Klägers über die Arbeitsbezogenheit seiner geschilderten Beschwerden, klinische Befunde und Beurteilungen des Dr. W einzuholen. Dies hat der Senat bereits vor der Begutachtung durch Prof. Dr. B und danach erneut getan. Vorstellungen bei dem als behandelnden Arzt genannten Dr. W mit der geschilderten Symptomatik waren aber nicht dokumentiert und wurden von Dr. W in seinen früheren zeitnah erstellten Berichten auch nie geschildert.

 

b. Andere Umstände, aus denen auf eine berufliche Verursachung geschlossen werden könnte, liegen zur Überzeugung des Senats nicht vor.

 

Entsprechende Anhaltspunkte haben die Sachverständigen Prof. Dr. H, Dr. S und B nicht gesehen. Dr. S geht im Ergebnis vielmehr davon aus, dass das Asthmaleiden des Klägers im Wesentlichen durch rezidivierende Infekte der oberen und unteren Atemwege verursacht und moduliert wurde. Prof. Dr. H legt dar, dass die umstrittene Substanz „Glyphosat“ nicht in den angegebenen Mitteln enthalten sei. Der von dem Kläger verwendete Stoff „Ortiva“ könne zwar nach Inhalation zu einer Beeinträchtigung der Atmung erheblichen Ausmaßes führen, so dass der Arbeitsplatz sofort verlassen werden müsse. Ein solcher bedrohlicher Zustand sei von dem Kläger aber nicht beschrieben worden. Eine chronische Schädigung der Atemwege durch kontinuierliche Inhalation geringer Konzentrationen der angegebenen Stoffe sei in der Literatur hingegen nicht belegt. Auch der Sachverständige B hat keine Umstände festgestellt, die für einen kausalen Zusammenhang der Erkrankung des Klägers mit der potentiellen Schadstoffexposition sprechen könnten. Er meint, vielmehr erscheine es aufgrund des zeitlichen Verlaufs der Erkrankung (Zunahme erst nach Aufgabe der exponierten Tätigkeit) und des mehrfach dokumentierten Zusammenhangs mit akuten fieberhaften Infekten während der Herbst- und Wintermonate wenig wahrscheinlich, dass die chronische Atemwegserkrankung zu wesentlichen Teilen durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden sei. Auch der radiologische Lungenbefund spricht nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen B nicht für eine berufliche Verursachung. Danach könne zwar die Inhalation toxischer Substanzen grundsätzlich in der Lage sein, Veränderungen des Lungengewebes zu verursachen, dies sei beim Kläger jedoch weder radiologisch noch funktionell nachzuweisen gewesen. Eine Lungenfibrose als mögliche Folge einer langdauernden inhalativen Intoxikation liege danach radiologisch im Zeitpunkt der Untersuchung nicht vor. Die in einem solchen Fall ausgeprägten narbigen bzw. fibrotischen Umbauprozesse des Lungengerüstes seien weder in den CT- noch in den Röntgenbefunden festzustellen. Dies schließe aber nicht aus, dass im Bereich der Brustwand narbige Bindegewebsveränderungen (Pleuraschwielen, wie sie bei vielen älteren Menschen insbesondere nach Infekten auftreten) radiologisch nachweisbar sein können. Die Sachverständigen Dr. S und B sehen als Alternativursache rezidivierende Infekte der oberen und unteren Atemwege bzw. stattgehabte Lungenentzündungen. Differenzialdiagnostisch und zur Abgrenzung mit außerberuflichen Ursachen sei beim Kläger von der erhöhten Infektanfälligkeit als wesentlich auslösendem Faktor mit hoher Wahrscheinlichkeit auszugehen.

 

Diese den Krankheitsverlauf und die vorliegenden Befunde umfassend auswertenden Ausführungen der Sachverständigen überzeugen den Senat auch insoweit. Obstruktive Atemwegserkrankungen sind in der Bevölkerung weit verbreitet und nur zu einem Teil durch Arbeitsstoffe bedingt (vgl. Vorbemerkung Merkblatt zur BK Nr. 4302). Auch nach der Fachliteratur müssen daher differentialdiagnostisch neben dem Rauchen, das beim Kläger konkret nicht vorlag, u. a. akute und chronisch rezidivierende Infektionen der Atemwege bei der Beurteilung des Kausalzusammenhanges berücksichtigt werden (Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, Kap. 17.13, S. 1119; Merkblatt zur BK Nr. 4302, S. 3 ).

 

Soweit Prof. Dr. B hingegen von einem umgekehrten Verhältnis ausgeht, wonach die Schädigung der Atemwege zu den rezidivierenden Infekten auch in Zeiten ohne Exposition geführt haben könnte und keine Hinweise auf eine andere überzeugende Genese der obstruktiven Atemwegserkrankung mit auch infektähnlichem Beschwerdebild vorliegen würden, überzeugt dies nicht. Letztlich kann dabei offenbleiben, ob die rezidivierenden Infekte eine Alternativursache darstellen, denn entgegen der Auffassung des Sachverständigen Prof. Dr. B kann nicht etwa wegen mangelnder Alternativursachen allein von der beruflichen Exposition mit geeigneten Stoffen auf die Verursachung der Erkrankung geschlossen werden. Grundsätzlich muss die überwiegende Wahrscheinlichkeit der wesentlichen Verursachung oder Verschlimmerung positiv für die geeignete Einwirkung festgestellt werden. Denn es gibt im Bereich des Arbeitsunfallrechts keine Beweisregel, wonach bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache sei, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde. Es reicht daher zur Begründung des ursächlichen Zusammenhangs nicht aus, gegen diesen Zusammenhang sprechende Umstände auszuschließen (BSG, Urteile vom 31. Januar 2012 - B 2 U 2/11 R -, vom 02. April 2009 - B 2 U 29/07 R - und vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, Rn. 20, alle zitiert nach juris). Dies gilt insbesondere für die von der BK 4302 allein erfasste obstruktive Atemwegserkrankung sowie für das beim Kläger konkret vorliegende Erkrankungsbild. Dieses zeigt sich als eine unspezifische bronchiale Hyperreagibilität mit z.B. Husten und Atemnot bei Exposition gegenüber feuchtkaltem Wetter sowie rezidivierende Atemwegsinfekte. Dies ist ein unspezifisches Beschwerdebild, bei dem sich, auch nach der Einschätzung von Prof. Dr. B in seinem Gutachten vom 20. Mai 2022, auf Grund praktisch gleichartiger Krankheitssymptome anamnestisch und klinisch nicht ohne weiteres unterscheiden lässt, ob die Ursache Atemwegsinfekte oder chemisch-irritativ bedingte Schäden sind. Diese Einschätzung wird von der Bewertung des Toxikologen Prof. Dr. Sch bestätigt, der im Ergebnis seines Gutachtens ausführt, dass die beim Kläger vorliegenden Symptomkomplexe unterschiedliche Ursachen haben könnten. Sie stünden nicht für einen biologischen Fingerabdruck nach Exposition mit einzelnen Stoffen oder Stoffgemischen. Die Atemwegserkrankung könne daher nicht durch Exposition mit den benannten Pflanzenschutzmitteln erklärt werden.

 

c. Letztlich hält der Senat eine berufliche Verursachung nicht für überwiegend wahrscheinlich. Wie bereits dargelegt, folgt der Senat damit den von den Sachverständigen Prof. Dr. H, Dr. S und B verfassten Gutachten. Auch zu den Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. B besteht kein Widerspruch, auch wenn im Ergebnis das Vorliegen der BK 4302 bejaht wird. Prof. Dr. B geht zwar mit einer theoretisch für den Senat nachvollziehbaren medizinischen Begründung von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit der beruflichen Verursachung aus. Seiner Begutachtung hat er aber Tatsachen zu Grunde gelegt,  deren Feststellung allein dem Senat obliegt und von deren Vorliegen der Senat nicht überzeugt ist. Prof. Dr. B hat hervorgehoben, dass seine Zusammenhangsbeurteilung unter dem Vorbehalt erfolgt sei, dass die Unterlagen und Äußerungen des Haus- und Betriebsarztes Dr. W nicht im Widerspruch zu den dargelegten Angaben des Klägers stehen. Das ist vorliegend aber der Fall. Weder sind ärztliche Vorstellungen des Klägers auf Grund arbeitsplatzbezogener Beschwerden dokumentiert noch gibt es einen sonstigen Beleg für die vom Kläger behaupteten starken körperlichen Reaktionen beim Aufbringen und Anmischen der Spritzmittel. Dr. W hat von Vorstellungen des Klägers bei ihm im Zusammenhang mit Kontakt zu Pflanzenschutzmittel nichts berichtet, vielmehr hat er selbst bis zum Jahr 2010 und mithin während der fraglichen Exposition einen Zusammenhang zwischen den bronchopulmonalen Beschwerden des Klägers und dessen beruflicher Tätigkeit nicht hergestellt. Auch aus dem durch den Kläger eingereichten Attest des Dr. W, wonach es nicht nur um eine allergische Reaktion, sondern um eine Einwirkung auf die Lungenzellen selbst im Sinne eines Dauerschadens gehe, folgt für den Senat nichts anderes. In dem kurzen Attest wird vielmehr nur eine Vermutung der Ursache der Atemwegserkrankungen aufgestellt, sie ist weder mit einer medizinischen Begründung versehen noch durch konkrete Befunde belegt. Ohne weitere Dokumentation der geschilderten Beschwerden kann der Senat das im Berufungsverfahren deutlich gesteigerte Vorbringen des Klägers nicht als wahr unterstellen.

 

d. Es bestand für den Senat kein Anlass, im Hinblick auf die BK 4302 weiteren möglichen beruflichen Einwirkungen in der Zeit vor der beruflichen Tätigkeit des Klägers in der Landwirtschaft ab 1991 nachzugehen. Für die Zeit von 1967 bis 1971 hat der Kläger im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2015 selbst vorgetragen, keinen Kontakt mit PSM gehabt zu haben. Vor seiner erneuten beruflichen Tätigkeit in der Landwirtschaft ab dem Jahr 1986 war der Kläger zwar möglicherweise Stäuben und Rauchen ausgesetzt, bei denen von vornherein eine chemisch-irritative oder toxische Wirkung nicht ausgeschlossen werden kann. Keiner der Gutachter hat aber – in Kenntnis der entsprechenden Aktenlage – einen Bezug zu den Beschwerden des Klägers hergestellt. Hierzu bestand auch kein Anlass. Der Kläger hat keinerlei Beschwerden im Zusammenhang mit den entsprechenden Tätigkeiten geschildert, weder im Sinne eines einmaligen schädigenden Vorfalls noch einer wiederkehrenden Symptomatik. Im Hinblick auf den Zeitablauf von mindestens 14 Jahren bis zum frühesten Beginn der geklagten Beschwerden im Jahr 2000 und der jeweils relativ kurzen Tätigkeit, bestand auf Grund des für die BKen grds. zu fordernden engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Exposition und Erkrankungsbeginn kein Anhaltspunkt für eine beruflichen Verursachung und damit kein Grund für weitere Ermittlungen.

 

4. Die erstmals in der mündlichen Verhandlung am 03. Mai 2023 gestellten Anträge zur weiteren Beweiserhebung zu der Tatsache, dass der Kontakt des Klägers mit den in den Rechtsstreit eingeführten Pflanzenschutzmitteln ursächlich für die Atemwegserkrankung des Klägers geworden ist, durch die Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. med.  B – auch zur Erläuterung seines Gutachtens – und Vernehmung des Hausarztes Dr. W, wertet der Senat als Hilfsbeweisanträge.

 

Die Hilfsbeweisanträge sind abzulehnen.

 

a. Der Senat brauchte Prof. Dr. B nicht in der mündlichen Verhandlung zu dem von ihm am 20. Mai 2022 erstellen Gutachten zu hören. Es war auch nicht erneut Beweis zu erheben.

 

Der Senat hat zunächst keine Veranlassung gesehen, Prof. Dr. B gemäß § 118 Abs. 1 SGG i. V. m. § 411 Abs. 3 Satz 1 ZPO von Amts wegen zur Erläuterung seines Gutachtens im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu hören. Das Gutachten des Prof. Dr. B zeigt für den Senat keine Unklarheiten oder Widersprüchlichkeiten auf, die durch eine mündliche Befragung hätten geklärt werden können.

 

Der Senat hatte auch nicht dem erst in der mündlichen Verhandlung geäußerten Wunsch des Klägers, nachzukommen, den Sachverständigen zu hören. Zwar steht dem Kläger  gem. § 116 Satz 2, § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 397, 402, 411 Abs. 4 ZPO das Recht zu, einem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die er zur Aufklärung der Sache für dienlich erachtet (BSG, Beschluss vom 26. Mai 2015 – B 13 R 13/15 B –, Rn. 9, juris). Hierbei müssen jedoch die erläuterungsbedürftigen Punkte hinreichend konkret bezeichnet werden. Es fehlt an der Sachdienlichkeit, wenn der Antrag auf Anhörung des Sachverständigen rechtsmissbräuchlich gestellt ist, insbesondere wenn die Notwendigkeit einer Erörterung überhaupt nicht begründet wird oder nur beweisunerhebliche Fragen angekündigt werden (vgl. BSG, Beschluss vom 26. Mai 2015 – B 13 R 13/15 B –, Rn. 9, juris).

 

Diesen Anforderungen wird der Antrag des Klägers nicht gerecht. Der Antrag wurde bereits nicht so rechtzeitig gestellt, dass eine Ladung des Sachverständigen zum Termin hätte erfolgen können (vgl. hierzu Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 118 Rn. 12e). Das Gutachten war dem Kläger bereits seit ca. elf Monaten bekannt. Zudem war der Antrag nicht konkret genug. Vor allem in Verfahren in denen - wie vorliegend - bereits mehrere medizinische Gutachten und ergänzende Stellungnahmen vorliegen, ist eine Konkretisierung des Beweisthemas unabdingbar, da eine pauschale Wiederholung bisher gestellter Beweisfragen nicht erkennen lässt, inwieweit überhaupt noch Aufklärungsbedarf vorliegt (vgl. BSG, Beschluss vom 28. September 2015 – B 9 SB 41/15 B –, Rn. 6, juris). Insoweit hätte der Kläger das  Beweisthema konkretisieren und darlegen müssen, welche Fragen in Bezug auf die Zusammenhangsbeurteilung offengeblieben sind. Es hätte ihm oblegen, die erläuterungsbedürftigen Punkte hinreichend konkret zu bezeichnen, z. B. auf Lücken oder Widersprüche hinzuweisen (BSG, Beschluss vom 06. Juni 2017 – B 5 R 376/16 B -, Rn. 10, juris). Dazu fehlt indes jeglicher Vortrag.

 

Auch eine erneute Beauftragung des Prof. Dr. B mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens nach § 109 SGG kam nicht in Betracht. Prof. Dr. B hat bereits unter dem 20. Mai 2022 ein entsprechendes Gutachten auf Veranlassung des Senats erstellt. Welche anderen als die vom Senat gestellten Fragen der Kläger geklärt haben möchte, hat er nicht erläutert.

 

b. Auch eine Vernehmung oder Anhörung des Dr. W hatte nicht zu erfolgen, er war weder als (sachverständiger) Zeuge zu vernehmen noch als Gutachter anzuhören.

 

Die unter Beweis gestellte „Tatsache“ der Verursachung der Atemwegserkrankung stellt keine dem Zeugenbeweis zugängliche Tatsache dar. Ein Zeuge soll über vergangene Tatsachen aussagen (vgl. § 414 ZPO). Er soll also über eigene Wahrnehmungen berichten und keine Wertungen vornehmen. Geht es um die objektive fachkundige Bewertung eines im Wesentlichen feststehenden Sachverhalts, so ist der Zeugenbeweis ungeeignet und ein Sachverständigengutachten einzuholen (Pitz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Auflage, Stand 05. Juli 2022, § 118 Rn. 9). Da es sich bei der aufgeworfenen Frage der Verursachung der Atemwegserkrankung durch bestimmte Stoffe um eine medizinische Bewertung des Ursachenzusammenhangs handelt, kann hierüber kein Zeugenbeweis erhoben werden. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass Dr. W Arzt ist und ein sachverständiger Zeuge sein könnte. Auch der sachverständige Zeuge ist ein Zeuge. Ein Arzt ist sachverständiger Zeuge, wenn er über einen bestimmten, von ihm selbst ohne einen Zusammenhang mit einem gerichtlichen Gutachtenauftrag festgestellten Krankheitszustand (Befund) eines von ihm ärztlich untersuchten Patienten aussagt (Pitz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Auflage, Stand 05. Juli 2022, § 118 Rn. 10). Eine Tatsachenfrage zum von Dr. W festgestellten Gesundheitszustand des Klägers oder dessen tatsächliche Behandlung hat der anwaltlich vertretene Kläger aber gerade nicht formuliert.

 

Dr. W war auch nicht als Gutachter anzuhören. Nach § 109 Abs. 1 SGG muss zwar auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Insoweit käme grundsätzlich die Beauftragung des Dr. W mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung des Ursachenzusammenhangs in Betracht. Ungeachtet dessen, dass der anwaltlich vertretene Kläger die gutachterliche Anhörung des Dr. W schon nicht beantragt hat, scheidet sie hier von vornherein aus, weil das Antragsrecht gem. § 109 SGG dem Verfahrensbeteiligten in einem Rechtsstreit grundsätzlich nur einmal zusteht (Pitz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Auflage, Stand 05. Juli 2022, § 109 SGG, Rn. 14). Auf Antrag des Klägers ist im Rahmen des Berufungsverfahrens zur Zusammenhangsfrage bereits das medizinische Gutachten des Facharztes für Innere Medizin/Pneumologie B vom 30. September 2016 eingeholt worden. Besondere Umstände, die im vorliegenden Fall die Einholung eines weiteren Gutachtens zu derselben Frage erlauben könnten, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich (vgl. hierzu Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 109 Rn. 10b und 11b).

 

Der Senat sieht auch von Amts wegen keine weitere Notwendigkeit zur Aufklärung des Sachverhalts durch eine Anhörung des Dr. W. In medizinischer Hinsicht wird auf die Ausführungen des Senats im Rahmen der Würdigung der vier bereits zur Zusammenhangsfrage eingeholten Sachverständigengutachten verwiesen. In tatsächlicher Hinsicht sind sowohl im Verwaltungsverfahren, im erstinstanzlichen Verfahren als auch im Berufungsverfahren von Dr. W Befundberichte, Behandlungsunterlagen und eine Krankenblattübersicht eingeholt worden. Von einer Vernehmung war vor diesem Hintergrund ein weiterer Erkenntnisgewinn nicht zu erwarten.

 

5. Auf die weiteren im Gutachten des Prof. Dr. B aufgeworfenen Fragen, ob auf Grund der Einwirkungen der in den Pflanzenschutzmitteln enthaltenen Stoffe bei dem Kläger eine Parkinson-Erkrankung verursacht oder eine BK 1307 (Erkrankungen durch organische Phosphorverbindungen) hervorgerufen wurde, war nicht weiter einzugehen. Die Anerkennung dieser Berufskrankheiten ist im vorliegenden Verfahren nicht streitgegenständlich. Die Beklagte wird – soweit nicht bereits erfolgt -  die Ausführungen zum Anlass zu nehmen haben, die Einleitung entsprechender BK-Verfahren zu prüfen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.

 

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Revisionsgrund nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG vorliegt.

 

Rechtskraft
Aus
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