L 4 BA 24/20

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 51 KR 1818/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 BA 24/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 BA 9/23 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Zahlungen eines Vereins an ein Vorstandsmitglied, die Beitragsbemessungsgrenze übersteigen, sprechen gegen eine ehrenamtliche Tätigkeit.

2. Engagieren sich die Vorstandsmitglieder eines als Verein organisierten Berufsverbandes in Gremien der Selbstverwaltung und werden hierdurch eigene rechtliche Beziehungen zwischen den Vorstandsmitgliedern und diesen Gremien bzw. deren Trägerorganisationen begründet, bleibt dieses Engagement für die Statusbeurteilung der Vorstandsmitglieder im Verhältnis zum Verein unberücksichtigt.

3. Ein Vereinsvorstand ist weisungsabhängig, wenn er nach der Vereinssatzung in vielfältiger Weise Vorgaben der Delegiertenversammlung unterliegt. Ob der Vorstand faktisch erheblichen Einfluss auf die Willensbildung innerhalb der Delegiertenversammlung hat, ist unerheblich.

4. Zur Versicherungspflicht der Vorstandsmitglieder eines als Verein organisierten Berufsverbands (hier bejaht).

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Januar 2020 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 9/10 und die Beklagte zu 1/10. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Revision wird zugelassen.

 

 

Tatbestand

 

 

Der Kläger wendet sich gegen eine Beitragsnachforderung i.H.v. ursprünglich 300.923,67 € für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2014. Im Streit steht insbesondere die Frage, ob die (damaligen) Vorstandsmitglieder des Klägers, die Beigeladenen zu 1 bis 5 (im Folgenden: die Beigeladenen), der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung unterlagen.

 

Der klagende Verein hat nach der Präambel seiner Satzung (Fassungen vom 20. November 2010, 25. Februar 2012 und 2. Juni 2012) „die vorrangige Aufgabe, den Einfluss der Psychotherapeuten (psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten) und die Bedeutung der Psychotherapie zu stärken.“ Der Zweck des Vereins besteht nach § 2 dieser Satzung darin,

 „a.       die Interessen seiner Mitglieder gegenüber dem Gesetzgeber, Kostenträgern, gesetzlichen Körperschaften, Behörden, Institutionen und Verbänden sowie in den Organen der Selbstverwaltung und in der Öffentlichkeit zu vertreten,

b.         für ein gutes Verhältnis der Mitglieder untereinander und zu den anderen Berufen des Gesundheitswesens zu sorgen,

c.         die Mitglieder in Fragen der Berufsausübung zu beraten,

d.         über berufspolitische Entwicklungen zu informieren,

e.         auf eine qualitätsgesicherte und bedarfsgerechte psychotherapeutische Versorgung der Bevölkerung hinzuwirken und

f.          bei der Anwendung psychotherapeutischer Verfahren und Methoden dafür Sorge zu tragen, dass dies entsprechend dem wissenschaftlichen Standard geschieht.“

 

Mitglieder des Vereins können – neben nicht stimm- oder wahlberechtigten assoziierten und Fördermitgliedern – (nur) Psychologische Psychotherapeutinnen und Psychologische Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten werden (§ 3 der Satzung).

 

Die Delegiertenversammlung – als Organ des Vereins – hat gemäß § 6 Abs. 6 der Satzung (in den o.g. Fassungen) insbesondere folgende Aufgaben:

„a.        Sie bestimmt die Leitlinien der Vereinsarbeit durch Grundsatz- und Rahmenbeschlüsse.

b.         Sie beschließt über die Satzung und ihre Änderung.

c.         Sie setzt den Mitgliedsbeitrag fest und erlässt eine Beitragsordnung.

d.         Sie beschließt eine Entschädigungsordnung.

e.         Sie beschließt eine Haushalts- und Kassenordnung.

f.          Sie beschließt den Jahreshaushalt des Vereins […]

j.          Sie wählt den Bundesvorstand, legt die Zahl der stimm- und vertretungsberechtigten Stellvertreter/Stellvertreterinnen für die jeweilige Amtsperiode fest <das Folgende nur in den Fassungen von 2012:> und entscheidet über die Kooptation weiterer Vorstandsmitglieder durch den Vorstand. […]

l.          Sie nimmt den Tätigkeitsbericht des Bundesvorstands und den Kassenbericht entgegen.

m.        Sie beschließt über die Entlastung des Bundesvorstands. […]

o.         Sie beschließt über die Auflösung des Vereins und über die Verwendung des Vereinsvermögens gemäß § 10. […]“

 

Zum Bundesvorstand des Vereins regelt § 7 der Satzung (in den o.g. Fassungen) u.a.:

„(1)      Der Bundesvorstand setzt sich aus der/dem Bundesvorsitzenden und mindestens einer/einem stellvertretenden Bundesvorsitzenden zusammen.

(2)       Der Bundesvorstand wird von der Delegiertenversammlung für die Dauer der Amtsperiode in direkter Wahl in getrennten Wahlgängen gewählt. […]

(4)       Jedes Bundesvorstandsmitglied kann mit 2/3 der Stimmen der Delegiertenversammlung gemäß § 6 Absatz (4) abgewählt werden.

(6)       Bundesvorstand im Sinne des § 26 BGB sind der/die Bundesvorsitzende und mindestens ein/e Stellvertreter/in. Der Verein wird gerichtlich und außergerichtlich durch zwei Vorstandsmitglieder gemeinsam vertreten. <das Folgende nur in den Fassungen von 2012:> Der Bundesvorstand kann mit Zustimmung der Delegiertenversammlung bis zu zwei weitere Vorstandsmitglieder mit beratender Funktion in den Bundesvorstand kooptieren. Kooptierte Vorstandsmitglieder haben kein Stimmrecht und sind nicht zur gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung des Vereins berechtigt; im Übrigen haben sie jedoch die gleichen Rechte wie gewählte Vorstandsmitglieder.

(7)       Der Bundesvorstand gibt sich eine Geschäftsordnung.

(8)       Beschlüsse des Bundesvorstands werden mit einfacher Mehrheit gefasst. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. […]

(9)       Dem Bundesvorstand obliegt die verantwortliche Durchführung und Überwachung der satzungsgemäßen und durch Verträge übernommenen Aufgaben des Vereins. Er ist dabei an die Grundsatz- und Rahmenbeschlüsse der Delegiertenversammlung gebunden. Die Mitglieder des Bundesvorstands nehmen mit beratender Stimme an den Sitzungen der Delegiertenversammlung teil. Ausgaben dürfen vom Bundesvorstand nur nach Maßgabe des von der Delegiertenversammlung verabschiedeten Haushaltsplanes vorgenommen werden. Abweichungen bedürfen der Zustimmung der Delegiertenversammlung.

(10)     Der Bundesvorstand informiert die Delegierten fortlaufend über alle Angelegenheiten von allgemeiner Bedeutung und aus wichtigem Anlass.

(11)     Der Bundesvorstand kann für besondere Aufgaben Referate einrichten sowie Beauftragungen aussprechen.

(12)     Der Bundesvorstand kann zur Leitung der Geschäftsstelle und zur Erledigung der laufenden Verwaltungsangelegenheiten einen hauptamtlichen Geschäftsführer einstellen und diesen widerruflich zur Vertretung des Vereins in diesen Aufgabenbereichen bevollmächtigen. Der Bundesvorstand kann dem Geschäftsführer darüber hinaus weitere Aufgaben im Einzelfall übertragen. Der Geschäftsführer nimmt an der Delegiertenversammlung mit Rederecht teil.“

 

Eine formelle Geschäftsordnung i.S.v. § 7 Abs. 7 der Satzung mit Regelungen zu Sitzungen, Terminen, Ladungen, Tagesordnungen u.Ä. gab sich der Vorstand des Klägers nicht. Sitzungstermine wurde innerhalb des Vorstands formlos vereinbart.

Die in § 7 Abs. 9 der Satzung angesprochenen Verträge sind z.B. auf Landesebene geschlossene, vom Bundesvorstand zu unterschreibende selektive Verträge nach dem Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), Innovationsprojekte beim Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) oder Gutachtenaufträge.

Beauftragungen i.S.v. § 7 Abs. 11 der Satzung betrafen etwa die Teilnahme einzelner Vereinsmitglieder an bestimmten externen Kongressen und Tagungen, die Mitwirkung an der Entwicklung von Leitlinien, an einem runden Tisch oder an Forschungsprojekten, z.B. innerhalb des Innovationsausschusses des GBA.

 

Zur Durchführung des Haushaltsplanes war der Bundesvorstand nach Abs. 2.2 der von Januar 2007 bis Ende 2014 geltenden Haushalts- und Kassenordnung berechtigt, nach Maßgabe des Haushaltsplanes und den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Ausgaben zu leisten und Verpflichtungen einzugehen. Über- und außerplanmäßige Ausgaben über 5.000 € waren mit dem Haushaltsausschuss abzustimmen. Dieser überprüfte die Einhaltung der Haushaltsansätze im Bundeshaushalt.

 

Die in den Jahren 2011 und 2012 geltende Entschädigungsordnung des Klägers sah in ihrem Abs. 1 für Mitglieder des Bundesvorstandes „eine Entschädigung für ihre ehrenamtliche Tätigkeit, die sie in der Umsetzung der Beschlüsse der Delegiertenversammlung ausüben“ vor. Danach erhielten Bundesvorstandsmitglieder „eine monatliche Aufwandsentschädigung als Teilausgleich für den Praxisausfall“ i.H.v. 4.500 € für den Bundesvorsitzenden, jeweils 3.100 € für die stellvertretenden Bundesvorsitzenden und jeweils 1.000 € für kooptierte Mitglieder des Bundesvorstandes. Ferner waren Regelungen zur Reisekostenerstattung und zu einer Praxisausfallentschädigung, die „sich unterhalb des Einnahmeausfalls für den Praxistag orientiert“, getroffen worden. Letztere betrug 600 € für einen ganzen und 300 € für den halben Tag. Entschädigungen von Dritten für Termine, die in Bundesvorstandsverantwortung wahrgenommen wurden, mussten von der Praxisausfallentschädigung abgezogen werden.

Nach der Präambel der ab Januar 2013 geltenden Entschädigungsordnung erstattete der Kläger „Aufwendungsersatz für ehrenamtliche Tätigkeiten bei Selbstständigen als Teilausgleich für den Praxisausfall bzw. bei Angestellten für entgangene Gehaltsansprüche.“ Der Aufwendungsersatz sollte unterhalb der entgangenen Einnahmen liegen und für den Praxisausfall 50 € und für Lohneinbußen 16,50 €, jeweils pro Stunde (60 Minuten) und bis zu 12 Stunden pro Arbeitstag, betragen. Für Mitglieder des Bundesvorstandes war nunmehr neben einer Reisekostenerstattung und einem anlassbezogenen Aufwendungsersatz „in Höhe der Festsetzungen in der Präambel“ ein Aufwendungsersatz für „verbandsbezogene Bürotätigkeit“ vorgesehen, entsprechend „den Festsetzungen in der Präambel“ mit monatlichen Obergrenzen – bis zu 90 Stunden für den/die Bundesvorsitzende/n, bis zu 62 Stunden für die stellvertretenden Bundesvorsitzenden und bis zu 20 Stunden für kooptierte Mitglieder des Bundesvorstandes.

 

Im streitgegenständlichen Zeitraum waren der Beigeladene zu 5 bis November 2013, anschließend die Beigeladene zu 2 Bundesvorsitzende/r, die anderen Beigeladenen jeweils stellvertretende Bundesvorsitzende, die Beigeladene zu 4 bis November 2012 kooptiertes Vorstandsmitglied.

Ein nicht dem Bundesvorstand angehörender, hauptamtlicher Geschäftsführer leitet die (keine Büros für die Mitglieder des Bundesvorstands umfassende) Bundesgeschäftsstelle in Berlin und erledigt dort mit einigen weiteren Angestellten des Klägers die mitgliederbezogenen und sonstigen laufenden Verwaltungsangelegenheiten sowie weitere ihm übertragenen Aufgaben. In der Bundesgeschäftsstelle des Klägers waren damals mehrere Angestellte beschäftigt.

 

Der im November 2007 geschlossene Vertrag zwischen dem Kläger (als Arbeitgeber) und dem Geschäftsführer (GV) enthält u.a. folgende Bestimmungen:

 

„§ 1 Bestellung

Herr F wird durch den Bundesvorstand der D mit Beschluß vom ….. zum Geschäftsführer im Sinne eines besonderen Vertreters nach § 30 BGB bestellt. […] Die Bestellung zum Geschäftsführer durch den Bundesvorstand ist frei widerruflich.

 

§ 2 Aufgaben

1. Der Geschäftsführer führt die laufenden Verwaltungsgeschäfte und leitet die Bundesgeschäftsstelle. Er übt die Dienst- und Fachaufsicht gegenüber dem Personal der Bundesgeschäftsstelle des Arbeitgebers aus und ist diesen gegenüber weisungsbefugt.

2. Der Geschäftsführer ist bei der Erfüllung seiner Aufgaben an die Grundsatz- und Rahmenbeschlüsse der Delegiertenversammlung gebunden. […]

3. Gegenüber dem Geschäftsführer wird der Arbeitgeber den Bundesvorstand vertreten. Der Geschäftsführer ist zur engen Zusammenarbeit mit dem Bundesvorstand verpflichtet. Er hat bei der Ausführung der ihm übertragenen Aufgaben den von dem Bundesvorstand erteilten Weisungen zu folgen.

4. Der Bundesvorstand kann dem Geschäftsführer durch Vorstandsbeschluß weitere Aufgaben im Rahmen einer Einzelbevollmächtigung zuweisen oder auf den Geschäftsführer übertragene Aufgaben Einsicht zurückübertragen und selbst wahrnehmen.

 

§ 4 Zustimmung des Vorstands

1. Der Geschäftsführer hat – unbeschadet weitergehender Bestimmungen der Satzung – für folgende Geschäfte die vorherige Zustimmung des Bundesvorstands einzuholen, sofern sie nicht im genehmigten Haushaltsplan vorgesehen sind:

– Abschluss, Änderung und Aufhebung von Darlehens- und sonstigen Finanzierungsverträgen;

– Bestellung und Abberufung von Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten;

– Gewährung von Krediten außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs sowie die Übernahme von Bürgschaften;

– Abschluss und Kündigung von Beschäftigungsverhältnissen;

– Abschluss von Verträgen, die der Arbeitgeber im Einzelfall über mehr als € 5.000,00 und bei laufenden Verpflichtungen über mehr als € 2.500,00 pro Monat verpflichten. […]

2. Darüber hinaus ist die Zustimmung des Bundesvorstands bei allen sonstigen über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehenden Entscheidungen einzuholen.

 

§ 6 Arbeitsverhinderung/Krankheit

1. Der Geschäftsführer ist verpflichtet, jede Arbeitsverhinderung und ihre voraussichtliche Dauer dem Arbeitgeber unverzüglich anzuzeigen. […]

 

§ 7 Urlaub

1. Dem Geschäftsführer steht ein Anspruch auf jährlichen Erholungsurlaub von 30 Arbeitstagen zu. Die Urlaubszeiten werden mit dem Arbeitgeber abgestimmt. Der Arbeitgeber ist berechtigt, bestimmte Urlaubszeiten vorzugeben, soweit dies der geordnete Betrieb des Vereins erfordert.“

 

Alle Beigeladenen waren in unterschiedlichem Umfang in (Leitungs-)Gremien diverser Selbstverwaltungskörperschaften tätig, u.a. im GBA, in der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), in Kassenärztlichen Vereinigungen (KV), in der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), in Landespsychotherapeutenkammern sowie in etlichen Qualitätszirkeln.

 

Alle Beigeladenen betrieben in den streitigen Jahren auch psychotherapeutische Praxen, die Beigeladene zu 4 allerdings nur in der Zeit vom 1. März 2012 bis 31. Dezember 2014; im Jahr 2011 befand sie sich noch in Ausbildung bzw. in einem 20 Wochenstunden umfassenden Anstellungsverhältnis, vom 18. Januar bis 29. Februar 2012 bezog sie Arbeitslosengeld. Soweit sie eine eigene Praxis betrieben, waren die Beigeladenen – mit Ausnahme der Beigeladenen zu 4 – als psychotherapeutisch Tätige zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und arbeiteten zu ihrer Entlastung in nicht unerheblichem Umfang auf der Grundlage entsprechender Genehmigungen der jeweiligen KV bzw. der Zulassungsgremien mit angestelltem ärztlichen Personal, Assistenzkräften oder Jobsharing-Partnern zusammen.

 

Der Beigeladene zu 1 verfügte während des gesamten streitigen Zeitraums über einen vollen vertragsärztlichen Versorgungsauftrag und war im streitigen Zeitraum zwischen 7 und 7,75 Stunden wöchentlich psychotherapeutisch tätig. Während des gesamten Zeitraums war im Rahmen von Entlastungsassistenzen und Job-Sharing weiteres psychotherapeutisches Personal zwischen 22,5 und. 26,25 Stunden wöchentlich in seiner Praxis tätig.

Auch die Beigeladene zu 2 verfügte während des gesamten streitigen Zeitraums über einen vollen vertragsärztlichen Versorgungsauftrag. Sie war in den Jahren 2011 bis 2013 durchschnittlich acht bis zehn Stunden wöchentlich psychotherapeutisch in ihrer Praxis tätig, im Jahre 2014 (nach ihrer Wahl zur Bundesvorsitzenden des Klägers) nur noch fünf Stunden. Nachdem sie lange Zeit keine Entlastungsassistentin gefunden hatte, beschäftigte sie eine solche für die Zeit ab April 2013 im Umfang von zehn Therapiestunden wöchentlich (zuzüglich Vor- und Nachbereitungszeiten) und entlohnte deren Leistungen nach der darauf entfallenden Vergütung der KV abzüglich eines Praxiskonstenanteils von 30 bzw. 35 %.

Die Beigeladene zu 3 verfügte ebenfalls während des gesamten streitigen Zeitraums über einen vollen vertragsärztlichen Versorgungsauftrag. In den Jahren 2011 bis 2013 wandte sie 10 bis 13 Stunden wöchentlich für die Tätigkeit in ihrer Praxis auf (durchschnittlich fünf Patientinnen und Patienten wöchentlich zuzüglich Vor- und Nachbereitung sowie Managementaufgaben als Praxisleitung). Ab Juni 2014 erweiterte sie die Patientenversorgung auf zehn Stunden wöchentlich. Sie beschäftigte zwei Psychotherapeutinnen jeweils im Umfang von zehn Wochenstunden in der Zeit vom 3. November 2011 bis zum 6. Februar 2014 bzw. vom 4. November 2011 bis zum 28. Februar 2013 und zwei weitere psychotherapeutisch Tätige im Umfang von jeweils 30 Wochenstunden ab dem 1. März 2013 bzw. ab dem 15. Mai 2014.

Der Beigeladene zu 5 verfügte bis Ende 2011 über einen vollen vertragsärztlichen Versorgungsauftrag und ab Januar 2012 aufgrund eines Teilverzichts auf einen halben Versorgungsauftrag. Ihm wurde für den gesamten streitigen Zeitraum eine Entlastungsassistentin zur halbtägigen Beschäftigung genehmigt. Er selbst war in dieser Zeit fünf Stunden pro Woche in seiner Praxis psychotherapeutisch tätig.

 

Schriftliche Dienst- oder Anstellungsverträge zwischen dem Kläger und den Beigeladenen existieren nicht. Die Aufgaben des Vorstands (z.B. Stellungnahme zu Gesetzesvorhaben, Vergütungsfragen, Ausbildung, Verbandszeitschrift) hatten die Beigeladenen untereinander aufgeteilt. Wann und wo die Beigeladenen die sich aus ihrer Vorstandstätigkeit ergebenden Aufgaben – jenseits von anderweitig vorgegebenen Sitzungsterminen, etwa in den o.g. Gremien – erledigten, war ihnen selbst überlassen. Die ca. einmal monatlich stattfindenden Vorstandssitzungen und die in unregelmäßigen Abständen zusätzlich durchgeführten, grundsätzlicheren Themen gewidmeten Klausurtagungen von ein bis zwei Tagen vereinbarten die Mitglieder des Bundesvorstands einvernehmlich. Die Tagesordnung ergab sich aus den von jedem Vorstandsmitglied im Vorfeld eingebrachten Themen. Die Protokolle der Vorstandssitzungen erstellte der in der Regel daran teilnehmende Geschäftsführer. Die Treffen des Bundesvorstands fanden in einem Gruppenraum der Bundesgeschäftsstelle – so dieser frei war – oder in Räumen der KBV bzw. am für alle Mitglieder gut erreichbaren Flughafen Frankfurt statt. Vor Stellungnahmen zu Gesetzes- und Referentenentwürfen fand typischerweise zunächst eine Diskussion innerhalb des Vorstands statt, danach wurde durch den Justiziar des Klägers oder auch eine juristische Mitarbeiterin der Bundesgeschäftsstelle ein erster Entwurf gefertigt, der zur weiteren Diskussion in den Vorstand gegeben wurde. Pressemitteilungen des Klägers wurden typischerweise von einem Vorstandsmitglied vorformuliert und danach im Vorstand in Umlauf gegeben. Letztverantwortlich für Pressemitteilungen – und somit auch für die Entscheidung, welche Änderungsvorschläge aufgenommen werden sollten – war die/der Bundesvorsitzende. Für die Verteilung der Pressemitteilungen, aber auch für Formulierungsvorschläge zuständig war eine externe Mitarbeiterin des Klägers. Presseanfragen wurden im streitigen Zeitraum noch unmittelbar an die Vorstandsmitglieder gerichtet. Die Beiträge für den aktuelle Informationen des Vorstands enthaltenden Bundesmitgliederbrief sammelte der damals hierfür zuständige Beigeladene zu 5 und gab sie in Form einer Loseblattsammlung an ein vertraglich mit dem Kläger verbundenes Vertriebsunternehmen weiter. Die Beigeladene zu 3 war als Schriftleiterin der weniger tagespolitisch orientierten Verbandszeitschrift für deren Inhalt allein zuständig. Die technische Umsetzung bis hin zum Vertrieb erfolgte im streitgegenständlichen Zeitraum durch eine ehemalige Mitarbeiterin des Landesverbandes Nordrhein, die diese Aufgabe als Externe übernommen hatte. Urlaub mussten die Beigeladenen weder beantragen noch vom Kläger genehmigen lassen.

 

Der am 20. Januar 1949 geborene Beigeladene zu 5 bezieht seit Mai 2014 eine Regelaltersrente i.H.v. zunächst 263,29 €.

 

Die Einnahmen der Beigeladenen aus der Entschädigungsordnung des Klägers, aus ihrer niedergelassenen Tätigkeit – ohne Abzüge der Kosten für Praxispersonal, Entlastungsassistenzen, Miete, Abschreibungen etc. – und aus Entschädigungsordnungen anderer Gremien stellten sich im Einzelnen wie folgt dar (Beträge jeweils in €):

   

Beig. 1

Beig. 2

Beig. 3

Beig. 4

Beig. 5

2011

verbandsbezogen

37.200,00

37.200,00

37.200,00

 

54.000,00

 

anlassbezogen

35.417,00

37.926,00

34.485,00

 

43.065,00

 

gesamt

72.617,00

75.126,00

71.685,00

 

97.065,00

 

aus eig. Praxis

123.836,00

22.727,00

167.103,00

 

229.000,00

 

sonstige Gremien

5.100,00

32.428,00

27.417,00

 

43.165,00

             

2012

verbandsbezogen

37.200,00

37.200,00

37.200,00

12.000,00

54.000,00

 

anlassbezogen

34.740,00

36.410,00

26.850,00

23.234,50

23.234,50

 

Landesverband

   

1.415,00

   
 

gesamt

71.940,00

73.610,00

65.465,00

35.234,50

77.234,50

 

aus eig. Praxis

104.848,00

25.478,00

154.426,00

2.963,35

196.000,00

 

sonstige Gremien

49.786,00

42.182,00

28.263,00

1.400,00

30.370,00

             

2013

verbandsbezogen

37.200,00

38.600,00

37.200,00

24.000,00

51.200,00

 

anlassbezogen

38.700,00

54.153,81

34.638,50

32.182,33

57.901,63

 

gesamt

75.900,00

92.753,81

71.838,50

56.182,33

109.101,63

 

aus eig. Praxis

115.243,00

25.125,00

277.406,00

 

249.000,00

 

sonstige Gremien

44.973,00

48.696,00

27.770,00

 

57.307,00

             

2014

verbandsbezogen

37.200,00

54.000,00

37.200,00

37.200,00

37.200,00

 

anlassbezogen

38.226,00

48.689,53

23.665,50

25.200,00

38.779,50

 

Landesverband

   

433,44

1.800,00

 
 

gesamt

75.426,00

102.689,53

61.298,94

64.200,00

75.979,50

 

aus eig. Praxis

100.693,00

33.694,00

269.513,00

 

264.000,00

 

sonstige Gremien

39.722,00

50.643,00

35.235,00

 

49.864,00

 

Anlassbezogene Entschädigungen betreffen nach den Angaben der Beigeladenen Vor- und Nachbereitungen sowie (meist in Berlin stattfindende) Abstimmungsgespräche im Zusammenhang mit ihrer Gremienarbeit – durch diese Gremien wurden in der Regel nur der eigentliche Sitzungsaufwand entschädigt –, ferner Gespräche mit Politikern und Krankenkassenvertretern im Hinblick auf die anstehende Reform der Psychotherapie-Richtlinie, Repräsentationstermine und Empfänge. Die verbandsbezogene Entschädigung deckte den E-Mail-Verkehr, Telefonate oder das Durcharbeiten von zu sichtenden und zu durchdringenden Unterlagen – etwa der KBV oder des GBA – ab.

 

Nach eigenen Angaben machten die Beigeladenen zu 1, 2, 4 und 5 ihre gesamten Praxiskosten steuerlich im Rahmen der Versteuerung der Praxiseinnahmen geltend; nur die Beigeladene zu 3 teilte diese Kosten auf.

 

Die Beklagte führte in der Zeit vom 27. Oktober 2015 bis 24. Oktober 2016 beim Kläger eine Betriebsprüfung nach § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) durch. Nach dessen Anhörung forderte sie von ihm für den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2014 Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie Umlagebeiträge („U1“, „U2“ und Insolvenzgeldumlage) i.H.v. 299.631,03 €, weil für die Beigeladenen – für die Beigeladene zu 4 erst ab dem 18. Januar 2012 – ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden habe (Bescheid vom 25. Oktober 2016). Wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAEG) bestehe nach § 6 SGB V für alle Beigeladenen keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der sozialen Pflegeversicherung (SPV). Für den Beigeladenen zu 4 seien für die Zeit bis zum 30. April 2014 neben Umlagebeiträgen volle Beiträge zur GRV, ab dem 1. Mai 2014 (Rentenbeginn) nur die Arbeitgeberanteile zur GRV nachzuerheben.

 

Den Widerspruch des Klägers, dessen aufschiebende Wirkung das Sozialgericht mit Beschluss vom 23. Februar 2017 angeordnet hatte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2. August 2017 zurück.

 

Während des Klageverfahrens hat der Kläger vorgebracht:

Die Beklagte erkenne die ehrenamtliche Verbandstätigkeit der Beigeladenen und den ideellen, gemeinnützigen Zweck ihrer Vorstandstätigkeit nicht an, sondern strafe sie für ihr gesundheitspolitisches Engagement ab. Diese seien als Selbstständige gegen das Risiko Alter versichert.

Mit dem eigenen Praxisbetrieb trügen sie ein eigenes wirtschaftliches Risiko, das sich durch das verbandspolitische Engagement erhöhe. Die Beigeladenen hätten erhebliche laufende Kosten für ihre Praxis- und Büroräume, die man anteilig auf ihre Vorstandstätigkeit umlegen müsse, wenn man berücksichtige, dass ein großer Teil der zu entschädigenden Büroarbeit in diesen Räumen stattfinde.

Die Ausgleichszahlungen der Entschädigungsordnung deckten das erhöhte Risiko und den tatsächlichen Ausfall der Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit nur teilweise ab. Für das Aussetzen bzw. Ruhenlassen der selbstständigen psychotherapeutischen Arbeit in eigener Praxis bekämen die Beigeladenen eine echte Entschädigung je nach Aufwand für das Ehrenamt. Die Zahlungen nach der Entschädigungsordnung sei Surrogat der Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit, auf deren Ausübung zugunsten der Verbandstätigkeit verzichtet werde.

Die Praxen befänden sich außerhalb von Berlin auf dem Gebiet der alten Bundesländer, weshalb es faktisch an einer Eingebundenheit in eine fremde Arbeitsorganisation fehle. In der Organisation und Verwaltung ihrer politischen Verbandsarbeit seien die Beigeladenen unabhängig.

Sie unterlägen hinsichtlich ihrer gesundheitspolitischen Lobbyarbeit keinen Weisungen, auch nicht der Delegiertenversammlung. Diese habe keinen Einfluss auf die in den Gremien auf die Tagesordnung gesetzten Themen und auf die Mitwirkung und Gestaltung durch die Beigeladenen, deren Stimmen in der Delegiertenversammlung meinungsbildend seien. Die Vorstände bereiteten die Beschlüsse der Delegiertenversammlung vor; es gebe keine Beispiele für Beschlüsse, bei denen der Vorstand überstimmt worden sei.

Entscheidend sei, ob er – der Kläger – das ihm zustehende Direktionsrecht auch tatsächlich ausübe. In allen Gremien und in den von diesen gebildeten Unter- und Fachausschüssen verträten die Beigeladenen unabhängig und weisungsfrei die Interessen ihrer Berufsgruppe.

Die Schwerpunkte der Arbeit der Beigeladenen seien die Öffentlichkeitsarbeit, die Gremienarbeit zur Reform des Psychotherapeutengesetzes und der Ausbildungsreform, die verbandspolitischen Initiativen zur Anforderung an die Weiterbildung und die Etablierung einer offiziellen Therapierichtlinie, anhand derer eine notwendige Versorgung von Hilfe suchenden Menschen zulasten der gesetzlichen Krankenkassen festgestellt werden solle. Diese politische Verbandstätigkeit sei nicht unter den von der Rechtsprechung auch zum Ehrenamt geprägten Begriff der allgemeinen Verwaltungsaufgaben – hiervon seien die Beigeladenen weitgehend befreit – zu subsumieren. Das gesundheitspolitisches Engagement der Beigeladenen sei keine Tätigkeit im Sinne einer funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess, sondern repräsentative, eigenverantwortliche Gremien- und Lobbyarbeit.

Die Berechtigung, in den Selbstverwaltungsgremien tätig zu werden, liege bei allen fünf Beigeladenen in ihrer selbstständigen psychotherapeutischen Tätigkeit. Anders als ehrenamtliche Bürgermeister müssten die Beigeladenen ihren eigenen Betrieb (Praxis) leiten und trügen hierfür persönlich das wirtschaftliche Risiko.

Alle fünf Beigeladenen seien ehrenamtliche Mitglieder in wichtigen Selbstverwaltungsgremien und hierfür nicht von ihm – dem Kläger – bestimmt oder von ihm oder seinen Organen gewählt worden. Ähnlich wie der Fraktionsvorsitzende in der Entscheidung des 3. Senats des BSG vom 18. Februar 2016 (B 3 KS 1/15 R) nähmen auch die Beigeladenen gerade keine „(auch) dem allgemeinen Erwerbsleben zugängliche Verwaltungsaufgaben“ wahr. Erwerbsabsicht sei auszuschließen, wenn „die Personen, um überhaupt das Ehrenamt wahrzunehmen, eine andere Tätigkeit liegen lassen, mit der sie üblicherweise Einkommen gerieren“. Der Annahme einer Erwerbsabsicht stehe hier schon entgegen, dass die Beigeladenen, würden sie die Zeit für die Leistungserbringung in der GKV aufwenden, in ihrer Niederlassung deutlich mehr erzielen könnten, als sie als Aufwandsentschädigung von ihm – dem Kläger – erhielten. Seine Entschädigungsordnung sei an das Justizvergütung- und Entschädigungsgesetz (JVEG) angelehnt, bleibe aber mit den Entschädigungssätzen hinter diesem zurück, weil die Beigeladenen – analog der Regelung in § 18 Satz 4 JVEG – „in demselben Verfahren“ mehr als 50 Tage zu ihrem Ehrenamt herangezogen würden. Es stehe – wie vom Bundesfinanzhof (BFH, Urteil vom 31. Januar 2017 – IX R 10/16) für einen ehrenamtlichen Richter entschieden – der Ausgleich für einen tatsächlich erlittenen Schaden aufgrund des Unterlassens der eigenen Tätigkeit zugunsten des Ehrenamts im Vordergrund und eben nicht der Verdienst aus einer eigenen Erwerbsquelle.

Die Mitarbeiter in der Bundesgeschäftsstelle arbeiteten im Rahmen ihrer täglichen Arbeitsprozesse nicht mit den Beigeladenen zusammen.

§ 7 Abs. 9 der Satzung könne nicht Grundlage von Weisungen der Delegiertenversammlung an den Bundesvorstand sein, weil der Delegiertenversammlung das entsprechende gesundheitspolitische Know-how fehle.

Der Arbeitsprozess der Bundesvorstände könne nur verstanden werden, wenn man ihn in den Gremien und in der Öffentlichkeit verorte, wohin die Weisungskompetenz des Verbandes nicht reiche. Dass die Delegiertenversammlung dem Bundesvorstand Entscheidungskompetenzen zuweise und nicht etwa Aufgaben delegiere, belegten beispielhaft deren Beschlüsse vom Juni 2012 und Juni 2014.

Ohne die aktive Gremienarbeit sei eine Tätigkeit als Bundesvorstand bei ihm – dem Kläger – zwar denkbar, faktisch aber auszuschließen. Das aktive Expertentum in den Gremien sei Bedingung, um seine Mitglieder und seine Geschäftsführung jederzeit über die neuesten Entwicklungen aus den Selbstverwaltungsgremien zu informieren. Ihre gesundheitspolitische Gremienarbeit führten die Beigeladenen vor oder nach der Wahl zum Bundesvorstand jeweils in eigener Regie und auf eigene Rechnung weiter.

Die Beigeladenen hätten sich ihn – den Kläger – „als Ort ausgewählt“, um ihre ohnehin bereits betriebene Gremienarbeit ausweiten zu können.

 

Die Beigeladenen haben behauptet, auf ihre Abrechnungen gegenüber den Kläger sei Umsatzsteuer aufgeschlagen, von diesem gezahlt und von ihnen an das Finanzamt abgeführt worden.

Die Beigeladene zu 3 hat behauptet, sie beschäftige eine Bürokraft, die ausschließlich die Arbeit für den Kläger bürotechnisch unterstützte.

 

Mit Urteil vom 23. Januar 2020 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt: Nach dem Gesamtbild ergebe sich eindeutig eine Zuordnung zum rechtlichen Typus einer abhängigen Beschäftigung. Die Beigeladenen seien als Vorstandsmitglieder des Klägers in die von der Satzung vorgegebene Organisation zur Leistung fremdbestimmte Arbeit eingegliedert gewesen. Die für geschäftsführende Organe juristischer Personen maßgebliche Rechtsmacht hätten die Beigeladenen nicht besessen. Sie seien mit der Ausübung ihrer Tätigkeit auch kein nennenswertes unternehmerisches Risiko eingegangen. Gegen die Annahme einer Ehrenamtlichkeit spreche der zeitliche Umfang und die Höhe der für die Vorstandstätigkeit insgesamt gezahlten Entschädigungen.

 

Gegen dieses ihm am 24. Februar 2020 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 18. März 2020, zu deren Begründung seine Prozessbevollmächtigten ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholen und ergänzend vortragen:

Der Prüfungsblick dürfe nicht unzulässig auf die vereinsrechtliche Konstellation verkürzt werden.

Das Sozialgericht habe wesentlichen Vortrag zur tatsächlichen von den Beigeladenen übernommenen Tätigkeit in den Selbstverwaltungsgremien nicht berücksichtigt. Es hätte sich auch mit den von der Rechtsprechung entwickelten Begriffspaaren der „allgemein zugängliche (Verwaltungs-)Tätigkeiten“ und der „Repräsentationsaufgaben“ und deren Abgrenzung voneinander auseinandersetzen müssen. Diese Abgrenzung werde beim Kläger trennscharf gelebt.

Die Beigeladenen nähmen inhaltlich ausschließlich weisungsfrei steuernde Repräsentationsaufgaben wahr, und dies mit eigener politischer Entscheidungsmacht und selbstbestimmt. Die Arbeit in den Selbstverwaltungsgremien erfolge nicht durch den Kläger; im Umkehrschluss heiße dies, dass sich bei den von den Beigeladenen in den verschiedenen Selbstverwaltungsgremien ausgeübten Tätigkeiten nicht um seine Arbeit handele. Ohne diese Tätigkeit könnten die Beigeladenen ihre Tätigkeit als Bundesvorstand nicht wirksam ausüben.

Im verzweigten Systeme der Meinungsbildung verschiedener GKV-finanzierter Interessengruppen versuchten die Beigeladenen je nach ihren besonderen Kompetenzgebiet Einfluss auf die Entscheidung der zuständigen Gremien zu nehmen. Die Komplexität der Meinungsbildungsprozesse in diesem Gesamtsystem und der durch die Beigeladenen ausgeübte Einfluss auf die Entscheidungen könne exemplarisch an der Reform der vom GBA erlassenen Psychotherapie-Richtlinie sowie der Reform der psychotherapeutischen Ausbildung aufgezeigt werden.

Da dem Kläger kein Weisungsrecht gegenüber den Mitgliedern des Bundesvorstandes zustehe, könne dieses auch nicht „zur funktionsgerechten Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein.

Die Rechtsprechung zu GmbH-Geschäftsführern könne nicht einfach vollständig auf die wesensungleiche Situation (der politischen Arbeit) eines eingetragenen Vereins übertragen werden. Andernfalls wäre jeder Vereinsvorstand sozialversicherungspflichtig. Eine mit der GmbH vergleichbare Möglichkeit der Machtausübung durch ihren Geschäftsführer lasse der eingetragene Verein per se rechtlich nicht zu. Es sei die Aufgabe von Vorständen als Repräsentanten des Vereins, durch ihre eigene Persönlichkeit, Fähigkeit und Engagement dem Verein ein Gesicht zu geben, um seine Richtung zu bestimmen. Gerade beim Kläger sei es die Aufgabe der Bundesvorstände, durch ihre persönliche Kompetenz und ihren Einsatz selbstbestimmt die satzungsmäßigen Ziele anzustreben.

Die Beigeladenen setzten für ihre Vorstandstätigkeit ihre Praxislogistik ein, nutzten also das Anlagevermögen der Praxis – wie z.B. EDV – auch für den Kläger.

Einer Erwerbsabsicht der Mitglieder des Bundesvorstands widersprächen das Satzungsziel und die äußeren Umstände der Tätigkeit. Die Beigeladenen setzten die Sicherheit der eigenen beruflichen Existenz gegen eine wirtschaftlich unsichere Tätigkeit, die Qualitäten die Möglichkeit des eigenen Berufsstandes zu fördern.

Es gebe keine starre Obergrenze für die Frage, ab welcher Zahlungshöhe nicht mehr von einer Ehrenamtlichkeit ausgegangen werden könne. Soweit sich das Sozialgericht ausschließlich auf die „absolute Zahlung des Klägers an die Beigeladenen“ beziehe, sei dieses Ergebnis deren ideellem Engagement nicht angemessen. Selbst wenn die Entschädigung der Beigeladenen durch den Kläger über der für eine Ehrenamtlichkeit sprechenden Grenze läge, sei die Höhe der dargelegten Einnahmen entsprechend der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 31. März 2017 – B 12 R 7/15 R) ein Indiz für Selbstständigkeit.

Es entspreche ständiger Rechtsprechung des BSG, dass bei einer vertraglichen Gestaltung der Beteiligten im Zweifel auf die tatsächlichen und nicht auf die vertraglich geregelten Verhältnisse abzustellen sei.

Der Typus des abhängig Beschäftigten zeichne sich im Normalfall durch ein erhöhtes Sicherungsbedürfnis aus und knüpfe an die gesellschaftliche Unterscheidung zwischen dem selbstständigen Unternehmer und dem tendenziell weniger wohlhabenden, unselbstständigen Arbeitnehmer an. Bei Anwendung dieser Grundvorstellung des Gesetzgebers seien die Beigeladenen dem wohlhabenderen Teil der Gesellschaft zuzurechnen, insbesondere dem Teil der Gesellschaft, der mit einem hohen Eigenengagement und eigenem wirtschaftlichen Risiko seine Lebensgrundlage durch ein breit angelegtes Tätigkeitsfeld sichere, das von dem klassischen Bild abhängiger Beschäftigung weit entfernt sei. Sie bedürften offensichtlich keines Schutzes durch die gesetzlich verordnete Pflichtversicherung.

 

 

Der Kläger beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Januar 2020 und den Bescheid der Beklagten vom 25. Oktober 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. August 2017 aufzuheben.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und bringt ergänzend vor:

Dass die Beigeladenen in erheblichem zeitlichen Umfang für den Kläger tätig geworden seien, und die Höhe der Aufwandsentschädigungen spreche gegen eine Ehrenamtlichkeit und für eine Erwerbsabsicht.

 

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

 

Die Beklagte hat zwei weitere Bescheide, durch die sie im Laufe des Verfahrens weitergehende Beitragsnachforderungen (Gesamtforderung nunmehr: 300.923,67 €) geltend machte, im Vorfeld der bzw. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat aufgehoben. Außerdem hat sie die mit den zuletzt noch angefochtenen Bescheiden ursprünglich festgesetzte Nachforderung im Vorfeld der mündlichen Verhandlung vor dem Senat um den Betrag reduziert, der auf Umlagen nach §§ 358 ff. Sozialgesetzbuch Drittes Buch - SGB IIII - (Umlage Insolvenzgeld – UI) bzw. gemäß § 7 i.V.m. § 1, § 10 Aufwendungsausgleichsgesetz entfällt.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die dem Senat vorgelegen hat, Bezug genommen.

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

 

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig.

 

A. Streitgegenstand sind neben dem o.g. Urteil des Sozialgerichts der Bescheid der Beklagten vom 25. Oktober 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. August 2017 sowie der klägerseitig geltend gemachte Anspruch auf Aufhebung dieser Bescheide. Diesen Anspruch verfolgt der Kläger in statthafter Weise mit einer reinen Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG).

 

B. Die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Zutreffend hat sie gegenüber dem Kläger auf der Grundlage von § 28p SGB IV eine Beitragsnachforderung für Beiträge zur GKV und SPV, zur GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung festgesetzt.

 

I. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten beruhen auf § 28p Abs. 1 Sätze 1, 4 und 5 SGB IV. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre. Die Prüfung umfasst auch die Entgeltunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28h Abs. 2 SGB IV sowie § 93 i.V.m. § 89 Abs. 5 SGB X nicht.

 

Auf dieser Eingriffsgrundlage war die Beklagte grundsätzlich berechtigt, vom Kläger Sozialversicherungsbeiträge für die Beigeladenen wegen Versicherungspflicht aufgrund einer Beschäftigung nachträglich zu erheben.

 

II. In den Jahren 2011 bis 2014 unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, der Versicherungspflicht u.a. in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - sowie § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III).

 

1. Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden.

 

Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (ständige Rspr. des BSG, vgl. BSG, Urteil vom 23. Februar 2021 – B 12 R 15/19 R – <Stiftungsvorstand>, Rn. 13 ff.; BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 KR 25/19 R – <ehrenamtlicher Ortsvorsteher>, Rn. 13 ff.; jeweils juris und m.w.N.).

 

2. Diese Abgrenzungsmaßstäbe gelten grundsätzlich auch für Tätigkeiten, die mit der Organstellung innerhalb einer juristischen Person verbunden sind; auch Vorstandsmitglieder können abhängig Beschäftigte sein (vgl. BSG, Urteil vom 22. August 1973 – 12 RK 27/72 – <Vorstandsmitglied einer eingetragenen Genossenschaft>; BSG, Urteil vom 30. November 1978 – 12 RK 33/76 – <Verbandsvorsteher eines Wasser- und Bodenverbands>; BSG, Urteil vom 15. Dezember 1983 – 12 RK 57/82 –; BSG, Urteil vom 19. Juni 2001 – B 12 KR 44/00 R – <Vorstandsmitglied eines Vereins>; BSG, Urteil vom 12. Januar 2011 – B 12 KR 17/09 R – <Vorstandsmitglied einer ausländischen Kapitalgesellschaft>; jeweils juris). Eine versicherungspflichtige abhängige Beschäftigung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil nach § 5 Abs. 1 Satz 3 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung einer juristischen Person berufen sind, nicht als Arbeitnehmer gelten. Diese Regelung beschränkt sich auf das ArbGG und hat keine Bedeutung für das Sozialversicherungsrecht. Der Zugehörigkeit zu den Beschäftigten der juristischen Person steht auch nicht entgegen, dass Leitungsorgane im Verhältnis zu sonstigen Arbeitnehmern Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (ständige Rspr., vgl. BSG, Urteil vom 23. Februar 2021 – B 12 R 15/19 R –, juris, Rn. 13 ff., m.w.N.).

 

Die nur für Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft geltenden Regelungen zur Versicherungsfreiheit (§ 1 Satz 3 <früher Satz 4> SGB VI; § 27 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 SGB III) finden auf Vorstände anderer Rechtsformen des Gesellschaftsrechts grundsätzlich keine Anwendung (zu den eng begrenzten Ausnahmen vgl. BSG, Urteil vom 7. Juli 2020 – B 12 R 19/18 R – < Mitglieder des Verwaltungsrats einer Europäischen Gesellschaft (Societas Europaea)>, juris); aus dem Ausnahmecharakter der Vorschriften wird ersichtlich, dass Vorstandsmitglieder jedenfalls nicht ohne Weiteres außerhalb der Versicherungspflicht als abhängig Beschäftigte stehen (BSG, Urteil vom 23. Februar 2021 – B 12 R 15/19 R –, juris, Rn. 13 ff., m.w.N.).

 

Eine organschaftliche Stellung kann jedoch als ehrenamtliche Tätigkeit einzuordnen sein. Aufgaben und Tätigkeiten, die Ausfluss der organschaftlichen Stellung einer ein Ehrenamt ausübenden Person und auch nicht für jedermann frei zugänglich sind, führen regelmäßig nicht zu der in § 7 Abs. 1 SGB IV umschriebenen persönlichen Abhängigkeit. Eine ehrenamtliche Tätigkeit ist dabei nicht auf Repräsentationsaufgaben beschränkt; sie erhält ihr Gepräge durch ihre ideellen Zwecke und Unentgeltlichkeit (BSG, Urteil vom 23. Februar 2021 – B 12 R 15/19 R –, Rn. 13 ff., m.w.N.; BSG, Urteil vom 16. August 2017 – B 12 KR 14/16 R – Rn. 26 <Kreishandwerksmeister>; BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 KR 25/19 R – <ehrenamtlicher Ortsvorsteher>, Rn. 13 ff.; jeweils juris). Diese zur Vorstandstätigkeit bei einer Körperschaft des öffentlichen Rechts entwickelten Maßstäbe gelten auch im Falle juristischer Personen des Privatrechts. Allerdings ist bei der erforderlichen objektiven Abgrenzung den jeweiligen bereichsspezifischen Umständen des Einzelfalls im Rahmen einer Gesamtwürdigung Rechnung zu tragen (BSG, Urteil vom 23. Februar 2021 – B 12 R 15/19 R –, Rn. 17; BSG, Urteil vom 16. August 2017 – B 12 KR 14/16 R – Rn. 30; jeweils juris). Die Einordnung einer Tätigkeit als Organ einer juristischen Person erfolgt nicht schematisch danach, ob nur Repräsentations- oder auch Verwaltungsaufgaben wahrgenommen werden. Vielmehr ist auch insoweit anhand der Umstände des Einzelfalls zu überprüfen, ob die Tätigkeit weisungsgebunden ausgeübt wird und/oder der Organträger in die Strukturen der Körperschaft in prägender Weise eingegliedert ist (BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 KR 25/19 R – <ehrenamtlicher Ortsvorsteher>, juris, Rn. 16).

 

3. Hieran gemessen sind das Sozialgericht und die Beklagte bei ihrer Abwägung zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Indizien für eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen deutlich überwiegen. Die Beigeladenen waren ungeachtet eines fehlenden schriftlichen Anstellungsvertrags (dazu a) umfassend weisungsabhängig (dazu b), in den Betrieb des Vereins in funktionsgerecht dienender Teilhabe eingegliedert (dazu c) und stellten dem Kläger ihre Arbeitskraft ohne eigenes wirtschaftliches Risiko gegen eine Vergütung (dazu d) zur Verfügung. Auch sonstige Umstände sprechen nicht für eine selbständige Tätigkeit (dazu e). Ein die Beschäftigung ausschließendes Ehrenamt im Sinne einer unentgeltlichen Verfolgung ideeller Zwecke lag nicht vor (dazu f). Die umfangreiche Gremienarbeit der Beigeladenen in diversen Selbstverwaltungskörperschaften des Gesundheitswesens hat auf deren Statuszuordnung keinen Einfluss (dazu g).

 

a. Allein das Fehlen eines gesonderten schriftlichen Dienstvertrags über die Wahrnehmung der Vorstandstätigkeit hat für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung keine Bedeutung. Neben der Bestellung als Organ einer juristischen Person wird zwar regelmäßig auch ein Anstellungsvertrag abgeschlossen (sog. Trennungstheorie; BSG, Urteil vom 23. Februar 2021 – B 12 R 15/19 R –, m.w.N.; vgl. bereits BGH, Urteil vom 11. Juli 1953 – II ZR 126/52 – juris, <Vorstand einer AG>). Dies gilt insbesondere, wenn eine Vergütung gezahlt werden soll (vgl. BSG a.a.O.; Schwennicke, in Staudinger/Schwennicke, BGB, Neubearb. 2019, § 27 Rn. 118: einfache Bestellung nur ausreichend bei ehrenamtlicher, unentgeltlicher Vorstandstätigkeit). Der Begriff der Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV ist aber nicht von der Art der Rechtsgrundlage abhängig. Er setzt weder ein (faktisches) Arbeitsverhältnis noch einen zivilrechtlichen Vertrag voraus (BSG a.a.O., m.w.N.; Segebrecht, in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3.A., Stand 22.10.2020, § 7 Rn. 61 unter Hinweis auf hauptamtliche Beamte oder Richter, die trotz öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses zu den Beschäftigten des Sozialversicherungsrechts gehören). Eine versicherungspflichtige Beschäftigung kann auch dann vorliegen, wenn die Verwaltungsgeschäfte einem Vorstandsmitglied allein durch Satzung übertragen worden sind (BSG a.a.O., m.w.N.). Dass im vorliegenden Fall auch keine mündlichen Verträge zwischen den Beigeladenen und dem Kläger geschlossen wurden, ergibt sich aus der Tatsache, dass dessen sämtlichen Zahlungen an die Vorstandsmitglieder allein auf vereinsrechtlicher Grundlage erfolgten. Dementsprechend mangelt es auch an Anhaltspunkten, was Inhalt solcher mündlichen Verträge sein könnte. Die statusrechtliche Beurteilung richtet sich allein am Inhalt der Satzung aus.

 

b. Die Beigeladenen waren weisungsabhängig.

 

aa. Sie konnten nicht unabhängig nach eigenem Gutdünken handeln, sondern unterlagen als Mitglieder des Bundesvorstands nach der Vereinssatzung (VS) in vielfältiger Hinsicht Weisungen und sonstigen Vorgaben der Delegiertenversammlung des Klägers. So waren sie an die Grundsatz- und Rahmenbeschlüsse der Delegiertenversammlung und die darin zum Ausdruck kommenden Leitlinien der Vereinsarbeit gebunden (§ 6 Abs. 6 lit. a, § 7 Abs. 9 Satz 2 VS). Ausgaben durften von ihnen nur nach Maßgabe des von der Delegiertenversammlung verabschiedeten Haushaltsplanes vorgenommen werden; für Abweichungen bedurften sie der Zustimmung der Delegiertenversammlung (§ 7 Abs. 9 Sätze 4 und 5 VS). Das Schicksal der Beigeladenen als Vorstandsmitglieder hing vollständig vom Willen der Delegiertenversammlung ab: diese wählte sie nicht nur und konnte sie mit einer 2/3-Mehrheit ohne Angabe von Gründen abwählen (§ 6 Abs. 6 lit. j, § 7 Absätze 2 und 4 VS), sondern beschloss auch über ihre Entlastung (§ 6 Abs. 6 lit. m VS).

 

Die die Tätigkeit der Beigeladenen determinierenden Grundsatz- und Rahmenbeschlüsse waren nicht auf die Verwaltungsaufgaben des Vorstands begrenzt, sondern umfassten – mangels einschränkender Regelungen – dessen gesamte Arbeit, also auch Repräsentationsaufgaben. Unerheblich, weil nicht rechtlich vorgeprägt, ist, ob der Vorstand faktisch maßgeblichen Einfluss auf die Beschlüsse der Delegiertenversammlung hatte. Ohne Bedeutung für die Statusfrage ist auch, ob die Delegiertenversammlung von der Möglichkeit, dem Vorstand durch Grundsatz- und Rahmenbeschlüsse Vorgaben bezüglich seiner Tätigkeit zu machen, Gebrauch gemacht hat. Ein rein faktisches, nicht rechtlich gebundenes und daher jederzeit änderbares Verhalten der Beteiligten ist nicht maßgeblich. Eine "Schönwetter-Selbständigkeit" lediglich in harmonischen Zeiten ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht zu vereinbaren (BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 KR 27/19 R –, Rn. 15; Senat, Urteil vom 23. Juni 2022 – L 4 BA 52/18 –; jeweils juris und m.w.N.). Daher kann aus der nur faktischen Nichtwahrnehmung eines Weisungs-, Aufsichts- oder Überwachungsrechts nicht auf einen rechtswirksamen Verzicht auf dieses Recht geschlossen werden (BSG, Urteil vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R –, Rn. 25; Urteil vom 29. August 2012 – B 12 R 14/10 R –, Rn. 23; jeweils juris und m.w.N.).

 

bb. Die Bindung der Beigeladenen an die Beschlüsse der Delegiertenversammlung des Klägers steht in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Konzeption des Vereins. Nach § 27 Abs. 3 BGB (in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden, hier noch maßgeblichen alten Fassung - aF) finden auf die Geschäftsführung des Vorstands die für den Auftrag geltenden Vorschriften der §§ 664 bis 670 BGB entsprechende Anwendung. Aus § 665 BGB, wonach der Beauftragte nur unter bestimmten Umständen von den Weisungen des Auftraggebers abweichen darf, ergibt sich, dass ein Beauftragter grundsätzlich an die Weisungen des Auftraggebers gebunden ist (BSG a.a.O., m.w.N.). Entsprechendes gilt für den Vereinsvorstand im Hinblick auf Weisungen der Mitglieder- bzw. (hier) Delegiertenversammlung

 

cc. Die einzelnen Beigeladenen hatten darüber hinaus bei ihrer jeweiligen Vorstandstätigkeit die Beschlüsse des Vorstands zu beachten. Denn die Organbefugnisse stehen dem Vorstand als Vereinsorgan selbst und nicht den einzelnen Organmitgliedern persönlich zu. Dass es sich dabei um Bindungen innerhalb eines Organs handelt, spricht nicht gegen die persönliche Abhängigkeit der einzelnen Beigeladenen. Selbst wenn die Bindung der einzelnen Beigeladenen an die Beschlüsse des Vorstands nach außen nur wenig hervorgetreten sein mag oder in der Praxis tatsächlich bedeutungslos war, war sie rechtlich beachtlich und damit nach dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 23. Februar 2021 – B 12 R 15/19 R –, juris, Rn. 26 f, m.w.N.).

 

Der eigene Einfluss der einzelnen Beigeladenen auf die interne Willensbildung des Vorstands des Klägers war nicht von ausschlaggebender Bedeutung, weil jede/r von ihnen als einfaches Vorstandsmitglied im vier- bzw. fünfköpfigen Gremium bei Beschlussfassungen mit einfacher Stimmenmehrheit jederzeit überstimmt werden konnte (§§ 28, 32 Abs. 1 Satz 3 BGB, § 7 Abs. 8 VS); die Beigeladene zu 4 besaß während ihrer Zeit als kooptiertes Vorstandsmitglied nicht einmal ein Stimmrecht. Nur ein Einfluss, der jeden missliebigen Beschluss des Vorstands verhindern kann, wäre aber ein wesentliches Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit. Insoweit unterscheidet sich die Stellung der einzelnen Beigeladenen von derjenigen eines GmbH-Geschäftsführers mit Sperrminorität, der in der Lage ist, ihm nicht genehme Weisungen an sich zu verhindern (BSG a.a.O., Rn. 28 m.w.N.).

 

dd. Angesichts dieser weitreichenden Weisungsunterworfenheit der einzelnen Beigeladenen fällt es nicht ins Gewicht, dass sie hinsichtlich Ort und Zeit keinen konkreten Vorgaben der Delegiertenversammlung oder aufgrund von Vorstandsbeschlüssen unterlagen. Denn Freiheiten bei der Bestimmung von Ort, Zeit und Gestaltung ihrer Tätigkeit sind für höhere Dienste typisch und nicht Ausdruck von Weisungsfreiheit (Landessozialgericht - LSG - für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27. Februar 2019 – L 8 R 398/17 –, Rn. 166, juris)

 

c. Die Beigeladenen waren auch in den Betrieb des Klägers in funktionsgerecht dienender Teilhabe eingegliedert.

 

aa. Wegen der klägerseitig geäußerten Einwände sei vorweg darauf hingewiesen, dass Weisungsgebundenheit und Eingliederung in den Betrieb weder in einem Rangverhältnis zueinander stehen noch stets kumulativ vorliegen müssen. Eine Eingliederung geht nicht zwingend mit einem umfassenden Weisungsrecht einher. Die in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV genannten Merkmale sind schon nach dem Wortlaut der Vorschrift nur "Anhaltspunkte" für eine persönliche Abhängigkeit, also im Regelfall typische Merkmale einer Beschäftigung und keine abschließenden Bewertungskriterien. Eine persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten gegenüber einem Arbeitgeber kann daher auch allein durch die funktionsgerecht dienende Eingliederung in einen Betrieb gekennzeichnet sein (BSG a.a.O., m.w.N.).

 

bb. Die Eingliederung der Beigeladenen in den Organisationsstrukturen des klagenden Vereins zeigt sich in vielfältiger Weise.

 

(1) Als primäre Aufgabe des Vorstands oblag ihm gemäß § 7 Abs. 9 VS die verantwortliche Durchführung und Überwachung der satzungsgemäßen und durch Verträge übernommenen Aufgaben des Vereins. In diesem Rahmen hatte der Vorstand z.B. auf Landesebene geschlossene, von ihm zu prüfende Selektivverträge nach § 63 ff., § 73c (in der vom 1. April 2007 bis zum 22. Juli 2015 geltenden Fassung), § 140a SGB V, Innovationsprojekte beim GBA gemäß § 92a SGB V oder Gutachtenaufträge zu begleiten und ihre Einhaltung zu überwachen. Seine gesamte Tätigkeit war sowohl in rechtsgeschäftlicher wie in tatsächlicher Hinsicht auf die Förderung des Vereinszwecks ausgerichtet. Für das insoweit erforderliche rechtsgeschäftliche Handeln des Beigeladenen nach außen war wegen der vorgesehenen Gesamtvertretung durch jeweils zwei Vorstandsmitglieder (§ § 26 Abs. 2 Satz 1 BGB, § 7 Abs. 6 Satz 2 VS) die Einwilligung oder Genehmigung eines weiteren Vorstandsmitglieds erforderlich. (Auch) dadurch waren die einzelnen Beigeladenen grundsätzlich zur wechselseitigen Absprache verpflichtet (vgl. BSG a.a.O. m.w.N.)

 

(2) Die Beigeladenen waren – als „Verwaltungsorgan“ (vgl. zu diesem Begriff: BSG a.a.O., Rn. 25, m.w.N.) – auch für die laufenden Verwaltungsangelegenheiten und die hierfür eingesetzte Geschäftsstelle verantwortlich; beides wird in § 7 Abs. 12 VS vorausgesetzt. Auch wenn der Vorstand hierfür einen Geschäftsführer einsetzen konnte (§ 7 Abs. 12 VS), blieb es bei seiner grundsätzlichen Verantwortung für diesen Aufgabenbereich. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass nur der Vorstand – und nicht etwa die Delegiertenversammlung – diesen Geschäftsführer einsetzen, aber auch wieder abberufen („widerruflich“) und ihm zusätzliche Aufgaben übertragen konnte.

 

Arbeitsteilige Strukturen als prägendes Element einer organisatorischen Eingliederung zeigen sich auch im sonstigen Verhältnis zwischen Vorstand und Geschäftsführer. Denn der Vorstand repräsentierte den Kläger als Arbeitgeber des Geschäftsführers diesem gegenüber. Vorstand und Geschäftsführer waren zur engen Zusammenarbeit verpflichtet, der Vorstand war dem Geschäftsführer gegenüber weisungsbefugt (§ 2 Nr. 3 GV). Der Vorstand konnte dem Geschäftsführer – ohne weitere Voraussetzungen – Aufgaben zuweisen oder entziehen (§ 2 Nr. 4 GV). Für zahlreiche Geschäfte war der Geschäftsführer auf eine Zustimmung des Vorstands angewiesen (§ 4 GV). Als Repräsentant des Vereins als Arbeitgeber war der Vorstand auch zuständig, wenn der Geschäftsführer Arbeitsverhinderungen anzuzeigen oder Urlaubszeiten abzustimmen hatte (§ 6 Nr. 1, § 7 Nr. 1 Satz 2 GV).

 

(3) Der Vorstand – und nicht etwa die Delegiertenversammlung oder ein von dieser eingesetzter Ausschuss – entschied über Beauftragungen, etwa die Teilnahme einzelner Vereinsmitglieder an bestimmten externen Kongressen und Tagungen, die Mitwirkung an der Entwicklung von Leitlinien, an einem runden Tisch oder an Forschungsprojekten, z.B. innerhalb des Innovationsausschusses des GBA. Der Vorstand konnte somit grundsätzlich ihm obliegende Aufgaben an andere Vereinsmitglieder delegieren.

 

(4) Der Vorstand war ferner zur Durchführung des Haushaltsplanes verpflichtet – dies belegt Abs. 2.2 der Haushalts- und Kassenordnung – und hierbei zu Ausgaben und sonstigen finanziellen Verpflichtungen berechtigt, musste sich aber für über- und außerplanmäßige Ausgaben über 5.000 € mit dem Haushaltsausschuss abstimmen, dessen Überwachung er bei der Durchführung des Haushalts unterlag (vgl. auch insoweit Abs. 2.2 der Haushalts- und Kassenordnung).

 

(5) Zur Verwirklichung der Vereinszwecke war der Vorstand ferner zu einem regelmäßigen Tätigkeitsbericht gegenüber der Delegiertenversammlung (§ 6 Abs. 6 lit. l VS), aber auch zur fortlaufenden Information der Delegierten über alle Angelegenheiten von allgemeiner Bedeutung und aus wichtigem Anlass (§ 7 Abs. 11 VS) verpflichtet.

 

(6) Auch mit den beiden von ihm verantworteten, regelmäßig erscheinenden Publikationen – dem Mitgliederbrief und der Verbandszeitschrift „Psychotherapie Aktuell“ (vgl. https://www.dptv.de/die-dptv/publikationen/psychotherapie-aktuell/) – war der Vorstand intensiv in das Vereinsgeschehen eingebunden.

 

d. Für eine Beschäftigung sprechen ferner die arbeitnehmertypische Art der finanziellen Zuwendungen des Klägers an die Beigeladenen für deren Vorstandstätigkeit. Sie erhielten entweder – nach Art eines Monatslohns – einen festen monatlichen Geldbetrag als „Aufwandsentschädigung“ in den Jahren 2011 und 2012 oder – nach Art eines Stundenlohns – nach festen Sätzen je Zeiteinheit bemessene Zahlungen wie die Praxisausfallentschädigungen in den Jahren 2011 und 2012 bzw. den anlassbezogenen und den verbandsbezogenen „Aufwendungsersatz“ in den Jahren 2013 und 2014. Ein die selbstständige Tätigkeit charakterisierendes Unternehmerrisiko ist für Vorstandsmitglieder eines Vereins im Allgemeinen und die Beigeladenen im Besonderen nicht ersichtlich. Die Beigeladenen handelten weder im eigenen Namen noch auf eigene Rechnung. Mit ihren finanzwirksamen Entscheidungen konnten sie allenfalls für den Kläger, nicht aber für sich selbst ein Geschäftsrisiko eingehen. Eine sie persönlich treffende Gefahr der Haftung für durch schuldhaftes Verhalten entstandene Schäden begründet kein Unternehmerrisiko (BSG a.a.O., m.w.N.).

 

Fehl geht der klägerische Hinweis auf die finanziellen Aufwendungen der Beigeladenen zur Aufrechterhaltung ihrer selbständigen psychotherapeutischen Tätigkeit. Solche Aufwendungen sind im Rahmen des unternehmerischen Risikos nur dann berücksichtigungsfähig, wenn sie gerade im Hinblick auf die zu beurteilende Tätigkeit erfolgen (BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R –, juris, Rn. 37). Die klägerseitig ins Feld geführten Kosten ihrer psychotherapeutischen Praxis sind jedoch nicht ursächlich auf die Vorstandstätigkeit der Beigeladenen zurückzuführen, sondern entstehen unabhängig hiervon durch ihre parallel hierzu ausgeführte selbständige psychotherapeutische Tätigkeit. Zu dieser waren sie im Rahmen ihrer Vorstandstätigkeit nicht verpflichtet. Denn die Satzung des Klägers macht weder die Wählbarkeit für ein Vorstandsamt noch überhaupt die Mitgliedschaft davon abhängig, dass eine (selbständige) psychotherapeutische Tätigkeit ausgeübt wird. Dass eine eigene psychotherapeutische Tätigkeit und die dabei gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen für die Vorstandstätigkeit und die Förderung der Vereinszwecke hilfreich sind, ändert daran nichts. Auch insoweit gilt der o.g. Grundsatz, dass ein rein faktisches, nicht rechtlich gebundenes und daher jederzeit änderbares Verhalten ohne jede Bedeutung für die Statusbeurteilung ist.

 

Dies gilt auch, soweit der Kläger geltend macht, die Beigeladenen hätten die von ihnen finanzierte Praxisinfrastruktur auch für ihre Vorstandstätigkeit genutzt. Dieser Umstand könnte allenfalls dann von Bedeutung sein, wenn die gerade durch die Vorstandstätigkeit entstandenen Kosten der Praxisinfrastruktur abgrenz- und quantifizierbar wären und im Verhältnis zu den erzielten Einnahmen der Beigeladenen aus der Vorstandstätigkeit einen mehr als nur unerheblichen Umfang ausmachten. Dies ist weder nach dem klägerischen Vorbringen naheliegend noch anderweitig ersichtlich.

 

Nur vorsorglich weist der Senat in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das deutsche Sozialversicherungsrecht keine Gesamtbeurteilung aller beruflichen und sonstigen Tätigkeiten einer erwerbstätigen Person kennt. Vielmehr unterliegt jede einzelne (Erwerbs-)Tätigkeit einer gesonderten sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung. Dass eine erwerbstätige Person gleichzeitig beschäftigt und selbständig tätig sein, hat der Gesetzgeber in Regelungen wie § 8 Abs. 2 und 3 SGB IV vorausgesetzt.

 

e. Ohne Einfluss auf die Statusbeurteilung bleibt im Übrigen auch, dass die Beigeladene zu 3 sich einer Hilfskraft (Bürokraft) für die Bewältigung ihrer Aufgaben als Vorstandsmitglied bediente. Eine Delegationsbefugnis kommt nur dann Bedeutung zu, wenn Art und Umfang der Einschaltung Dritter die Beurteilung rechtfertigen, dass die Delegation der geschuldeten Leistung auf Dritte im Einzelfall als prägend für eine selbständige Tätigkeit angesehen werden kann (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – B 12 R 13/13 R –; Senat, Urteil vom 18. November 2022 – L 4 BA 33/18 –, Rn. 74; jeweils juris und m.w.N.). Auch dies ist weder nach dem klägerischen Vorbringen naheliegend noch anderweitig ersichtlich.

 

Ob die Beigeladenen anderweitig gegen das Risiko Alters abgesichert, ist kein für die Statusabgrenzung relevantes Kriterium. Der Beschäftigtenstatus und somit die Zugehörigkeit zum versicherten Personenkreis ist unabhängig vom individuellen Schutzbedürfnis der Betroffenen (BSG, Urteil vom 9. November 2011 – B 12 R 1/10 R –, Rn. 18; Urteil vom 27. Januar 2000 – B 12 KR 16/99 R –, Rn. 21; Urteil vom 24. Oktober 1978 – 12 RK 58/76 –; jeweils juris und m.w.N.; Segebrecht, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4.A., § 7 Abs. 1 SGB IV (Stand: 06.09.2021), Rn. 99).

 

f. Sprechen nach den bisherigen Feststellungen des Senats alle Indizien für eine Beschäftigung der Beigeladenen beim Kläger, steht dem auch nicht entgegen, dass die Vorstandsmitglieder ihr Amt nach den Entschädigungsordnungen ehrenamtlich ausübten. Der in der Entscheidung des BSG vom 16. August 2017 (B 12 KR 14/16 R –, juris, Rn. 26) aufgestellte Grundsatz, die organschaftliche Stellung einer ein Ehrenamt ausübenden Person führe regelmäßig nicht zu einer persönlichen Abhängigkeit i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV, greift hier nicht. Die Tätigkeit der Beigeladenen erhielt ihr Gepräge nicht durch ihre ideellen Zwecke und Unentgeltlichkeit. Bei objektiver Betrachtung lag aufgrund des zeitlichen Umfangs (hierzu aa.), aber auch wegen der der Entschädigung (hierzu bb.) keine ehrenamtliche, sondern vielmehr eine hauptberufliche, entgeltliche Tätigkeit zu Erwerbszwecken vor.

 

aa. Nach der Rechtsprechung des BSG lässt sich eine Tätigkeit, die 30 und mehr Stunden pro Woche in Anspruch nimmt und damit keinen zeitlichen Raum für eine (andere) hauptberufliche Tätigkeit mehr lässt, nicht mehr als ehrenamtlich qualifizieren. Ausgehend vom allgemeinen Sprach- und Rechtsverständnis, wonach eine ehrenamtliche Tätigkeit zum Wohl der Allgemeinheit freiwillig und unentgeltlich ausgeübt und bei der lediglich ein anfallender Aufwand ausgeglichen, jedoch kein marktgerechtes Honorar als Aufwendungsersatz gezahlt wird, kann bei einer Tätigkeit im o.g. Umfang von einer – die ehrenamtliche Tätigkeit kennzeichnenden – "Opferung von Freizeit" nicht mehr die Rede sein (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 2000 – B 6 KA 64/98 R – <Vorstand einer KV>, juris, Rn. 35, 38). Eine solche Tätigkeit wird in der Realität hauptberuflich ausgeübt (BSG, Urteil vom 18. Februar 2016 – B 1 KS 1/15 R – <ehrenamtlich kommunalpolitisch tätige Publizistin>, juris, Rn. 21). Dies korrespondiert mit wissenschaftlichen Erhebungen zum ehrenamtlichen Engagement, wonach sich seit 2009 bei über 80 % aller Engagierten das ehrenamtliche Engagement auf unter sechs Stunden wöchentlich beschränkt (vgl. Freiwilliges Engagement in Deutschland, Der Deutsche Freiwilligensurvey 2019, Simonson, Kelle, Kausmann & Tesch-Römer (Hrsg.), S. 135, unter www.dza.de/fileadmin/dza/Dokumente/Forschung/Publikationen%20Forschung/Freiwilliges_Engagement_in_Deutschland_-_der_Deutsche_Freiwilligensurvey_2019.pdf  abgerufen am 17. Februar 2023; vgl. auch Segebrecht, a.a.O., Rn. 153; Kluth, NZS 2018, 553). Hiermit übereinstimmend geht auch der Senat davon aus, dass zumindest eine mehr als 30 Stunden wöchentlich umfassende Tätigkeit – wie bei den Beigeladenen – generell nicht mehr ehrenamtlich ausgeführt wird. Dies korrespondiert mit dem Steuerrecht: Nach Abschn. 4.26.1 Satz 12 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses des Bundesministeriums der Finanzen kann insbesondere dann nicht von einer ehrenamtlichen Tätigkeit ausgegangen werden, wenn der Zeitaufwand der Tätigkeit auf eine hauptberufliche Teilzeit- oder sogar Vollzeitbeschäftigung hindeutet. Eine entsprechende Zeitgrenze für ehrenamtliche Tätigkeit nimmt der BFH schon bei 20 Stunden wöchentlich an (BFH, Urteil vom 19. April 2012 – V R 31/11 –, juris).

 

bb. Die Entgeltlichkeit ist zwar kein zwingendes Kriterium einer abhängigen Beschäftigung, jedoch für diese typusbildend, denn regelhaft liegt der Ausübung einer Beschäftigung ein Erwerbszweck zugrunde. Das Versicherungsverhältnis als solches erfordert, dass aus der Beschäftigung Erwerbseinkommen erzielt wird, aus dem sozial angemessene Beiträge zur Finanzierung des jeweiligen Systems geleistet werden können. Demgegenüber ist die Unentgeltlichkeit des Ehrenamtes Ausdruck dafür, dass keine maßgebliche Erwerbsabsicht im Vordergrund steht. Dies ist im Einklang mit der Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 29. August 2012 – 10 AZR 499/11 –, juris) insbesondere der Fall, wenn Tätigkeiten ihrer Art oder den Umständen nach mit keiner berechtigten Vergütungserwartung verbunden sind. Finanzielle Zuwendungen schließen die Unentgeltlichkeit nicht aus, wenn sie in Form von Aufwendungsersatz konkrete oder pauschal berechnete Aufwände abdecken oder zum Ausgleich für Zeitversäumnis oder Verdienstausfall erbracht werden (BSG, Urteil vom 23. Februar 2021 – B 12 R 15/19 R –, juris, 31, m.w.N.; BFH, Urteil vom 31. Januar 2017 – IX R 10/16 – <Zuwendungen für eine Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter>, juris). Die Erwerbsmäßigkeit beurteilt sich dabei nicht aus der subjektiven Sicht des Einzelnen; das ehrenamtliche Engagement ist objektiv abzugrenzen. Dazu ist zu klären, was von ehrenamtlich Tätigen im konkreten Fall normativ oder mangels rechtlicher Regelung nach allgemeiner Verkehrsanschauung – von Aufwandsentschädigung und Aufwendungsersatz abgesehen – ohne Entlohnung seiner Arbeitskraft erwartet werden kann. Die Verrichtung von Tätigkeiten zur Verfolgung eines ideellen Zwecks ohne Erwerbsabsicht muss objektiv erkennbar vorliegen; die gewährte Aufwandsentschädigung darf sich nicht als verdeckte Entlohnung einer Erwerbsarbeit darstellen (BSG, Urteil vom 23. Februar 2021 – B 12 R 15/19 R –, juris, Rn. 26 f, m.w.N.).

 

Nach diesen Maßstäben ist hier auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung von einer Erwerbsabsicht auszugehen. Mit seinen Entschädigungsregelungen weicht der Kläger schon von dem für Vorstandsmitglieder eines Vereins geltenden Grundsatz der Unentgeltlichkeit i.S.v. § 27 Abs. 3 BGB aF und § 670 BGB ab (dazu (1)). Bei den Zuwendungen an die Beigeladenen auf der Bemessungsgrundlage eines Stunden- oder (Halb-)Tagessatzes bzw. eines Monatsbetrages handelt es sich beitragsrechtlich weder um einen Aufwendungsersatz noch um eine Aufwandsentschädigung, sondern der Art nach um eine (verdeckte) Entlohnung (dazu (2)). Auch der Umfang der finanziellen Zuwendungen lässt im Rahmen einer Evidenzkontrolle keinen anderen Schluss zu (dazu (3)).

 

(1) Die Entschädigungsregelungen des Klägers weichen schon von der normativen Erwartung des Vereinsrechts ab, wonach Vorstandsmitglieder unentgeltlich tätig sind.

 

Dass Vereinsvorstände im Grundsatz unentgeltlich tätig sind, hat der Gesetzgeber durch die mit Wirkung zum 1. Januar 2015 erfolgte Ergänzung des – gemäß § 40 Satz 1 BGB dispositiven – § 27 Abs. 3 BGB um einen Satz 2 („Die Mitglieder des Vorstands sind unentgeltlich tätig.") durch das Gesetz zur Stärkung des Ehrenamtes (Ehrenamtsstärkungsgesetz) vom 21. März 2013 (BGBl I 556) zum Ausdruck gebracht. Dabei handelte es sich laut Gesetzesbegründung um eine Klarstellung, weil sich die Unentgeltlichkeit der Vorstandstätigkeit bereits aus der Verweisung auf das Auftragsrecht ergibt (Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Entbürokratisierung des Gemeinnützigkeitsrechts vom 2. November 2012, BR-Drs. 663/12, 23). Das Auftragsrecht sieht in § 670 BGB nur einen Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen vor. Aufwendungen in diesem Sinn sind „alle Vermögensopfer mit Ausnahme der eigenen Arbeitszeit und Arbeitskraft", wie z.B. Reisekosten, Post- und Telefonspesen, zusätzliche Beherbergungs- und Verpflegungskosten etc. Sie sind erstattungsfähig, soweit sie tatsächlich angefallen, für die Ausführung der übernommenen Tätigkeit erforderlich sind und sich in einem angemessenen Rahmen halten. Pauschalen, die nicht tatsächlich entstandenen Aufwand abdecken, sind vom Aufwendungsersatz i.S.v. § 27 Abs. 3, § 670 BGB ebenso wenig erfasst wie Beträge dafür, dass der Beauftragte durch die Übernahme seines Amtes zeitweise verhindert ist, seine Arbeitskraft im eigenen Beruf oder Unternehmen einzusetzen (BSG a.a.O., m.w.N.). Mit den o.g. Regelungen der Entschädigungsordnungen des Klägers wird deshalb nach zivilrechtlichen Maßstäben nicht ein Aufwendungsersatz, sondern eine Entlohnung bestimmt und damit von den Regelungen im BGB abgewichen. Damit hat sich der Kläger von der im Vereinsrecht normativ vorausgesetzten Unentgeltlichkeit gelöst.

 

(2) Die finanziellen Zuwendungen des Klägers an die Beigeladenen stellen ihrer Art nach eine Vergütung dar, die auch den weiteren Maßstäben des Ehrenamtes im Beitragsrecht nicht genügt. Die Entschädigungsordnungen des Klägers sahen – wie oben dargestellt – entweder eine monatliche Pauschale und eine Bemessung nach (Halb-)‌Tagessätzen (für die Jahre 2011 und 2012) vor oder (für die Jahre 2013 und 2014) eine Bemessung nach Stundensätzen. Damit knüpfte der Kläger nicht an die konkrete Höhe bestimmter tatsächlich entstandener Sachaufwendungen oder eines konkret zu beziffernden Verdienstausfalls, sondern an den zeitlichen Einsatz der Vorstandsmitglieder als Arbeitskräfte für den Verein an. Dass die finanziellen Zuwendungen auch eine Entschädigung für Verdienstausfall („Praxisausfall“) enthalten sollten, spricht im vorliegenden Fall nicht gegen eine Erwerbsabsicht.

 

Schon die Tatsache, dass die Entschädigungszahlungen an die Beigeladenen zu 1, 2 und 5 in allen vier streitigen Jahren und an die Beigeladene zu 3 in den Jahren 2011 und 2013 die jeweiligen Beitragsbemessungsgrenzen von 66.000.- € im Jahre 2011, 67.200.- € im Jahre 2012, 69.600.- € im Jahre 2013 und 71.400.- € im Jahre 2014 überstiegen, lässt erkennen, dass sie generell auch zum vollständigen Ausfall von Praxiseinnahmen, mithin als Einkommensersatz geeignet sein sollten. Jedenfalls wurden die Vorstandsmitglieder durch Zuwendungen in dieser Höhe in die Lage versetzt, die gesamte psychotherapeutische Praxistätigkeit durch Ersatzkräfte erbringen zulassen. Dies ist ein gewichtiges Indiz für eine verdeckte Entlohnung von Erwerbsarbeit durch den Kläger (vgl. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13. Februar 2019 – L 8 BA 52/18 –, juris, Rn. 98). Dieselbe indizielle Wirkung kommt der Tatsache zu, dass die Entschädigungsregelungen des Klägers – trotz der Begrenzung für den verbandsbezogenen Aufwendungsersatz – keine absolute finanzielle oder zeitliche Obergrenze enthielten und es den Beigeladenen dadurch ermöglichten, entgegen den o.g. grundsätzlichen Prinzipien des Ehrenamtes den weit überwiegenden Teil ihrer Arbeitskraft für die Vorstandstätigkeit einzusetzen.

 

(3) Spricht hier bereits die Bemessung der gewährten Zuwendungen für eine Vergütung, könnte nur dann dennoch von einer ehrenamtlichen Entschädigung "honoris causa" oder zum Ausgleich von Beschwernissen und Einbußen ausgegangen werden, wenn dies aufgrund ihres (geringen) Umfangs evident wäre. Dafür müssten sich die finanziellen Zuwendungen deutlich von einer Gegenleistung für geleistete Arbeit unterscheiden. Dies könnte bei Zuwendungen naheliegen, die sich erkennbar an einer normativen Ehrenamtspauschale ausrichten oder einer solchen in etwa gleichkommen. Das ist hier nicht ersichtlich. Eine Orientierung an einer Ehrenamtspauschale ist den Entschädigungsregelungen des Klägers nicht zu entnehmen noch aufgrund der Höhe des Stundensatzes oder der jährlichen Gesamtzuwendungen zu erkennen. Der Gesetzgeber hat bislang keine allgemeingültigen Obergrenzen zur Abgrenzung des Ehrenamtes von der Beschäftigung geregelt. Solche Obergrenzen können bei der gebotenen Einzelfallbetrachtung auch nicht von der Rechtsprechung vorgegeben werden (BSG a.a.O.).

 

(a) Alle für eine entsprechende Parallelwertung in Betracht kommenden Regelungsmodelle führen überwiegend zu möglichen Grenzbeträgen, die im vorliegenden Fall – teilweise erheblich – überschritten worden sind (vgl. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27. Februar 2019 – L 8 R 398/17 –, Rn. 177 ff., juris):

So lag der Grenzwert für die Haftungsprivilegierung von Organmitgliedern, die nur gegen eine geringe Vergütung für ihren Verein tätig werden, bei 500 € bzw. 720 € jährlich (§ 31a Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 28. März 2013 bzw. der anschließend bis zum 6. April 2021 geltenden Fassung), ebenso die Steuerfreiheitsgrenze für Einnahmen aus einer ehrenamtlichen Tätigkeit (§ 3 Nr. 26 lit. a) Einkommensteuergesetz [EStG] in der bis zum 31. Dezember 2012 bzw. anschließend bis zum 31. Dezember 2020 geltenden Fassung). Für den Bereich des Privatrechts kommt dem letztgenannten Aspekt ausschlaggebende Bedeutung zu, weil nur auf diese Weise Wertungswidersprüche zu § 14 Abs. 1 SGB IV i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 16 Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) und zum Auftragsrecht sowie Vereins- bzw. Stiftungsrecht des BGB auszuschließen sind.

Nach § 4 Satz 1 Nr. 26 lit. b Umsatzsteuergesetz (UStG) ist die ehrenamtliche Tätigkeit umsatzsteuerbefreit, wenn das Entgelt für sie nur in Auslagenersatz und einer angemessenen Entschädigung für Zeitversäumnis besteht. Nach dem Rundschreiben des Bundesministeriums für Finanzen vom 27. März 2013 (BStBl. I S. 452) ist dabei eine Entschädigung in Höhe von bis zu 50 € je Tätigkeitsstunde regelmäßig als angemessen anzusehen, sofern die Vergütung für die gesamten ehrenamtlichen Tätigkeiten im Sinne des § 4 Nr. 26 lit. b UStG den Betrag von 17.500 € im Jahr nicht überschreitet.

Vorsitzende des Vorstands bzw. des Verwaltungsrates eines Sozialversicherungsträgers mit bis zu 50.000 Versicherten erhalten – ohne weitere Vergütung – im Sinne eines "Monatsgehalts" nach der Gemeinsamen Empfehlung für die Entschädigung der Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane in der Sozialversicherung vom 1. Oktober 2015 das 2- bis 4-fache des einfachen Satzes von 70 € pro Sitzungstag, d.h. maximal 280 € pro Sitzungstag (näher dazu: Reuter/Brecht-Heitzmann, SozSich 2017, 349 [352]).

 

(b) Angesichts dessen verfängt das Vorbringen des Klägers, seine Entschädigungsregelungen orientierten sich an den für ehrenamtliche Richter geltenden Regelungen des § 18 JVEG nicht. Nach dieser Vorschrift (in ihren bis zum 31. Juli 2013 bzw. ab dem 1. August 2013 geltenden Fassungen) richtet sich der Anspruch auf Verdienstausfall nach dem regelmäßigen Bruttoverdienst einschließlich der vom Arbeitgeber zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge, beträgt grundsätzlich höchstens 20 bzw. 24 € je Stunde, jedoch bis zu 39 bzw. 46 € je Stunde für ehrenamtliche Richter, die in demselben Verfahren an mehr als 20 Tagen herangezogen oder innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen an mindestens sechs Tagen ihrer regelmäßigen Erwerbstätigkeit entzogen werden, und bis zu 51 bzw. 61 € je Stunde für ehrenamtliche Richter, die in demselben Verfahren an mehr als 50 Tagen herangezogen werden.

 

Nach Auffassung des Senats ist bereits die Behauptung des Klägers, seine Entschädigungsregelungen seien an § 18 JVEG angelehnt, nicht nachvollziehbar. Dies gilt für die bis 2012 geltenden Entschädigungsregelungen des Klägers, weil sie nur an Monaten bzw. (halbe) Tage geknüpfte Pauschalen vorsahen. Aber auch seine ab 2013 geltenden Entschädigungsregelungen weichen in zentralen Punkten von § 18 JVEG ab: weder differenziert diese gesetzliche Bestimmung nach der Art des Verdienstausfalls (Praxisausfall oder Lohneinbuße) noch kennt sie monatliche Obergrenzen; vielmehr steigt der Stundensatz mit dem Umfang der Inanspruchnahme. Unabhängig hiervon kann § 18 JVEG auch wegen der strukturellen Unterschiede zwischen der Tätigkeit der beigeladenen Vereinsvorstände und der Aufgabe ehrenamtlicher Richter keinen Maßstab für die hier zu beurteilenden Entschädigungsregelungen des Klägers bilden.

Zum einen entspringt die Ehrenamtlichkeit der (sic!) ehrenamtlichen Richter ausdrücklichen gesetzlichen Anordnungen (vgl. § 3, § 13 SGG, § 6, § 20 ff ArbGG, § 19 ff Verwaltungsgerichtsordnung, § 16 ff Finanzgerichtsordnung, § 31 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz), während die Tätigkeit eines Vereinsvorstands – § 27 Abs. 3 BGB ist nach § 40 Satz 1 BGB dispositiv – auch hauptberuflich ausgeübt werden kann (Otto, in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9.A., § 27 BGB (Stand: 06.01.2023), Rn. 67; Plagemann/Plagemann/Hesse, NJW 2015, 439).

Zum anderen haben ehrenamtliche Richter jenseits der ihre Verhinderung im Einzelfall rechtfertigenden triftigen Gründen (vgl. hierzu Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, SGG, 13.A., § 6 Rn. 8 ff. m.w.N.) keine Möglichkeit, den Umfang ihrer Inanspruchnahme durch die Gerichte zu beeinflussen. Demgegenüber war den Beigeladenen weder durch die Satzung noch durch Beschlüsse der Delegiertenversammlung vorgegeben, in welchem zeitlichen Umfang und mit welchem sonstigen Aufwand sie ihre Vorstandstätigkeit auszuüben haben.

 

Doch selbst wenn die Einschätzung des Klägers zutreffen sollte, wonach seine Entschädigungsregelungen hinter den Sätzen von § 18 JVEG zurückblieben, würde die Orientierung an diesen Beträgen den o.g. Wertungswiderspruch nicht verhindern. § 18 JVEG lassen sich somit keine tauglichen Kriterien für die Frage entnehmen, ab welcher Höhe finanzielle Zuwendungen der Qualifikation als Ehrenamt entgegenstehen.

 

g. Entgegen der klägerischen Auffassung kommt auch das äußerst umfangreiche Engagement der Beigeladenen in zahlreichen Gremien der Selbstverwaltung innerhalb des deutschen Gesundheitswesens bei der Statusbeurteilung nicht zum Tragen. Ist mit den Repräsentationsaufgaben eines Vereinsvorstandes auch die Wahrnehmung von Mandaten in anderen Organisationen – hier: in Selbstverwaltungsgremien des Gesundheitswesens – verbunden und werden hierdurch Rechtsbeziehungen zwischen Vereinsvorständen und diesen Organisationen begründet, ist die Tätigkeit im Rahmen dieser Mandate für die Statusbeurteilung des Vereinsvorstandes im Verhältnis zu seinem Verein nicht mehr zu berücksichtigen. Vielmehr unterliegt das Verhältnis zwischen Organisation und Mandatsträger ggf. einer eigenen statusrechtlichen Beurteilung, für die dann die rechtliche Beziehung zwischen Mandatsträger – hier: die Beigeladenen – und Verein irrelevant wäre.

 

Aber auch unabhängig hiervon ist die Gremientätigkeit der Beigeladenen für die streitgegenständliche Abgrenzung ohne Bedeutung.

Zum einen ist die Mitgliedschaft im Vorstand des Klägers nach den Regelungen der o.g. Selbstverwaltungsorganisationen keine Voraussetzung für die Wahl in eines ihrer Gremien. So werden etwa für die Gremien des GBA die Vertreterinnen und Vertreter der Ärzte einschließlich ihrer Stellvertreterinnen und Stellvertreter von der KBV benannt (§ 3 Abs. 3, § 6, § 18 Abs. 2, § 24 Abs. 2 der Geschäftsordnung des GBA). Innerhalb der KBV bestätigt deren Vertreterversammlung die für das Beschlussgremium des GBA (Plenum) zu bestellenden Mitglieder und Stellvertreter nach Benennung durch den Vorstand (Kap. 3.2.13 der Satzung der KBV, https://www.kbv.de/media/sp/Satzung_der_KBV.pdf). Eine Mitgliedschaft im Vorstand des Klägers ist danach für die Mitwirkung in einem Gremium des GBA nicht erforderlich. Entsprechendes gilt für die Mitgliedschaft in den Gremien der KBV. Soweit Psychotherapeuten als Mitglieder deren Vertreterversammlung zu wählen sind, erfolgt dies anteilig aus dem Kreis der Psychotherapeuten in den Vertreterversammlungen der einzelnen KV (Kap. 4.4 ff der Satzung der KBV i.V.m. der Wahlordnung), während Mitglieder der Ausschüsse der Vertreterversammlung von dieser aus ihren Reihen gewählt werden (Kap. 13.3 der Satzung der KBV i.V.m. deren Wahlordnung).

Zum anderen ist nach der Satzung des Klägers keines seiner Vorstandsmitglieder verpflichtet oder auch nur aufgefordert, ihn gerade in einer der o.g. Selbstverwaltungsorganisationen durch ein entsprechendes Mandat zu repräsentieren. Ihren gegenüber dem Kläger bestehenden Repräsentationspflichten können Vorstandsmitglieder vielmehr (auch) in anderen Formen genügen, wie die von ihm genannten Beispiele – Empfänge, Gespräche mit Politikern und Vertretern der Krankenkassen – belegen.

 

III. Aufgrund ihrer Beschäftigung beim Kläger waren die Beigeladenen zu 1 bis 3 während des gesamten streitigen Zeitraums, die Beigeladene zu 4 ab dem 18. Januar 2012 und der Beigeladene zu 5 bis zum 30. April 2014 versicherungspflichtig in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang zutreffend berücksichtigt, dass der Beigeladene zu 5 ab dem 1. Mai 2014 wegen des Bezugs einer Regelaltersrente in der GRV gemäß § 5 Abs. 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI versicherungsfrei war. Gleiches gilt gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 1 SGB III für das Recht der Arbeitsförderung, weil der Beigeladene zu 5 die für ihn gemäß § 235 Abs. 2 Satz 2 SGB VI maßgebliche Regelaltersgrenze von 65. Lebensjahren und drei Monaten erreicht hatte. Für ihn hatte daher der Kläger als Arbeitgeber in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, § 346 Abs. 3 SGB III (in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden, hier maßgeblichen Fassung) ab diesem Zeitpunkt nur noch die Hälfte des Beitrags zu tragen, der zu zahlen wäre, wenn der Beigeladene zu 4 versicherungspflichtig wäre.

 

IV. Die streitgegenständlichen Bescheide sind auch hinsichtlich der Höhe der festgesetzten Sozialversicherungsbeiträge nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte für eine unzutreffende Berechnung sind weder geltend gemacht noch anderweitig ersichtlich.

 

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen diese aus Gründen der Billigkeit (§ 162 Abs. 3 VwGO) selbst, weil sie keine Anträge gestellt und somit kein Kostenrisiko übernommen haben (BSG, Urteil vom 27. Juni 2007 – B 6 KA 37/06 R –, juris).

 

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

 

 

 

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