Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. Juni 2019 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten steht die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung im Streit.
Der 1968 geborene Kläger ist gelernter Fleischer, legte am 05.12.1991 erfolgreich die Meisterprüfung ab und absolvierte eine Ausbildung zum Lebensmittelkontrolleur. Bis Januar 2014 stand er als Angestellter der Stadt B-B in einem Beschäftigungsverhältnis. Für die Zeit von 2011 bis 2017 war er nach den Angaben im Entlassungsbericht des Gesundheitszentrums H vom 01.11.2020 selbstständiger Betreiber eines Fitnessstudios. Nach dem Verkauf des Fitnessstudios war er bis 2019 Abteilungsleiter in einem großen Supermarkt beschäftigt, nach einem Wechsel zu einer anderen Supermarktkette wurde der Vertrag in gegenseitigem Einvernehmen aufgelöst. Zuletzt war der Kläger bis 21.08.2021 bei der Firma S als Abteilungsleiter beschäftigt.
Unmittelbar vor dem Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung vom 07.11.2016 (nach dem Auftreten eines epileptischen Anfalles im Oktober 2016) sind seit September 2013 und bis 23.12.2015 Beitragszeiten mit Pflichtbeiträgen bei Bezug von Leistungen eines Sozialleistungsträgers im Versicherungsverlauf des Klägers gespeichert. Eine Beitragszeit mit Pflichtbeiträgen ist dann ab 01.09.2017 bis 26.04.2018, ab 15.08.2019 bis 05.12.2019, ab 15.04.2020 bis 30.09.2020, ab 15.04.2021 bis 31.07.2021 und ab 01.01.2022 bis 20.05.2022 vermerkt, eine Beitragszeit mit Pflichtbeiträgen bei Bezug von Leistungen eines Sozialleistungsträgers vom 27.04.2018 bis 14.08.2019, vom 06.12.2019 bis 14.04.2020, vom 14.10.2020 bis 01.11.2020, vom 28.11.2020 bis 19.01.2021, vom 29.01.2021 bis 14.04.2021 und vom 01.08.2021 bis 31.12.2021 (Versicherungsverlauf Stand 07.06.2022).
Den Rentenantrag lehnte die Beklagte unter Berücksichtigung von beigezogenen Befundberichten und eines von der Beklagten veranlassten Gutachtens der O vom 15.12.2016 mit Bescheid vom 27.12.2016 unter Berücksichtigung einer organischen emotional labilen Störung, einer symptomatischen lokalisationsbezogenen Epilepsie mit seltenen sekundär generalisierten und häufig komplex fokalen Anfällen, einem intracraniellen Kavernom links temporo-mesial, einer arteriellen Hypertonie, Adipositas und essentieller Tremor ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 25.08.2017).
Hiergegen hat der Kläger am 13.09.2017 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und geltend gemacht, ihm stünde eine Rente wegen voller Erwerbsminderung seit 25.10.2016 zu. Er könne sich nicht mehr konzentrieren und leide unter einer so starken Vergesslichkeit, dass er einen Gedanken nicht länger als 20 Minuten tragen könne. Damit sei jede Erwerbstätigkeit auch nur für eine Stunde täglich ausgeschlossen. Er hat Befundberichte des behandelnden H vom 24.01.2017 und 12.05.2015 sowie einen Krankenblattauszug (01.01.2016 bis 18.12.2017) der R vorgelegt.
Das SG hat Beweis erhoben durch das Einholen von sachverständigen Zeugenaussagen bei R und H1.
R hat unter dem 19.03.2018 und unter Vorlage eines Krankenblattauszuges für die Zeit vom 10.10.2016 bis 20.03.2018 über eine seit 01/2018 eingetretene erneute massive Verschlechterung mit rezidivierenden schweren Infekten, abdominellen Schmerzen, Unruhezuständen, Schlaflosigkeit und depressiven Episoden im Sinne einer Erschöpfungsdepression berichtet. Durch die medikamentöse Behandlung sei der Kläger seit 2016 anfallsfrei, leider aber mit den bekannten Nebenwirkungen wie Gereiztheit, Unruhe, Aggressivität. Das Durchhaltevermögen sei massiv eingeschränkt, ebenso die Konzentrationsdauer. Sie halte eine Tätigkeit auf Dauer nur für vier Stunden täglich möglich.
H1 hat in seiner Zeugenaussage vom 25.01.2018 über eine Behandlung des Klägers von Juni 2005 bis Februar 2006 und Februar 2011 bis August 2015 wegen einer Epilepsie mit fokal und sekundär generalisierten Anfällen bei Kavernom (gutartige Gefäßfehlbildung) sowie von Oktober 2016 bis zuletzt Juli 2017 wegen eines schweren Arbeitsplatzkonflikts berichtet. Im Oktober 2016 sei es zu einem erneuten epileptischen Anfall gekommen. Der Kläger sei in der Lage, einer körperlich leichten, nervlich wenig belastenden Tätigkeit im Rahmen einer Fünftagewoche mindestens fünf Stunden nachzugehen. Wegen der Epilepsie seien Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, Tätigkeiten mit erhöhter Unfall- bzw. Absturzgefahr sowie Tätigkeiten mit Nachtschicht zu vermeiden. Aufgrund der psychiatrischen Einschränkungen seien Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an die Belastbarkeit und das Arbeitstempo zu vermeiden. Unter Berücksichtigung dieser Beschränkungen könne der Kläger im zuletzt ausgeübten Beruf und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr eingesetzt werden.
Für die Beklagte hat hierzu D Stellung genommen und auf die Leistungseinschätzung des langjährig behandelnden Neurologen und Psychiater verwiesen.
Mit Gerichtsbescheid vom 11.06.2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat sich der Leistungseinschätzung der im Verwaltungsverfahren gehörten O sowie den inhaltlich übereinstimmenden Bewertungen in den vorliegenden sozialmedizinischen Stellungnahmen des ärztlichen Dienstes der Beklagten angeschlossen.
Gegen den dem Bevollmächtigten des Klägers am 17.06.2019 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 15.07.2019 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.
In einem unaufgefordert bei Gericht eingegangenen Schreiben vom 14.08.2019 hat R ihre Einschätzung, der Kläger sei vier Stunden täglich arbeitsfähig, nochmals bekräftigt. Der Kläger beruft sich zur Begründung auf diese Einschätzung und lässt durch seine ab 20.01.2020 bevollmächtigte Rechtsanwältin vortragen, dass ihm nach dem Gutachten von O Tätigkeiten mit häufigen Konfliktsituationen nicht mehr zumutbar seien. Dies gelte für alle in Betracht kommende Tätigkeiten. Folge der neurologischen Erkrankung sei, dass er keine Bildschirmarbeit ausüben dürfe und auch keinen PKW bei Dunkelheit führen könne, weil die damit verbundenen „Blitzwirkungen“ jederzeit einen Krampfanfall auslösen könnten. Es sei nie vorhersehbar, wann es ihm gut und wann es ihm schlecht gehe. Stimmungswechsel von jetzt auf nachher seien jederzeit möglich und kämen mindestens einmal täglich vor. Im Falle eines solchen Stimmungswechsels sei er nicht mehr in der Lage zu arbeiten. Ihm sei alles zu viel. Es entstehe eine Überreaktion im Gefühlsempfinden. Er werde aggressiv. Für solche Fälle sei ihm verordnet worden, das Medikament Tavor einzunehmen. Bis dieses wirke, sei er nicht arbeitsfähig. Einem Arbeitgeber sei nicht zuzumuten, unter solchen Bedingungen einen Arbeitnehmer zu beschäftigen. Ferner leide er unter einer beiderseitigen Schulterluxation. Eine Operation habe bereits stattgefunden.
Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. Juni 2019 sowie den Bescheid vom 27. Dezember 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. August 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 25. Oktober 2016 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat Beweis erhoben durch das Einholen einer sachverständigen Zeugenaussage bei H. Dieser hat Anfallsfreiheit seit 2016 unter Gabe eines Antiepileptikums angegeben. Das quantitative Leitungsvermögen sei aufgrund der erheblich eingeschränkten Belastbarkeit auf drei bis unter sechs Stunden eingeschränkt. Ansonsten käme der Kläger schnell wieder in Überforderungssituationen mit ausgeprägten Anspannungs- und Erregungszuständen mit aggressiven Ausbrüchen mit der Gefahr von Kontrollverlusten. Durch die verschiedenen Medikamente sei der Kläger nicht in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Wegen verminderter Steuerungsfähigkeit sowie fremdbedrohlichem Verhalten verbaler Art habe er eine stationäre Weiterbehandlung veranlasst. Die Berichte der SRH Klinikum K-L GmbH vom 08.01.2021 (über eine stationäre Behandlung vom 04.01. bis 08.01.2020 [gemeint wohl 2021]: Diagnosen: rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome, emotional instabile Persönlichkeitsstörung: Impulsiver Typ) und vom 20.01.2021 (über eine teilstationäre Behandlung vom 14.01. bis 20.01.2021) hat H vorgelegt (Schreiben vom 05.01.2022).
Unmittelbar zuvor, vom 14.10.2020 bis 01.11.2020, befand sich der Kläger nach einer Implantation einer Hemiprothese und Rekonstruktion der Rotatorenmanschette mit ausgiebiger Arthrolyse am 17.02.2020 in fachorthopädischer Rehabilitation des SRH-Gesundheitszentrums H. Unter Wertung der erhobenen Befunde einschließlich der Vorbefunde sowie des Reha-Verlaufs und -Ergebnisses lasse sich bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen für zumindest mittelschwere Tätigkeiten, zu verrichten vorzugsweise im Wechselrhythmus in allen Schichtformen ableiten. Auszuschließen seien häufiges Heben und Tragen von Lasten über ca. 20 % des Körpergewichtes, Tätigkeiten in kniender Position, das Ersteigen von Leitern und Gerüsten sowie andauernde körperliche Zwangshaltungen. Die Entlassung erfolgte arbeitsunfähig bei noch nicht abgeschlossener Rekonvaleszenzzeit. Im Rahmen der psychologischen Begleitung während der Rehabilitation wurde die Diagnose einer Verbitterungsstörung im Rahmen einer Anpassungsstörung gestellt.
D hat in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme für die Beklagte auf den Entlassungsbericht des SRH-Gesundheitszentrums H vom 01.11.2020 und die dort beschriebene beachtliche Lebensleistung des Klägers hinsichtlich seines beruflichen Werdegangs verwiesen. Es sei aufgrund des guten psychosozialen Rehabilitationserfolges weiterhin ein quantitatives Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr arbeitstäglich für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Abteilungsleiter im Supermarkt und für eine leidensgerechte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt dokumentiert. Nach der Entlassung aus der Reha sei es offensichtlich zu einer akuten psychosozialen Dekompensation und zu einer zunächst viertägigen stationären Krankenhausbehandlung (SRH Klinikum K) gekommen. Weder zum Aufnahmezeitpunkt noch zum Zeitpunkt der Entlassung habe eine akute Eigen- oder Fremdgefährdung bestanden. Der Kläger sei nach nur vier Tagen für ausreichend stabil gehalten worden, um im weiteren eine nur teilstationäre Krankenhausbehandlung ab dem 14.01.2021 wahrzunehmen. Aufgrund der Schwere der Psychopathologie und diverser privater Angelegenheiten, die keinen Aufschub duldeten, sei es dem Kläger nicht mehr möglich gewesen, am Therapieprogramm verlässlich teilzunehmen, so dass mit dem Kläger die Entlassung am 20.01.2021 ohne Hinweis auf Suizidalität, Eigen- und Fremdgefährdung vereinbart worden sei. In der Gesamtbetrachtung seien die vorliegenden medizinischen Informationen nicht geeignet, eine zeitlich überdauernde quantitative Leistungsminderung des Klägers arbeitstäglich zu begründen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch das Einholen eines neurologisch-psychiatrisch-schmerzmedizinischen Gutachtens bei R, R-Kliniken in S1. R1 hat in seinem Gutachten vom 04.03.2022 eine leichte, organische, emotional labile (asthenische) Störung (F06.6) festgestellt. Dabei handele es sich um eine Störung in Folge einer Hirnschädigung, die durch eine Affektdurchlässigkeit bzw. eine Affektlabilität, durch eine vorzeitige Ermüdbarkeit sowie durch eine Vielzahl körperlicher Missempfindungen gekennzeichnet sei. Zudem liege beim Kläger anamnestisch ein essentieller Tremor vor. Aktuell seien keine Konzentrationsstörungen feststellbar. Dem Kläger seien ohne unmittelbare Gefährdung seiner Gesundheit noch leichte körperliche Arbeiten wenigstens sechs Stunden täglich unter Berücksichtigung näher ausgeführter qualitativer Leistungseinschränkungen zumutbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung ist unbegründet. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI.
Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann, der Teilzeitarbeitsmarkt aber verschlossen ist (Gürtner in KassKomm, 108. EL Dezember 2021, SGB VI, § 43 Rn. 58 und 30 ff.).
Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten.
Ein Absinken der beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit des Klägers auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, was zu einer zu befristenden Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit wegen Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes führen würde, vermag der Senat in dem hier streitigen Zeitraum auf nicht absehbare Zeit (dh für länger als sechs Monate, vgl. Gürtner, a.a.O., § 43 Rn. 25) nicht festzustellen. Dies ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung der ärztlichen Unterlagen, insbesondere den Gutachten von R1, aber auch aus dem von O im Widerspruchsverfahren erstatteten Gutachten, welches der Senat im Urkundenbeweis verwertet hat.
O hat im psychischen Befund nach eingehender Anamneseerhebung, neurologischer und psychiatrischer Untersuchung des Klägers einen gesteigerten Antrieb, eine gereizte Stimmung und eine erhöhte Schwingungsfähigkeit beschrieben. Der Gedankengang war geordnet, psychotische Symptome nicht vorhanden (Halluzinationen, Wahninhalte, Störungen des Ich-Erlebens), auch pathologische Ängste und Zwänge waren nicht festzustellen. Es bestand nur teilweise eine Krankheitseinsicht. Es bestand keine Introspektionsfähigkeit, kein Verständnis für psychodynamische Zusammenhänge und keine Veränderungsmotivation. Krankheitsfixierenden Einstellungen waren aber nicht vorhanden, auch keine Regressionsneigung und Aggravationstendenzen. Die Merkfähigkeit und die Konzentration waren nur leicht beeinträchtigt. Die Konfliktfähigkeit wurde als eingeschränkt mit verminderter interner Kontrolle beschrieben. Nur leichte Einschränkungen waren festzustellen in Bezug auf die Fähigkeit zur Anpassung an Regeln und Routinen, zur Planung und Strukturierung von Aufgaben sowie in Bezug auf die Entscheidungs- und Durchhaltefähigkeit und zu außerberuflichen Aktivitäten, auch die Gruppenfähigkeit. O ist von einer wahrscheinlich im Rahmen der Epilepsie organisch bedingten emotionalen Labilität ausgegangen, wodurch die Integration in einen Arbeitsplatz erschwert sei und deshalb auch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sinnvoll erschienen. Nachvollziehbar und überzeugend kommt die Sachverständige unter Berücksichtigung dessen zu dem Ergebnis, dass dem Kläger aufgrund einer organisch emotional labilen Störung, einer symptomatischen lokalisationsbezogenen Epilepsie mit seltenen sekundär generalisierten und häufigen komplex fokalen Anfällen (zum damaligen Zeitpunkt), eine intracraniellen Cavernom links temporo-mesial (Gefäßmissbildung, die aus kleinen dünnwandigen Blutgefäßen bestehen, vgl. https://www2.medizin.uni-greifswald.de/neuro_ch/index.php?id=432, abgerufen am 08.06.2022), einer arteriellen Hypertonie und Adipositas sowie eines essentiellen Termors noch bis zu mittelschwere Tätigkeiten über sechs Stunden am Tag zugemutet werden können, wenn diese nicht an laufenden Maschinen, auf Leitern und Gerüsten oder sonstigen Absturzgefahren und ohne Schichtarbeit ausgeübt werden können. Dabei sollten die Arbeitsprozesse überschaubar sein und wenig Konfliktstoff mit anderen Personen bieten und keine hohen Anforderungen an die Konzentrationsfähigkeit und die Verantwortung stellen. Auch nach Auffassung des Senats ist der Kläger mit den bestehenden Gesundheitsstörungen noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Diese Auffassung wird bestätigt durch das vom Senat eingeholte Gutachten von R1, der nach ausführlicher Befragung und Untersuchung des Klägers sowie unter kritischer Würdigung der Vorbefunde und Diagnosen der Behandler schlüssig und überzeugend zu dem Ergebnis gelangte, dass der Kläger ohne Gefährdung seiner Gesundheit noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung näher ausgeführter qualitativer Leistungseinschränkungen auszuüben. Dabei geht R1 von einer leichten, organischen, emotional labilen (asthenischen) Störung aus. Es handelt sich dabei um eine Störung in der Folge einer Hirnschädigung, die durch eine Affektdurchlässigkeit bzw. eine Affektlabilität, vorzeitige Ermüdbarkeit sowie durch eine Vielzahl körperlicher Missempfindungen gekennzeichnet ist und wahrscheinlich durch ein intrakranielles Kavernom verursacht wurde. Ferner liegt – so R1 – anamnestisch (Gutachten O) ein leichter essentieller Tremor vor, der in der Untersuchungssituation nicht aufgefallen war. Er hat insoweit eine leichtgradige Steigerung der Antriebslage, ein streckenweise dysphorisches Stimmungsbild und einen streckenweise umständlichen formalen Gedankengang beschrieben. Durch diese kommt es zu einer leichten Störung der Stimmungslage, des Antriebes und des formalen Denkens. Der leichte Tremor bedingt im Falle des Auftretens eine leichte Ungeschicklichkeit beim Verrichten feinmotorischer Tätigkeiten. Dem Kläger sind wegen der Antriebsstörung und der Epilepsie deswegen und entgegen dem Gutachten von O nur noch leichte körperliche Tätigkeiten (nach den Angaben von R1 ein Heben und Tragen von Lasten mit einem Gewicht von mehr als 10 kg) im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen zumutbar. Ebenso ist ein ständiges Sitzen, ein überwiegendes Stehen oder überwiegendes Gehen leidensgerecht. Zwangshaltungen der Wirbelsäule (Bücken, kniende Tätigkeiten) sind ebenso zu vermeiden wie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten unter Exposition von Kälte, Wärme, Staub, Gasen, Dämpfen oder Nässe, wobei Tätigkeiten im Freien unter günstigen Witterungsverhältnissen nicht grundsätzlich ausgeschlossen sind. Hohe Anforderungen an die Feingeschicklichkeit beider Hände seien wegen Tremors nicht mehr abzuverlangen, wobei hierdurch eine durchschnittliche Inanspruchnahme (Benutzen einer Tastatur) nicht beeinträchtigt werde. Damit kämen auch Arbeiten an Büromaschinen oder Computertastaturen noch in Betracht. Nachtschichten, nicht jedoch Früh- und Spätschicht müssen zudem vermieden werden. Publikumsverkehr, eine besondere geistige Beanspruchung mit hoher oder höherer Verantwortung, wie beim Anleiten oder beim Beaufsichtigen mehrerer Personen bzw. beim Überwachen komplexer oder laufender Maschinen könne ebenfalls noch abverlangt werden. Ferner wies der Sachverständige darauf hin, dass mit der Verwendung eines Antidepressivums oder eines Neuroleptikums eine Besserung der Beschwerden erreicht werden könnte.
Ein Nachweis dafür, dass der vitale Antrieb, die geistige Flexibilität, die Daueraufmerksamkeit, die Konzentrationsfähigkeit und die spontane Willensbildung des Klägers rentenrechtlich relevant dauerhaft so weitgehend eingeschränkt sind, dass von dem Kläger eine leidensgerechte Tätigkeit nicht auch wenigstens sechs Stunden am Tag ausgeübt werden kann, liegt damit auch nach dem Gutachten von R1 nicht vor.
Diese von den Sachverständigen vertretene Leistungseinschätzung hat H1 in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 25.01.2018 beim SG bei von ihm vergleichbar geschilderten Befunden zunächst geteilt. Soweit er in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 05.01.2021 nunmehr eine andere Auffassung vertritt, vermag der Senat dies nicht nachzuvollziehen. Ohne Analyse der noch verrichtbaren Alltagsaktivitäten ist er davon ausgegangen, dass der Kläger nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich arbeiten könne. H1 schilderte insoweit keine anderen Befunde als zuvor. Dass der Kläger aufgrund „der psychiatrischen Situation“ (ohne Nennung einer konkreten Diagnose) auch bei leidensangepassten Tätigkeiten (Ausschluss von Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an die psychologische Belastbarkeit und an das Arbeitstempo) damit dauerhaft nicht mehr über ein Leistungsvermögen von sechs Stunden verfügen soll (aber drei bis unter sechs Stunden schon), ist nicht plausibel. Anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Befunde im vorläufigen Entlassungsbericht des SRH Klinikums K, wo sich der Kläger auf Veranlassung von H1 zunächst in stationärer (04.01.2021 bis 08.01.2021) dann in teilstationärer (14.01.bis 20.01.2021) Behandlung befand (Diagnosen: u.a. emotional instabile Persönlichkeitsstörung: Impulsiver Typ, rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome). Auch wenn dort der Kontakt als impulsiv, dominant, mit lauter Stimme sprechend und im Ausdruck z.T. vulgär beschrieben wurde, sind kognitive Einschränkungen (Aufmerksamkeit, Konzentration und Merkfähigkeit) bei Gedächtnisdefiziten als weitgehend unbeeinträchtigt angegeben worden. Der Kläger war wach, allseits orientiert, der Gedankengang kohärent, eingeengt auf die Ungerechtigkeiten, die er erfahre. Dabei konnten Wahn, Sinnestäuschungen und Ich-Störungen nicht eruiert werden. Der Affekt wurde beschrieben als bedrückt, verzweifelt, gereizt, angespannt. Es fanden sich eine Antriebsminderung, psychovegetativ eine Ein- und Durchschlafstörung, eine deutliche vegetative Anspannung und massive Impulsivität bei fehlender akuten Eigen- und Fremdgefährdung. Mit Blick auf das nachfolgende Gutachten von R1, der auf psychiatrischem Fachgebiet entsprechend schwerwiegende Einschränkungen nicht festzustellen vermochte (ebenso wie zuvor O) ordnet der Senat die insoweit beschriebenen Einschränkungen in Übereinstimmung mit D als eine akute psychosoziale Dekompensation ein. Trotz der Diagnose einer schweren depressiven Episode wurde der Kläger nach nur vier Tagen entlassen und auch die teilstationäre Behandlung wurde (u.a.) wegen privater Angelegenheiten des Klägers, die keinen Aufschub duldeten, abgebrochen. Eine dauerhafte, die Leistungsfähigkeit nachhaltig einschränkende Erkrankung ist damit nicht belegt. Auch R1 konnte eine solche nicht (mehr) beschreiben. Zudem muss berücksichtigt werden, dass im Versicherungsverlauf vom 07.06.2022 ab 15.04.2021 bis 31.07.2021 und auch ab 01.01.2022 Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer abhängigen Beschäftigung gespeichert sind, der Kläger also offensichtlich in der Lage gewesen ist, einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nachzugehen, was gegen eine Leistungsminderung auf nicht absehbare Zeit spricht. (zum BeschVerh im T befragen)
Soweit R eine Leistungsminderung des Klägers auf nur vier Stunden täglich angegeben hat und von einer „massiven Verschlechterung mit rezidivierenden schweren Infekten, abdominellen Schmerzen, Unruhezuständen, Schlaflosigkeit, depressiven Episoden im Sinne einer Erschöpfungsdepression seit 01/2018 berichtete, vermag der Senat hieraus ebenfalls keine Einschränkungen abzuleiten, die eine zeitliche Leistungsminderung auf nicht absehbare Zeit bedingen. So lässt sich den vorgelegten Behandlungsunterlagen und Befundberichten von R die genannte Erschöpfungsdepression nicht entnehmen. Auch der behandelnde Psychiater hatte eine solche Diagnose nicht gestellt. Sie findet sich auch in den nachfolgenden Berichten nicht, sodass diese keine Grundlage für die Anerkennung von Einschränkungen der zeitlichen Leistungsfähigkeit sein kann (siehe hierzu auch D in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 11.05.2018, die der Senat als qualifizierten Beteiligtenvortrag wertet). Soweit sich aus dem Krankenblattauszug der Praxis R bezogen auf die angesprochenen abdominellen Schmerzen und Infekte Behandlungen wegen eines akuten Magengeschwürs (03/2017), schleimig-eitrige chronische Bronchitis (06/2017), eitrige Sinusbronchitis (11/2017) und akute Gastroenteritis durch Novovirus (12/2017) bzw. Gastritis durch Heliobactor pylori (01/2018) bzw. Grippe/Influenza (02/2018) vermag der Senat überdauernde Erkrankungen, die zu einer zeitlichen Leistungseinschränkung für auch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt führen, nicht festzustellen.
Auf orthopädischem Fachgebiet bestehen nach den Ausführungen im Entlassungsbericht des SRH Gesundheitszentrum H vom 01.11.2020 nach Implantation einer Schulterhemiprothese rechts am 17.02.2020 nur noch geringe Restbeschwerden. Es konnte eine nahezu freie Funktionalität bei einem nur geringen Kraftdefizit festgestellt werden bei einer Schmerzintensität nach NRS von 0 bis 1/10 ohne Medikation. Der Kläger gab an, im Alltag nur geringfügig eingeschränkt zu sein. Entsprechend wirkt sich auch ein belastungsabhängiges myotendinotisches Wirbelsäulensyndrom nicht limitierend auf die zeitliche Leistungsfähigkeit aus. Aus orthopädischer Sicht können damit zumindest mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr, vorzugsweise im Wechselrhythmus in allen Schichtformen ausgeübt werden, wie zutreffend im Entlassungsbericht angegeben wurde. Auszuschließen ist dabei lediglich ein häufiges Heben und Tragen von Lasten über 20 % des Körpergewichts (angegeben mit 81 kg), Tätigkeiten in kniender Position, das Ersteigen von Leitern und Gerüsten sowie andauernde Zwangshaltungen.
Eine in diesem Bericht erwähnte Verbitterungsstörung ist von R1 nicht festgestellt worden und stand der Aufnahme einer Beschäftigung ab April 2021 und ab Januar 2022 nicht entgegen (zu BeschVerh im Termin nachfragen).
Der Senat ist daher davon überzeugt, dass dem Kläger unter Berücksichtigung der vorliegenden Einschränkungen somit jedenfalls noch körperlich leichte Tätigkeiten mit den genannten qualitativen Einschränkungen sechs Stunden täglich verrichten kann. Der Kläger ist somit nicht erwerbsgemindert, zumal auch die Zusammenschau der einzelnen Gesundheitsstörungen kein Leistungsvermögen von täglich weniger als sechs Stunden begründet.
Für die Verneinung von Erwerbsminderung bei mindestens sechs Stunden täglich leistungsfähigen Versicherten muss – anders als bei Teilzeitkräften – weder eine konkrete Tätigkeit benannt werden, noch die Frage geprüft werden, ob es genügend Arbeitsplätze gibt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für in diesem Umfang leistungsfähige Ungelernte und Angelernte des unteren Bereiches geeignete Arbeitsplätze in ausreichender Zahl vorhanden sind (Beschlüsse des Großen Senats des Bundessozialgerichts <BSG> vom 19.12.1996, u. a. SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Dies stimmt mit dem erklärten Willen des Gesetzgebers überein, der durch § 43 Abs. 3 SGB VI klargestellt hat, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Dem Kläger ist somit keine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren, und zwar unabhängig davon, ob die für sie zuständige Arbeitsagentur einen seinem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz anbieten kann. Denn das Risiko, keinen offenen Arbeitsplatz zu finden, ist nicht von der Renten-, sondern grundsätzlich von der Arbeitslosenversicherung zu tragen (BSG in SozR 2200 § 1246 Nr. 137 m.w.N.).
Allerdings ist die Frage, ob es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsplätze gibt, immer dann zu klären, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 104 und 117) oder Versicherte nur noch auf solchen Arbeitsplätzen einsetzbar sind, bei denen wegen ihrer Seltenheit die Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes besteht, also z.B. noch in Betracht kommende Tätigkeiten nicht unter betriebsunüblichen Bedingungen ausgeübt werden können oder entsprechende Arbeitsplätze auf Grund gesundheitlicher Beeinträchtigungen von der Wohnung aus nicht erreichbar sind oder nur vereinzelt vorkommen (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 136, 137 und 139 sowie § 1247 Nrn. 33 und 53; SozR 3-2200 § 1247 Nrn. 10 und 14). Nach der Rechtsprechung des BSG liegt eine volle Erwerbsminderung ausnahmsweise selbst bei einer mindestens sechsstündigen Erwerbsfähigkeit dann vor, wenn der Arbeitsmarkt wegen besonderer spezifischer Leistungseinschränkungen als verschlossen anzusehen ist. Dem liegt zugrunde, dass eine Verweisung auf die verbliebene Erwerbsfähigkeit nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2011, B 13 R 78/09 in Juris). Eine Verweisungstätigkeit braucht erst dann benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Hinsichtlich der vorhandenen qualitativen Beschränkungen hängt das Bestehen einer Benennungspflicht im Übrigen daher entscheidend von deren Anzahl, Art und Umfang ab, wobei zweckmäßigerweise in zwei Schritten - einerseits unter Beachtung der beim Restleistungsvermögen noch vorhandenen Tätigkeitsfelder, andererseits unter Prüfung der "Qualität" der Einschränkungen (Anzahl, Art und Umfang) - zu klären ist, ob hieraus eine deutliche Verengung des Arbeitsmarktes resultiert (vgl. BSG a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Eine spezifische Leistungseinschränkung liegt nach der Rechtsprechung des BSG jedenfalls dann nicht vor, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG, Urteil vom 27.04.1982, 1 RJ 132/80, SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedarf es nicht, wenn Tätigkeiten wie das Verpacken leichter Gegenstände, einfache Prüfarbeiten oder die leichte Bedienung von Maschinen noch uneingeschränkt möglich ist. Dies ist hier – wie sich den bereits oben genannten Einschränkungen entnehmen lässt – noch der Fall. Den Einschränkungen des Klägers wird nach Überzeugung des Senats bereits im Wesentlichen durch die Berücksichtigung nur leichter Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Rechnung getragen.
Eine schwere spezifische Leistungseinschränkung liegt auch nicht aufgrund der organischen emotional labilen Störung vor, die mit einer Affektdurchlässigkeit bzw. Affektlabilität einhergeht, wie auch R1 ausgeführt hat. R1 und O stufen diese aber nur als leichtgradig ein. Den Auswirkungen kann daher auch (entgegen R1) dadurch Rechnung getragen werden, dass dies bei der Auswahl zumutbarer Tätigkeiten berücksichtigt wird (Einschränkungen im Bereich von Tätigkeiten mit Publikumsverkehr, beim Anleiten oder beim Beaufsichtigen mehrerer Personen). Eine weitere bedeutsame Einschränkung der Tätigkeitsfelder des Klägers sieht der Senat insoweit nicht, da diese Einschränkungen bei den o.g. noch möglichen Tätigkeitsfeldern nicht abverlangt werden. Ferner wies R1 darauf hin, dass mit der Verwendung eines Antidepressivums oder eines Neuroleptikums eine Besserung der Beschwerden erreicht werden kann.
Nach alldem war das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Berufung ohne Erfolg geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 3142/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 2308/19
Datum
3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
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Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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