Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 12.05.2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50 streitig.
Bei dem 1958 geborenen Kläger wurde zuletzt mit Bescheid 04.07.2019 ein GdB von 30 seit Januar 2018 festgestellt.
Bereits am 12.08.2019 machte der Kläger eine Verschlimmerung der bisher berücksichtigten Gesundheitsstörungen geltend und stellte einen Antrag auf Erhöhung des GdB.
Zu den Akten gelangte unter anderem der Reha-Entlassungsbericht der M Klinik am S N vom Juli 2019 über die dortige stationäre Behandlung mit den Diagnosen (unter anderem) einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, sowie einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren.
Mit Bescheid vom 17.12.2019 stellte der Beklagte beim Kläger einen GdB von 40 seit 12.08.2019 fest. In der diesem Bescheid zugrunde liegenden versorgungsärztlichen Stellungnahme vom Dezember 2019 wurde das Schlafapnoe-Syndrom mit Nasenatmungsbehinderung mit einem Einzel-GdB von 20, das chronische Schmerzsyndrom mit seelischer Störung und Depression mit einem Einzel-GdB von 20, die Erkrankung der Wirbelsäule mit Schulter-Arm-Syndrom mit einem weiteren Einzel-GdB von 20, die Schwerhörigkeit beidseits mit einem Einzel-GdB von 10, die Refluxkrankheit der Speiseröhre und der Speiseröhrengleitbruch gleichfalls mit einem Einzel-GdB von 10 und ebenso die Knorpelschäden an beiden Kniegelenken mit Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke mit einem Einzel-GdB von 10 und der Gesamt-GdB mit 40 bewertet.
Den hiergegen eingelegten und nicht weiter begründeten Widerspruch wies der Beklagte nach Einholung einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme vom April 2020 mit Widerspruchsbescheid vom 28.04.2020 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 06.05.2020 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben, mit der er die Zuerkennung eines GdB von wenigstens 50 begehrt hat.
Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen schriftlich vernommen. Bezüglich der Einzelheiten der Zeugenaussagen wird auf die Stellungnahme des L, vom November 2020, des M1 vom November 2020, des K vom Dezember 2020 und des T, behandelnder Arzt am Psychiatrischen Zentrum N1, vom Dezember 2020 verwiesen.
Einen nach Ablauf der hierfür gesetzten Frist gestellten Antrag auf Anhörung von Sachverständigen auf neurologischem, HNO-ärztlichem und orthopädischem Gebiet gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG als verfristet abgelehnt und hat die Klage nach vorheriger Anhörung mit Gerichtsbescheid vom 12.05.2021 abgewiesen. Für das Schlafapnoe-Syndrom und die Nasenatmungsbehinderung sei ein Einzel-GdB von 20 anzunehmen. Nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG), Teil B, Nr. 8.7 werde allein für eine Berücksichtigung eines Einzel-GdB von 20 eigentlich schon eine Notwendigkeit einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung gefordert. Diese wird jedoch nach Auskunft des behandelnden M1 nicht durchgeführt. Es würden sich somit keine Anhaltspunkte für einen höheren Einzel-GdB wegen des Schlafapnoe-Syndroms ergeben. Hinzu komme, dass laut Auskunft des behandelnden HNO Arztes L die durchgeführte Nasennebenhöhlenoperation bei chronischer Sinusitis und Nasenmuscheloperation (Turbinoplastik) bei Nasenatmungsbehinderung einen guten Heilungsverlauf und einen Erfolg verzeichnen konnte. Hinsichtlich des chronischen Schmerzsyndroms und der seelischen Störung sowie der Depression sei anzuführen, dass derzeit keinerlei medikamentöse Therapien zum Einsatz komme. Dem Entlassungsbericht der M Klinik lasse sich entnehmen, dass der Kläger während der Maßnahme aus somatischer Sicht beschwerdefrei gewesen sei. Eine Behandlung nach März 2020 lasse sich der sachverständigen Zeugenauskunft von Herrn T vom Psychiatrischen Zentrum N1 nicht entnehmen, so dass die Berücksichtigung eines Einzel-GdB von 20 gerechtfertigt sei. Der behandelnde HNO-Arzt habe hinsichtlich des Einzel-GdB für die Schwerhörigkeit ebenfalls der versorgungsmedizinischen Einschätzung (Einzel-GdB von 10) zugestimmt. Hinsichtlich der Leiden auf orthopädischem Fachgebiet – namentlich der Wirbelsäule und der Nervenwurzelreizerscheinungen – würden sich ebenfalls keine Hinweise für die Berücksichtigung eines höheren Einzel-GdB als 20 ergeben. Die Kniegelenksbeschwerden seien angesichts des Befundes der MRT-Untersuchung vom Februar 2019 mit einem geringen Erguss ohne mechanische Ursache und Knorpelausdünnung von dem Beklagten zu Recht nur mit einem Einzel-GdB 10 berücksichtigt worden. Es lasse sich deshalb nach Auffassung des Gerichts kein Gesamt-GdB von 50 rechtfertigen.
Gegen den dem Kläger am 17.05.2021 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 19.05.2021 Berufung beim SG eingelegt, welche dieses an das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg weitergeleitet hat. Er hat beanstandet, dass das SG seinem Antrag auf Anhörung von Sachverständigen gemäß § 109 SGG nicht gefolgt sei. Das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten des B habe nun einen Gesamt-GdB von 50 festgestellt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 12.05.2020 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 17.12.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.04.2020 zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist zur Begründung seines Antrags auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids sowie auf die im Berufungsverfahren vorgelegte versorgungsärztliche Stellungnahme des H.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers gemäß § 109 SGG hat B, gestützt auf eine ambulante Untersuchung, unter dem 29.11.2021 über den Kläger ein nervenärztliches Gutachten erstattet. Er hat beim Kläger auf seinem Fachgebiet eine mittelgradige depressive Episode und eine somatoforme autonome Funktionsstörung diagnostiziert und mit einem Einzel-GdB von 40 bewertet und unter Berücksichtigung eines Einzel-GdB von 20 für die chronische Sinusitis/obstruktive Schlafapnoe einen Gesamt-GdB von 50 empfohlen.
Der Beklagte ist dem Gutachten unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme des H vom Januar 2022 entgegengetreten. Selbst wenn man wohlwollend für das Funktionssystem Psyche einen Einzel-GdB von 30 zugrunde legen wolle, so erscheine der bisherige Gesamt-GdB von 40 angesichts Überschneidungen, insbesondere zum Funktionssystem Atmung, eher noch etwas überhöht.
Mit Schreiben vom 10.02.2022 hat der Beklagte und mit Schreiben vom 15.02.2022 der Kläger einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten des Beklagten sowie der Prozessakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheiden kann, ist nach §§ 143, 144 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) erhoben. Sie ist aber unbegründet.
Streitgegenständlich ist vorliegend der Gerichtsbescheid des SG vom 12.05.2021, mit dem die Klage des Klägers, gerichtet auf die Zuerkennung eines GdB von mindestens 50 ab Antragstellung unter Abänderung des dies ablehnenden Bescheids vom 17.12.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.04.2020, abgewiesen worden ist.
Das SG hat die rechtlichen Voraussetzungen für die Feststellung eines (höheren) GdB zutreffend dargelegt. Der Senat sieht insoweit von einer eigenen Darstellung ab und verweist in vollem Umfang auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung. Unter Zugrundelegung der danach maßgeblichen Maßstäbe ist die Entscheidung des SG nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat die beim Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen zu Recht nicht mit einem höheren GdB als 40 bewertet und das SG die auf einen höheren GdB als 40 abzielende Klage zu Recht abgewiesen. Denn die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen rechtfertigen auch für die Zeit seit August 2019 keinen höheren Gesamt-GdB als 40.
Ganz im Vordergrund stehen beim Kläger die Erkrankungen auf seelischem Gebiet. Danach liegt beim Kläger eine depressive Störung sowie eine somatoforme autonome Funktionsstörung mit Bezug auf das Atmungssystem vor. Dies entnimmt der Senat dem Reha-Entlassungsbericht der M Klinik, der sachverständigen Zeugenaussage des Arztes T sowie den im Verwaltungs-, Klage- und Berufungsverfahren vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahmen hierzu. Eine wesentlich abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Gutachten nach § 109 SGG des B.
Die Bewertung dieser Erkrankungen auf seelischem Gebiet richtet sich nach den VG, Teil B, Nr. 3.7. Danach sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem Einzel-GdB von 0 bis 20, stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem Einzel-GdB von 30 bis 40, schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem Einzel-GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem Einzel-GdB von 80 bis 100 zu bewerten.
Im Reha-Entlassungsbericht der M Klinik ist eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, sowie eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren – dies allerdings bei aus somatischer Sicht im wesentlichen beschwerdefreien Verlauf des stationären Aufenthalts – diagnostiziert worden. Im Verlauf der Reha-Maßnahme konnte dabei teilweise ein Abbau der Depression, der vitalen Erschöpfung und Angst erreicht werden. Diese Besserung im psychischen Befinden bestätigt auch der anschließende Behandlungsverlauf. Der Arzt T hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage gegenüber dem SG über die anschließende ambulante Behandlung des Klägers im Psychiatrischen Zentrum N1 im Zeitraum vom August 2019 bis März 2020 mit insgesamt acht Terminen berichtet. Danach zeigte der Kläger das immer gleiche Bild einer klagsamen, gedanklich auf die körperlichen Beschwerden eingeengten, im Denken wenig flexiblen und bezüglich der Introspektionsfähigkeit sehr eingeschränkten Person. Hinter der Symptomatik stehende Konflikte konnten kaum besprochen werden, teils aufgrund der gedanklichen Einengung, teils wegen mangelnder Bereitschaft hierzu. Von einer medikamentösen Behandlung wurde bei im Verlauf deutlich gewordener fraglicher Behandlungsmotivation und Complianceproblemen abgesehen. Bei im Beobachtungszeitraum unveränderten Befund wurde dort eine somatoforme autonome Funktionsstörung mit Bezug auf das Atmungssystem sowie eine Angst und depressive Störung, gemischt, diagnostiziert.
Angesichts des Reha-Entlassungsberichts und der dort beschriebenen, nicht erheblich erscheinenden Funktionsbeeinträchtigungen wie auch der dort erzielten Besserung des seelischen Zustands ist in den beiden versorgungsärztlichen Stellungnahmen vom Dezember 2019 und April 2020 für den Senat schlüssig und nachvollziehbar eine bereits stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit verneint worden. Die Stellungnahme des T bestätigt diese Einschätzung. Neben der in dieser Stellungnahme deutlich gewordenen fraglichen Behandlungsmotivation, welche geeignet ist, das Ausmaß des Leidensdrucks infrage zu ziehen (was sich in der Folgezeit auch in der fehlenden Fortsetzung einer medikamentösen oder psychotherapeutischen Behandlung zeigt), bestätigt insbesondere die dortige Diagnose Angst und depressive Störung, gemischt, die versorgungsärztlichen Einschätzungen. Denn definitionsgemäß findet diese Kategorie bei gleichzeitigem Bestehen von Angst und Depression Verwendung; jedoch nur, wenn keine der beiden Störungen eindeutig vorherrscht und keine für sich genommen eine eigenständige Diagnose rechtfertigt (ICD-10, F41.2). Treten dagegen ängstliche und depressive Symptome in so starker Ausprägung auf, dass sie einzelne Diagnosen rechtfertigen, sollen beide Diagnosen gestellt und auf die Kategorie Angst und depressive Störung, gemischt, verzichtet werden. Demgemäß bringt die im Psychiatrischen Zentrum N1 gestellte Diagnose zum Ausdruck, dass weder die depressive Störung noch die Angst bereits das Ausmaß einer ausgeprägteren Störung im Sinne der VG, Teil B, Nr. 3.7 erreichen.
Demgegenüber geht der Gutachter des Vertrauens des Klägers, B, von einer mittelgradigen depressiven Episode mit einer somatoformen autonomen Funktionsstörung aus und sieht darin bereits eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Er hat bei dem Kläger eine gedrückte und besorgte Grundstimmung und eine deutlich in Richtung des depressiven Pols eingeschränkte Affektivität festgestellt. Der Sachverständige hat in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Arztes T auch für den Senat nachvollziehbar herausgearbeitet, dass beim Kläger keine Hinweise für eine Panikstörung und auch nicht für eine chronische Schmerzstörung vorliegen. Der Kläger selbst hat die in der Vergangenheit diskutierten orthopädischen und internistischen Beschwerden nicht mehr geltend gemacht, sondern war gegenüber dem Sachverständigen, wie bereits zuvor im Rahmen der Behandlung im Psychiatrischen Zentrum N1, nahezu ausschließlich auf die durch seine Nasenproblematik hervorgerufenen Atembeschwerden fixiert. Wenngleich der Kläger Atemstörungen, bedingt durch die Veränderung in seinem Nasen-Rachen-Raum, hat, können diese die von ihm angeführten Beschwerden bei weitem nicht erklären. Vielmehr neigt der Kläger, wie bereits von den behandelnden Ärzten herausgearbeitet und vom Sachverständigen nochmals bestätigt, sehr stark zu einer Somatisierung seiner intrapsychischen Beschwerden (B).
Unter Berücksichtigung des Gutachtens des B geht der Senat in Übereinstimmung mit dem Versorgungsarzt H jedenfalls ab dem Zeitpunkt der ambulanten Begutachtung (November 2021) von einer bereits stärker behindernden Störung auf seelischem Gebiet und demgemäß von der Eröffnung eines GdB-Bewertungsrahmens zwischen 30 und 40 aus. Eine Ausschöpfung des Bewertungsrahmens nach oben hin mit einem Einzel-GdB von 40 erachtet der Senat, auch insoweit in Übereinstimmung mit H, aber für nicht gerechtfertigt. Zu Recht verweist letzterer darauf, dass keine Einnahme von Medikamenten erfolgt, die empfohlene ambulante Psychotherapie nicht durchgeführt wird und die Therapiemöglichkeiten bei weitem nicht erschöpft sind. Im konkreten Fall, in welchem bereits die behandelnden Ärzte die Behandlungsmotivation des Klägers in Zweifel gezogen haben, ist dies aus Sicht des Senats Ausdruck eines nicht sehr ausgeprägten Leidensdrucks. Die familiäre Integration ist zudem weitgehend intakt. Der Kläger selber berichtet, genügend Freunde zu haben. Auch der vom Sachverständigen erhobene Tagesablauf des mittlerweile berenteten Klägers lässt keinen Schluss auf eine erhebliche Beeinträchtigung zu. Im Herbst 2021 war ihm zudem ein 6-wöchiger Urlaub in der Türkei möglich. Daneben hat der Sachverständige zwar die von ihm selbst mittels eines Testverfahrens festgestellten Hinweise auf Aggravation bzw. gar Simulation dahingehend relativiert, der Kläger habe möglicherweise die „komplexen“ Fragen nicht verstanden. Er hat beim Kläger aber einen sogenannten sekundären Krankheitsgewinn festgestellt, d. h. das unbewusste Bemühen, durch Ausgestaltung der Erkrankung mehr Anerkennung und Zuwendung von Seiten anderer Menschen zu erfahren. Nach alledem ist die Bewertung der seelischen Erkrankungen mit einem Einzel-GdB von 30 sachgerecht und kann ein höherer Einzel-GdB nicht vertreten werden, so auch H. Auch der behandelnde M1 hält einen Einzel-GdB von 30 für angemessen.
Für das Schlafapnoe-Syndrom und die Nasenatmungsbehinderung ist ein Einzel-GdB von 20 anzunehmen. L, hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage gegenüber dem SG über die im Januar 2020 durchgeführte Nasennebenhöhlenoperation bei chronischer Sinusitis und Nasenmuscheloperation (Turbinoplastik) bei Nasenatmungsbehinderung berichtet, die, wie sich im Rahmen der von ihm durchgeführten Nachsorgebehandlung gezeigt hat, zu einem guten Ergebnis geführt hat. Zwar habe der Kläger bei der letzten Vorstellung bei ihm im September 2020 weiter Nasenbeschwerden im Sinne einer Nasenatmungsbehinderung angegeben; diese waren aber anhand der erhobenen Befunde nicht objektivierbar. Daneben liegt eine in der Vergangenheit diagnostizierte Schlafapnoe mit Notwendigkeit einer nasalen Überdruckbeatmung vor. Der Kläger hat nach Auskunft des M1 die CPAP-Maske allerdings wieder zurückgegeben, ohne weitere Therapiebemühungen, wie beispielsweise eine Maskenanpassung zu unternehmen. Weder liegen damit Anhaltspunkte für eine medizinisch begründete Undurchführbarkeit der nasalen Überdruckbeatmung (dann Einzel-GdB 50, vergleiche VG, Teil B, Nr. 8.7) vor, noch dafür, dass der nach den VG vorgesehene Einzel-GdB von 20 bei der Notwendigkeit einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung (VG, a.a.O.) das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zutreffend abbilden würde. Die nunmehr geringgradige Sinusitis ohne relevante Atembehinderung führt zu keiner Erhöhung dieses Einzel-GdB, so bereits die versorgungsärztlichen Stellungnahmen vom Dezember 2019 und vom April 2020. Auch H und der Sachverständige des Vertrauens des Klägers, B, haben diese Einschätzung bestätigt.
Gleichfalls nicht zu beanstanden ist der Einzel-GdB von 10 entsprechend den VG, Teil B, Nr. 5.2 für die beidseitige Schwerhörigkeit des Klägers, der in Übereinstimmung mit dem von L ermittelten Hörverlust im Kontrollaudiogramm vom August 2017 und dessen Angaben, wonach beim Kläger seither keine relevante Verschlechterung aufgetreten ist, steht. L selbst hat die Bewertung für zutreffend erachtet.
Die Refluxkrankheit und der Speiseröhrengleitbruch gehen angesichts einer operativen Behebung mit gutem Ergebnis nur noch mit einer geringgradigen Beeinträchtigung einher, die allenfalls einen Einzel-GdB von 10 zu rechtfertigen vermag, so zuletzt auch B.
Der GdB für die Wirbelsäulenerkrankung wie auch für das Schulter-Arm-Syndrom bemisst sich maßgeblich nach dem Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung (vergleiche VG, Teil B, Nr. 18.9 und 18.13). Danach bleibt festzuhalten, dass bereits im Reha-Entlassungsbericht eine altersentsprechende Beweglichkeit der Wirbelsäule, eine freie Schulterbeweglichkeit und eine freie Hüftbeweglichkeit festgestellt und insgesamt über eine aus somatischer Sicht beschwerdefreie Situation des Klägers berichtet worden ist. Zuletzt hat auch B im Rahmen seiner orientierenden orthopädischen Untersuchung eine freie Beweglichkeit der Halswirbelsäule und der Brustwirbelsäule wie auch der Arme in den Schultergelenken und lediglich im Bereich der Lendenwirbelsäule eine von ihm nicht näher beschriebene eingeschränkte Beweglichkeit festgestellt, wobei aber auch letztere aus seiner Sicht ohne Relevanz für die GdB-Bewertung ist. Der Kläger selbst hat im Rahmen der ausführlichen Begutachtung durch den Sachverständigen die orthopädischen Beschwerden, insbesondere auch die Rückenbeschwerden, überhaupt nicht thematisiert. Nach alledem sind Wirbelsäulenschäden mit wenigstens mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (dann Einzel-GdB von wenigstens 20, VG, Teil B, Nr. 18.9) oder überhaupt eine relevante Bewegungseinschränkung des Schultergelenks nicht nachgewiesen und sind in Übereinstimmung mit B und H die Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule und des Schulter-Arm-Bereichs allenfalls mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten.
Soweit der Beklagte darüber hinaus eine von ihm angenommene Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet hat, steht dem die Bewertung im Reha-Entlassungsbericht über eine freie Beweglichkeit der Hüftgelenke entgegen (vergleiche VG, Teil B, Nr. 18.12). Auch B hat ausdrücklich eine relevante Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke verneint. Ein Einzel-GdB ist insoweit nicht gerechtfertigt.
Die Funktionsbeeinträchtigung im Bereich des linken Knie ist mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten. K hat bei dem Kläger nach anfänglichem Verdacht eines Knorpelschadens zuletzt (Vorstellung im Juli 2020) eine Tendinitis der Peroneussehne im Bereich des linken Knies diagnostiziert, wobei der Kläger nach Angaben des sachverständigen Zeugen über diesbezügliche Beschwerden allerdings nicht geklagt hat, und hat der Beurteilung der Funktionsstörung im Bereich der Kniegelenke durch den Beklagten mit einem Einzel-GdB von 10 ausdrücklich zugestimmt. Auch B konnte zuletzt keine Beschwerden im Kniebereich eruieren. Anhaltspunkte dafür, dass die Bewertung mit einem Einzel-GdB von 10 die Funktionsbeeinträchtigung im Bereich der Kniegelenke nicht ausreichend abbilden würde, liegen daher nicht vor.
Weitere relevante Gesundheitsstörungen liegen beim Kläger nicht vor.
Ausgangspunkt für die Bewertung des Gesamt-GdB ist der Einzel-GdB von 30 für die seelische Erkrankung, der sich durch den weiteren Einzel-GdB von 20 für das Schlafapnoe-Syndrom und die Nasenatmungsbehinderung auf 40 erhöht. Die weiteren Einzel-GdB von 10 führen zu keiner Erhöhung des Gesamt-GdB. Zu einem dem Kläger günstigeren Ergebnis würde man auch dann nicht gelangen, wenn man B folgend die Gesundheitsstörungen auf seelischem Gebiet mit einem Einzel-GdB von 40 bewerten würde. Denn bei dem daneben allein Gesamt-GdB-erhöhend in Betracht kommenden Einzel-GdB von 20 für das Schlafapnoe-Syndrom und die Nasenatmungsbehinderung ist zu berücksichtigen, dass die Schlafapnoe selbst nicht ersichtlich mit einer relevanten Funktionsbeeinträchtigung einhergeht, zumal der Kläger ohne medizinische Begründung auf die CPAP-Maskentherapie verzichtet hat. Andererseits nehmen die Atembeschwerden auch nach den gutachterlichen Feststellungen des B eine wesentliche Rolle im seelischen Empfinden des Klägers ein, weshalb eine deutliche Überschneidung zum Funktionssystem Psyche vorliegt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass übliche psychische Begleiterscheinungen in allen GdB-Werten der VG bereits mitberücksichtigt sind. Die erhebliche Überschneidung der Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf seelischem Gebiet und auf Hals-Nasen-Ohren-ärztlichem Gebiet steht daher von vornherein einer Erhöhung des Gesamt-GdB auf 50 entgegen (vergleiche VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. d cc), so zutreffend H. Ohnedies ist auch nicht ersichtlich, dass das Schlafapnoe-Syndrom und die Nasenatmungsbehinderung, mit einem Einzel-GdB von 20 definitionsgemäß eine leichte Gesundheitsstörung, (ungeachtet der Überschneidungen mit der seelischen Erkrankung) für sich genommen eine relevante Zunahme des Ausmaßes der Behinderung bedingen würden (VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. d ee).
Nach alledem bildet die Bewertung mit einem Gesamt-GdB von 40 das Ausmaß der beim Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen angemessen ab. Die Voraussetzungen für einen höheren GdB liegen nicht vor. Der Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Schwerbehindertenrecht
Abteilung
12.
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 11 SB 1119/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 SB 1769/21
Datum
3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
-
Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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