Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Februar 2020 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch dessen außergerichtliche Kosten im Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung während der Zeit seiner Beschäftigung für die Firma R GmbH & Co. KG vom 01.05.2014 bis 30.03.2016.
Der 1970 geborene Kläger ist seit 08.03.2000 Mitglied der Rechtsanwaltskammer F und war während seiner Tätigkeit für den Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg im Zeitraum 17.01.2000 bis 30.04.2014 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit (vgl. Bescheid der Beklagten vom 25.08.2000).
Am 01.05.2014 nahm er die Tätigkeit eines Syndikusanwaltes und „Human Resources Manager B.“ bei der R GmbH & Co. KG auf.
Am 29.03.2016 stellte der Kläger über das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg zur Weiterleitung an die Beklagte den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für Rechtsanwälte und Syndikusrechtsanwälte. Eine Mehrfertigung dieses Antrages ist beim Beklagten am 29.03.2016 per Fax eingegangen. Auf dem von der Beklagten hierfür vorgehaltenen Formblatt gab der Kläger u.a. an, der Antrag beziehe sich auf die Berufsgruppe „Syndikusrechtsanwalt“. Zur ausgeübten Beschäftigung bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber gab er den Beginn der Tätigkeit mit dem 01.05.2014 und die Bezeichnung der Tätigkeit laut Arbeitsvertrag mit „Syndikusrechtsanwalt und Human Resources Manager B.“ bei der R GmbH & Co. KG an. Unter Angaben zum Beginn der Befreiung kreuzte er die Frage, ob er den Beginn der Befreiung zu einem späteren als den frühestmöglichen Zeitpunkt beantrage, mit „nein“ an. Das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg bestätigte die Pflichtmitgliedschaft kraft Gesetzes seit 08.03.2000 und die Beitragszahlung. Der Kläger legte den Anstellungsvertrag mit der R GmbH & Co. KG vom 25.02.2016 vor. Die Rechtsanwaltskammer F befürwortete den Antrag des Klägers vom 29.03.2016. Die Beklagte erhob keine Einwände (Schreiben vom 27.04.2016), worauf der Kläger von der Rechtsanwaltskammer F mit Bescheid vom 17.05.2016 als Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) für die Tätigkeit bei der R GmbH & Co. KG zugelassen wurde.
Mit Bescheid vom 22.06.2016 teilte die Beklagte mit, dass der Kläger auf seinen Antrag und für die im Arbeitsvertrag vom 25.02.2016 bezeichnete Tätigkeit bei der R GmbH & Co. KG, L, für die eine Zulassung als Syndikusrechtsanwältin/Syndikusrechtsanwalt nach § 46a Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) erteilt wurde, von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist. Die Befreiung wirke erst ab Zulassung als Syndikusrechtsanwältin/Syndikusrechtsanwalt.
Bereits zuvor lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29.07.2014 den Antrag des Klägers vom 22.04.2014 auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung im Hinblick auf die zum 01.05.2014 aufgenommene Tätigkeit als Syndikusanwalt bei der R GmbH & Co. KG ab. Zur Begründung führte die Beklagte insoweit aus, der Kläger sei zwar aufgrund seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft Pflichtmitglied der Rechtsanwaltskammer und zugleich des berufsständischen Versorgungswerkes der Rechtsanwälte, diese Pflichtmitgliedschaft bestehe jedoch nicht wegen einer Beschäftigung als Syndikusanwalt bei der R GmbH & Co. KG, da er dort gerade nicht als Rechtsanwalt beschäftigt sei. Personen, die als ständige Rechtsberater in einem festen Dienst- und Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber stünden (Syndikusrechtsanwälte), seien in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwälte tätig, sodass eine Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht möglich sei. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 23.03.2015). In dem sich anschließenden Klageverfahren (S 11 R 1811/15 bzw. S 12 R 2569/16) wies das Sozialgericht Freiburg (SG) die Klage mit Urteil vom 19.12.2019 ab. Gegenstand des Rechtsstreits sei die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI hinsichtlich der am 01.06.2014 begonnenen Tätigkeit bei der R GmbH & Co. KG. Die Frage der rückwirkenden Befreiung nach dem neu geschaffenen § 231 Abs. 4b SGB VI sei nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Der insoweit ablehnende Bescheid sei nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden, da er den hier streitigen Bescheid weder abändere noch ersetze. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Befreiung, weil die streitige Beschäftigung dem Berufsfeld des Rechtsanwalts nicht zugeordnet werden könne, da der Syndikus bei seiner Tätigkeit für den Dienstherrn nicht dem allgemeinen anwaltlichen Berufsbild entspreche und die Eingliederung in die vom Dienstherrn vorgegebene Arbeitsorganisation mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts unvereinbar sei (unter Verweis u.a. auf Bundessozialgericht [BSG], Urteile vom 03.04.2014 – B 5 RE 13/14 R und vom 15.12.2016 – B 5 RE 7/16 R). Die hiergegen gerichtete Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (L 9 R 333/20) nahm der Kläger zurück.
Im Rahmen dieses Verfahrens machte der Kläger mit Schreiben vom 04.01.2019 geltend, der Beklagten sei zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens klar gewesen, was das Ziel der gestellten Anträge gewesen sei, nämlich die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht ab dem 01.05.2014. Ob dies nun aufgrund einer Tätigkeit als Syndikusanwalt oder als Syndikusrechtsanwalt für einen nicht anwaltlichen Arbeitgeber erfolge, sei dabei nicht von Belang, insbesondere deswegen, weil hier lediglich ein formaler, aber kein inhaltlicher Unterschied bestehe. Er bat darum, seinen Antrag vom 29.03.2016 auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 231 Abs. 4b SGB VI auch für die Zeit vor dem 03.06.2016 zu bescheiden. Der Bescheid beziehe sich lediglich auf die Zeit ab 03.06.2016.
Die Beklagte lehnte hierauf mit Bescheid vom 23.01.2019 den „Antrag vom 07.01.2019 auf rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 231 Abs. 4b des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) für Ihre in der Zeit vom 01.05.2014 bis 02.06.2016 ausgeübte Beschäftigung als Mitarbeiter der R GmbH & Co. KG“ ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, der Kläger habe seinen Antrag auf rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nicht innerhalb der gesetzlichen Ausschlussfrist bis zum 01.04.2016 gestellt. Der Antrag auf rückwirkende Befreiung nach § 231 Abs. 4b SGB VI sei erstmalig am 07.01.2019 und damit zu spät gestellt worden.
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Kläger darauf hin, dass er am 29.03.2016 die Befreiung zum frühestmöglichen Zeitpunkt beantragt habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.04.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. § 231 Abs. 4b SGB VI eröffne für bestimmte Syndikusrechtsanwälte die Möglichkeit, auf zusätzlichen Antrag (neben dem Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI) eine über § 6 Abs. 4 SGB VI hinausgehende Rückwirkung herbeizuführen. § 231 Abs. 4b Satz 6 SGB VI setze für den Antrag auf Rückwirkung der Befreiung eine Frist von drei Kalendermonaten nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung am 01.01.2016. Diese Frist sei eine gesetzliche Ausschlussfrist. Der Antrag sei am 07.01.2019 bei der Deutschen Rentenversicherung Bund eingegangen und sei somit nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Ausschlussfrist bis 01.04.2016 gestellt. Der Antrag vom 23.04.2014 und das Verfahren S 12 R 2569/16 seien für das vorliegende Verfahren vollkommen unerheblich, weil es sich um zwei völlig unterschiedliche Verfahren handele.
Unter Verweis auf den bisherigen Vortrag hat der Kläger am 05.05.2019 Klage zum SG erhoben. Insbesondere hat er geltend gemacht, fristgerecht beantragt zu haben, ihn für die Zeit ab dem 01.05.2014 von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu befreien. Der Antrag vom 29.03.2016 sei in jedem Fall entsprechend auszulegen. Es sei offensichtlich gewesen, dass mit dem Antrag vom 29.03.2016 auch die Befreiung ab dem „frühestmöglichen“ Zeitpunkt zu gewähren sei. Der frühestmögliche Zeitpunkt sei die Aufnahme der Beschäftigung, wie sich aus § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB VI und § 231 Abs. 4b SGB VI ergebe. Dass es für die Befreiung nach § 231 Abs. 4b SGB VI eines getrennten Antrages bedürfe, ergebe sich aus dem Gesetz nicht. Die Beklagte habe auch zu keinem Zeitpunkt darauf hingewiesen, dass es für die Zulassung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 231 Abs. 4b SGB VI eines zweiten, gesonderten Antrages bedürfe.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat daran festgehalten, dass der Antrag auf rückwirkende Befreiung nicht fristgerecht gestellt worden sei. Den fristgerechten Zugang einer entsprechenden Willenserklärung habe der Kläger nicht nachgewiesen. Ferner hat sie darauf hingewiesen, dass Gegenstand des Verfahrens allein die Ablehnung der Befreiung von der Versicherungspflicht für die Beschäftigung bei der R GmbH & Co. KG für die Zeit vom 01.05.2014 bis 02.06.2016 nach § 231 Abs. 4b SGB VI unter Berücksichtigung der BRAO in der ab 01.01.2016 geltenden Fassung sei. Gegenstand des Verfahrens beim SG unter dem Aktenzeichen S 14 R 2569/16 sei die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht für eine Tätigkeit als zugelassener Rechtsanwalt im Angestelltenverhältnis bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber (Syndikusanwalt), nicht dagegen die Befreiung für die Tätigkeit als zugelassener Syndikusrechtsanwalt.
Mit Urteil vom 13.02.2020 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, den Kläger für den Zeitraum 01.05.2014 bis 02.06.2016 für seine Beschäftigung bei der A. Raymond GmbH & Co. KG von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien. Zur Begründung hat es unter Darlegung der maßgeblichen Vorschriften ausgeführt, die Beklagte habe die Befreiung für die Beschäftigung für die Zeit ab 03.06.2016, dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nach neuem Recht erteilt. Diese wirke nach § 231 Abs. 4b SGB VI rückwirkend vom Beginn der Beschäftigung an, weil der Kläger dies rechtzeitig vor dem 01.04.2016, nämlich am 29.03.2016, beantragt habe. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei der Antrag auch auf rückwirkende Befreiung gerichtet auszulegen gewesen. Dies folge aus dem Meistbegünstigungsgrundsatz. Danach müsse der Versicherungsträger davon ausgehen, dass der Antragsteller die ihm günstigste Art der Leistungsgewährung in Anspruch nehmen wolle (B 4 AS 29/13 R). Nach §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sei nicht am Wortlaut des Antrages zu haften, sondern der wirkliche Wille des Antragstellers zu erforschen. Es seien alle tatsächlichen Begleitumstände der Erklärung zu berücksichtigen, die dafür von Bedeutung sein könnten, welchen Willen der Erklärende bei seiner Erklärung gehabt habe. Die Auslegung des Antrages habe sich danach zu richten, welche Möglichkeiten bestanden und ob ein verständiger Antragsteller seinen Antrag bei entsprechender Beratung mutmaßlich angepasst hätte oder ob Gründe für ein anderes Verhalten vorgelegen hätten. Vorliegend habe der Kläger am 29.03.2016 nach der neuen Rechtslage eine Befreiung zum frühestmöglichen Zeitpunkt beantragt. Dies sei unzweifelhaft der Beginn der Tätigkeit, für die die Befreiung beantragt worden sei. Dafür spreche auch die Bezugnahme auf den Antrag vom 29.03.2016 im Schriftsatz des Klägers vom 04.01.2019 unter Nennung beider Vorschriften. Dafür spreche auch, dass ein Klageverfahren wegen der 2014 erfolgten Ablehnung der Befreiung von diesem Zeitpunkt an zwischen den Beteiligten anhängig gewesen sei. Dass mit diesem Zeitpunkt nur die Regelungen des § 6 Abs. 4 SGB VI (Befreiung ab Vorliegen der Voraussetzungen bei Antragstellung innerhalb von drei Monaten, sonst Befreiung ab Antragstellung) gemeint sein sollten, wie von der Beklagten vertreten, sei dem Antragsvordruck nicht zu entnehmen. Die Beklagte habe also davon ausgehen müssen, dass der Kläger auch weiterhin eine rückwirkende Befreiung anstrebe. Dies entspreche auch dem Gesetzeswortlaut, wonach die nach neuer Rechtslage erteilte Befreiung auf Antrag auf den Beginn der Beschäftigung zurückwirke.
Gegen das der Beklagten am 02.03.2020 zugestellte Urteil hat diese am 19.03.2020 Berufung zum LSG Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat sie unter Wiederholung und Vertiefung des bisherigen Vortrages ausgeführt, dass der Auffassung des SG, wonach der Kläger für seine Beschäftigung bei der R GmbH & Co. KG für den Zeitraum vom 01.05.2014 bis 02.06.2016 rückwirkend von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 231 Abs. 4b des SGB VI zu befreien sei, nicht geteilt werde. Der Auffassung des SG, dass der Antrag des Klägers auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI vom 29.03.2016 gleichzeitig als fristgerechter Antrag nach § 231 Abs. 4b SGB VI gelte, werde ausdrücklich widersprochen. Der Kläger habe für den am 29.03.2016 gestellten Antrag einen Antragsvordruck verwendet, der ausdrücklich und sogar überwiegend im sog. Fettdruck als „Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB VI) für Rechtsanwälte und Syndikusrechtsanwälte" überschrieben war. Sämtliche Angaben des Klägers im Formular müssten unter Berücksichtigung dieser eindeutigen und klaren Formulierung seines Begehrens – Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI – verstanden werden.
Die Befreiung beginne, sobald sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI erfüllt seien. Dieser Beginn werde in Ziffer 7 des Antragsvordrucks als „zum frühestmöglichen Zeitpunkt" umschrieben. Alternativ könne der Antragsteller unter Ziffer 7 einen späteren Beginn der Befreiung beantragen. Der objektive Erklärungswert der Angabe des Klägers – eines rechtskundigen Juristen – in Ziffer 7 des Antragsvordrucks beschränke sich daher darauf, dass die Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI beginnen solle, sobald alle Voraussetzungen des Tatbestandes erfüllt seien. Ein weitergehender Erklärungswert könne der Angabe wegen der unmissverständlichen Überschrift des Antragsvordrucks, wegen des Inhalts der Abfrage unter Ziffer 7 und schließlich auch wegen der vom Kläger in Rechtsangelegenheiten objektiv zu erwartenden Sachkunde nicht beigemessen werden. Dies gelte umso mehr, als auch ein objektiver Dritter davon ausgehen durfte, dass sich der Kläger als sachkundiger Jurist, der mit Rechtsangelegenheiten und Rechtsberatung betraut sei, im Zusammenhang mit einer ihn selbst betreffenden, unmittelbar anstehenden Rechtsänderung im Befreiungsrecht fortlaufend über den aktuellen Stand der Rechtsentwicklung informiere. Insoweit könne beim Kläger als bekannt vorausgesetzt werden, dass für die Befreiung nach § 231 Abs. 4b SGB VI ein zusätzlicher Antrag zu stellen war.
Zur Aufklärung des betroffenen Personenkreises habe die Deutsche Rentenversicherung Bund am 06.01.2016 eine Information auf der Internetseite www.deutsche-rentenversicherung.de veröffentlicht. Auch ein Fragen- und Antwortkatalog zu diesem Themenkomplex habe online als Informationsquelle zur Verfügung gestanden. In den für die Syndikusrechtsanwälte zusammengestellten Informationen zum Stand des Befreiungsrechts sei im Hinblick auf den Ablauf des Verfahrens Folgendes aufgeführt worden:
„Daneben können Syndikusrechtsanwälte, die in der Vergangenheit nicht mehr im Besitz einer gültigen Befreiungsentscheidung waren, nach neuem Recht zugelassen und von der Rentenversicherungspflicht befreit werden, bis zum Ablauf des 1. April 2016 einen zusätzlichen Antrag auf rückwirkende Befreiung stellen (§ 231 Abs. 4b SGB VI)“. Der Fragen- und Antwortkatalog zur Antragstellung auf Befreiung von der Versicherungspflicht für ebenjenen Personenkreis habe entsprechend auf die Pflicht zur gesonderten Antragstellung hingewiesen. Ferner hätten regelmäßig auch die Rechtsanwaltskammern im Rahmen der geplanten Änderungen der BRAO ihre Mitglieder über die Rechtsentwicklung informiert.
Im Ergebnis könne aus den genannten Gründen der Antrag vom 29.03.2016 für eine Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI nicht zugleich als Antrag auf eine rückwirkende Befreiung nach § 231 Abs. 4b SGB VI ab Beginn der Beschäftigung ausgelegt werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Februar 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er hat darauf hingewiesen, dass § 231 Abs. 4b Satz 1 SGB VI bereits im Eingangssatz von einer Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI spreche. Diese Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI wirke auf Antrag vom Beginn derjenigen Beschäftigung an, für die die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht erteilt werde. Für die Auslegung der Beklagten, dass es sich bei dem Antrag auf Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und dem Antrag auf rückwirkende Befreiung um zwei auf getrennten Formularen einzureichende Anträge handeln soll, ergebe sich aus dem Gesetzeswortlaut kein Anhaltspunkt. Schließlich werde im Gesetzeswortlaut gerade der Befreiungsantrag nach § 6 SGB VI zum Ausgangspunkt für die rückwirkende Befreiung erhoben. Von daher sei es bereits sachdienlich, die Anträge auf Befreiung nach § 6 SGB VI und auf die Rückwirkung eben dieser Befreiung in einem Antrag nach § 6 SGB VI zu kombinieren. Schließlich wirke gerade die Befreiung nach § 6 SGB VI auf den Zeitpunkt des Beginns der Beschäftigung zurück und nicht etwa eine gesonderte rückwirkende Befreiung nach § 231 Abs. 4b SGB VI, die getrennt von der Befreiung nach § 6 SGB VI zu beantragen gewesen wäre. Die Worte „auf Antrag" in § 231 Abs. 4b Satz 1 SGB VI bedeuteten damit lediglich, dass ein entsprechender Wille bei der Befreiung nach § 6 SGB VI erkennbar sein müsse, dass die Befreiung nach § 6 SGB VI auf den Zeitpunkt der Aufnahme der Beschäftigung zurückwirken solle. Dem Antrag vom 29.03.2016 habe der klare Wunsch entnommen werden können, die Befreiung auf den Beginn der Beschäftigung zu erstrecken, für die die Befreiung beantragt worden sei. Zudem habe der Kläger durch seinen Antrag vom 22.04.2014 auf Befreiung nach § 6 SGB VI sowie sein Verhalten im Widerspruchsverfahren und im Klageverfahren vor dem SG für die Beklagte deutlich gemacht, dass ihm an einer Befreiung ab dem 01.05.2014 für seine Tätigkeit bei der R GmbH & Co. KG gelegen war und er ebendiese wünsche. Vor diesem Hintergrund habe die Beklagte den Antrag des Klägers nicht dahingehend auslegen können und dürfen, dass eine Rückwirkung der Befreiung auf den Beginn der Beschäftigung weder gewollt noch beantragt war. Soweit die Beklagte zum wiederholten Mal auf die Veröffentlichung in ihrem Internetauftritt verweise, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass unklar sei, welche konkrete Fassung zum Zeitpunkt der Antragstellung (29.03.2016) tatsächlich online gewesen sei. Die vorgelegten Ausdrucke wiesen, soweit lesbar, bereits unterschiedliche Druckdaten (18.02. und 24.02.) innerhalb desselben Artikels auf. Zudem sei von der Beklagten weder behauptet noch dargelegt worden, dass diese Informationen für ihn am 29.03.2016 zum Zeitpunkt der Antragstellung verfügbar gewesen seien. Hierauf komme es im Ergebnis aber auch nicht an. Die vorgelegten Ausdrucke gäben lediglich die dokumentierte Rechtsauffassung der Beklagten wieder, wie sie sie auch in diesem Verfahren vertrete. Die Rechtsauffassungen eines Verfahrensbeteiligten seien aber für einen Antragsteller nicht verbindlich. Ergänzend weise er noch darauf hin, dass dem von der Beklagten verwendeten Antragsformular kein Hinweis zu entnehmen gewesen sei, dass eine rückwirkende Befreiung ausschließlich über ein gesondertes Formular oder auf einem gesonderten Blatt Papier beantragt werden müsse. Dies wäre insoweit hilfreich gewesen, als das verwendete Antragsformular ja gerade kein „allgemeines“ Formular für Befreiungen nach § 6 Abs. 1 S. 1 SGB VI für Mitglieder berufsständischer Versorgungseinrichtungen gewesen sei, sondern speziell für Rechtsanwälte und Syndikusrechtsanwälte gestaltet wurde, wie sich aus der Überschrift des Formulars ergebe.
Mit Bescheid vom 13.07.2020 hat die Beklagte den Bescheid vom 22.06.2016 abgeändert und eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für die Beschäftigung als Syndikusrechtsanwalt auch für die Zeit vom 31.03.2016 bis 02.06.2016 ausgesprochen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster Instanz (S 11 R 1811/15, S 12 R 2569/16 und S 6 R 1883/19) und zweiter Instanz (L 9 R 333/20 und L 9 R 954/20) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor. Die Berufung ist aber nicht begründet.
Das Verfahren betrifft die Änderung der Beurteilung von abhängig beschäftigten Rechtsanwälten aufgrund der Entscheidungen des BSG vom 03.04.2014 (B 5 RE 13/14 R, B 5 RE 9/14 R und B 5 RE 3/14 R), wonach abhängig beschäftigte Rechtsanwälte bei nichtanwaltlichen Arbeitgebern, sog. Syndikusanwälte, (nach damaliger Rechtslage) regelmäßig nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI befreit werden konnten. Ferner wurde klargestellt, dass die bislang von der Beklagten regelmäßig herangezogene sogenannte Vier-Kriterien-Theorie rechtswidrig ist und sich die Befreiung stets nur auf die ganz konkret ausgeübte Tätigkeit bei einem bestimmten Arbeitgeber beschränkt und mit einem Wechsel des Arbeitgebers oder der Tätigkeit endet (vgl. Entscheidungen des BSG vom 31.10.2012 - B 12 R 3/11 R, B 12 R 5/10 R und B 12 R 8/10 R -, juris). Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben war sodann die dem Kläger erteilte Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Tätigkeit für den Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg mit Bescheid der Beklagten vom 25.08.2000 nach dem Wechsel zur R GmbH & Co. KG nicht als anspruchsbegründend zu berücksichtigen und eine Befreiung nach der damaligen Rechtslage nicht zu erteilen. Das mit dem Antrag des Klägers vom 22.04.2014 verfolgte Begehren auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (hilfsweise die Feststellung, dass der Befreiungsbescheid vom 25.08.2000 fortwirke) für die zum 01.04.2014 aufgenommene Tätigkeit blieb daher unter Berücksichtigung dieser Rechtslage und auf der Grundlage von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ohne Erfolg (Klage S 11 R 1811/15 und – nach Wiederanruf nach Ruhen dieses Verfahrens – S 12 R 2569/16, Urteil vom 19.12.2016, Berufungsrücknahme des Klägers im Verfahren L 9 R 333/20). Gegenstand ist daher ein auf § 231 Abs. 4b SGB VI beruhender Anspruch bei – wie hier – erteilter Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, die unter Berücksichtigung der BRAO in der ab 01.01.2016 geltenden Fassung erteilt worden ist.
Insoweit stellt der Senat zunächst fest, dass die Beklagte mit dem – bestandskräftigen – Bescheid vom 22.06.2016 die Befreiung ab 01.05.2014 nicht, auch nicht konkludent abgelehnt hat. Eine Entscheidung (auch) hierüber lässt sich dem Bescheid nicht entnehmen, und eine solche war von der Beklagten weder geprüft noch verbeschieden worden, was sich zwanglos schon dem Vortrag der Beklagten in Widerspruchs-, Klage- und Berufungsverfahren entnehmen lässt, wonach die Beklagte bereits eine entsprechende Antragstellung in Abrede stellt (vgl. insbesondere Schriftsatz der Beklagten vom 30.05.2018, - S 12 R 2569/16 -, Bl. 31). Ferner ist der in dem vorliegenden Verfahren streitig gestellte Bescheid vom 23.01.2019 (Ablehnung der rückwirkenden Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 231 Abs. 4b SGB VI) mangels Identität der Regelungsgegenstände auch nicht Gegenstand des beim SG anhängig gewesenen Klageverfahrens (S 11 R 1811/15 bzw. S 12 R 2569/16 - Ablehnung der Befreiung von der Versicherungspflicht für die abhängige Beschäftigung als Syndikusanwalt -) geworden (vgl. insoweit BSG, Beschluss vom 22.03.2018 - B 5 RE 12/17 B -, juris).
Soweit die Beklagte mit Bescheid vom 13.07.2020 die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt bereits ab 31.03.2016 festgestellt hat, ist die Klage insoweit erledigt.
Damit ist die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage des Klägers auf rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für die Tätigkeit bei der R GmbH & Co. KG zulässig und auch begründet. Ein Anspruch auf rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ergibt sich aus § 231 Abs. 4b SGB VI.
§ 231 Abs. 4b SGB VI lautet:
„Eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, die unter Berücksichtigung der Bundesrechtsanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung oder der Patentanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung erteilt wurde, wirkt auf Antrag vom Beginn derjenigen Beschäftigung an, für die die Befreiung von der Versicherungspflicht erteilt wird.
Sie wirkt auch vom Beginn davor liegender Beschäftigungen an, wenn während dieser Beschäftigungen eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk bestand.
Die Befreiung nach den Sätzen 1 und 2 wirkt frühestens ab dem 1. April 2014.
Die Befreiung wirkt jedoch auch für Zeiten vor dem 1. April 2014, wenn für diese Zeiten einkommensbezogene Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt wurden.
Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigungen, für die eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt auf Grund einer vor dem 4. April 2014 ergangenen Entscheidung bestandskräftig abgelehnt wurde.
Der Antrag auf rückwirkende Befreiung nach den Sätzen 1 und 2 kann nur bis zum Ablauf des 1. April 2016 gestellt werden.“
Nachdem hier mit Bescheid vom 22.06.2016 eine Befreiung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, die unter Berücksichtigung der BRAO in der ab dem 01.01.2016 geltenden Fassung erteilt worden ist, vorliegt, hängt die vom Kläger für die Zeit ab 01.05.2014 beim selben Arbeitgeber ausgeübte Beschäftigung geltend gemachte Befreiung zunächst vom rechtzeitigen Zugang des Befreiungsantrages ab.
Ein solcher ist bei der Beklagten am 29.03.2016 und damit fristgerecht eingegangen. Bei einem Antrag handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung, deren Wirksamkeit nicht davon abhängt, dass er vollständig gestellt worden ist oder dass bestimmte Formblätter ausgefüllt werden (vgl. zur Nichtförmlichkeit des sozialrechtlichen Verwaltungsverfahrens § 9 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X). Allerdings muss das Begehren des Antragstellers in der Erklärung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht worden sein (BSG, Urteil vom 12.02.2004 - B 13 RJ 58/03 R -, BSGE 92, 159). § 133 BGB erfordert die Feststellung des (normativ) in Wahrheit Gewollten nach Maßgabe des Empfängerhorizonts auf der Grundlage aller im Einzelfall als einschlägig in Betracht kommenden Umstände. Maßgebend für die Auslegung eines Antrags ist daher – unter Berücksichtigung aller Umstände – der erkennbare wirkliche Wille des Antragstellers. Die Auslegung hat nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung zu erfolgen (BSG, Urteil vom 06.05.2010 - B 14 AS 3/09 R -, juris Rn. 14). Danach ist, sofern eine ausdrückliche Beschränkung auf eine bestimmte Leistung nicht vorliegt, davon auszugehen, dass der Antragsteller die nach der Lage des Falls ernsthaft in Betracht kommenden Leistungen begehrt, unabhängig davon, welchen Ausdruck er gewählt hat (BSG, Urteile vom 11.09.2001 - B 2 U 41/00 R -, vom 01.04.1981 - 9 RV 49/80 - und vom 15.11.1979 - 7 RAr 75/78 -, alle juris). Rechtlich maßgebend für den Inhalt eines öffentlich-rechtlichen Antrags oder Rechtsbehelfs ist, wie die Behörde einen Antrag unter Berücksichtigung aller erkennbaren Umstände sowie nach Treu und Glauben zu verstehen hat. Dabei muss sich die Auslegung auf die in Frage stehenden Äußerungen in ihrer Gesamtheit und das mit ihnen erkennbar verfolgte Rechtsschutzziel beziehen (BSG, Urteil vom 30.10.2014 - B 5 R 8/14 R -, juris, Rn. 34)
Der Kläger beantragte auf dem von der Beklagten vorgehaltenen und bei dieser am 29.03.2016 eingegangenen Formblatt die „Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches – SGB VI) für Rechtsanwälte und Syndikusrechtsanwälte“ über das Versorgungswerk zur Weiterleitung an die Beklagte. Der Kläger machte Angaben zur Berufsgruppe (Syndikusrechtsanwalt) und zur ausgeübten Beschäftigung sowie zur erfolgten Antragstellung auf Zulassung als Syndikusrechtsanwalt bei der Rechtsanwaltskammer F. Zu diesem Zeitpunkt ruhte ein zwischen dem Kläger und der Beklagten geführter Rechtsstreit vor dem SG, in dem die Beteiligten über eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht der im vorliegenden Rechtsstreit streitigen Beschäftigung des Klägers ab 01.05.2014 in seiner Eigenschaft als Syndikusanwalt stritten. Das Verfahren ruhte mit Blick auf die geplante Reform der BRAO. Unter Punkt 7 des Antrages („Angaben zum Beginn der Befreiung“) beantwortete der Kläger die Frage „Beantragen Sie den Beginn der Befreiung zu einem späteren als dem frühestmöglichen Zeitpunkt?“ durch ein Kreuz bei einem zur Auswahl angebotenen „nein“. Mit dem SG ist der Senat der Auffassung, dass dieser Frage mit einer vorgegebenen Auswahlmöglichkeit im Formular und der vom Kläger angekreuzten Antwortoption unter Berücksichtigung des Verfahrensverlaufs mit einem anhängigen Streit über die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht als Syndikusanwalt, nicht allein die Bedeutung eines Antrages auf Befreiung als Syndikusrechtsanwalt zukommt, und die Beklagte damit auch gehalten war, auf diesen Antrag hin die Voraussetzungen einer rückwirkenden Befreiung nach § 231 Abs. 4b SGB VI zu prüfen. Mithin lag ein fristgerecht eingegangener Antrag auf Befreiung nach § 231 Abs. 4b SGB VI vor. Dies ergibt sich zudem aus Folgendem:
Die eingangs beschriebene Trennung alter von neuer Rechtslage begründet nicht per se die Verpflichtung des Betroffenen, Anträge auf getrennten Formblättern stellen zu müssen. Eine gesetzliche Vorgabe dergestalt vermag der Senat den Vorschriften nicht zu entnehmen. Einen entsprechenden Hinweis enthält das Antragsformular nicht. Die rückwirkende Befreiung nach § 231 Abs. 4b SGB VI, die die Rechtslage ab 01.01.2016 eröffnet hat, steht nicht beziehungslos und losgelöst neben dem Anspruch auf Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI. Die Möglichkeit einer rückwirkenden Befreiung von der Rentenversicherungspflicht setzt nach dem Wortlaut der Vorschrift vielmehr eine entsprechende Befreiung voraus. Eine per se lediglich auf eine Befreiung als Syndikusrechtsanwalt gerichtete Antragstellung vermag der Senat dem Formblatt daher nicht zu entnehmen. Auch soweit ein eigenständiges Verwaltungsverfahren zur Prüfung eines solchen Antrages und ein neben der Befreiung mit Wirkung ab der Zulassung zum Syndikusrechtsanwalt eigenständiger Verfügungssatz für die Befreiung für eine vor diesem Zeitpunkt liegende Beschäftigung bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber erforderlich sind, vermag der Senat nicht zu erkennen, dass ein Antrag auf rückwirkende Befreiung nicht neben und im selben Formblatt und damit mit dem Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung als Syndikusrechtsanwalt gestellt werden könnte. Dabei kommt nach Überzeugung des Senats dem Umstand, dass sich die rückwirkende Befreiung auf eine Tätigkeit als Syndikusanwalt bezieht, während der Antrag grundsätzlich zunächst die Befreiung für die Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt zum Gegenstand hat, keine entscheidende Bedeutung zu. Denn in den allermeisten Fällen der hiervon Betroffenen dürfte nach Ablehnung der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht als Syndikusanwalt – wie hier ebenfalls geschehen – auch die Absicht bestanden haben, die Möglichkeit einer Befreiung auch für die davorliegende Tätigkeit zu erreichen. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber hierfür eine relativ kurze Frist zur Antragstellung bis 01.04.2016 gesetzt hat. Legt man dies zugrunde, vermag der Senat der Auffassung der Beklagten nicht zu folgen, das insoweit vorgehaltene Formblatt habe unter Punkt 7 nicht auch so verstanden werden können. Die Beklagte verkennt dessen Inhalt unter Berücksichtigung des genannten Sachzusammenhangs. Denn dort wird ausdrücklich danach gefragt, ob der Beginn der Befreiung zu einem späteren als dem frühestmöglichen Zeitpunkt beantragt werde. Eine auf die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt beschränkte Fragestellung, „frühestmöglich“ allein in Bezug auf die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt auszulegen, ist in diesem Kontext weder zwingend noch naheliegend. Nach Überzeugung des Senats konnte und durfte der Kläger diese Frage auch so interpretieren, dass damit alle in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen und damit auch die des § 231 Abs. 4b SGB VI für eine Befreiung von der Rentenversicherungsplicht zu prüfen waren. Schließlich lässt sich eine Belehrung dem Formblatt, etwa mit Hinweisen darauf, dass die rückwirkende Befreiung auf einem gesonderten Formblatt beantragt werden müsse oder eine solche nicht im Rahmen der Nr. 7 umfasst ist, nicht entnehmen. Damit hat der Kläger seinen Willen hinreichend zum Ausdruck gebracht, die frühestmögliche Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung beantragen zu wollen. Die Nennung einer konkreten Anspruchsgrundlage, auch abweichend von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ist hierfür nicht erforderlich. Selbst das Gesetz (§ 231 Abs. 4b SGB VI) verwendet in Satz 3 im Übrigen den Begriff „frühestens“ im Zusammenhang mit dem Beginn der Befreiung. Es ist damit auch kaum nachvollziehbar, weshalb die Beklagte die Formulierung „frühestmöglich“ gewählt hat, wenn sie damit den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt gemeint hat und dem Betroffenen die Wahl eines ausgehend hiervon nur „späteren“ Zeitpunktes eröffnen wollte. Lässt sich dies der konkreten Fragestellung aber nicht entnehmen, ist die Beklagte gehalten, auch diesen Passus dahingehend zu untersuchen, ob sich hier ein ggf. weitergehender Antrag ableiten lässt, auch wenn dies mit dem Formular nicht beabsichtigt gewesen sein sollte. Dies war hier nach Auffassung des Senats unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes zu fordern. Denn zum Zeitpunkt der Antragstellung war der Beklagten bekannt, dass der Kläger nicht nur die Befreiung als Syndikusrechtsanwalt anstrebt, sondern auch eine Befreiung für die Zeit als Syndikusanwalt. Sie erfolgte zudem am 29.03.2016 mit Blick auf eine erst zum 01.01.2016 geschaffene Rechtsgrundlage und unmittelbar fristwahrend vor Ablauf der von § 231 Abs. 4b Satz 6 SGB VI genannten Frist. „Frühestens“ im Zusammenhang mit „Antrag“ unter Punkt 7 des Formulars war demnach nicht nur bezogen auf die Zulassung zum Syndikusrechtsanwalt auszulegen, sondern auch für bereits geltend gemachte und streitig gestellte Ansprüche, die sich im Zusammenhang mit der Zulassung zum Syndikusrechtsanwalt eröffnen und damit auch unter dem Gesichtspunkt des § 231 Abs. 4b SGB VI.
Der Kläger hat hier die Befreiung ab Aufnahme der Beschäftigung der R GmbH & Co. KG am 01.05.2014 beantragt, bei der er seitdem unverändert als Syndikus(rechts)anwalt und „Human Resources Manager B.“ beschäftigt ist. Damit liegen die Voraussetzungen der Befreiung nach § 234 Abs. 4b Satz 1 SGB VI auch insoweit vor. Weitere Voraussetzungen sind – unabhängig davon, dass der Kläger seit 08.03.2000 Mitglied der Rechtsanwaltskammer F ist und diesbezüglich eine Pflichtmitgliedschaft kraft Gesetzes im Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg besteht – im Rahmen des § 234 Abs. 4b SGB VI nicht zu fordern (vgl. BSG, Urteil vom 26.02.2020 – B 5 RE 2/19 R –, juris). Die Befreiung kann bis zum Beginn der Beschäftigung erfolgen, in der bereits eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt auf der Grundlage der geänderten BRAO erteilt wurde. Der Beginn hier (01.05.2014) liegt nach dem in § 231 Abs. 4b Satz 3 genannten, dies beschränkenden Zeitpunkt.
Das SG hat der Klage des Klägers daher zu Recht stattgegeben. Die Berufung der Beklagten war daher zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 1883/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 954/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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