1. Der Anwendungsbereich von § 67 Abs. 1, Abs. 2 SGB II ist nicht auf bestimmte Personenkreise wie Kleinunternehmer, Solo-Selbständige oder Personen, deren Antragstellung beim SGB II-Träger eine unmittelbare kausale Verknüpfung mit Auswirkungen der Pandemie aufweist, beschränkt.
2. Erhebliches Vermögen gem. § 67 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB II ist ein Betrag von mehr als 60.000 € für Alleinstehende.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 04.08.2021 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.01.2021 bis 30.04.2021 hat.
Der Kläger ist im Jahr 1974 geboren worden, deutscher Staatsbürger und bezog bis zum 09.01.2021 Arbeitslosengeld (ALG). Am 08.01.2021 beantragte er bei dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Im vom Beklagten zur Verfügung gestellten Antragsformular kreuzte der Kläger bei dem Feld „Meine Bedarfsgemeinschaft verfügt über erhebliches Vermögen“ die Antwort „Nein“ an. In dem Vordruck fand sich hierzu folgende Erläuterung: „Erheblich ist kurzfristig für den Lebensunterhalt verwertbares Vermögen der Antragstellerin/des Antragstellers über 60.000 Euro sowie über 30.000 Euro für jede weitere Person in der Bedarfsgemeinschaft. Beispiele: Barmittel, Sparguthaben, Tagesgelder, Wertpapiersparpläne und -depots. Nicht in die Erheblichkeitsprüfung einzubeziehen sind Vermögensgegenstände, die nicht frei verfügbar sind. Dazu gehören insbesondere selbstgenutzte Wohnimmobilien und typische Altersvorsorgeprodukte wie Kapitallebens- oder rentenversicherungen. Sollte bei Ihnen erhebliches Vermögen vorliegen, füllen Sie bitte die Anlage VM aus.“
Dem Antrag legte der Kläger u.a. folgende Unterlagen bei: Einen Kontoauszug seines Girokontos bei der P. (Kontostand am 04.01.2021: 6.152,30 €), einen Jahresdepotauszug zum 31.12.2020 des Unternehmens D. I. über Wertpapiere mit einem Rücknahmepreis von 10.734,49 € (Unterdepot 00) und 3.801,54 € (Unterdepot 01), einen Kontoauszug vom 31.12.2020 bezüglich der „P. SparCard direkt“ (Kontostand: 21.018,43 €) sowie einen Kontoauszug zum „P. Aktiv-Sparen“ vom 31.12.2020 (Kontostand 1.580,85 €).
Nach entsprechender Aufforderung durch den Beklagten legte der Kläger den ausgefüllten Vordruck VM vor. Neben den bereits angegebenen Vermögenswerten wurde darin die Existenz einer fondsgebundenen Rentenversicherung mit Todesfallabsicherung („S. T. Profi-Plan“) mitgeteilt, deren Rückkaufswert zum 30.11.2020 von der Versicherungsgesellschaft mit 10.835,05 € angegeben wurde.
Der Beklagte lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 12.04.2021 ab. Der Kläger verfüge über verwertbares Vermögen in Höhe von 54.122,66 €, welches den Vermögensfreibetrag in Höhe von 7.650 € übersteige. Der Kläger sei daher nicht hilfebedürftig und habe keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Das Sozialschutzpaket gelte für sog. Neukunden, die pandemiebedingt einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes stellen müssten, nicht aber für Leistungsempfänger, welche vor der Antragstellung im ALG-Bezug gestanden hätten und auf Grund des Endes des Anspruches auf ALG nun in das SGB II wechselten.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein. Der Antrag sei im vereinfachten Verfahren mit Aussetzung der Vermögensprüfung zu bearbeiten und erhebliches Vermögen im Sinne von § 67 SGB II liege nicht vor. Die Antragstellung erfolge zudem ausschließlich pandemiebedingt, denn ohne diese Rahmenbedingungen hätte der Kläger schon eine Beschäftigung gefunden.
Laut Aktenvermerk vom 06.05.2021 brachte der Beklagte im Rahmen einer Rücksprache mit der zuständigen Arbeitsagentur in Erfahrung, dass der Kläger vom 01.10.2019 bis 09.01.2021 ALG bezogen habe.
Anschließend wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.05.2021 zurück. Der Kläger sei wegen des vorhandenen Vermögens nicht hilfebedürftig. Er habe in der Zeit vom 01.10.2019 bis 09.01.2021 ALG bezogen, sei also seit Oktober 2019 arbeitslos. Mit dem vereinfachten Antrag und Bewilligungsverfahren nach § 67 SGB II habe der Gesetzgeber Antragsteller begünstigen wollen, die erstmalig infolge der pandemiebedingten Einkommenseinbußen Leistungen nach dem SGB II beantragten, was hier nicht der Fall sei. Der Kläger sei nicht aufgrund der Pandemie arbeitslos geworden und sein Fall sei nicht mit der besonderen Situation von Einkommenseinbußen bei Kleinunternehmern und Solo-Selbständigen ab März 2020 vergleichbar. Die Regelung des § 67 SGB II erfasse daher den Leistungsantrag des Klägers nicht. Im Übrigen wäre das vorhandene Vermögen des Klägers auch als erheblich nach § 67 Abs. 2 SGB II anzusehen. Die fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit (BA) zu § 67 SGB II mit einem Vermögensfreibetrag von 60.000 € für das erste zu berücksichtigende Haushaltsmitglied, die sich an den Verwaltungsvorschriften zum Wohngeldgesetz orientierten, fänden im SGB II keine Stütze. Die Bestimmung eines Missbrauchsfalles könne nicht anhand pauschaler und starrer Vermögensgrenzen erfolgen. Erhebliches Vermögen liege vielmehr dann vor, wenn im Einzelfall für jedermann offenkundig sei, dass Grundsicherungsleistungen nicht gerechtfertigt seien. Dies könne bedeuten, dass im Einzelfall auch ein höheres Vermögen als 60.000 Euro als unerheblich angesehen werden könne (z.B. Betriebsvermögen), während in der konkreten Situation des Klägers keine Erhöhung der in § 12 Abs. 2 SGB II vorgesehenen Vermögensfreibeträge geboten sei.
Der Kläger hat am 09.06.2021 Klage zum Sozialgericht (SG) Konstanz erhoben. Er begehre Leistungen nach dem SGB II im Zeitraum vom 10.01.2021 bis 02.05.2021. Coronabedingte Umstände seien vom Beklagten nicht berücksichtigt worden und der Bescheid enthalte formale Fehler hinsichtlich des Antragszeitraums. Außerdem habe die Bearbeitung viel zu lange gedauert. Aufgrund der Corona-Pandemie habe der Kläger für längere Zeit keine neue Anstellung finden können. In der mündlichen Verhandlung am SG Konstanz hat der Kläger beantragt, ihm Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 01.01.2021 bis 30.04.2021 zu gewähren.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen.
Das SG Konstanz hat darauf hingewiesen, dass § 67 SGB II auch für Menschen gelten dürfte, die von dem ALG-Bezug in den ALG II-Bezug wechseln. Dies habe das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 21.01.2021 – L 7 AS 5/21 B ER) anscheinend genauso gesehen. Im dortigen Fall sei ein Antrag auf ALG II nach Ablauf des ALG-Bezuges nach fast 20 Monaten Bezugsdauer erneut gestellt worden.
Der Beklagte ist bei seiner Auffassung verblieben. Das LSG Niedersachsen-Bremen habe im vom SG Konstanz benannten Beschluss gerade nicht entschieden, dass § 67 SGB II auch für Personen gelte, die vom ALG in das ALG II wechselten. Dass § 67 Abs. 2 SGB II und das vereinfachte Prüfverfahren auf diese Konstellation nicht anwendbar sei, ergebe sich auch aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 19/18107, S. 25.) Hier werde explizit auf selbständig tätige Personen, insbesondere Kleinunternehmer und sog. Solo-Selbständige verwiesen, die keine Ansprüche auf vorrangige Leistungen wie ALG, Kurzarbeitergeld oder Insolvenzgeld hätten. Ihnen solle möglichst schnell und unbürokratisch geholfen werden. Der Kläger habe vorliegend indes bereits aufgrund seines Vermögens in Höhe von über 54.000 € keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die Herleitung der Höhe des erheblichen Vermögens mit einer Grenze von 60.000 € sei gesetzlich nicht normiert. Auch die Weisung der BA zu § 67 SGB Il sei vorliegend für den Beklagten wie auch für das Gericht nicht bindend. Der Beklagte gehe vielmehr davon aus, dass erhebliches Vermögen dann vorliege, wenn im Einzelfall für jedermann offenkundig sei, dass Grundsicherungsleistungen nicht gerechtfertigt seien. Bei einem Vermögen von über 54.000 € sei es offenkundig, dass eine Erhöhung der Vermögensfreibetragsgrenzen nicht geboten erscheine.
Das SG Konstanz hat den Beklagten mit Urteil vom 04.08.2021 unter Aufhebung des Bescheids vom 12.04.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.05.2021 verurteilt, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum vom 01.01.2021 bis 30.04.2021 zu gewähren. Die Anspruchsvoraussetzungen seien erfüllt, insbesondere sei der Kläger hilfebedürftig. Er falle in den Anwendungsbereich von § 67 Abs. 2 SGB II, denn das Sozialschutzpaket verfolge das Ziel, dass „niemand aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Krise in existenzielle Not geraten“ solle. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollten auch Menschen, die ergänzende Leistungen zu Kurzarbeitergeld beantragten, in den Genuss der Privilegierung gelangen. Daher sei der Personenkreis der nach § 67 SGB II Berechtigten nicht auf Kleinunternehmer und Solo-Selbständige beschränkt. Die Vorschrift gelte auch für Menschen, die nach beendetem Bezug von ALG Leistungen nach dem SGB II beantragten. Das Vermögen des Klägers stehe einer Leistungsberechtigung nicht entgegen. Es sei nicht als „erheblich“ im Sinne des § 67 SGB II zu beurteilen, da es unterhalb der Grenze von 60.000 € liege. Der Gesetzgeber verwende den Begriff „erhebliches Vermögen“ auch in § 21 Nr. 3 WoGG, der seit 01.01.2009 unverändert in Kraft sei. Danach bestehe ein Wohngeldanspruch nicht, soweit die Inanspruchnahme missbräuchlich wäre, insbesondere wegen erheblichen Vermögens. Angesichts eines vergleichbaren Regelungsziels (Verhinderung von Missbrauch) und der identischen Wortwahl liege es nahe, dieses Verständnis von Erheblichkeit auch auf § 67 Abs. 2 SGB II zu übertragen. Nach der Wohngeld-Verwaltungsvorschrift – WoGVwV – vom 28.06.2017 sei erhebliches Vermögen gemäß § 21 Nr. 3 WoGG in der Regel vorhanden, wenn die Summe des verwertbaren Vermögens der zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieder folgende Beträge übersteige: 60.000 € für das erste zu berücksichtigende Haushaltsmitglied und 30.000 € für jedes weitere zu berücksichtigende Haushaltsmitglied. Diese Werte lege auch die BA in ihren „Weisungen zum Gesetz für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2 (Sozialschutz-Paket) sowie ergänzende Regelungen“ zugrunde. Die an § 21 Nr. 3 WoGG angelehnten Beträge erschienen sachgerecht. Allerdings werde je nach konkreter Situation auch ein abweichender Betrag zugrunde zu legen sein, denn der Begriff der Erheblichkeit führe keine immer festen Grenzen ein, sondern erfordere eine Betrachtung des Einzelfalls. Dies versuche die BA aufzugreifen, wenn sie in Abs. 6 ihrer Weisungen nur Vermögensgegenstände für maßgeblich erachte, die sofort verwertbar seien. Leistungsschädlich seien also Barmittel und leicht auflösbare Konten, ein zu großes Haus dagegen nicht, auch wenn es den Betrag deutlich übersteige. Hier liege das Vermögen des Klägers unter 60.000 €. Die weitere Frage, inwieweit das Vermögen zu berücksichtigen wäre, stelle sich somit nicht mehr. Denn nur, wenn erhebliches Vermögen vorliege, sei zu prüfen, inwieweit das Vermögen Berücksichtigung finde. Das Urteil ist dem Beklagten laut Empfangsbekenntnis am 16.09.2021 zugestellt worden.
Der Beklagte hat am 07.10.2021 Berufung zum LSG Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung wiederholt er seine bisherigen Ausführungen. Zudem führt er aus, dass der Kläger im Oktober 2019 einen Aufhebungsvertrag bei seinem letzten Arbeitgeber unterzeichnet habe und somit nicht aus Gründen der Corona-Pandemie arbeitslos geworden sei. Er sei auch nicht unverschuldet arbeitslos geworden und habe während der von der Agentur für Arbeit verhängten Sperrzeit keinen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gestellt, somit also auch von seinem Vermögen gelebt. Obwohl er nicht pandemiebedingt arbeitslos geworden sei, habe er die Verlängerung des ALG um weitere drei Monate erhalten. Bei einer anschließend erleichterten ALG Il-Prüfung wäre er doppelt begünstigt. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der Leistungszeitraum von Januar bis April 2021 sehr kurz sei. Dem Kläger wäre es zumutbar gewesen, während dieser Zeit von seinen Ersparnissen zu leben. Ebenso habe es nach Recherche des Beklagten auch während dieser Zeit genügend Stellenangebote im Bereich Projekteinkauf gegeben. Das Argument des Klägers, er habe auf Grund der Pandemie nicht schneller einen Arbeitsplatz finden können, greife nach Auffassung des Beklagten somit nicht. Auch habe der Kläger dem Beklagten zu keiner Zeit die Arbeitsaufnahme zum 03.05.2021 mitgeteilt. Diese habe sich erst in der mündlichen Verhandlung beim SG Konstanz im August 2021 herausgestellt. Der Kläger sei daher seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen. Nach Prüfung aller Umstände des Einzelfalles stünden dem Kläger keine Leistungen nach dem SGB lI für den streitgegenständlichen Zeitraum zu.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 04.08.2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Die vom Beklagten zur Begründung der Berufung vorgebrachten Argumente seien als haltlos zurückzuweisen. So bestehe eine Mitwirkungspflicht z.B. erst, wenn auch ein tatsächlicher Leitungsbezug erfolge, was zu keinem Zeitpunkt der Fall gewesen sei.
Auf gerichtliche Nachfrage zur Kündigungsfrist hinsichtlich der fondsgebundenen Lebensversicherung und zur Höhe des Betrages, welcher dem Kläger bei einer Kündigung im Januar 2021 abzüglich von ggf. anfallenden Gebühren zugeflossen wäre, hat der Kläger erklärt, dass sich der theoretische Rückkaufswert nach telefonischer Auskunft der Versicherungsgesellschaft zum 01.02.2021 auf 9.229,66 € belaufen hätte. Die Kündigungsfrist betrage drei Monate. Die Inanspruchnahme des Rückkaufwertes sei jedoch nur möglich, soweit gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen dem nicht entgegenstünden und müsste im konkreten Einzelfall im Detail geprüft werden. Daher gelte der Rückkaufswert als theoretisch. Die Storno-, bzw. Bearbeitungsgebühr sei mit 5% des theoretischen Rückkaufswertes beziffert worden.
Entscheidungsgründe
I. Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte, nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des Urteils des SG Konstanz vom 04.08.2021, mit welchem der Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 12.04.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.05.2021 verurteilt worden ist, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum vom 01.01.2021 bis 30.04.2021 zu gewähren.
II. Die Berufung ist aber unbegründet. Das SG Konstanz hat der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage des Klägers (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) zu Recht stattgegeben. Der Bescheid vom 12.04.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.05.2021 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er hat einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum vom 01.01.2021 bis 30.04.2021. Da die Beteiligten hier über den Anspruch des Klägers auf SGB II-Leistungen dem Grunde nach streiten, konnte das SG Konstanz seine Entscheidung auf ein Grundurteil (§ 130 Abs. 1 Satz 1 SGG) beschränken (vgl. zur grundsätzlichen Zulässigkeit eines Grundurteils bei Klagen auf die Gewährung von Leistungen zur Sicherung nach dem SGB II etwa BSG, Urteil vom 24.05.2017 – B 14 AS 16/16 R, juris Rn. 13).
1. Rechtsgrundlage für diesen Anspruch ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der vom 01.01.2021 bis 30.06.2023 gültigen Fassung vom 09.12.2020 (a.F.). Hiernach erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte) (Nr. 4).
Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
Gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der vom 01.04.2011 bis 31.12.2022 gültigen Fassung vom 13.05.2011 (a.F.) erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte ALG II. Nach § 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II a.F. umfassen die Leistungen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Die Leistungen werden in Höhe des jeweiligen Bedarfes erbracht, soweit dieser nicht durch das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen gedeckt ist, § 19 Abs. 3 Satz 1 SGB II. a.F.
Nach § 12 Abs. 1 SGB II in der vom 01.04.2011 bis 31.12.2021 geltenden Fassung vom 13.05.2011 (a.F.) sind als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Nach § 12 Abs. 4 Satz 2 SGB II a.F. ist für die Bewertung des Vermögens der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Antrag auf Bewilligung oder erneute Bewilligung der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gestellt wird.
Gem. § 67 Abs. 1 SGB II in der vom 01.04.2021 bis 23.11.2021 gültigen Fassung vom 10.03.2021 (a.F.) werden Leistungen für Bewilligungszeiträume, die in der Zeit vom 01.03.2020 bis zum 31.12.2021 beginnen, nach Maßgabe von § 67 Abs. 2 bis 4 SGB II a.F. erbracht.
Abweichend von den §§ 9, 12 und 19 Abs. 3 SGB II wird Vermögen für die Dauer von sechs Monaten nicht berücksichtigt. Dies gilt nicht, wenn das Vermögen erheblich ist; es wird vermutet, dass kein erhebliches Vermögen vorhanden ist, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt (§ 67 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB II a.F.).
2. Die Tatbestandsvoraussetzungen des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs sind erfüllt.
a) Der Kläger hatte im streitgegenständlichen Zeitraum das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht. Er war zudem erwerbsfähig und hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.
b) Des Weiteren war er auch hilfebedürftig. Im streitgegenständlichen Zeitraum hat er kein Einkommen erzielt. Das vorhandene Vermögen steht der Hilfebedürftigkeit des Klägers nicht entgegen, da im streitgegenständlichen Zeitraum die Sondervorschrift in § 67 Abs. 1, Abs. 2 SGB II a.F. eingreift und erhebliches Vermögen im Sinne dieser Vorschrift nicht vorliegt.
aa) Die Vorschrift ist auf den vorliegenden Fall anwendbar. Entgegen der Auslegung des Beklagten steht der vorherige Bezug von ALG durch den Kläger der Anwendbarkeit von § 67 SGB II a.F. nicht entgegen.
Jede Gesetzesauslegung ist allgemeinen methodischen Grenzen unterworfen, die unter anderem durch den Wortlaut einer Norm und den eindeutigen Willen des Gesetzgebers gebildet werden (BSG, Urteil vom 24.06.2020 – B 4 AS 7/20 R, juris Rn. 42 m.w.N.). Aus dem Wortlaut von § 67 Abs. 1, Abs. 2 SGB II a.F. ergibt sich weder explizit noch andeutungsweise eine Einschränkung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf bestimmte Empfänger, etwa auf Kleinunternehmer und Solo-Selbständige. Ein entsprechender Wille des Gesetzgebers lässt sich auch weder aus der Gesetzgebungsgeschichte, noch dem Gesetzeszweck ableiten. Vielmehr ist im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich berücksichtigt worden, dass „von vorübergehenden erheblichen Einkommenseinbußen (…) alle Erwerbstätigen betroffen sein“ können. „Dabei sind selbständig tätige Personen, insbesondere Kleinunternehmer und sogenannte Solo-Selbständige, besonders betroffen. (…) Einkommenseinbußen, die zu Hilfebedürftigkeit führen, können aber auch z.B. durch die Einführung von Kurzarbeit entstehen.“ (BT-Drucks. 19/18107, S. 25 zu Nummer 2) Die vom Beklagten angeführten Kleinunternehmer und sogenannte Solo-Selbständigen sind demnach ausdrücklich nur als ein Beispiel für eine besonders betroffene Gruppe aufgeführt worden, ohne dass eine entsprechende Beschränkung gewollt war. Eine solche ergibt sich aus dem Gesetz nicht (so auch Lange in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Aufl. 2021, § 67 Rn. 1; Geiger/Thie in: Münder/Geiger, SGB II, 7. Aufl. 2021, § 67 Rn. 6, beck-online).
Aus dem Wortlaut der Norm lässt sich auch keine Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 67 Abs. 1, Abs. 2 SGB II a.F. auf Sachverhalte mit konkreter kausaler Verknüpfung zwischen der Pandemie und der Antragstellung beim SGB II-Träger ableiten. Die Gesetzgebungsgeschichte und der mit dem Gesetz befolgte Zweck sprechen gegen eine entsprechende Einschränkung: „Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II werden auf Antrag erbracht. Dabei ist es vorübergehend erforderlich, diese Leistungen möglichst schnell und unbürokratisch zugänglich zu machen. Es soll zum einen niemand aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Krise in existenzielle Not geraten, zum anderen müssen auch die Jobcenter bei der Bearbeitung einer Vielzahl von Anträgen durch Verfahrenserleichterungen unterstützt werden. Diesem Ziel dienen die Maßgaben in den Absätzen 2 bis 4.“ (BT-Drucks. 19/18107, S. 25. zu Nummer 2). Der vom Beklagten geforderte Einzelfallbezug der Antragstellung zur Pandemie liefe dem gesetzgeberischen Ziel einer schnellen und unbürokratischen Verfahrensweise, die auch der Unterstützung der Jobcenter dienen soll, diametral entgegen. Schließlich wäre nach Auffassung des Beklagten zunächst in jedem Fall eine individuelle Kausalitätsprüfung notwendig, um herauszufinden, ob ein Fall der Anwendbarkeit der vereinfachenden Vorschrift nach § 67 Abs. 1, Abs. 2 SGB II a.F. unterfällt, oder ob die allgemeinen Regeln gelten. Dies liefe auf eine Verkomplizierung des Prüfprogramms im Vergleich zur Rechtslage vor Einführung der vereinfachenden Vorschrift hinaus, also auf das Gegenteil des gesetzgeberischen Willens. Eine entsprechende Auslegung von § 67 Abs. 1, Abs. 2 SGB II a.F. ist nach den allgemeinen methodischen Grenzen der Gesetzesauslegung daher nicht möglich.
Außerdem können im Einzelfall auch bei Langzeitarbeitslosen pandemiebedingte Einkommenseinbußen in Betracht kommen, wenn der Betroffene ohne die Pandemie eine abhängige oder selbständige Tätigkeit aufgenommen hätte. Dem Jobcenter in einem solchen Fall eine Art fiktive Prüfung aufzuerlegen, wie sich die Erwerbssituation ohne Pandemie entwickelt hätte, ist mit dem Gesetzeszweck der Verfahrenserleichterung ebenfalls nicht vereinbar (Bienert in: NZS 2021, 479, 482). Die Anwendung von § 67 Abs. 1, Abs. 2 SGB II a.F. setzt daher keinen kausalen Zusammenhang zwischen der Antragstellung und der Pandemie voraus (im Ergebnis offengelassen von LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 21.01.2021 – L 7 AS 5/21 B ER, juris Rn. 16).
bb) Im hier eröffneten Anwendungsbereich von § 67 Abs. 1, Abs. 2 SGB II a.F. steht das Vermögen des Klägers seiner Hilfebedürftigkeit nicht entgegen. Denn nach den Angaben des Klägers, an deren Wahrheitsgehalt der Senat keinen Anlass zu zweifeln hat, verfügte der Kläger bei Antragstellung über folgendes Vermögen: Kontostand bei der „P.“ 6.152,30 €, Wertpapiere bei D. I. mit einem Rücknahmepreis von 10.734,49 € (Unterdepot 00) und 3.801,54 € (Unterdepot 01), Kontostand bei der „P. SparCard direkt“ von 21.018,43 €, Kontostand bei „P. Aktiv-Sparen“ von 1.580,85 €, Fondsgebundene Rentenversicherung mit Todesfallabsicherung bei „S. T. Profi-Plan“ mit Rückkaufswert von 10.835,05 €. Hieraus ergibt sich ein Vermögen in Höhe von 54.122,66 €. Offenbleiben kann deshalb, ob die fondsgebundene Rentenversicherung mit Todesfallabsicherung überhaupt als Vermögen zu berücksichtigen ist. Denn der Betrag von 54.122,66 € liegt unter dem hier bei der Bewertung reinen Barvermögens (unter zusätzlicher Berücksichtigung schnell liquidierbarer Geldanlagen) einschlägigen Grenzwert zur Bestimmung erheblichen Vermögens gem. § 67 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB II a.F. von 60.000 €.
Dieser Grenzwert von 60.000 € ergibt sich nicht direkt aus dem Wortlaut des SGB II, nachdem § 67 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB II a.F. lediglich darauf abstellt, dass Vermögen zu berücksichtigen ist, wenn es „erheblich“ ist. Diesen Begriff verwendet weder das SGB II noch das SGB XII im Zusammenhang mit dem Einsatz von Vermögen (Lange in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Aufl. 2021, § 67 Rn. 8; Geiger/Thie in: Münder/Geiger, SGB II, 7. Aufl. 2021, § 67 Rn. 24, beck-online). Auch aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich lediglich, dass ein „wesentlich vereinfachtes Verfahren“ eingeführt werden soll, um die „insbesondere bei Erstanträgen oft sehr aufwändig[e]“ und möglicherweise „erhebliche Zeit in Anspruch nehmen[de]“ Prüfung, ob „erhebliches verwertbares Vermögen vorliegt“ nicht durchführen zu müssen (BT-Drucks. 19/18107, S. 25 zu Absatz 2).
Die fachlichen Weisungen der BA zu § 67 SGB II (Stand 02.10.2020, abrufbar unter: http://infothek.paritaet.org/pid/fachinfos.nsf/0/43349ce3c2f64343c1258603004a51b5/$FILE/fachliche-weisungen-zu--67-sgb-ii_ba146402(1).pdf, letzter Abruf am 12.06.2023) sehen unter Punkt 1.2, Abs. 4 und 5, in Anlehnung an den Leistungsausschlussgrund für Wohngeld gemäß § 21 Nr. 3 WoGG („Ein Wohngeldanspruch besteht nicht, soweit die Inanspruchnahme missbräuchlich wäre, insbesondere wegen erheblichen Vermögens“) i.V.m. Nr. 21.37 Abs. 1 der Wohngeld-Verwaltungsvorschrift („Erhebliches Vermögen im Sinne des § 21 Nummer 3 WoGG ist in der Regel vorhanden, wenn die Summe des verwertbaren Vermögens der zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieder folgende Beträge übersteigt: 60 000 Euro für das erste zu berücksichtigende Haushaltsmitglied […].“) einen Freibetrag von 60.000 € für das erste zu berücksichtigende Haushaltsmitglied vor. Diese Auslegung ist sinnvoll und sachgerecht, da es darum geht, eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Leistungen zu verhindern (Geiger/Thie in: Münder/Geiger, SGB II, 7. Aufl. 2021, § 67 Rn. 24, beck-online; Groth in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, Stand: 30.05.2022, § 67 Rn. 22.1, dieser Auslegung ebenfalls zuneigend LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.02.2021 – L 7 AS 1801/20 B, juris Rn. 11). Wegen dieser Funktion und des deckungsgleichen Wortlauts („erhebliches Vermögen“) drängt sich die Parallele zu § 21 Nr. 3 WoGG auf (Lange in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Aufl. 2021, § 67 Rn. 9), zumindest sprechen die Parallelität des Wortlauts und der Gesetzeszweck dafür (Harich in: Beck‘scher Onlinekommentar SGB II, Stand 01.03.2023, § 67 Rn. 2). Die Auslegung des erheblichen Vermögens im Sinne eines Grenzbetrages von 60.000 € führt zu einer gut handhabbaren Regelung (Bienert in: NZS 2021, 479, 483). Diese gute Handhabbarkeit entspricht dem Gesetzeszweck der Verfahrensbeschleunigung und Verfahrensvereinfachung. Zudem wäre eine anderweitige Auslegung auch vor dem Hintergrund der vom Beklagten verwendeten Formulare nicht praktikabel. Die vereinfachten Antragsformulare verweisen bei der Frage nach erheblichem Vermögen nämlich ausdrücklich auf die von der BA herangezogenen Freibeträge (vgl. hierzu und im Folgenden Bienert in: NZS 2021, 479, 483). Wer wahrheitsgemäß die Frage verneint, weil er etwa „nur“ ein Vermögen von 59.000 € hat, dürfte nach entsprechender Bewilligung davor geschützt sein, dass diese Bewilligung rechtmäßig zurückgenommen werden kann. Namentlich kann man ihm kaum im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X grobe Fahrlässigkeit vorwerfen.
Auch die dadurch bewirkte Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle spricht für die Anwendung dieses Grenzbetrages. Zwar ist es vorliegend nicht zu einer Selbstbindung der Verwaltung durch die Ausführungen im Antragsformular oder die Verwaltungsvorschrift der BA gekommen. Eine Selbstbindung der Verwaltung, wie sie etwa durch eine allgemeine Verwaltungsanweisung entstehen kann, kann außerhalb eines konkreten Rechtsverhältnisses nur in Betracht kommen, soweit die Verwaltung nach der Rechtsordnung Entscheidungsfreiheit für den Einzelfall oder für Gruppen von Einzelfällen hat (BFH, Urteil vom 04.07.2012 – II R 38/10, juris Rn. 57 m.w.N.). Eine solche Entscheidungsfreiheit steht den SGB II-Trägern nach der hier vertretenen Auslegung nicht zu. Dennoch ist eine durch eine klar bezifferte Vermögensgrenze bewirkte gleichmäßige Anwendung des Gesetzes vor dem Hintergrund des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) rechtlich erstrebenswert. Um eine einheitliche Rechtsanwendung bemüht sich die sozialgerichtliche Rechtsprechung schließlich selbst dort, wo vom Gesetzgeber vorgegebene Kriterien vollständig fehlen, etwa bei der Bestimmung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) im Unfallversicherungsrecht. So greift die Rechtsprechung im Unfallversicherungsrecht für die Bestimmung des Inhalts einer zentralen Rechtsnorm - nämlich des in § 56 Abs. 2 SGB VII verwendeten Begriffs der MdE - auf die (nicht vom Gesetzgeber vorgegebenen) MdE-Tabellen zurück (BSG, Urteil vom 20.12.2016 – B 2 U 11/15, juris Rn. 17 ff.). Die in den Tabellen und Empfehlungen enthaltenen Richtwerte gewährleisten, dass die Verletzten bei der medizinischen Begutachtung nach einheitlichen Kriterien beurteilt werden (BSG, Urteil vom 20.12.2016 – B 2 U 11/15 R, juris Rn. 19). Vor diesem Hintergrund ist auch vorliegend einer Auslegung der Vorzug zu geben, die einer einheitlichen Rechtsanwendung zuträglich ist.
Diese Auslegung des Begriffs des erheblichen Vermögens in § 67 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB II a.F. erscheint vor dem Hintergrund des geschilderten Gesetzeszwecks, der Praktikabilität in Massenverfahren während der Pandemie und bei Berücksichtigung des Gleichheitsgrundsatzes vorzugswürdig gegenüber einer jeweiligen Festlegung eines individuellen, einzelfallbezogenen Grenzwerts im Rahmen einer Einzelfallprüfung. Die Annahme eines erheblichen Vermögens anhand des Kriteriums, ob „für jedermann offenkundig ist, dass die Gewährung existenzsichernder Leistungen nicht gerechtfertigt ist“ (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 21.01.2021 – L 7 AS 5/21 B ER, juris Rn. 17) bleibt einen greifbaren Maßstab schuldig, da sie den Begriff der „Erheblichkeit“ lediglich durch andere abstrakte Umschreibungen ersetzt („für jedermann offenkundig“ bzw. „nicht gerechtfertigt“), wodurch sich kein Erkenntnisgewinn ergibt. Da im Ergebnis vollkommen offen bleibt, anhand welcher Kriterien der Grenzwert im jeweiligen Einzelfall bestimmt werden soll, ergäbe sich daraus eine erhebliche Rechtsunsicherheit für Betroffene und Rechtsanwender, was dem mit der Regelung verfolgten Zweck der Verwaltungsvereinfachung diametral entgegensteht. Die Erklärung, dass bei einem reinen Geldvermögen für jedermann offenkundig ist, dass die Gewährung existenzsichernder Leistungen nicht gerechtfertigt ist, ließe sich bei einer Höhe eines Barvermögens von beispielsweise 40.000 € mangels greifbarer Maßstäbe genauso postulieren wir bei 50.000 €. Dies ist auch vor dem Hintergrund des Gleichheitssatzes nicht erstrebenswert. Entsprechend war der hier vertretenen Auslegung der Vorzug zu geben.
Das SG Konstanz hat den Beklagten daher zutreffend verurteilt. Die Berufung des Beklagten war zurückzuweisen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
IV. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen. Die Abweichung von dem Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 21.01.2021 in einem auf einstweiligen Rechtsschutz gerichteten Verfahren (L 7 AS 5/21 B ER) bezüglich der Auslegung von § 67 Abs. 2 SGB II a.F. stellt keine Abweichung von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG dar. Die Auslegung von § 67 Abs. 2 SGB II a.F. hat auch keine grundsätzliche Bedeutung gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG, weil die streitgegenständliche Regelung des § 67 SGB II auch in ihrer jüngsten Fassung vom 22.11.2021 kein aktuell geltendes Rechts mehr darstellt. § 67 Abs. 1 SGB II betraf nach seinem Wortlaut zuletzt Bewilligungszeiträume, die in der Zeit vom 01.03.2020 bis zum 31.03.2022 begannen und dieser Zeitraum konnte nach § 67 Abs. 5 SGB II durch Rechtsverordnung der Bundesregierung längstens bis zum 31.12.2022 verlängert werden (vgl. zu der erfolgten Verlängerung § 1 Abs. 1 die Verordnung zur Verlängerung des Zeitraums für das vereinfachte Verfahren für den Zugang zu den Grundsicherungssystemen und für den Mehrbedarf für die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung für Menschen mit Behinderungen aus Anlass der COVID-19-Pandemie vom 10.03.2022). Ein über den Einzelfall hinausgehendes, die Allgemeinheit betreffendes Interesse ist in aller Regel für die Auslegung und Tragweite von bereits außer Kraft getretenen Vorschriften nicht anzunehmen (BSG, Beschluss vom 22.04.2010 – B 11 AL 22/09 BH, juris Rn. 5). Betrifft eine Rechtsfrage außer Kraft getretenes Recht ist deren Klärungsbedürftigkeit in der Regel zu verneinen, es sei denn, es ist noch eine erhebliche Anzahl von Fällen zu entscheiden (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 160 Rn. 8d; BSG, Beschluss vom 22.04.2010 – B 11 AL 22/09 BH, juris Rn. 5, BSG, Beschluss vom 02.12.1998 – B 2 U 256/98 B, juris Rn. 3). Dass eine erhebliche Anzahl von Fällen, in denen noch über die Auslegung von § 67 Abs. 2 SGG zu entscheiden wäre, ist für den Senat nicht ersichtlich. Im Hinblick auf die Weisungslage der BA zur Auslegung von § 67 Abs. 2 SGG bestehen keine Anhaltspunkte für die Existenz einer erheblichen Anzahl gleichgelagerter Fälle.