L 9 U 1956/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 333/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 1956/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Die vorbehaltlose Vergütung überhöhter Fahrkosten durch einen Unfallversicherungsträger an einen privaten Leistungserbringer hindert ohne Hinzukommen sonstiger Umstände nicht deren Rückforderung nach den Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 18. Dezember 2020 aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 9.351,34 € zuzüglich Zinsen in Höhe von vier Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 8.380,14 € ab 30. Oktober 2019, aus 8.832,34 € ab 12. Juli 2021 und aus 9.351,34 € ab 3. März 2023 zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird auf 8.380,14 € ab 30. Oktober 2019, auf 8.832,34 € ab 12. Juli 2021 und auf 9.351,34 € ab 3. März 2023 endgültig festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rückzahlung von Fahrkosten für Taxifahrten.

Der Beklagte ist Inhaber des Unternehmens B1 (im Folgenden: Taxiunternehmer) mit Sitz in S1 und als Unternehmer bei der Klägerin pflichtversichert. Im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Taxifahrer (im Folgenden: Versicherter) wurde er am 29.11.2015 von einem Kunden im Zusammenhang mit Zahlungsstreitigkeiten körperlich angegriffen, wobei er sich nach den ärztlichen Aussagen eine Gehirnerschütterung/Schädelprellung und eine Distorsion (Zerrung) der Halswirbelsäule zuzog. Später traten weitere körperliche und psychische Beschwerden auf, wegen deren Entschädigung ein sozialgerichtliches Verfahren gegen die Klägerin vor dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg geführt wurde, das durch Berufungsrücknahme am 13.12.2022 (L 9 U 1070/21) endete.

Wegen der Folgen des Arbeitsunfalls unternahm der Versicherte aufgrund ärztlicher Verordnungen diverse Fahrten zu Behandlungsterminen, zu denen er sich nach eigenen Angaben von seiner Verlobten unter Inanspruchnahme des (eigenen) Taxiunternehmens fahren ließ. Hierfür stellte das Taxiunternehmen des Beklagten zwischen dem 23.10.2018 bis 20.03.2019 24 Rechnungen über
51 im Zeitraum vom 29.11.2015 bis 10.04.2019 durchgeführte Fahrten zum Preis von 452,20 € pro Fahrt, insgesamt 23.062,20 €. Die Rechnungen enthalten auf der Vorderseite den Hinweis auf die umseitigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Taxiverkehr mit Verordnung einer Krankenbeförderung für das Beförderungsmittel Taxi (AGB-Taxiverkehr). Nach deren § 4 (Preis und Zahlungen) verpflichtet sich der Auftraggeber bei der Ausführung von Krankenbeförderung außerhalb der Gemeinden S1, E1, W1 und W2 von seiner Abholadresse im Radius innerhalb von 100 km bis zum Fahrziel an das Taxiunternehmen mit der jeweiligen Hin- und Rückfahrt einen Grundfahrpreis in Höhe von 330 € und einen Grundwartepreis in Höhe von mindestens 50 €, jeweils zuzüglich 19 % Umsatzsteuer (zusammen 452,20 € je Fahrt) zu zahlen. Auf den den Rechnungen jeweils beigefügten ärztlichen Verordnungen einer Krankenbeförderung ist handschriftlich – nach Angaben des Beklagten durch seine Verlobte – vermerkt: „Es gelten unsere AGB-Taxiverkehr mit Krankenbeförderung“.

Die klagende Berufsgenossenschaft leistete auf 15 der eingereichten Rechnungen in der Zeit vom 01.11.2018 bis 19.02.2019 Zahlungen in Höhe der geltend gemachten Rechnungsbeträge von insgesamt 10.852,80 €. Bei einer Überprüfung fiel auf, dass in den Rechnungen ausschließlich Pauschalen und nicht konkrete Kilometer berechnet worden waren. Nach einer Gegenberechnung auf der Grundlage von Preisvereinbarungen zwischen den Sozialversicherungsträgern und den Verbänden des Verkehrsgewerbes B2 sowie in Bezug auf die Grundpauschale unter Berücksichtigung der Taxitarifverordnung des Landratsamtes R1 über Beförderungsentgelte und Betriebsbedingungen für Taxen im R1vom 29.06.2015 (Taxitarifverordnung) kam die Klägerin zu dem Ergebnis, dass dem Beklagten für alle 51 Fahrten zusammen nur 2.020,46 € zustünden. Sie forderte das Taxiunternehmen unter dem 05.04.2019 auf, die Korrektheit der Abrechnungen nachzuweisen und rechtswidrig zu hoch abgerechnete Leistungen zu erstatten. Hierauf teilte dieses mit, der Vertrag mit dem versicherten Fahrgast sei frei vor Fahrtbeginn geschlossen worden. Das Beförderungsentgelt sei dabei jeweils vor Fahrtbeginn vereinbart worden. Zur Abrechnung der Transportkosten nach den Gebührensätzen eines Taxiverbands sei es nicht verpflichtet, da es nicht Mitglied eines solchen Verbandes sei. Zudem seien die überwiesenen Rechnungen ohne einen Vorbehalt von der Klägerin anerkannt worden, weshalb auch kein Anspruch auf eine Rückerstattung bestehe.

Mit einem an den Versicherten gerichteten Schreiben vom 17.07.2019 wies die Klägerin darauf hin, dass die für Krankenbeförderung anfallenden Kosten nach § 43 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 ff. Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) i.V.m. den Gemeinsamen Richtlinien für die Unfallversicherung erstatten würden. Er erhalte die Leistung als Sachleistung, es werde unmittelbar mit dem Leistungserbringer abgerechnet. Die Klägerin werde sich mit dem vom Versicherten gewählten Beförderungsunternehmen gesondert in Verbindung setzen. Mit Schreiben vom 18.07.2019 wies die Klägerin das Taxiunternehmen darauf hin, dass diesem von den in Rechnung gestellten 23.062,20 € bei korrekter Abrechnung lediglich 2.020,46 € zustünden. Auf diesen Betrag sei vorab ein Abschlag in Höhe von 10.852,80 € gezahlt worden, woraus sich eine Überzahlung in Höhe von 8.380,14 € ergebe, dessen Rückzahlung gefordert werde. Hierauf forderte der Versicherte e die Klägerin unter dem 06.08.2019 zum Ausgleich aller offenen Rechnungen und Mahnungen des Taxiunternehmens auf. Das Taxiunternehmen habe ihn zur Zahlung aller offenen Rechnungen aufgefordert. Die Klägerin erwiderte hierauf unter dem 16.08.2019, dass Vereinbarungen zwischen dem Fahrgast und dem gewählten Beförderungsunternehmen keine Leistungspflicht des Kostenträgers nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VII begründen könnten und forderte das Taxiunternehmen mit Fristsetzung zum Ausgleich der Forderung in Höhe von 8.380,14 € auf. Dem kam der Beklagte trotz Mahnung nicht nach.

Mit Bescheid vom 04.09.2019, gerichtet an den Versicherten persönlich und adressiert an seine Privatanschrift lehnte die Klägerin die Erstattung weiterer Fahrtkosten ab. Hiergegen erhob der Versicherte unter dem 02.10.2019 Widerspruch, über den noch nicht entschieden ist.

Die Klägerin hat am 30.10.2019 gegen den Beklagten als Betreiber des Einzelunternehmens B1 Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben (S 40 U 241/19), welches den Rechtsstreit mit Beschluss vom 24.01.2020 an das SG Mannheim verwiesen hat. Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, bei den vom Beklagten als Leistungserbringer durchgeführten Fahrten handele es sich um Beförderungsleistungen auf der Grundlage eines Werkvertrages nach bürgerlichem Recht. Soweit die bestehende Kostenvereinbarung für Krankenfahrten zwischen dem Verkehrsverband B2 und den Sozialversicherungsträgern keine Geltung beanspruche, habe die Vergütung nach dem Werkvertragsrecht zu erfolgen. Sei die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, sei die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen. Diese ergebe sich wiederum aus den Vergütungssätzen, die für das Personenbeförderungsgewerbe mit den Sozialversicherungsträgerinnen vereinbart worden seien. Zwischen dem Beklagten (wohl gemeint: als Versicherter) und ihr sei keine Vereinbarung über die Kosten erfolgt, weil es sich um einen Sachleistungsanspruch handele. Indem der Beklagte als Leistungserbringer die Verordnung einer Krankenbeförderung, die er selbst als Versicherter erhalten habe, zur Abrechnung eingereicht habe, habe er konkludent eine Abrechnung nach den für die zuständige Leistungsträgerin geltenden Vergütungssätzen geltend gemacht. Dem Beklagten stehe kein einseitiges Bestimmungsrecht hinsichtlich der Vergütungshöhe zu. Die §§ 315 f. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), die eine einseitige Vergütungsbestimmung durch den Leistenden regelten, seien auf Leistungserbringer nach §§ 124 ff. Sozialgesetzbuch Fünftes Buch <SGB V> nicht anzuwenden. Dies gelte nicht nur für die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern wegen des gleichermaßen geltenden Sachleistungsprinzips auch für sie als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung. Ein Fall des § 814 Abs. 1 Alt. 1 BGB liege nicht vor, weil sie in den vorgelegten Verordnungen als Kostenträgerin benannt worden sei und im Vertrauen auf eine korrekte Abrechnung des Leistungserbringers geleistet habe.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Er unterliege nicht der von der Klägerin angeführten Vereinbarung, weil er weder Mitglied eines der teilnehmenden Verbände sei, noch habe er die Bedingungen dieses Rahmenvertrages durch Verpflichtungsschein anerkannt, was die Klägerin im Schreiben vom 10.05.2019 zugestanden habe. Sie würfele bei ihrer Aufstellung Positionen aus verschiedenen Kostengrundlagen zusammen. Die Kilometer-, Zeit- und Anfahrtskilometerpreise aus dem Taxitarif würden ignoriert. Entgegen der Behauptung der Klägerin sehe dieser überhaupt keinen Grundpreis von 2,50 € für Fahrten außerhalb des Landkreises vor, sondern lediglich denjenigen von 3,10 €. Für ihn sei ausschließlich der Taxitarif maßgeblich. Danach sei das Beförderungsentgelt für die gesamte Fahrstrecke frei zu vereinbaren, was sich auch der Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr entnehmen lasse. Ein entsprechender Hinweis und eine entsprechende Vereinbarung seien vorliegend in Form der Allgemeinen Geschäftsbedingungen seines Unternehmens erfolgt. Danach sei für jede Fahrt eine Pauschale für Krankenbeförderungen in Höhe von 330 € zuzüglich Umsatzsteuer und Zuschlägen, also für die Hin- und Rückfahrt jeweils 165 € zuzüglich 25 €, zusammen 452,20 €, vereinbart worden. Auf dieser Grundlage seien die Rechnungsstellungen erfolgt. Unabhängig davon habe die Klägerin sämtliche Rechnungen vorbehaltlos bezahlt, obwohl in den Rechnungen deutlich und transparent auf die Pauschalabrechnung nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen hingewiesen worden sei. Die Klägerin müsse sich daher den Einwand der Erfüllung in Kenntnis der Nichtschuld entgegenhalten lassen. Die nunmehrige Rückforderung stelle jedenfalls eine unzulässige Rechtsausübung gemäß § 242 BGB dar, da die Klägerin jahrelang ohne Vorbehalt geleistet habe.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 18.12.2020 hat der Beklagte angegeben,
das Taxi zu den Terminen hätten Familienangehörige gefahren; es sei immer seine Lebensgefährtin gewesen. Ob diese eine Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung besitzt, wisse er nicht. Der Vertreter der Klägerin hat angegeben, die Erstattung von Reisekosten wie diejenigen mit einem Taxi würden in der Abteilung bearbeitet, die generell Kostenabrechnungen durchführe. Im konkreten Fall seien Abschlagszahlungen vorgenommen worden, weil die in Rechnung gestellten Beträge ungewöhnlich hoch erschienen seien.

Das SG Mannheim hat die Klage mit Urteil vom 18.12.2020 abgewiesen.
Die Klage sei als echte Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz <SGG>), gerichtet auf Zahlung von 8.380,14 € nebst Zinsen in Höhe von vier Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung des Rechtsbehelfs gerichtet, statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Klage sei jedoch unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die begehrte Rückzahlung. Rechtsgrundlage für den Zahlungsanspruch sei der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch, dem der Einwand der Kenntnis der Nichtschuld in entsprechender Anwendung von § 814 BGB entgegenstehe. Nach dieser Norm könne das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst habe, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war, oder wenn die Leistung einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprach. Im Falle der vorbehaltlosen Zahlung auf eine Rechnung, mit der bei der Klägerin als Sozialleistungsträgerin Taxikosten im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Heilbehandlungsmaßnahmen geltend gemacht werden, sei diese mit der Rückforderung und damit auch mit dem späteren Bestreiten ihrer Zahlungspflicht ganz ausgeschlossen, wenn sie wusste, dass sie zur Leistung nicht verpflichtet war (vgl. BSG, Urteile vom 23.06.2015 - B 1 KR 13/14 R -, SozR 4-5560 § 17b Nr. 6, Rn. 22 und 14.10.2014 - B 1 KR 27/13 R -, SozR 4-2500 § 109 Nr. 40, Rn. 29; a. A. BSG, Urteil vom 03.04.2014 - B 2 U 21/12 R -, SozR 4-7610 § 812 Nr. 7, Rn. 27). In den Fällen, in denen auf eine Rechnung vorbehaltslos gezahlt werde, ohne dass ein Leistungsvertrag vorliegt, sei einer Sozialleistungsträgerin der Einwand verwehrt, sie habe nicht gewusst, zur Leistung in dieser Höhe nicht verpflichtet zu sein (vgl. Landessozialgericht <LSG> Baden-Württemberg, Urteil vom 23.07.2019 - L 11 KR 4475/18 -, juris, Rn. 60), zumal die Klägerin lediglich Abschlagszahlungen vorgenommen habe, da die in Rechnung gestellten Beträge ungewöhnlich hoch erschienen, wie der Bevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung bekundet habe.

Gegen das der Klägerin am 12.05.2021 zugestellte Urteil richtet sich deren am 08.06.2021 beim LSG Baden-Württemberg erhobene und unter dem 12.07.2021 begründete Berufung. Der Beklagte sei bereits mit Schreiben vom 15.01.2016 über die Möglichkeiten und Höhe der erstattungsfähigen Reisekosten zu (u.a.) Behandlungsterminen sowie im Rahmen eines persönlichen Gespräches mit einem Mitarbeiter der Berufsgenossenschaft am 16.06.2017 erneut über eine mögliche Erstattung informiert worden. Der Beklagte habe für die Behandlungstermine sein eigenes Taxiunternehmen in Anspruch genommen. Dieses habe die erste Rechnung über 452,20 € erstmals im Oktober 2018 übersandt. In Rechnung gestellt worden seien durchgeführte Fahrten im Zeitraum vom 29.11.2015 bis 23.03.2017 unter Beifügung der entsprechenden ärztlichen Verordnungen in Höhe von insgesamt 23.062,20 €. Nachdem Abschlagszahlungen in Höhe von insgesamt 10.400,60 € (tatsächlich korrekt seien 10.852,80 €) bezahlt worden waren, sei der Klägerin im Kontext der mehrfachen Rechnungsstellungen die ungewöhnliche Abrechnung per Pauschalen ohne Beachtung der tatsächlichen Kilometer-Entfernung aufgefallen. Eine Überprüfung habe ergeben, dass die in Rechnung gestellten Beträge weit über den ortsüblichen Gebührensätzen des Taxiverbandes liegen.
Im Falle eines Arbeitsunfalls seien die im Zusammenhang mit der Ausführung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlichen Reisekosten nach Maßgabe des § 43 SGB VII in Verbindung mit § 73 SGB IX zu erstatten. Reisekosten zur Ausführung von Heilbehandlung richteten sich nach § 43 Abs. 2 bis 5 SGB VII. Näheres regelten die Gemeinsamen Richtlinien der Verbände der Unfallversicherungsträger über Reisekosten (§ 43 Abs. 5 SGB VII). Erstattet würden entweder die Fahrkosten für die Benutzung eines regelmäßig öffentlichen Verkehrsmittels gemäß den Regelungen der Ziffer 4.1.1 der gemeinsamen Richtlinien. Alternativ betrage die Wegstreckenentschädigung bei Benutzung eines Kraftfahrzeugs oder eines anderen motorbetriebenen Fahrzeugs derzeit 0,20 € je Kilometer der zwischen dem Ort des eigenen Hausstandes und dem Ort der Ausführung der Leistung (Leistungsort) insgesamt zurückgelegten Strecke, höchstens jedoch 130,00 € insgesamt für An- und Abreise (Wegstreckenentschädigung nach § 5 Abs.1 des Bundesreisekostengesetzes; Ziffer 4.1.2 der gemeinsamen Richtlinien). Sei die Benutzung eines regelmäßig verkehrenden Beförderungsmittels wie auch eines Kraftfahrzeuges oder eines anderen motorgetriebenen Fahrzeuges wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht möglich oder nicht zumutbar, so seien die Kosten für die Inanspruchnahme eines besonderen angemessenen Beförderungsmittels (z. B. Taxi, Mietwagen oder Krankentransportfahrzeug) zu erstatten. Die Frage der Angemessenheit richte sich nach den Umständen des Einzelfalls und sei ggf. durch eine ärztliche Bescheinigung nachzuweisen (Ziffer 4.3 der gemeinsamen Richtlinien). Da entsprechende ärztliche Verordnungen vorgelegt worden seien bzw. den Rechnungen beilagen, habe die Klägerin die Inanspruchnahme eines Taxis für die strittigen Fahrten grundsätzlich als notwendig anerkannt. Die abgerechneten Taxifahrten seien innerhalb des Bundeslandes Baden-Württemberg, überwiegend nur im R1 erfolgt. Im Verbund mit den Krankenkassen habe die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) mit Verkehrsverbänden des Bundeslandes Baden-Württemberg einen Rahmenvertrag vom 20.02.2013 über die Durchführung und Vergütung von Krankenfahrten im Rahmen des Personenbeförderungsgesetzes abgeschlossen, der zum 01.05.2013 in Kraft getreten (nachfolgend Rahmenvertrag), und für die abgerechneten Fahrten maßgeblich sei. Der Rahmenvertrag gelte u. a. einerseits für die Versicherten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sowie andererseits für u. a. Mitglieder der Verkehrsverbände, die Krankenfahrten mit Fahrzeugen des nach dem Personenbeförderungsgesetz konzessionierten Taxen- und Mietwagenverkehrs durchführen (s. § 1 des Rahmenvertrages) und regele die Durchführung sowie Vergütung aller Krankenfahrten, welche durch Taxi- bzw. Mietwagenunternehmen erbracht werden (§ 2 Nr. 1 des Rahmenvertrages). Die Leistungserbringer seien verpflichtet, die Krankenfahrten nach den Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit, zeit-, sach- und verkehrsgerecht durchzuführen (§ 6 Nr. 1 S.1 des Rahmenvertrages). Für Versicherte der UV-Träger entfalle die Zuzahlung (§ 2 Nr. 2 S. 2 des Rahmenvertrages). Ergänzt werde dies durch die jeweils ab dem 01.05.2013 und 01.01.2016 geltenden Preisvereinbarungen als Anlage 2 zu dem Rahmenvertrag.
Das Unternehmen B1 sei mangels Mitgliedschaft im TVD Baden-Württemberg (Landesverband des Taxi- und Mietwagengewerbes e. V.) keinen etwaigen Verträgen beigetreten, so dass es an einer vertraglichen Vereinbarung über die Ausführung und Vergütung der strittigen Taxifahrten mit der Klägerin fehle. Von der Gegenseite sei vorgetragen worden, dass es jeweils zu – vertraglichen – Einzelabsprachen nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zwischen dem Versicherten und dem Unternehmen B1 gekommen sei. Bei Fehlen einer vertraglichen Einigung über den Preis könne dieser jedoch nicht einseitig durch die Gegenseite bestimmt werden (LSG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 08.11.2013 - L 1 KR 47/11-, LSG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 12.08.2004 - L 16 KR 81/03 - und 22.04.2004 - L 16 KR 270/02 -). Maßgeblich sei vielmehr nach § 612 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung. Dies sei die für gleiche oder ähnliche Dienstleistungen an dem betreffenden Ort mit Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse gewöhnlich gewährte Vergütung (vgl. vorgenannte Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen). Im Recht der Krankenversicherung sei wiederholt entschieden worden, dass dies die Vergütungssätze sind, die üblicherweise vom Kostenträger für vergleichbare Leistungen gezahlt werden (vgl. BSG, Urteil vom 13.05.2004 - B 3 KR 2/03 R -; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 08.11.2013 - L 1 KR 47/11 -). Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung bzw. für den Unfallversicherungsträger könne nichts Anderes gelten. Danach seien die ortsüblichen von Kostenträgern gezahlten Vergütungssätze zugrunde zu legen, welche sich wie folgt ergeben: Gemäß § 2 Abschnitt I. Pkt. 1 der jeweiligen Preisvereinbarung bestimme sich für Fahrten innerhalb des Tarifgeltungsbereiches das Beförderungsentgelt nach dem jeweiligen durch Rechtsverordnung erlassenen Taxitarif. Für den R1sei dies die Taxitarifverordnung vom 29.06.2015. Soweit die in Rechnung gestellten Fahrten nur innerhalb dieses Tarifgeltungsbereiches erfolgt seien, seien die nach §§ 2,3 der Taxitarifverordnung maßgeblichen Gebühren von der Klägerin angesetzt worden. Der Tarifgeltungsbereich gelte als verlassen, wenn während der Personenbeförderung der Landkreis auch nur kurzfristig verlassen werde (§ 2 Abschnitt I. Pkt 2 der jeweiligen Preisvereinbarung; ID 532 S. 2/5). Dies betreffe im strittigen Zeitraum nur die Fahrten am 01.03.2016 und 27.01.2017 zur BG Unfallklinik L1. Für diese Fahrten habe die Klägerin daher die nach der Preisvereinbarung ab dem 01.01.2016 (Anlage 2 zum Rahmenvertrag vom 20.02.2013) geltenden Gebühren des Abschnitts II. (ID 532 S. 5UA) zugrunde gelegt. Unter Heranziehung der o. g. Preisvereinbarung ab dem 01.06.2016, der Taxitarifverordnung vom 29.06.2015 sowie der für die jeweiligen Fahrten ermittelten Kilometerentfernung nach google maps habe die Klägerin die nach ihrer Auffassung dem Beklagten zustehenden Beträge berechnet (Grundpreis + km x Vergütung/km). Hiernach stehe dem Beklagten für die in Rechnung gestellten Fahrten ein Gesamtbetrag in Höhe von 2.020,46 € zu. Somit habe die Beklagte insgesamt 8.832,34 €
(10.852,80 € ./. 2.020,46 €) – und nicht wie in der Klage geltend gemacht 8.380,14 € – ohne rechtlichen Grund gezahlt. Die Klägerin habe bei der Addition der an das Unternehmen B1 gezahlten Beträge innerhalb des hier strittigen Zeitraumes übersehen, dass auch auf die Rechnung vom 11.12.2018 (Re-Nr. 5315/18) eine Zahlung in Höhe von 452,20 € erfolgt sei (s. anliegender Ausdruck der Unfallkontenauskunft). Die Klage werde insoweit nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erweitert. Demzufolge erhöhe sich der Betrag der Abschlagszahlungen auf 10.852,80 €, so dass sich bei unverändert festgesetztem Anspruch des Unternehmens auf 2.020,46 € ein höherer zu Unrecht gezahlter Betrag in Höhe von 8.832,34 € ergebe. Wegen der Einzelbeträge werde auf die hierzu vorgelegte Vergleichsberechnung verwiesen.

Mit Verfügung an die Beteiligten vom 24.02.2023 hat das Gericht die Beteiligten – unabhängig von der Beurteilung der Rechtslage – darauf hingewiesen, dass die Klägerin bei Ihrer Vergleichsberechnung nach eigenen Angaben lediglich bei zwei Fahrten (am 01.03.2016 und 27.01.2017) zur BG Unfallklinik L1 die Berechnung nach der Preisvereinbarung ab dem 01.01.2016 (Anlage 2 zum Rahmenvertrag vom 20.02.2013) geltenden Gebühren des Abschnitts II. unter Heranziehung der o.g. Preisvereinbarung ab dem 01.06.2016 vorgenommen hat (= Fahrten außerhalb des Tarifgeltungsbereichs), und bei allen anderen Fahrten die Berechnung nach den Bestimmungen der Taxitarifverordnung vom 29.06.2015. Soweit ersichtlich habe sie dabei den Landkreis R1 als maßgeblichen Tarifgeltungsbereich (Pflichtfahrgebiet) zugrunde gelegt. Dabei könnte aber unbeachtet geblieben sein, dass nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 der Preisvereinbarung Pflichtfahrgebiet der jeweilige Landkreis ist, soweit in der Rechtsverordnung nichts Anderweitiges (z.B. Tarifbezirke) geregelt ist. Die vorliegende Taxitarifverordnung enthält aber gerade eine abweichende Definition des Pflichtfahrbereichs in § 1 Abs. 2: Dieser ist nur die jeweilige Standortgemeinde des Taxibetriebes, hier S1. Das bedeute, dass wohl bei allen Fahrten, die über S1 hinausgingen, nicht die Tarife der Taxitarifverordnung (Grundtarif 3,10 € + Kilometertarif 1 €/km) anzusetzen gewesen wären, sondern die – niedrigeren – Tarife der Preisvereinbarungen mit dem Verkehrsgewerbe (Grundtarif 2,50 € + Kilometertarif zwischen 0,74 € und 0,95 €/pro km).

Unter dem 03.03.2023 hat die Klägerin daraufhin eine neue Vergleichsberechnung vorgelegt mit der Maßgabe, dass als Pflichtfahrbereich nur die Standortgemeinde S1 (Postleitzahl 7XXXX) gelte und demzufolge bei allen über S1 hinausgehenden Fahrten die – niedrigeren –- Tarife der Preisvereinbarungen zwischen den Spitzenverbänden anzusetzen seien. Bei Fahrten innerhalb S1 sei bei der Beförderung von nur einer Person neben dem Grundpreis (3,10 €) als Kilometerpreis 1,00 € anzusetzen (PKW bis 4 Personen).
Im Rahmen der erforderlichen Vergleichsberechnung seien die streitgegenständlichen Fahrten in der Zeit vom 29.11.2015 bis 10.04.2019 nochmals eingehend geprüft worden. Dabei seien weitere Umstände bemerkt worden, die ebenfalls bei der Neuberechnung berücksichtigt worden seien: Der Rechnung vom 02.01.2019 (Nr. 5317/19) über Taxifahrten in der Zeit vom 09.12.2016 bis 23.03.2017 (nach H1 zur G1) habe keine gültige ärztliche Verordnung beigelegen. Die der Rechnung beigefügte Verordnung vom 18.07.2016 sei nur für zwei Monate, d. h. bis 18.09.2016 gültig gewesen. Hierauf sei zeitnah ein entsprechender Hinweis seitens der Klägerin erfolgt. Deutlich später habe der Versicherte selbst mit Schreiben vom 08.10.2020 weitere Taxirechnungen über insgesamt 82.011,60 € mit der Bitte um Erstattung eingereicht, darunter erneut die vorgenannten Fahrten unter einer neuen Rechnungsnummer (Re-Nr. 5378/19) und unter Vorlage der – handschriftlich geänderten – Verordnung vom 18.07.2016. Hierbei handele es sich offenbar um eine nachträgliche Änderung, wonach am 18.07.2016 für den erst mehrere Monate in der Zukunft liegenden konkreten Zeitraum vom 09.12.2016 bis 23.03.2017 eine Verordnung erfolgt sein soll. Dies könne die Klägerin nicht als eine tatsächlich auf die abgerechneten Fahrten hin bezogene Verordnung ansehen. Ungeachtet dessen seien diese Fahrten jedoch in der anschließenden Prüfung/Berechnung und dem nachfolgenden gegenüber dem Versicherten R1 selbst ergangenen Bescheid über die Erstattung von Taxikosten vom 04.01.2021 mit einem Betrag in Höhe von 640,- € berücksichtigt und von der Klägerin insoweit bereits beglichen worden. Des Weiteren sei nach Einsicht in die Mitgliederakte der Firma B1 (Unternehmensnummer 01) aufgefallen, dass von dem Unternehmen für das Jahr 2017 keine Lohnsummen gemeldet wurden. Im Lohnnachweis für das Jahr 2017 sei dabei ausdrücklich angegeben, dass keine Mitarbeiter im Unternehmen tätig waren. Dies lasse den Rückschluss zu, dass keine Mitarbeiter beschäftigt waren, die die berechneten Taxifahrten im Jahr 2017 hätten durchführen können. Auch dies stehe einem Anspruch auf Begleichung der mit Rechnung vom 02.01.2019 (Nr. 5317/19, ID 489 UA) berechneten Taxifahrten entgegen. Die Berechnung von Taxifahrten sei dem Unternehmen überhaupt nur möglich, wenn diese vom Unternehmen durchgeführt wurden, was jedoch ohne Mitarbeiter nicht der Fall gewesen sein dürfte. Aus diesen Gründen sei für die Rechnung vom 02.01.2019 (Nr. 5317/19, ID 489 UA) über Taxifahrten vom 09.12.2016 bis 23.03.2017 im Rahmen der nochmaligen Vergleichsberechnung kein dem Beklagten zustehender Betrag anzusetzen. Angemerkt sei, dass in Kenntnis der o.g. Unterlagen der Mitgliederakte auch entsprechende Zweifel hinsichtlich der Rechnung vom 23.10.2018 (Nr. 5308/18, ID 475 UA) aufkommen könnten.
Des Weiteren sei der Beklagte am 06.06.2016 umgezogen. Den Fahrten gemäß den Rechnungen unter ID 492, 495, 497, 498 und 499 der UA sei daher eine korrigierte Kilometerentfernung ausgehend von der neuen Anschrift zugrunde gelegt worden. Aus der beiliegenden Vergleichsberechnung ergebe sich nun eine noch höhere Überzahlung – insgesamt 9.420,16 € – als bisher angenommen wie folgt:


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Gegen diese Berechnung hat der Beklagte eingewandt, nach § 3 des Taxitarifs gebe es zwei verschiedene Kilometertarife, nämlich 1,00 € und 2,00 €: Der Kilometerpreis betrage 1,00 € für die Fahrt des Taxis bis zum Fahrgast (Anfahrt); der Kilometerpreis betrage 2,00 € für die Fahrt ab der Abholung des Gastes bis zum Zielort (Zielfahrt – auch „Besetzt-Kilometer" genannt). Die Klägerin habe aber einen einheitlichen Kilometerpreis von 1,00 € angenommen und den Kilometerpreis für die Zielfahrt ignoriert. Des Weiteren sehe der Taxitarif in § 3 einen sogenannten „Zeitpreis" in Höhe von 0,10 € je 11,54 Sekunden vor. Auch diese Komponente fließe in die Berechnung der Klägerin nicht ein. Die Klägerin habe den Taxitarif also fehlerhaft angewandt. Die Klägerin habe außerdem den Anfahrtsweg des Taxis nicht berücksichtigt. Je nachdem wo der Beklagte abgeholt wird bzw. zusteigt (z.B. N1, H1 etc.), ergebe sich ein anderer Anfahrtsweg. Daraus ergebe sich, dass die Klägerin geringere Kilometerangaben berechnet habe, welche letzten Endes zu einem verminderten Kostenerstattungsanspruch des Beklagten führten. Auch insofern sei die Berechnung der Klägerin fehlerhaft.

Hierauf hat die Klägerin eine nochmalige Neuberechnung der Fahrten innerhalb von S1 vorgenommen und hierzu ausgeführt, für die sechs Fahrten innerhalb von S1 als Pflichtfahrgebiet (Fahrten am 29.11.2015 <ID 483 UA>, 30.11.2015 <ID 491 UA>, 07.12.2015 <ID 493 UA>, 21.12.2015 <ID 502 UA>, 07.01.2016 <ID 504 UA> und 21.01.2016 <ID 512 UA>) könne den Ausführungen der Gegenseite hinsichtlich unberücksichtigt gebliebener "Komponenten" teilweise zugestimmt werden. Nach § 3 der Taxitarifverordnung sei für die jeweilige Einzelfahrt zunächst ein Grundpreis (3,10 €) anzusetzen. Zudem gelte ein Kilometerpreis: Dieser betrage für die Anfahrt in Tarifstufe I 1,- €/km. Die Anfahrt zum Bestellungsort dürfe nur vom jeweiligen nächstgelegenen Taxenstandplatz aus zum Bestellungsort berechnet werden (§ 3 Abs. 3 Taxitarifverordnung). Bei diesen Fahrten ergebe sich nur für die jeweilige Rückfahrt ein Anfahrtspreis, da bei den betreffenden Hinfahrten keine Anfahrt angefallen sein könne, da nächstgelegener Taxenstandplatz (= Betriebssitz lt. § 6 Abs. 1 Taxitarifverordnung) und Bestellungsort (Anschrift Versicherter R1) hier identisch waren (vgl. 1, 2 UA). Für die Zielfahrten selbst seien in Tarifstufe II 2,- €/km anzusetzen, wenn es keine sog. "Rundfahrten" sind. Zwar sei der Versicherte letztlich jeweils zum Bestellungsort zurückgekehrt. Mangels jeweils verordneter und auch auf den Rechnungen nicht angegebener Wartezeiten seien jedoch die Hin- und Rückfahrten als Einzelfahrten anzusetzen (somit 2,- €/km bei der Zielfahrt). Zusätzlich sei ein Zeitpreis zu berücksichtigen: Dieser betrage 31,20 €/h (= 0,52 €/min). Die Klägerin vermöge der Verordnung nicht sicher zu entnehmen, ob dieser auch bereits bei einer etwaigen Anfahrt zu beachten sei, lege dies jedoch in ihrer anliegenden Korrekturberechnung zu Gunsten des Beklagten ohne Präjudiz für andere Fahrten zu Grunde. Hinsichtlich der bei den Fahrten rückblickend anzusetzenden Zeit habe die Klägerin die von google.maps ausgewiesenen Zeiten (ID 531 S. 6 und 7 UA) herangezogen. Zusätzlich zustehende Kosten für Anfahrtswege für Fahrten nach dem Umzug des Beklagten ergäben sich nicht, da es sich hierbei um Fahrten außerhalb des Pflichtfahrbereiches S1 handele (s.o.). Die für diese Fahrten jeweils maßgeblichen Preisvereinbarungen der Spitzenverbände mit dem Verkehrsgewerbe würden keine Anfahrtsgebühren vorsehen. Daraus ergebe sich folgende (Neu-)Berechnung:


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Insgesamt erhöhe sich dadurch der insgesamt zustehende Betrag um 68,82 € auf 1.501,46 €. Gezahlt wurden 10.852,80 €, d.h. es ergäben sich nach entsprechender Neuberechnung höhere dem Beklagten zustehenden Beträge und demzufolge ein geringerer Rückforderungsbetrag in Höhe von 9.351,34 €.
Bezogen auf die Rechnung vom 02.01.2019 (Nr. 5319/19 ID 489) sei anzumerken, dass ungeachtet der fortbestehenden Zweifel der Klägerin an der nachträglichen Änderung der Verordnung, die zudem unter einer neuen Rechnungsnummer (Nr. 5378/19) von dem Versicherten und nicht von dem Taxiunternehmen vorgelegt wurde, die Gegenseite schriftsätzlich bestätige, dass für die darin berechneten Fahrten zwischenzeitlich (durch die ggf. zu Unrecht erfolgte Akzeptanz der Verordnung) bereits eine Zahlung erfolgt sei. Mit der Berufungsbegründung habe die Klägerin die sog. Unfallkontenauskunft über die an den Beklagten im Zusammenhang mit den abgerechneten Fahrten gezahlten Beträge übersandt. Die unter "Rechnungsnummer" enthaltenen Daten entsprächen dem bei der Überweisung/Zahlung im Verwendungszweck angegebenen Informationen, vorliegend lediglich den jeweiligen Rechnungsnummern. Etwaige die Zahlungen begleitende Schreiben seien nicht erfolgt.

Der Beklagte sei verpflichtet, den zu Unrecht gezahlten Betrag zu erstatten. Die Klägerin sei weiterhin der Auffassung, dass der Rechtsgedanke des § 814 BGB auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch keine Anwendung finde und zudem eine positive Rechtskenntnis der Nichtschuld der Klägerin nicht vorgelegen habe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 18. Dezember 2020 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an sie 9.351,34 € nebst Zinsen in Höhe von vier Prozentpunkten über dem Basissatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin trage vor, der Beklagte habe als Versicherter Anspruch auf Sachleistungen nach § 43 SGB VII, dies sei allerdings nicht Klagegegenstand. Vielmehr sei der Beklagte als Leistungserbringer Beklagter des Rechtsstreits. Hierbei verkenne die Klägerin, dass eine Unterscheidung in der Person des Klägers im Hinblick auf die beiden von ihm wahrgenommenen Rollen nicht möglich sei. Bei dem Beklagten handele es sich um eine natürliche Person, die sowohl Versicherter als auch Leistungserbringer war bzw. ist. Folglich sei der Beklagte sowohl in seiner Funktion als Versicherungsnehmer, als auch in seiner Funktion als Leistungserbringer von der Klägerin verklagt. Richtig sei aber, dass für die Inanspruchnahme von Taxen und Mietwagen das Sachleistungsprinzip gelte. Dementsprechend habe der Beklagte die Sachleistung als Versicherter in Anspruch genommen und in seiner Funktion als Taxiunternehmer gegenüber der Klägerin erbracht und abgerechnet. Nicht nachvollzogen werden könne aber, dass die Klägerin der Ansicht sei, mit dem Beklagten deswegen keine Vereinbarung über die Kosten der Krankenbeförderung getroffen zu haben, weil dieser der Klägerin eine ärztliche Verordnung einer Krankenbeförderung vorgelegt habe. Die Klägerin meine, dass der Beklagte durch die Einreichung der Abrechnung konkludent eine Abrechnung nach den für den zuständigen Leistungsträger (die Klägerin) geltenden Vergütungssätzen geltend machen würde, dies seien die Preisvereinbarungen mit den Sozialversicherungsträgern. Die Klägerin erläutere aber nicht, woraus sich dies ergeben solle. Der Beklagte unterliege dieser Vereinbarung nicht, weil er weder Mitglied eines der teilnehmenden Verbände sei, noch habe er die Bedingungen dieses Rahmenvertrags durch Verpflichtungsschein anerkannt. Aus diesem Grund sei für den Beklagten der Taxitarif maßgeblich. In Form der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Unternehmens des Beklagten sei ein Hinweis gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 des Taxitarifs sowie § 37 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr (BOKraft) erfolgt. Diese AGB regelten in § 4 eine Pauschale für Krankenbeförderung. Auf dieser Grundlage seien die Rechnungen des Beklagten an die Klägerin ausgestellt worden. Die AGB seien auch wirksam in den Vertrag einbezogen worden. Damit sei eine wirksame Vereinbarung über die Kosten der Krankenbeförderung zustande gekommen, so wie es § 1 Abs. 3 Satz 1 des Taxitarifs vorsehe.
Selbst wenn die AGB nicht Vertragsbestandteil geworden wären, könnten unter keinen Umständen die Preisvereinbarungen mit den Sozialversicherungsträgern Grundlage für die Kostenerhebung geworden sein. § 1 Abs. 3 Satz 2 des Taxitarifs ordne an, dass, wenn keine Vereinbarung getroffen wird, die für den Pflichtfahrbereich festgesetzten Beförderungsentgelte als vereinbart gelten – somit die Beförderungsentgelte aus dem Taxitarif selbst. Die Preisvereinbarungen mit den Sozialversicherungsträgern könnten auch nicht als „übliche Vergütung" gelten. Daran ändere sich auch nichts durch den Vortrag der Klägerin zur Frage der üblichen Vergütung im Sinne des § 632 Abs. 2 BGB. Die Frage der üblichen Vergütung habe nichts mit der Anwendung der Vorschriften der §§ 315, 316 BGB zu tun. Dass die Preisvereinbarungen mit den Sozialversicherungsträgern im Falle des Rückgriffs auf die übliche Vergütung Maßstab für die ortsübliche Taxe wären, ergebe sich insbesondere auch nicht aus dem Urteil des LSG Nordrhein-
Westfalen vom 22.04.2004 (L 16 KR 270/02). Dort heiße es vielmehr (richtigerweise), dass, die maßgebliche übliche Vergütung diejenige ist, die für gleiche oder ähnliche Dienstleistungen an dem betreffenden Ort mit Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse gewöhnlich gewährt werde. Dies wäre im vorliegenden Fall der Taxitarif. Des Weiteren sei zu berücksichtigen, dass es im Fall des LSG Nordrhein-Westfalen an einer Taxe im Sinne von § 612 Abs. 2 BGB (im vorliegenden Fall § 632 Abs. 2 BGB) fehlte, weil – wie das LSG ausführe – eine Taxe nur nach Bundes- oder Landesrecht zugelassene und festgelegte Gebühren, die feste Höchst- oder Mindestsätze darstellen, sein können, woran es im dortigen Fall fehlte. Im vorliegenden Fall bestehe allerdings der Taxitarif, welcher auf §§ 47 Abs. 3 und 51 Abs. 1 PBefG in Verbindung mit § 1 Abs. 2 der Verordnung der Landesregierung und des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur über personenbeförderungsrechtliche Zuständigkeiten basiere, womit es sich im vorliegenden Fall um eine landesrechtliche Bestimmung handele.
Hinzu komme, dass die Klägerin im Vorfeld überhaupt keine Vorgaben, Anordnungen oder auch nur Mitteilungen oder Informationen zur zulässigen Höhe von Kosten gemacht habe. Vielmehr habe sie dem Beklagten in den Hinweisen zu ihrem Schreiben vom 15.01.2016 (ID 29) lediglich mitgeteilt: „Wenn der Arzt die Notwendigkeit eines Taxis oder einer Begleitperson bescheinigt, übernehmen wir die Kosten." Darin sei weder ein Hinweis auf die Vereinbarungen zwischen den Leistungserbringern enthalten, noch zu einer sonstigen zulässigen Höhe der Kosten noch auch nur sonst irgendwelche Einschränkungen. Jedenfalls sei eine Rückforderung der Zahlungen auch in entsprechender Anwendung des § 814 BGB ausgeschlossen.
Die Rechnung vom 02.01.2019 sei von der Klägerin zunächst zu Recht beanstandet worden. Der Beklagte habe die Rechnung dann seinem Arzt, G2, vorgelegt, der die Verordnung sodann korrigiert und auf die in Rede stehenden Fahrten erstreckt habe.
Warum der Beklagte die Verordnung nicht einfach zur vorherigen Rechnung nachgereicht habe, lasse sich nicht mehr aufklären. Dass der Kläger (gemeint: der Beklagte) die Verordnung mit neuer Rechnung abrechnete, habe auf den Vorgang insofern keine weiteren Auswirkungen. Die Klägerin hätte die Fahrtkosten sicher auch bezahlt, wenn der Beklagte die Verordnung unter Bezugnahme auf seine ursprüngliche Rechnung eingereicht hätte. Jedenfalls sei es nicht nachvollziehbar, warum die Klägerin nun meine, den auf diese Rechnung gezahlten Betrag zurückfordern zu können, weil es an einer ordnungsgemäßen Verordnung fehle. Es erschließe sich dem Beklagten nicht, warum die Klägerin unter solchen Umständen berechtigt sein solle, die Bezahlung der Rechnung zu verweigern oder das Bezahlte zurückzufordern. Ergänzend werde der Personenbeförderungsschein der Verlobten des Beklagten vorgelegt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgerechte Berufung der Klägerin ist zulässig. Die Berufung ist auch begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von 9.351,34 € zu.

Für den hier geltend gemachten Erstattungs- und Zinsanspruch ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet. Nach § 51 Abs. 1 Nr. 3 SGG haben die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der Überwachung der Maßnahmen zur Prävention durch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung zu entscheiden. Die Klägerin macht die anteilige Erstattung von Fahrkosten gegenüber dem beklagten Taxiunternehmer als Leistungserbringer geltend für die Versorgung des Versicherten mit Sachleistungen in Form von Beförderungskosten, auf welche dieser infolge eines von der Klägerin anerkannten Arbeitsunfalles dem Grunde nach Anspruch nach § 26 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 4, § 43 Abs. 2 SGB VII hatte. Das Streitverhältnis ist damit dem gesetzlichen Unfallversicherungsrecht zuzuordnen.

Diesen Anspruch macht die Klägerin zu Recht mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG geltend; es handelt sich bei der auf (Rück-)Zahlung der Beförderungskosten gerichteten Klage eines Sozialleistungsträgers gegen einen Leistungserbringer um einen sog. Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (vgl. entsprechend für Klage eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse wegen Behandlungskosten, Bundessozialgericht <BSG>, BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 § 39 Nr. 2; BSGE 86, 166, 167 f = SozR 3-2500 § 112 Nr. 1; BSGE 90, 1 = SozR 3-2500 § 112 Nr. 3; BSGE 100, 164 = SozR 4-2500 § 39 Nr. 12, Rn. 10; BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr. 13, Rn. 9; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr. 17, Rn. 12; BSG SozR 3-2500 § 39 Nr. 4; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr. 11 Rn. 10). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten. Die von der Klägerin erhobene (echte) Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) ist im hier bestehenden Gleichordnungsverhältnis (hierzu BSG, Urteil vom 10.04.2008 - B 3 KR 20/07 R -, juris) zulässig.

Die Klage ist mit dem korrigierten Rückforderungsbetrag in Höhe von 9.351,34 € begründet. Rechtsgrundlage für den Zahlungsanspruch der Klägerin ist der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch. Dieses aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts hergeleitete Rechtsinstitut setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind (BSG, Urteil vom 01.08.1991 - 6 RKa 9/89 -, BSGE 69, 158-166, SozR 3-1300 § 113 Nr 1). Ein öffentliches Rechtsverhältnis liegt hier vor. Die Abrechnungsbeziehungen zwischen der Klägerin als zuständigem Versicherungsträger und dem Beklagten als Leistungserbringer sind öffentlich-rechtlich geprägt. Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs gelten ähnliche Grundsätze wie im bürgerlichen Recht der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff. BGB), dem der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch zumindest insoweit vergleichbar ist, als beide Ansprüche als Ausdruck eines althergebrachten Rechtsgrundsatzes dem Ausgleich einer rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung dienen. Allerdings ist auch im Zivilrecht nicht ausdrücklich geregelt, wann eine Bereicherung ungerechtfertigt ist. Es lässt sich deshalb keine einheitliche Formel für das Vorliegen oder Fehlen eines die Vermögensverschiebung rechtfertigenden Grundes aufstellen (Palandt-Sprau, BGB, 63. Aufl. 2004, § 812 Rn. 68). Allgemein anerkannt ist jedoch auch im Bereich des Sozialrechts, dass Leistungen zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit, die in Wirklichkeit nicht besteht, grundsätzlich zurückgefordert werden können (BSG, Urteil vom 22.07.2004 - B 3 KR 21/03 R -, BSGE 69, 158, 160 = SozR 3-1300 § 113 Nr. 1 m.w.N.).

Vorliegend bestand kein Rechtsgrund für die Vergütung von Fahrkosten an den Beklagten in der erfolgten Höhe und es besteht auch kein Rechtsgrund für das Behaltendürfen der überzahlten Fahrkosten.

Nach der Rechtsprechung des BSG handelt es sich (auch) bei der Übernahme von Fahrkosten grundsätzlich um eine Sachleistung (Urteile vom 10.10.1978 - 3 RK 32/94 -, BSGE 47,79 und vom 23.02.1999 - B 1 KR 1/98 R - BSGE 83, 285). Demzufolge hat ein Versicherter einen Rechtsanspruch auf die Übernahme von Fahrkosten, und die Sozialversicherungsträger sind zur Direkt-abrechnung mit dem jeweiligen Krankentransportunternehmen verpflichtet (BSG, Urteil vom 29.11.1995 - 3 RK 32/94 - juris Rn. 28). Dass das Sachleistungsprinzip grundsätzlich auch bei Fahrkosten gilt, wird einheitlich so gesehen, nicht nur im Bereich des SGB V (vgl. jurisPK-SGB V, § 60 Rn. 149 m.w.N.). Das BSG hat bislang nicht explizit entschieden, dass das Sachleistungsprinzip auch im Bereich der (Kranken-)Transporte immer, etwa bei der Krankenfahrt mittels Taxi gilt. Allerdings hat es entschieden und daran festgehalten, dass allein aus der Tatsache, dass das Sachleistungsprinzip bei einigen Beförderungsarten nicht umsetzbar ist (z. B. Transport mit öffentlichen Verkehrsmitteln), sich nicht ergibt, dass dort eine direkte Kostenerstattung gegenüber dem Versicherten zu erfolgen hätte. Eine Kostenerstattung gegenüber dem Versicherten soll im SGB V danach nur ausnahmsweise erfolgen. Das SGB V müsste das ausdrücklich vorsehen (BSG, 30.09.2011 - B 1 KR 4/11 R -, BSGE 109, 133 Rn. 21). Von der Geltung des Sachleistungsprinzips geht auch das SGB VII in § 26 Abs. 4 Satz 2 SGB VII aus, wonach Leistungen zur Heilbehandlung und Teilhabe als Dienst- und Sachleistungen zur Verfügung gestellt werden, soweit dieses oder das Neunte Buch keine Abweichungen vorsehen. Von der Geltung des Sachleistungsprinzips sind vorliegend auch die Beteiligten ausgegangen, indem in den hier streitbefangenen Fällen eine Direktabrechnung und -zahlung mit dem rechnungstellenden Taxiunternehmer als Leistungserbringer erfolgt ist und das nun auch auf teilweise Rückzahlung von Leistungen in Anspruch genommen wird.

Der Anspruch auf Übernahme von Reise- und Fahrkosten ist in § 43 SGB VII geregelt, der § 26 SGB VII konkretisiert. § 43 Abs. 1 Satz 1 bestimmt, dass die erforderlichen Reisekosten nach § 73 SGB IX übernommen werden und gibt damit dem Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit, wie er für die gesamte Sozialversicherung nach § 69 Abs. 2 SGG IV gilt, Ausdruck (Padé in: jurisPK-SGB VII, § 43 Rn. 20). Im Übrigen werden Reisekosten zur Ausführung der Heilbehandlung nach den Absätzen bis 2 bis 5 übernommen; hierzu gehören nach Abs. 2 Nr. 1 die Fahr- und Transportkosten. Hinsichtlich der näheren Ausgestaltung verweist Abs. 5 auf die gemeinsamen Richtlinien in der Unfallversicherung. Diese sehen unter Ziff. 4.3 Satz 1 vor, dass die Kosten für die Inanspruchnahme eines besonderen angemessenen Beförderungsmittels, z.B. eines Taxis, zu erstatten sind. Die Frage der Angemessenheit richtet sich nach Satz 2 nach den Umständen des Einzelfalles und ist ggf. durch eine ärztliche Bescheinigung nachzuweisen.
 
Welches Transportmittel und welche dabei entstehenden Kosten im Einzelfall angemessen und damit übernahmefähig zu Lasten des zuständigen Sozialversicherungsträgers sind, ergibt sich damit weder aus den genannten Bestimmungen noch wird dies vorliegend durch landesrechtliche oder kommunalrechtliche Bestimmungen festgelegt.
Eine landesrechtliche Bestimmung von Benutzungsentgelten für Kostenträger einschließlich der Krankenkassen ist nur für Leistungen im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rettungsdienstes und nicht für private qualifizierte Krankentransportleistungen vorgesehen (§ 1 Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes über den Rettungsdienst Baden-Württemberg <RDG> i. d. F. vom 08.02.2010. Danach gehört nicht zum Krankentransport i.S.v. § 1 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 RDG die Beförderung von kranken Personen, die, in der Regel nach ärztlicher Beurteilung, während der Beförderung keiner medizinisch-fachlichen Betreuung bedürfen (Krankenfahrten). Die Taxitarifverordnung des R1  vom 29.06.2015 enthält keine spezifischen Regelungen für Krankenfahrten mit dem Taxi.

Auch der auf der Grundlage von §§ 60 und 133 SGB V zwischen den Verkehrsverbänden des württembergischen und badischen Verkehrsgewerbes auf der einen Seite und den Verbänden der Kranken- und Ersatzkassen sowie der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) auf der anderen Seite unter dem 20.02.2013 geschlossene Rahmenvertrag über die Durchführung und Vergütung von Krankenfahrten im Rahmen des Personenbeförderungsgesetzes, aus dessen Vergütungsregelung (§ 7 Abs. 1) in Verbindung mit Anlage 2 des Vertrages (in den verschiedenen zeitlichen Fassungen) sich die Beförderungsentgelte der Leistungserbringer für die nach diesem Vertrag durchgeführten Krankenfahrten ergeben, findet keine Anwendung. Denn der Beklagte ist – was zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit ist – kein Mitglied eines der vertragschließenden Verkehrsverbände, die Krankenfahrten (Patientenfahrten) mit Fahrzeugen des nach dem Personenbeförderungsgesetz konzessionierten Taxen- und Mietwagenverkehrs durchführen. Er ist damit nach § 1 des Rahmenvertrags nicht an dessen Bestimmungen bzw. die Preisvereinbarungen gebunden und – als Nichtmitglied eines Verkehrsverbandes – auch nicht durch sog. Verpflichtungsschein diesen vertraglichen Bindungen beigetreten.

Zwischen dem Beklagten (als Leistungserbringer) und der Klägerin als Sozialversicherungsträgerin sind auch keine Einzelverträge über die Vergütung der ihm (als Versicherten) in Form von Sachleistungen zu gewährenden Krankenfahrten zu Stande gekommen. Der Senat stellt fest, dass der Beklagte die Rechnungen über die durchgeführten Fahrten zusammen mit den vertragsärztlichen Verordnungen zur Genehmigung der Krankenfahrten an die Beklagte eingereicht hat und daraufhin Überweisungen auf die von ihm angegebene geschäftliche Bankverbindung erhalten hat. Die Verordnungen enthielten den – nach Angaben des Beklagten von seiner Verlobten angebrachten – handschriftlichen Vermerk „Es gelten unsere AGB Taxiverkehr mit Krankenbeförderung“. Der Senat stellt weiter fest, dass die Klägerin die Vergütung für die Krankenfahrten in den hier streitigen Fällen jeweils in Höhe des Rechnungsbetrages vorbehaltlos an den Beklagten überwiesen hat, ohne die Zahlungen im Verwendungszweck der Überweisung als Abschlagszahlungen kenntlich zu machen bzw. auf etwaige niedrigere Vergütungssätze hinzuweisen. Allerdings lässt sich zur Überzeugung des Senats weder aus der vorbehaltlosen Zahlung noch aus einem sonstigen Verhalten der Klägerin eine rechtsgeschäftliche Einigung zwischen Leistungserbringer und Sozialversicherungsträger über die Vergütungshöhe folgern. Zwar mag in der Einreichung der Rechnungen durch den Beklagten ein Angebot zum Abschluss eine Vergütungsvereinbarung zu den von ihm gewünschten Konditionen, insbesondere den in § 4 seiner AGB geregelten Pauschalen gesehen werden (vgl. BSG, Urteil vom 13.05.2004 - B 3 KR 2/03 R -, juris Rn. 16). Ein Rechtsbindungswille der Klägerin in Form einer zumindest konkludenten rechtsgeschäftlichen Annahme des – ungewöhnlich hohen – Preisangebots oder eines Schuldbeitritts zu dem jeweiligen Beförderungsvertrag zwischen Versichertem und Leistungserbringer lässt sich zur Überzeugung des Senats aber weder aus den vorbehaltlosen Zahlungen herleiten, noch daraus, dass von der Klägerin nach ihren eigenen Angaben zunächst Abschlagszahlungen in Höhe von insgesamt 10.852,20 € geleistet wurden. Abschlagszahlungen haben nur vorläufigen Charakter; in einer Abschlagszahlung liegt daher kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis, auch nicht partiell (Erman, BGB 16. Aufl. 2020, § 632a Rn. 5; Grüneberg, BGB 82. Aufl., § 632a Rn.3). Dies umso mehr, als der Hinweis des Beklagten auf seine AGB auf den Rechnungen und den Verordnungen auch so verstanden werden kann, dass diese nach § 1 Abs. 3 Taxitarifverordnung Gegenstand des zwischen ihm selbst als Leistungserbringer einerseits und als Versicherter andererseits geschlossenen Beförderungsvertrages geworden waren. Selbst wenn insoweit eine Einbeziehung der AGB in den Beförderungsvertrag erfolgt sein sollte, ist aber nicht konstitutiv oder anspruchsbegründend für die Rechtsbeziehung des Beklagten zur Klägerin als Sozialversicherungsträgerin in Bezug auf die Vergütung der Fahrten. Hinzu kommt, dass § 38 SGB IX n. F., auf den § 34 Abs. 8 Satz 2 SGB VII pauschal verweist, allgemein anordnet, dass die Rechtsbeziehungen zwischen Rehabilitationsträgern und ambulanten Diensten sowie stationären Einrichtungen durch Verträge zu regeln sind, die ihrerseits relativ strikten inhaltlichen Vorgaben genügen müssen (O‘Sullivan in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Auflage, Stand: 15.01.2018, § 38 Rn. 19; Schneider in: Hauck/Noftz, K § 38 Rn. 5). Auch vor diesem Hintergrund lässt sich nicht erkennen, dass ein Rechtsbindungswille der Klägerin im Hinblick auf einen Abschluss – zumal mündlicher – Vergütungsvereinbarungen mit dem Beklagten bestand, unter Außerachtlassung der strikten Maßgaben des § 38 SGB IX.

Erreichen Krankenkassen und Leistungserbringer keine Verständigung über die Vergütung von Krankentransportleistungen, die dem Anwendungsbereich von § 133 Abs. 1 SGB V unterfallen, so gewährt die Regelung nach ständiger Rechtsprechung des BSG zufolge weder ausdrücklich noch mittelbar Anspruch auf eine Entgeltbestimmung im Rahmen oder nach Art eines Schiedsverfahrens. Das BSG hat demgemäß erst recht die Gerichte grundsätzlich daran gehindert gesehen, das, was ein Leistungserbringer in Verhandlungen mit einer Krankenkasse nicht hat durchsetzen können, nachträglich zum Vertragsinhalt zu machen. (BSG, Urteil vom 17.02.2022 - B 3 KR 14/20 R - juris m.w.N.). Auch steht weder dem Leistungserbringer noch dem Sozialleistungsträger ein einseitiges Bestimmungsrecht hinsichtlich der Vergütungshöhe gemäß §§ 315, 316 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu. Diese Vorschriften, die eine einseitige Vergütungsbestimmung durch den Leistenden regeln, finden im Recht der Leistungserbringer gemäß §§ 124 ff. SGB V keine Anwendung (BSG, Urteil vom 25.09.2001 - B 3 KR 15/00 R -). § 133 Abs. 1 SGB V stellt die Vereinbarung über die Vergütung in die Vertragsautonomie der Kranken- und Rettungs-Transportunternehmer und Krankenkassen. Es entfiele aber jeglicher Anreiz zum Abschluss entsprechender Verträge, wenn ohne diese eine der Parteien ihre Preise einseitig durchsetzen könnte (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12.08.2004 - L 16 KR 81/03 -, juris m.w.N.). Fehlt es an vertraglichen Vereinbarungen nach § 133 SGB V und an sonstigen Vereinbarungen zwischen dem Leistungserbringer und den Krankenkassen, besteht für private Krankentransportunternehmen kein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf eine bestimmte Vergütung (BSG, Urteile vom 17.02.2022 - B 3 KR 13/20 R - juris Rn. 18 und vom 13.09.2011 - B 1 KR 4/11 R - BSGE 109, 133, juris Rn. 21; BSGE 85, 110 = SozR 3-2500 § 60 Nr. 4 für Ansprüche eines Rettungsdienstes gegen die Krankenkasse; s. auch Nolte in: Kass.Komm, § 60 SGB V Rn. 25a). Entsprechendes hat zu gelten, wenn – wie hier – vertragliche Kostenvereinbarungen zwischen den Spitzenverbänden bestehen, aber der Leistungserbringer aus eigenem Willen hieran vertraglich nicht gebunden ist.

Für die Bemessung der angemessenen Kosten i.S.v. § 43 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 SGB VII i.V.m. Ziff. 4.3 der Gemeinsame Richtlinien in der Unfallversicherung sind die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit entsprechend heranzuziehen, wie sie für den Inhalt von Leistungsvereinbarungen normiert sind. Nach 133 Abs. 1 Satz 5 SGB V haben sich die Preisvereinbarungen an „möglichst preisgünstigen Versorgungsmöglichkeiten“ auszurichten. Das sind nach der Rechtsprechung des BSG die Entgelte, die die Krankenkassen im Einzugsbereich des Landes im Allgemeinen für private Krankentransportleistungen vereinbart haben, ohne dass ein anderer Anbieter verlangen kann, vom landesweiten Kostenvergleich ausgenommen zu werden, noch mit dem Einwand durchdringen kann, andere Anbieter hätten andere Kostenstrukturen (BSG, Urteil vom 17.02.2022, a.a.O., juris Rn. 18). Der Maßstab der „möglichst preisgünstigen Versorgungsmöglichkeiten“ i.S.d. § 133 Abs. 1 Satz 5 SGB V determiniert und begrenzt damit unter dem Gesichtspunkt des § 71 Abs. 1 bis 3 SGB V (Beitragssatzstabilität) den Anspruch des Versicherten auf Übernahme der angemessenen Fahrkosten i.S.v. § 43 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 SGB VII i.V.m. Ziff. 4.3 der Gemeinsamen Richtlinien auch im Falle des Fehlens einer gültigen Leistungsvereinbarung zwischen den Spitzenverbänden. Und er hat in gleicher Weise bei Beauftragung eines nicht an – bestehende - Rahmenverträge gebundenen Leistungserbringers zu gelten, sofern mit diesem keine individuelle Vergütungsregelung geschlossen wurde, was wie ausgeführt hier nicht festgestellt werden kann.

Zum gleichen Ergebnis führt es, soweit in der Rechtsprechung der „angemessene“ Vergütungsanspruch des Leistungserbringers bei einer fehlenden vertraglichen Preisvereinbarung aus § 612 Abs. 1 BSG aufgrund des jeweiligen Beförderungsvertrages (vgl. dazu LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.04.2004 - L 16 KR 270/02 -, juris) oder aber aus Bereicherungsrecht - Leistungskondiktion des § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB (vgl. BSG, Urteil vom 13.05.2004 - B 3 KR 2/03 R -; BSG SozR 3-2500 § 132a Nr. 1 Satz 5) hergeleitet wird. Nach der erstgenannten Lösung ist nach § 612 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung maßgeblich. Dies ist die für gleiche oder ähnliche Dienstleistungen an dem betreffenden Ort mit Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse gewöhnlich gewährte Vergütung (Putzo in: Palandt, Kommentar zum BGB, 63. Aufl., Rdnr. 8 zu § 612). § 818 Abs. 2 BGB stellt im Bereicherungsrecht auf den objektiven Verkehrswert des Erlangten ab (BGHZ 55, 128, 135; 82, 299, 307 f.). Dies sind ebenfalls die Vergütungssätze, die üblicherweise von den Krankenkassen für vergleichbare Leistungen gezahlt werden (vgl. BSG, Urteil vom 13. Mai 2004 – B 3 KR 2/03 R –, SozR 4-2500 § 132a Nr. 1, SozR 4-7610 § 812 Nr. 1).

Hiervon ausgehend ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Klägerin ihrer Vergleichsberechnung die Bestimmungen des Rahmenvertrages mit den Spitzenverbänden und die der Taxitarifverordnung zugrunde gelegt hat. Denn diese Regelungen entsprechen den üblicherweise für vergleichbare Leistungen zu zahlenden Vergütungen anderer Taxiunternehmen und stellen damit die „möglichst preisgünstigen Versorgungsmöglichkeiten“ und auch „angemessene Fahrkosten“ im Sinne von § 43 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 SGB VII i.V.m. Ziff. 4.3 der Gemeinsamen Richtlinien dar. Dies gilt sowohl für die aus § 2 Abschn. I. 1. der Anlage 2 zum Rahmenvertrag i.V.m. §§ 2, 3 der Taxitarifverordnung entnommenen Beförderungsentgelte für Fahrten innerhalb des Tarifgebiets (hier: Standortgemeinde des Taxisbetriebs) als auch für die beim Verlassen des Tarifgebiets herangezogenen Vergütungen aus § 2 Abschnitt II. Pkt. 2 der jeweiligen Preisvereinbarung. Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass hier ausnahmsweise andere Tarife zu erstatten sein könnten, etwa weil für den Versicherten nicht erkennbar war, dass und gegebenenfalls welche Taxiunternehmen einen besonderen Leistungserbringervertrag mit der Krankenkasse oder einem anderen Sozialversicherungsträger haben und er sich daher an jedes Taxiunternehmen (mit ggf. anderen Tarifen) wenden konnte (so LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17.06.2010 - L 10 KR 1/09 -, juris). Schon angesichts der Personenidentität zwischen Versichertem und Leistungserbringer lässt eine solche Konstellation hier fern.

Die zuletzt vorgelegte Vergleichsberechnung der Klägerin trägt der Vorbehaltsklausel in § 2 Abs. 1 Nr. 2 der jeweils gültigen Preisvereinbarungen mit dem Verkehrsgewerbe mit den Sozialversicherungsträgern Rechnung, wonach Pflichtfahrgebiet der jeweilige Landkreis ist, soweit in der Rechtsverordnung nichts Anderweitiges (z.B. Tarifbezirke) geregelt ist und der Taxitarifverordnung des Rhein-Neckar-Kreises, wonach Pflichtfahrbereich nur die jeweilige Standortgemeinde des Taxibetriebes, hier S1, ist. Das bedeutet, dass bei den 45 Fahrten, die über S1 hinausgingen, nicht die Tarife der Taxitarifverordnung (Grundtarif 3,10 € + Kilometertarif 2 €/km + Zeittarif) anzusetzen waren, sondern die – niedrigeren – Tarife der Preisvereinbarungen der Spitzenverbände (Grundtarif 2,50 € + Kilometertarif zwischen 0,74 € und 0,85 €/pro km). Die zuletzt vorgelegte Vergleichsberechnung der sechs Fahrten im Ortsbereich von S1 und der 45 Fahrten außerhalb dieses Tarifgeltungsbereichs entspricht den normativen Vorgaben der genannten Regelungen und lässt keine Rechenfehler erkennen; die abgerechneten Beträge in der letzten, der Antragstellung zugrunde gelegten Fassung wurden vom Beklagten auch nicht mehr beanstandet.


Zu Recht nicht berücksichtigt wurde in der letzten Vergleichsberechnung die Rechnung Nr. 5317/19 vom 02.01.2019 (ID 489 UA) über zehn Fahrten im Zeitraum 09.12.2016 bis 23.03.2017. Denn ihr liegt keine gültige, den Vorgaben der Krankentransport-Richtlinie genügende ärztliche Verordnung zugrunde, worauf der Beklagte von der Klägerin hingewiesen worden war. Nach der ärztlichen Verordnung vom 18.07.2016 waren die Fahrten zu ambulanten Behandlungsterminen ein Mal pro Woche und über zwei Monate durchzuführen. Dieser verordneten Behandlungsfrequenz und -dauer korrespondiert nicht der Zeitraum 09.12.2016 bis 23.03.2017, in dem die 10 Fahrten durchgeführt wurden. Ein Anspruch auf Fahrkostenerstattung nach § 43 SGB VI setzt aber eine ordnungsgemäße ärztliche Verordnung der Krankenbeförderung nach § 8 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten (Krankentransport-Richtlinie - KrTr-RL) voraus (ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.08.2022 - L 10 KR 421/21 -, juris für Fahrkostenerstattung gem. § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V). Die Verordnung von Krankenfahrten verlangt nach § 8 Abs. 2 KrTr-RL unter anderem, dass die Patientin oder der Patient mit einem durch die Grunderkrankung vorgegebenen Therapieschema behandelt wird, das eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweist. Die ärztliche Verordnung vom 18.07.2016 mit einer angegebenen voraussichtlichen Behandlungsdauer von zwei Monaten rechtfertigt hiernach nicht die Erstattungsfähigkeit von Krankenfahrten im Zeitraum Dezember 2016 und März 2017. Dass der Versicherte selbst – nicht der Beklagte – mit Schreiben vom 08.10.2020 die Kostenübernahme von Fahrten zur Krankenbehandlung im Umfang von weiteren 82.011,60 € unter Angabe seiner eigenen Kontonummer beansprucht hatte unter Vorlage diverser weiterer Rechnungen, darunter der mit neuem Datum (23.12.2019), einer neuen Rechnungsnummer (5378/19) und einer handschriftlich geänderten ärztlichen Verordnung vom 18.07.2016 (ID 595 S. 174 UA) versehenen Rechnung über dieselben zehn Fahrten, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn die erneute Rechnungsstellung durch den Versicherten mit dem Antrag auf Kostenerstattung an ihn selbst betrifft, ebenso wie der hierauf ergangene, an den Versicherten adressierte Bescheid der Klägerin vom 04.01.2021 (mit Berücksichtigung dieser Rechnung mit einem Teilbetrag von 640,- €) nicht das vorliegende Prozessrechtsverhältnis zwischen den Beteiligten – hier ist nur die (ursprüngliche) Rechnung Nr. 5317/19 vom 02.01.2019 streitbefangen –, sondern die Rechtsbeziehung der Klägerin zum Versicherten, die nicht streitgegenständlich ist. Aus diesem Grund kann der von der Klägerin gegen die Erstattungsfähigkeit dieser Rechnung erhobene weitere Einwand, dass im Jahr 2017, worauf neun der zehn abgerechneten Fahrten entfallen, der Beklagte nach eigenen Angaben keine Mitarbeiter geführt und keine Lohnsumme an die Klägerin mitgeteilt hatte, weshalb diesbezüglich auch keine Krankenfahrten mit dem Taxi abgerechnet werden durften, dahinstehen.

Unter Heranziehung der zeitabschnittsweise gültigen Preisvereinbarungen der Verbände des Verkehrsbetriebes B2 mit den Sozialversicherungsträgern und der Taxitarifverordnung ist für die vom Beklagten in Rechnung gestellten 51 Fahrten lediglich ein Gesamtbetrag in Höhe von 1.501,46 € vergütungsfähig anstatt der gezahlten 10.852,80 €. Somit hat die Beklagte insgesamt 9.351,34 € ohne rechtlichen Grund gezahlt. Soweit die Klägerin mit der ursprünglichen Klage die Rückzahlung von 8.380,14 € gefordert und diesen Betrag (mehrfach) erhöhend korrigiert hat, liegt darin eine zulässige Klageänderung (§ 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG).

Dem Rückforderungsanspruch steht weder § 814 BGB analog (Zahlung auf eine Nichtschuld) noch der Grundsatz von Trau und Glauben entgegen. Allerdings ist die Anwendbarkeit des § 814 BGB in entsprechender Anwendung (Zahlung auf eine Nichtschuld) in der Rechtsprechung des BSG nicht abschließend geklärt (bejahend BSG, Urteile vom 09.04.2019 - B 1 KR 3/18 R -, juris Rn. 31 und vom 03.04.2014 - B 2 U 21/12 R - juris, wonach § 814 BGB dem Unfallversicherungsträger nicht entgegengehalten werden kann, da dessen Interesse auf die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes gerichtet sein muss; offenlassend Urteil vom 16.07.2020 - B 1 KR 15/19 R -, juris Rn. 31 sowie Urteil vom 17.12.2020 - B 1 KR 21/20 R – juris Rn. 30). Einer abschließenden Entscheidung bedarf es im vorliegenden Fall nicht, da die Voraussetzungen des § 814 BGB zur Überzeugung des Senats jedenfalls nicht erfüllt sind. Danach kann das zum Zweck der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. § 814 BGB setzt positive Kenntnis voraus; der Leistende muss wissen, dass er nach der Rechtslage nicht schuldet; jeder Rechts- oder Tatsachenirrtum schließt die Anwendbarkeit von § 814 BGB aus. Es genügt auch nicht, dass dem Leistenden die tatsächlichen Umstände, aus denen sich seine Nichtschuld ergibt, bekannt sind (BSG, Urteile vom 16.07.2020 - B 1 KR 15/19 R -, juris Rn. 32; Bundesgerichtshof <BGH>, vgl. Urteile vom 17.10.2002 - III ZR 58/02 und vom 07.05.1997 - IV ZR 35/96 -, juris Rn. 20). Allein aus der vorbehaltlosen Bezahlung überhöhter Rechnungen lässt sich kein Wissen um die (endgültige) Nichtschuld oder gar ein eigenständiges Anerkenntnis der Schuld ableiten. Unerheblich ist insoweit, dass es den Krankenkassen (oder einem anderen Sozialversicherungsträger) nicht verwehrt gewesen wäre, bei einer Zahlung unbeschadet der Erfüllungswirkung einen Vorbehalt anzubringen (BSG, Urteil vom 16.07.2020, a.a.O. Rn. 32 unter Berufung auf die Rechtsprechung des BGH). Zahlt eine Krankenkasse vorbehaltlos auf eine Krankenhaus-Rechnung, kann sie nach dem Rechtsgedanken des § 814 BGB lediglich dann mit der Rückforderung ausgeschlossen sein, wenn sie positiv gewusst hat, dass sie – etwa wegen eines fehlenden Versorgungsauftrages des Krankenhauses – zur Leistung nicht verpflichtet war (Wahl in: jurisPK-SGB V, § 109 Rn. 245 m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.03.2022 – L 11 KR 542/18 –, juris Rn. 89).

Eine solche positive Kenntnis der Klägerin von der Nichtschuld lässt sich in Bezug auf die hier streitbefangenen Zahlungen nicht nachweisen. Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Leistungsempfänger darlegungs- und beweisbelastet für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 814 BGB, also auch für die positive Kenntnis des Leistenden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 04.09.2018 - VIII ZR 100/18 – und Urteile vom 17.10.2002 - III ZR 58/02, NJW 2002, 3772 unter 3, vom 20.07.2005 - VIII ZR 199/04, NJW-RR 2005, 1464 unter II 3). Zweifel hieran gehen zu seinen Lasten (BGH, Urteile vom 17.10.2002 - III ZR 58/02, a.a.O.; vom 05.03.2015 - IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231 Rn. 45). Erleichterungen für die Darlegung und den Nachweis der Tatbestandsvoraussetzungen des § 814 BGB werden dem Leistungsempfänger nicht zugebilligt. Auch die Benennung einer Zahlung als Abschlagszahlung führt nicht zu einer Beweislastumkehr in Bezug auf das Bestehen der Forderung (Erman, BGB, a.a.O., § 632a BGB Rn. 4). Der Leistende trägt keine Beweislast dafür, dass er sich im Irrtum über die Leistungspflicht befand, denn ein solcher Irrtum ist nicht positive Voraussetzung für den Erstattungsanspruch. Es ist vielmehr Sache des Leistungsempfängers zu beweisen, dass der Leistende sich nicht nur irrte, sondern die Leistung freiwillig in positiver und gesicherter Kenntnis der Nichtschuld erbracht hat und dass bei Zweifeln des Leistenden an dem Bestand der Schuld aus seinen Erklärungen oder konkludent aus seinem Verhalten ein Verzicht auf die Rückforderung zu erblicken war. Ein entsprechender Beweis ist vorliegend nicht geführt. Gleichzeitig ist § 814 BGB eine gesetzliche Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Die den Rückforderungsausschluss tragende Wertung ist hier die Schutzbedürftigkeit des beim Leistungsempfänger erweckten Vertrauens. Für einen solchen Vertrauensschutz reicht die vorbehaltlose Zahlung ohne Hinzukommen sonstiger Umstände nicht aus. Ebenso reicht die schiere Zahl von Abrechnungsfällen nicht aus, um ein solches Vertrauen zu schaffen. Allein aus einer jahrelangen faktischen unberechtigten Abrechnung von Leistungen ergibt sich weder Vertrauens- noch Bestandsschutz (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.10.2022 - L 9 KR 263/20 -, juris Rn. 68 für Krankenhausleistungen; vgl. auch Bockholdt in: Hauck/Noftz, SGB V, K § 109 SGB V Rdnr. 234).

Der Anspruch auf Prozesszinsen ergibt sich mangels eines zwischen den Beteiligten bestehenden Vertrages aus § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. § 291 und § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB (in analoger Anwednung) in Höhe von 4 % - höhere Zinsen sind nicht geltend gemacht worden – aus dem zunächst klageweise geltend gemachten Betrag von 8.380,14 € ab - die Rechtshängigkeit der Sache nach § 94 Satz 1 SGG begründender - Klageerhebung (30.10.2019) bzw. nach Klageerweiterung am 12.07.2021 aus 8.832,34 € und nach nochmaliger Klageerweiterung am 03.03.3023 aus 9.351,34 €.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits. Entgegen der Auffassung des SG ist der Rechtsstreit der Fallgruppe des § 197a zuzuordnen, weil der Beklagte in seiner prozessualen Rolle als Leistungserbringer nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen zählt.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1 und 2, 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) und entspricht der Hauptforderung der Klage.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.



 

Rechtskraft
Aus
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