L 2 R 61/21

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 32 R 81/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 R 61/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. § 20 Abs. 1 Nr. 3b SGB VI benennt zur Bestimmung des Unmittelbarkeitszusammenhangs keinen ausdrücklichen zeitlichen Rahmen. Eine feste zeitliche Grenze lässt sich deshalb nicht ziehen, da der vom Gesetzgeber gewählte unbestimmte Rechtsbegriff nicht durch ein bestimmtes Tatbestandsmerkmal ersetzt werden kann.
2. Die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriff "unmittelbar" hat Systematik sowie Sinn und Zweck der Gesamtregelung zu berücksichtigen.
3. Für die Bestimmung des Zeitrahmens zwischen Ende des Bezuges einer Sozialleistung und Beginn einer Rehabilitationsmaßnahme ist auf den Zeitpunkt der Bewilligung der Rehabilitationsmaßnahme abzustellen, denn es kann für das Entfallen eines Anspruchs auf Übergangsgeld nicht auf ein von Versicherten nicht zu beeinflussendes, rein zufälliges Ereignis – hier: zur Verfügungstellung eines Klinikplatzes – abgestellt werden.
 

I.    Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 2. März 2021 sowie der Bescheid vom 30. Juli 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2016 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin im Zeitraum vom 3. Juni bis 8. Juli 2015 Übergangsgeld in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

II.    Die Beklagte hat der Klägerin die ihr entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

III.    Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Übergangsgeld während einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation vom 3. Juni bis 8. Juli 2015.

Die 1969 geborene Klägerin stand bis zum 20. Februar 2013 in einem Beschäftigungsverhältnis. Seit dem 30. Januar 2013 war sie arbeitsunfähig erkrankt und bezog seit dem 21. Februar 2013 bis zum 25. März 2014 Krankengeld.

Am 4. Februar 2014 beantragte sie Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bei der Beklagten. Mit Bescheid vom 11. Februar 2014 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation, die die Klägerin vom 26. März bis 18. April 2014 durchführte. Von der Rehabilitationsklinik wurde ihr für die Zeit nach der Entlassung Rehabilitationssport für die Dauer von sechs Monaten verordnet, im Übrigen wurde sie als erwerbsfähig entlassen. Mit Bescheid vom 16. April 2014 bewilligte die Beklagte für die Zeit ab dem 26. März 2014 Übergangsgeld für die Dauer der Maßnahme i.H.v. 104,81 Euro kalendertäglich.

Im Anschluss an die Reha-Maßnahme bezog die Klägerin ab dem 19. April 2014 bis zum 18. April 2015 Arbeitslosengeld. Anschließend war sie vom 19. April 2015 bis 2. Juni 2015 arbeitslos gemeldet ohne Leistungsbezug. Arbeitslosengeld II wurde mangels Hilfebedürftigkeit (Vermögen in Höhe von ca. 25.000 Euro) nicht bewilligt.

Während der Zeit des Bezuges von Arbeitslosengeld beantragte die Klägerin am 30. September 2014 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bei der Agentur für Arbeit, die diesen Antrag mit Schreiben vom 30. September 2014, eingegangen am 8. Oktober 2014, an die Beklagte weiterleitete. Diese forderte mit Schreiben vom 13. Oktober 2014 das bei der Agentur für Arbeit vorliegende ärztliche Gutachten an, das am 24. Oktober 2014 bei der Beklagten einging. Ebenfalls am 13. Oktober forderte die Beklagte die Klägerin auf, das entsprechende Formular (Anlage zum Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Berufliche Rehabilitation)) vollständig ausgefüllt zurückzusenden. Da die Klägerin telefonisch mitteilte, diesen Vordruck nicht erhalten zu haben, übersandte die Beklagte diesen mit Schreiben vom 26. November 2014 erneut. Am 7. Januar 2015 verfügte die beratende Ärztin die Anforderung von ärztlichen Befundberichten, welche im Februar 2015 eingingen. Nach Auswertung dieser Unterlagen stellte der ärztliche Dienst der Beklagten am 13. März 2015 fest, dass Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erforderlich seien. 

Mit Schreiben vom 13. März 2015 bot die Beklagte der Klägerin medizinische Leistungen an. Mit diesen erklärte sich die Klägerin am 18. März 2015, bei der Beklagten eingegangen am 23. März 2015, einverstanden. Diese Erklärung gab die Klägerin auf dem „Antrag auf Leistungen zur Teilhabe für Versicherte – Rehabilitationsantrag“ ab. Unter Punkt 3 wird abgefragt: „Derzeitige Stellung im Beruf/Erwerbsleben (bei Arbeitslosigkeit/Arbeitsunfähigkeit geben Sie bitte die letzte berufliche Stellung davor an)“. Die Klägerin kreuzte hier „nicht erwerbstätig (zum Beispiel Hausfrau/Hausmann/Rentner)“ an. Die Frage 4 „Arbeit vor Antragstellung oder vor aktueller Arbeitsunfähigkeit“ beantwortete sie mit „arbeitslos gemeldet“. Die Beklagte leitete am 26. März 2015 den Antrag intern weiter mit der Bitte, die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation unverzüglich durchzuführen. Im Rentenkonto der Klägerin waren am 1. April 2015 Pflichtversicherungszeiten bis zum 31. Dezember 2014 erfasst. Zuletzt waren vom 19. April 2014 bis 31. Dezember 2014 Entgeltersatzleistungen wegen Arbeitslosigkeit gemeldet. Nach interner Weiterleitung der medizinischen Unterlagen am 15. April 2015 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 27. April 2015 stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für fünf Wochen. Nach Übersendung der entsprechenden Unterlagen an die Klinik führte die Klägerin vom 3. Juni bis 8. Juli 2015 in der Gelderland-Klinik Geldern, Fachklinik für Psychotherapie und Psychosomatik, die Maßnahme durch. Von dort wurde sie als arbeitsfähig für den allgemeinen Arbeitsmarkt entlassen. In den letzten zwölf Monaten vor der Aufnahme habe keine Arbeitsunfähigkeit bestanden.

Bereits am 20. Mai 2015 beantragte sie Übergangsgeld bei der Beklagten. Mit Bescheid vom 30. Juli 2015 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da die Klägerin für die Dauer der bewilligten Leistungen zur Rehabilitation keinen Anspruch auf Übergangsgeld habe. Sie habe für den Bemessungszeitraum keine Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet. Zudem habe sie bis unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Leistung zur Rehabilitation keine der im Gesetz aufgeführten Sozialleistungen bezogen.

Dagegen legte die Klägerin am 28. August 2015 Widerspruch ein, mit dem sie um Stellungnahme bat, warum die Bewilligung der Reha nicht bis zum Ende des Anspruchs auf Arbeitslosengeld, d.h. zum 18. April 2015 habe erfolgen können. Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Beklagte führte aus, dass über den Rehabilitationsantrag innerhalb von drei Wochen eine Entscheidung getroffen werden müsse. Diese Frist sei nur geringfügig überschritten worden. Der Reha-Antrag sei am 23. März 2015 eingegangen und der Bewilligungsbescheid am 27. April 2015 ergangen. Diese Fristüberschreitung habe ohnehin keine rechtlichen Auswirkungen, da die Rehabilitationskliniken Wartezeiten von mehreren Wochen hätten. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, einen Aufnahmeantrag noch während des Anspruchs auf Arbeitslosengeld zu organisieren.

Am 17. Februar 2016 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Darmstadt erhoben. Sie hat geltend gemacht, dass es nicht zu ihren Lasten gehen könne, wenn die Beklagte durch ihr Verhalten eine Lücke kreiere, die dazu führe, dass sie kein Übergangsgeld erhalten könne. Ihr sei es aufgrund des Verhaltens der Beklagten unmöglich gewesen, zeitnah die medizinische Rehabilitation anzutreten. Sie habe nach dem 13. März 2015 die Beklagte mehrfach darauf hingewiesen, dass ihr Arbeitslosengeldbezug zum 18. April 2015 ende. Selbst nach Bewilligung der Rehabilitation am 27. April 2015 habe sich die Aufnahme in die Klinik verzögert, weil die Beklagte die Zusendung von Unterlagen an den Leistungserbringer (Gelderland-Klink) nicht unverzüglich veranlasst habe. Erst nach mehreren Anrufen ihrerseits bei der Beklagten seien die erforderlichen Unterlagen der Gelderland-Klinik zugeschickt worden. 

Das Sozialgericht hat durch Gerichtsbescheid vom 2. März 2021 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass die zulässige Klage nicht begründet sei. Die Klägerin sei durch den Bescheid vom 30. Juli 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2016 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Bescheid sei rechtmäßig. Die Beklagte habe es zu Recht abgelehnt, der Klägerin für die Zeit der Teilnahme an der stationären medizinischen Rehabilitation vom 3. Juni bis 8. Juli 2015 Übergangsgeld zu zahlen. Voraussetzung für einen Anspruch auf Übergangsgeld sei u.a., dass unmittelbar vor Beginn der Leistung zur medizinischen Rehabilitation Arbeitslosengeld gezahlt worden sei. Zwar sei es für die Unmittelbarkeit nicht erforderlich, dass ein nahtloser Übergang erfolge. Ein Abstand von mehr als vier Wochen wahre jedoch nicht mehr den Anschluss an den Vorbezug (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 1981, 1 RJ 74/79, juris; Haack in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl., § 20 SGB VI (Stand: 22.01.2019) Rn. 11). Bei der Klägerin lägen zwischen dem Ende des Arbeitslosengeldbezugs am 18. April 2015 und dem Beginn der medizinischen Rehabilitation am 3. Juni 2015 mehr als vier Wochen, so dass deshalb ein Anspruch auf Übergangsgeld ausscheide. Auch im Wege des sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sei die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Übergangsgeld nicht möglich. Der Herstellungsanspruch komme nicht in Betracht, wenn lediglich ein Fehler der Sachbearbeitung in der Sache selbst vorliege, der nicht zu einem ungünstigen Verhalten des Versicherten geführt habe. Die Klägerin mache gerade einen solchen Fehler geltend, indem sie vortrage, die Bearbeitung ihres Antrags sei verzögert erfolgt. Selbst wenn man einen solchen Fehler annehmen würde, hätte sich daraus aber kein ungünstiges Verhalten der Klägerin ergeben. Bereits deshalb scheide ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch aus. 

Die Klägerin hat gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 3. März 2021 zugestellten Gerichtsbescheid am 3. März 2021 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt.

Sie ist der Ansicht, dass der Unmittelbarkeitszusammenhang gewahrt sei. Die Lücke zwischen dem Ende des Arbeitslosengeldbezuges und dem Antritt der Reha-maßnahme sei durch die schleppende Bearbeitung der Beklagten entstanden. Es könne nicht sein, dass eine Überschreitung der Entscheidungsfrist von 14 Tagen bei der Beklagten unerheblich, eine Überschreitung einer nicht genau bestimmten Frist bei der Klägerin, obwohl sie diese nicht habe beeinflussen können, anspruchsvernichtend sei.

Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 2. März 2021 sowie den Bescheid vom 30. Juli 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr im Zeitraum vom 3. Juni bis 8. Juli 2015 Übergangsgeld in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist zur Berufungserwiderung auf die erstinstanzliche Entscheidung und erachtet diese als zutreffend. Zudem verweist sie darauf, dass sie keinen Einfluss auf die Wartezeiten in den Reha-Kliniken habe, so dass sie keinen Einfluss darauf nehmen könne, ob eine Unmittelbarkeit noch gegeben sei oder nicht. Die regelmäßig auftretenden Wartezeiten in den Rehabilitationseinrichtungen über die Monate im Frühjahr und Sommer entstünden durch die steigenden Antragszahlen und damit steigenden Bewilligungen.

Zum weiteren Sach- und Streitstand wird im Übrigen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

 
Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Berufung ist auch begründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 2. März 2021 konnte keinen Bestand haben. Der Bescheid vom 30. Juli 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2016 war aufzuheben, denn er ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG

Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Gewährung von Übergangsgeld im Zeitraum vom 3. Juni bis 8. Juli 2015.

Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Übergangsgeld ist – nachdem die streitgegenständliche Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation von der Klägerin im Jahr 2015 durchlaufen worden ist – § 45 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in der Fassung bis 31. Dezember 2017 (inhaltsgleich mit dem ab 1. Januar 2018 geltenden § 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX) i.V.m. §§ 20, 21 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) (in der bis zum 29. Dezember 2016 gültigen Fassung).

Gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX leisten im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation die Träger der Rentenversicherung Übergangsgeld nach Maßgabe dieses Gesetzes und der §§ 20, 21 SGB VI. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 3b SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Übergangsgeld, die bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation unmittelbar vor Beginn der Leistungen Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld II oder Mutterschaftsgeld bezogen haben und für die von dem der Sozialleistung zugrunde liegenden Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen oder im Falle des Bezugs von Arbeitslosengeld II zuvor aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt worden sind.

Die Klägerin erfüllt diese Voraussetzungen. Sie hat vom 3. Juni bis 8. Juli 2015 an einer von der Beklagten bewilligten Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation teilgenommen und unmittelbar vor Beginn dieser Maßnahme, nämlich vom 19. April 2014 bis zum 18. April 2015, Arbeitslosengeld bezogen. Von dem Arbeitsentgelt, welches dem Arbeitslosengeld zugrunde lag, wurden auch Beiträge zur Rentenversicherung bezahlt.

Der Bezug von Arbeitslosengeld bis zum 18. April 2015, also sechseinhalb Wochen vor Antritt der Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation in der ausgewählten Klinik, genügt den Anforderungen der „Unmittelbarkeit“ im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 3b SGB VI.

Das Gesetz benennt zur Bestimmung des Unmittelbarkeitszusammenhangs keinen ausdrücklichen zeitlichen Rahmen. Eine feste zeitliche Grenze lässt sich nach Ansicht des Senats nicht ziehen. Der vom Gesetzgeber gewählte unbestimmte Rechtsbegriff kann nicht durch ein bestimmtes Tatbestandsmerkmal ersetzt werden (siehe hierzu BSG, Urteil vom 7. September 2010, B 5 R 104/08 R, SozR 4-3250 § 49 Nr. 1).

Die Verwendung des Ausdrucks "unmittelbar“ erfordert nach der ständigen Rechtsprechung des BSG keinen nahtlosen Übergang (Urteil vom 12. April 2017, B 13 R 14/16 R, SozR 4-4200 § 25 Nr. 2; Urteil vom 7. September 2010, B 5 R 104/08 R, SozR 4-3250 § 49 Nr. 1; Urteil vom 29. Januar 2008, B 5a/5R 26/07 R, SozR 4-3250 § 51 Nr. 1; Urteil vom 5. Februar 2009, B 13 R 27/08 R, SozR 4-3250 § 28 Nr. 3). Dem Begriff "unmittelbar" ist nach seiner Bedeutung im allgemeinen Sprachgebrauch keine starre zeitliche Grenze, auch nicht im Sinne einer bestimmten "Höchstdauer", zu entnehmen. Als Antonym von "mittelbar" beschreibt dieses Adjektiv nicht nur einen rein zeitlichen, sondern ebenso einen sachlichen Zusammenhang. In diesem Sinne als "unmittelbar" wird auch ein Zusammenhang zwischen zwei Umständen bezeichnet, der sachlich durch nichts Anderes, Drittes vermittelt sein darf (Jüttner in: Hauck/Noftz, SGB, 02/16, § 20 SGB VI, Rn. 30). Gegen ein Verständnis allein als bestimmte Höchstdauer oder als eine Frist spricht zudem, dass solche konkreten Zeitspannen sehr einfach zu bestimmen sind durch Angabe genauer Wochen- oder Monatszeiträume. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit regelt der Gesetzgeber konkrete Zeitgrenzen stets in dieser Weise (BSG, Urteil vom 23. Februar 2017, B 11 AL 3/16 R, BSGE 122, 279-286).

Ist danach der unbestimmte Rechtsbegriff "unmittelbar" auch als Beschreibung eines sachlichen Zusammenhangs zwischen zwei Umständen anzusehen, hat seine Auslegung vor allem Systematik sowie Sinn und Zweck der Gesamtregelung zu berücksichtigen, weil dadurch der geforderte sachliche Zusammenhang mitbestimmt wird (siehe hierzu auch BSG, Urteil vom 26. Juni 2007, B 2 U 23/06 R, SozR 4-2700 § 45 Nr. 1). Ob ein enger zeitlicher Zusammenhang, ein Anschluss, gegeben ist, kann nur einzelfallbezogen unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Norm bestimmt werden. Die Zweckbestimmung des Übergangsgeldes nach § 20 SGB VI liegt darin, während einer Rehabilitationsmaßnahme die Entgelt- und Einkommensverhältnisse aufrechtzuerhalten, die dem bisherigen Lebensstandard des Versicherten zugrunde liegen („Kontinuitätsauftrag“). Es soll den Entgelt- und Einkommensverlust – sei es den Ausfall von Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen oder einer der in dieser Norm benannten Sozialleistungen – ausgleichen („Entgelt- bzw. Ausgleichsfunktion“), dem ein in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherter durch die Inanspruchnahme von Rehabilitationsleistungen ausgesetzt ist (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2017, B 13 R 14/16 R, SozR 4-4200 § 25 Nr. 2 m.w.N). 

Allerdings kann die Gewährleistung von Kontinuität im Sinne einer Fortgeltung der Bemessungsgrundlage einer früher bezogenen Leistung im Blick auf die regelmäßig vorzunehmende Bemessung des Übergangsgeldes auf der Grundlage des der konkreten Maßnahme zur Teilhabe vorangehenden Bemessungszeitraums nach den §§ 46, 47 SGB IX nur dann in Betracht kommen, wenn sich nicht zwischenzeitlich eine andere Leistungsgrundlage gebildet hat oder hätte bilden können, weil sonst eine von Zufälligkeiten freie und den Lebensstandard des Versicherten ausreichend widerspiegelnde Bemessung des Übergangsgeldes nicht gewährleistet wäre (vgl. BSG, Urteil vom 7. September 2010, B 5 R 104/08 R, SozR 4-3250 § 49 Nr. 1; Haack in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 3. Aufl., § 20 SGB VI (Stand: 25.04.2023), Rn. 18). Das BSG hat zur früheren Regelung des § 1241b Reichsversicherungsordnung (RVO) und in jüngerer Rechtsprechung zu § 49 Halbs. 1 SGB IX a.F. entschieden, dass ein die Bildung einer anderen Lebensgrundlage im Sinne der genannten Vorschriften ausschließender „Anschluss" in der Regel dann gegeben sei, wenn der zeitliche Abstand zwischen dem Ende des früheren Leistungsbezuges und dem Beginn der Maßnahme zur Teilhabe weniger als vier Wochen betrage (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 1981, 1 RJ 74/79, BSGE 51, 193-198; Urteil vom 21. Juni 1983, 4 RJ 39/82, SozR 2200 § 1240 Nr. 11; Urteil vom 7. September 2010, B 5 R 104/08 R, SozR 4-3250 § 49 Nr. 1). Unmittelbarkeit ist noch gegeben, wenn keine wesentlichen Tatbestände dazwischenliegen (Jüttner in: Hauck/Noftz SGB VI, § 20 Anspruch, Rn. 30). Das Wesentlichkeitserfordernis wird dabei sowohl durch ein zeitliches als auch ein qualitatives Moment bestimmt. In zeitlicher Hinsicht darf es sich nur um kurze Unterbrechungen handeln, wobei durchaus Rückschlüsse aus der Dauer der vorhergehenden beitragspflichtigen Tätigkeit gezogen werden können. Dauerte diese etwa mehrere Jahre an, kann die Lücke größer sein als bei kürzeren Vorzeiten, da sie dann als nicht wesentlich erscheint (vgl. auch BSG, Urteil vom 23. Februar 2017, B 11 AL 3/16 R, BSGE 122, 279). 

Im vorliegenden Fall beträgt der Zeitraum zwischen dem Bezug von Arbeitslosengeld und dem Beginn der Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation sechseinhalb Wochen und liegt damit über einem Monat. Der Zeitraum zwischen Ende des Bezuges von Arbeitslosengeld und Bewilligung der Rehabilitationsmaßnahme beträgt dagegen neun Tage. Beantragt hatte die Klägerin die Gewährung von Teilhabeleistungen, die bei Vorliegen von Arbeitslosigkeit und die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigenden Erkrankungen ihrer Erwerbsintegration dienen sollten, schon im Jahr 2014, mithin lange vor dem Ende des Bezuges von Arbeitslosengeld. Angeboten hatte die Beklagte der Klägerin die Gewährung einer solchen Maßnahme schon im März 2015, ebenfalls vor dem Ende des Bezuges von Arbeitslosengeld. Eine andere wirtschaftliche Lebensgrundlage hat sich für die Klägerin nach dem Ende des Arbeitslosengeldes bis zu dem Beginn der Rehabilitationsmaßnahme nicht gebildet. Dies war auch nicht zu warten, weil bereits im März 2015 zwischen den Beteiligten klar war, dass die Klägerin zunächst eine medizinische Rehabilitation durchlaufen soll, bevor Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durchgeführt werden können, und die Klägerin mit dem zeitnahen Beginn der Maßnahme rechnen konnte. Der konkrete Zeitpunkt wurde dabei von der Beklagten bzw. Klinik vorgegeben und war von der Klägerin nicht zu beeinflussen. Unter Berücksichtigung der oben bereits dargelegten Zweckbestimmung des Übergangsgeldes nach § 20 SGB VI, die Entgelt- und Einkommensverhältnisse aufrechtzuerhalten, die den bisherigen Lebensstandard des Versicherten prägten („Kontinuitätsauftrag“), ist deshalb im vorliegenden Fall der zeitliche Abstand zwischen dem Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld und dem Beginn der Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation gewahrt. Nach Ansicht des Senats muss im vorliegenden Fall ohnehin auf den Zeitpunkt der Bewilligung der Rehabilitationsmaßnahme abgestellt werden, denn es kann für das Entfallen eines Anspruchs auf Übergangsgeld nicht auf ein von der Klägerin nicht zu beeinflussendes, letztlich rein zufälliges Ereignis – zur Verfügungstellung eines Klinikplatzes – abgestellt werden. Die Klägerin hat es nicht in der Hand, ob ihr nach Bewilligung der Rehabilitationsmaßnahme binnen weniger Tagen oder binnen sechs Wochen ein Platz in einer Rehaklinik angeboten wird. Wenn es auf diesen tatsächlichen Geschehensablauf ankommen sollte, dann hätte es an der Beklagten gelegen, der Klägerin einen solchen Platz unverzüglich zu beschaffen. Die Beklagte treffen gemäß §§ 13 ff. Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) Aufklärungs-, Beratungs- und Auskunftspflichten. Die Beklagte wusste, dass sich die Klägerin im Bezug von Arbeitslosengeld befand. Der gesamte interne Prozess dauerte bei der Beklagten von September 2014 bis Juni 2015, was im Hinblick auf die Intention der Verfahrensregelungen der §§ 14 ff. SGB IX deutlich zu lange ist und der Klägerin nicht zum Nachteil gereichen kann. Ebenfalls kann für das Bestehen eines Übergangsgeldanspruchs auch keine saisonale Auslastung der Reha-Kliniken maßgeblich sein. Nach Ansicht des Senats zeigt die engagiert geführte Diskussion in den Schriftsätzen der Beteiligten, dass es rechtlich für den Unmittelbarkeitszusammenhang nicht auf einzelne Tage der Bearbeitungs- oder Belegungswartedauer der Beklagten bzw. der Reha-Klinik ankommen kann. Maßgeblich ist, ob das Übergangsgeld für die Klägerin im Anschluss an das Arbeitslosengeld während der Rehabilitationsmaßnahme eine Lohnersatzfunktion haben sollte bzw. gehabt hätte. Dies ist vorliegend gegeben. Bei der Klägerin waren aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen Defizite bei der Partizipation am Arbeitsleben eingetreten, weshalb sie Teilhabeleistungen benötigte, um wieder in das Erwerbsleben integriert zu werden. Deshalb hatte sie sich nach dem Ende des Bezuges von Arbeitslosengeld noch keine neue (wirtschaftliche) Lebensgrundlage geschaffen, sondern war auf die Lohnersatzleistung Übergangsgeld zur Finanzierung ihres Lebensunterhaltes angewiesen.

Letztlich wurden für die Klägerin von dem dem Arbeitslosengeld zugrundeliegenden Arbeitsentgelt zuvor Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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