Meniskusschäden bei Profifußballer anerkannt

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Speyer (RPF)
Aktenzeichen
S 12 U 303/18
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 2 U 78/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1.Angesichts des eindeutigen Verordnungswortlauts der BK Nr. 2102 der Anlage 1 zu BKV kann bei einem Profifußballspieler keine in bestimmten Stunden zu berechnende Expositionsdauer verlangt werden.

2.Bei Profifußballspielern kommt es durch extrem dynamische Belastungen zu einer erheblichen Bewegungsbeanspruchung der Kniegelenke, die zu zufälligen, repetitiven Mikrotraumen im Bereich der Menisken mit Schäden und Rissbildungen durch Aufsummierung führen können.

3.Wegen der erheblichen dynamischen Bewegungsbeanspruchung kann eine bestimmte belastungskonforme Lokalisation der Schäden im Sinne einer beidseitigen primären Meniskopathie nicht gefordert werden.

1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 13.04.2019 und der Bescheid der Beklagten vom 11.10.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2018 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 12.09.2012 zurückzunehmen und festzustellen, dass die Schädigungen des Innen- und Außenmeniskus im linken Kniegelenk des Klägers eine Berufskrankheit nach der Nr. 2102 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung sind.

2. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Überprüfungsverfahren über die Feststellung eines Meniskusschadens im linken Kniegelenk des Klägers als Berufskrankheit (BK) Nr. 2102 der Berufskrankheitenverordnung.

Der am       1964 geborene Kläger war ab dem 01.07.1981 als Profifußballspieler für den 1. FC Kaiserslautern und die Eintracht Frankfurt tätig. Er stand bis 1989 - zuletzt für die SG Union Solingen - als Profifußballspieler unter Vertrag.

Nach Angaben im Durchgangsarztbericht des PD Dr. D       vom 12.03.1986 und einer bei der Beklagten am 01.04.1986 eingegangenen Unfallanzeige der Eintracht Frankfurt erlitt der 1964 geborene Kläger bei seiner Tätigkeit als Lizenzfußballspieler der Eintracht Frankfurt im Rahmen eines Bundesligaspieles in Kaiserslautern am 22.02.1986 einen Fußtritt gegen das linke Knie. Insoweit wurden eine Kontusion und ein Bluterguss am linken Knie festgestellt.

Nach dem Unfallereignis konnte der Kläger zunächst weiter trainieren und im Folgenden auch am 01.03.1986 ein weiteres Bundesligaspiel bestreiten.

Aufgrund zunehmender Beschwerden im Bereich des linken Kniegelenks suchte der Kläger am 07.03.1986 erneut Dr. D       auf. Dort gab er an, dass er in Zusammenhang mit dem Unfallereignis zunächst relativ beschwerdefrei gewesen sei. Dr. D       beschrieb einen Druckschmerz des äußeren Kapselligaments und Reste eines Blutergusses als Gelbverfärbung. Sichere Meniskuszeichen wurden nicht festgestellt; Streckung und Beugung als endgradig schmerzhaft angegeben.
Dr. D       diagnostizierte eine „nicht frische“ Fettkörperkontusion des linken Kniegelenks. Nicht ausschließen konnte er zudem eine Knorpelimpression. Die Punktion des linken Kniegelenkes ergab 6 ml serösen Erguss.

Unter konservativer Behandlung bei bestehender Arbeitsfähigkeit zeigte sich eine deutliche Beschwerdebesserung, sodass die Therapie am 16.04.1986 beendet werden konnte.

Im Folgenden äußerte Dr. D       den Verdacht auf eine Verletzung im Bereich des Hinterhorns des linken Außenmeniskus sowie eines Knorpelschadens im Femuropatellargelenk.

Am 03.06.1986 wurde im Universitätsspital Z      eine Arthroskopie des linken Kniegelenkes durchgeführt. In seinem Operationsbericht beschrieb Prof. Dr. G     zwei Rissbildungen im Außenmeniskus sowie eine weitere am Innenmeniskusvorderhorn. Er beurteilte den Schaden als Querriss am Hinterhornansatz des lateralen Außenmeniskus und als Oberflächenriss mit Lappenbildung im Außenmeniskusvorderhornbereich. Weiter stellte er einen kleinen Meniskuseinriss am freien Rand des medialen Innenmeniskusvorderhorns mit Lappenbildung fest. Eine histologische Untersuchung wurde nicht durchgeführt.

Die Beklagte veranlasste in dem von ihr eingeleiteten Feststellungsverfahren zum Vorliegen eines Arbeitsunfalles die Erstellung eines Gutachtens vom 20.02.1987 zur Zusammenhangsfrage bei Dr. Z           , BG Unfallklinik F        . Dieser verneinte in Zusammenschau des geschilderten Unfallmechanismus, bei dem niemals sowohl Außen- als auch Innenmeniskus gleichzeitig verletzt werden könnten, und der Befunde der Arthroskopie das Vorliegen von traumatisch bedingten Meniskusschäden. Die festgestellten Veränderungen seien vielmehr als Folge von vielen Mikrotraumen und als Folge einer Summe von Bagatellverletzungen des Kniegelenks aufzufassen. Auf ein einziges Unfallereignis könnten die festgestellten Schäden jedenfalls nicht zurückgeführt werden. Dafür spreche auch der Umstand, dass bei der Kniegelenkspunktion am 07.03.1986 nur ein seröser Erguss von 6 ml festgestellt worden sei. Bei einer Meniskusverletzung hätten sich wenigstens noch Spuren von Blut finden müssen.

Einen Verwaltungsakt das Ereignis vom 22.02.1986 betreffend erließ die Beklagte zunächst nicht.

Am 30.11.2011 stellte der Kläger einen Antrag auf Einleitung eines Berufskrankheitenverfahrens.

Auf Veranlassung der Beklagten fertigte Prof. Dr. B       am 12.06.2012 ein fachchirurgisches Zusammenhangsgutachten zum Vorliegen einer BK Nr. 2102. Zusammengefasst kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass eine durch Überbeanspruchung im Profifußballsport eingetretene (primäre) Meniskopathie im Sinne der BK Nr. 2102 nicht nachzuweisen sei. Dagegen sprächen die Lokalisation der jeweiligen Läsionen am Innen- und Außenmeniskus, die Rissform und der zeitliche Verlauf ohne Neuauftreten weiterer Meniskusläsionen. Allerdings hielt der Sachverständige eine traumatische Entstehung der bei der Arthroskopie vom 03.06.1986 festgestellten Meniskusschäden durch das Unfallereignis vom 22.02.1986 für möglich.

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 12.09.2012 lehnte die Beklagte die Feststellung einer BK Nr. 2102 gestützt auf das Gutachten des Prof. Dr. B       ab.

Mit Schreiben vom 03.06.2016 beantragte der Kläger unter Verweis auf das Gutachten des Prof. Dr. B       festzustellen, dass die Innen- und Außenmeniskusschäden im linken Kniegelenk Folgen des Ereignisses vom 22.02.1986 seien.

Daraufhin holte die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme des
Dr. T        vom 20.06.2016 ein. Dieser schloss sich der Einschätzung des Dr. Z            an, dass traumatisch bedingte Meniskusschäden nicht wahrscheinlich gemacht werden könnten.

Mit Bescheid vom 13.07.2016 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 22.02.1986 als Arbeitsunfall mit der Folge einer folgenlos abgeheilten Prellung des linken Kniegelenks an. Nicht als Folgen des Arbeitsunfalles festgestellt wurden ein Querriss am Hinterhornansatz des linken Außenmeniskus, ein oberflächlicher Riss mit Lappenbildung im Vorderhornbereich des linken Außenmeniskus, ein kleiner Riss am freien Rand des Vorderhorns des linken Innenmeniskus mit Lappenbildung mit nachfolgender Teilresektion des linken Außenmeniskus im Hinterhorn- und Vorderhornbereich sowie geringer Teilresektion des linken Innenmeniskus im Vorderhornbereich.

Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.10.2016 zurück. Die Risse im Bereich des linken Außen- und Innenmeniskus seien nicht durch das Ereignis vom 22.02.1986 objektiv bewirkt worden. Hierfür sei erforderlich, dass das das konkrete Unfallereignis nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand generell oder allgemein geeignet gewesen sei, den Gesundheitsschaden zu verursachen. Hieran fehle es jedoch. Menisken unterlägen bevorzugt degenerativen Veränderungen, sodass ursächlich für Meniskusrisse deshalb zumeist ein Verschleiß des Meniskusgewebes sei. Weniger häufig seien hingegen traumatisch bedingte Meniskusrisse. Degenerativ bedingte Meniskusveränderungen verliefen in vielen Fällen zunächst ohne klinische Symptome. Eine direkte Einwirkung auf das Kniegelenk, etwa durch einen Fußtritt, gefährde die Menisken deutlich nachrangig nach anderen Kniegelenksstrukturen. Insoweit seien deutliche Verletzungszeichen an Strukturen, die nicht bevorzugt degenerativen Veränderungen unterlägen, wie etwa Knochen-, Kapsel- oder Bandstrukturen Voraussetzung dafür, dass sich durch einen direkten Verletzungsmechanismus eine unfallbedingte Gefährdung der Menisken begründen lasse. Ein isolierter Meniskusschaden ohne Kapsel-Bandverletzung oder knöcherne Schäden im Bereich des Kniegelenks sei durch einen direkten Unfallmechanismus nicht zu begründen. Auch bei einer indirekten Gewalteinwirkung auf das Kniegelenk würden die zwischen den Gelenkflächen liegenden Menisken grundsätzlich erst dann unter Stress gesetzt, wenn der Kapsel-Bandapparat verletzt sei. In aller Regel sei dieser dann zerrissen. Unter Zugrundelegung der vorgenannten wissenschaftlichen Erkenntnisse sprächen zahlreiche Gesichtspunkte dagegen, dass das Ereignis vom 22.02.1986 die erstmals bei der Arthroskopie vom 03.06.1986 festgestellten Meniskusrisse objektiv bewirkt habe. So hätten sich keine Hinweise auf eine Mitbeteiligung des Kapsel-Bandapparates gefunden, für die Einblutungen typisch seien. Bei der Erstbehandlung am 07.03.1986 durch PD Dr. D       habe dieser einen rein serösen Erguss ohne Blutbeimengungen punktiert. Nach den Darlegungen des Dr. Z            in dessen Gutachten vom 20.02.1987 hätten bei einer schwerwiegenderen Verletzung der Kniebinnenstruktur auch 14 Tage nach dem Ereignis zumindest in Spuren noch Blutbeimengungen sichtbar sein müssen. Auch spreche der Umstand, dass der Kläger seine Tätigkeit als Fußballspieler nach dem Unfallereignis fortgesetzt habe, gegen eine Mitbeteiligung des Kapsel-Bandapparates. Auch sei der geschilderte Unfallhergang eines Fußtritts gegen das linke Kniegelenk und somit eine direkte Krafteinwirkung auf dieses nicht geeignet, einen isolierten Meniskusschaden zu verursachen. Nach alledem seien die Risse im Bereich des linken Außen- und Innenmeniskus nicht als weitere Gesundheitserstschäden des Unfallereignisses vom 22.02.1986 festzustellen.

Der Kläger hat am 21.11. 2016 gegen den Bescheid vom 13.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.10.2016 Klage zum Sozialgericht (SG) Speyer auf Feststellung der Risse im linken Außen- und Innenmeniskus als weitere Unfallfolgen erhoben (S 9 U 275/16).

Mit Schreiben vom 26.06.2017 beantragte der Kläger im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X erneut die Feststellung einer BK Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV.

Der Präventionsdienst der Beklagten gelangte in einer Stellungnahme vom 26.09.2017 zu der Einschätzung, dass der Kläger bis zum Erkrankungsbeginn maximal 1.756 Stunden im Sinne der BK Nr. 2102 kniebelastend tätig gewesen sei. Die abgeleisteten Spiel- und Trainingsstunden lägen auch ohne Berücksichtigung eventueller weiterer Fehlzeiten unter der für eine mehrjährige Tätigkeit erforderlichen Stundenzahl von 3.200 Stunden.

Zusätzlich veranlasste die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. H         vom 10.07.2017, in der dieser von einer schicksalhaften Entstehung der Meniskusschäden ausging. Diese seien weder als unfallbedingt zu bewerten noch lägen die Voraussetzungen einer BK Nr. 2102 vor. Gegen letztere spreche insbesondere der Umstand, dass das Innenmeniskushinterhorn als typischer erster Ort einer verschleißbedingten Entschädigung ausgespart sei. Auch sei es am rechten Kniegelenk nicht zu einem Meniskusschaden gekommen, obwohl dieses einer gleichförmigen berufssportlichen Belastung unterworfen gewesen sei.

Diesen Einschätzungen folgend lehnte es die Beklagte mit Bescheid vom 11.10.2017 ab, den Bescheid vom 12.09.2012 nach § 44 SGB X aufzuheben, da sowohl die arbeitstechnische Voraussetzung der Mehrjährigkeit, umgerechnet in Stunden entsprechend einer Tätigkeit im Umfang von 3.200 Stunden als auch die medizinischen Voraussetzungen der BK Nr. 2102 nicht erfüllt seien.

Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte ein orthopädisch-unfallchirurgisches Gutachten des Prof. Dr. R    vom 27.07.2018 ein. Dieser bejahte die medizinischen Voraussetzungen der BK Nr. 2102 beim Kläger. Zur Begründung führte er im Wesentlichen Folgendes aus: Beim Kläger seien ein Querriss des Außenmeniskushinterhorns, ein kleiner Lappenriss des Außenmeniskusvorderhorns und ein kleiner Lappenriss des Innenmeniskusvorderhorns im Rahmen einer Arthroskopie des linken Kniegelenks durch Prof. Dr. G     am 03.06.1986 festgestellt worden. Konkurrierende Faktoren für die aufgetretenen Meniskusschäden, wie etwa eine Fehlstellung der Achse, Bandverletzungen oder gelenksnahe Frakturen seien nicht feststellbar gewesen. Die BK Nr. 2102 sei ursprünglich für Tätigkeiten in bestimmter Körperhaltung, wie etwa Untertagetätigkeiten, geschaffen worden. Diese seien dadurch gekennzeichnet, dass in beengten Verhältnissen, etwa in der Hocke, in der Kniebeuge, aber auch im Knien gearbeitet werde. Hierdurch werde das Innenmeniskushinterhorn belastet. Der Fußballsport werde durch andere Bewegungsmechanismen wie Richtungsänderungen und Abstoppbewegungen geprägt. Der Bewegungsmechanismus lasse sich als „Pivotieren“, als Bewegung um einen Drehpfeiler herum, beschreiben. Hierdurch komme es zu übermäßigen Bewegungen vor allem im äußeren Kniekompartiment und aufgrund des Umstandes, dass diese Mechanismen strecknah stattfänden, eher zu einem Betroffensein der mittleren und nicht nur der hinteren Gelenkanteile. Es seien sowohl das Hinterhorn als auch der mittlere bis vordere Anteil des Kniegelenks betroffen. Bei einem zum Zeitpunkt der festgestellten Meniskusschäden 21-jährigen Profifußballer, wie dem Kläger, könne nicht von einer anlagebedingten Degeneration ausgegangen werden. Auch seien bei ihm keine dafür verantwortlichen Erkrankungen bekannt. Der Sachverständige
Dr. Z            habe - jedenfalls insoweit korrekt - in seinem Gutachten zum Ausdruck gebracht, dass Meniskusschäden die Folge repetitiver Mikrotraumen seien. Diese führten zwar als Einzelursachen nicht zur Zerreißung eines Meniskus, beschädigten diesen jedoch auf mikrostruktureller Ebene. Bei der Aufsummierung derartiger Schädigungen bei nur geringem Reparationspotenzial des Meniskus insbesondere in der weiß-weißen Zone komme es dann irgendwann zu einer Rissbildung. Beim Profifußballer könne daher nicht apodiktisch die Mitbeteiligung des Innenmeniskushinterhorns gefordert werden, um eine BK Nr. 2102 anzuerkennen. Diese Forderung verkenne vollkommen die besonderen Belastungsbedingungen im Profifußballsport im Vergleich etwa zu einer Tätigkeit als Bergmann. Schließlich sei auch darauf hinzuweisen, dass die Forderung von tausenden von Expositionsstunden keinerlei wissenschaftlich belegbare Gründe habe. Diese Forderung verkenne auch die Art der Entstehung von Meniskusschäden beim Profifußballer.

Dieser Einschätzung vermochte sich der Beratungsarzt der Beklagten Prof.
Dr. S     in seiner Stellungahme vom 20.08.2018 nicht anzuschließen. Es bestünden bereits Zweifel am Schadensbild einer primären Meniskopathie. Eine solche lasse sich dem Arthroskopiebefund des Prof. Dr. G     vom 03.06.1986 nicht entnehmen. Da keine histologische Untersuchung veranlasst worden sei, lasse sich eine vom Altersdurchschnitt abweichende Texturstörung im Meniskusgewebe nicht belegen. Schließlich sei anlässlich der Arthroskopie im Jahre 1986 keine Meniskusresektion durchgeführt worden, was auch gegen eine primäre Meniskopathie spreche. Prof. Dr. R    sei in seinem Gutachten Belege für eine besondere Kniebelastung der Menisken im Fußballerknie schuldig geblieben. Letztlich erschöpfe sich seine Stellungnahme in der Begründung, dass der Kläger im Jahre 1986 bei der Feststellung der Meniskusauffälligkeiten erst 21 Jahre alt gewesen sei. Im konkreten Fall des Klägers sei davon auszugehen, dass das Kriterium der Mehrjährigkeit erfüllt sei, da bei Profifußballern die Exposition bereits weit vor dem eigentlichen Beschäftigungsbeginn einsetze.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.11.2018 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und führte zur Begründung Folgendes aus: Es könne bereits nicht vom Vorliegen einer mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeit ausgegangen werden. Der Verordnungsgeber gehe regelhaft von einer vollschichtigen Tätigkeit, also einer ganzjährigen und ganztägigen Arbeit aus. Berufsfußballspieler seien jedoch aufgrund der Eigenart ihrer Tätigkeit untervollschichtig tätig. Man orientiere sich bei der Expositionsermittlung am Vollarbeiterrichtwert. Dieser belaufe sich auf 1600 Stunden pro Jahr. Eine mehrjährige, d. h. eine mindestens zwei Jahre andauernde Tätigkeit müsse daher mit 3.200 Stunden angesetzt werden. Zum Zeitpunkt der Meniskusveränderungen des Klägers, die am 22.02.1986 festgestellt worden seien, ergebe sich eine Gesamtzahl an Spiel- und Trainingsstunden von 1.756 Stunden. Dabei seien die Zeiten als Profispieler vom 01.07.1981 bis zum 22.02.1986 berücksichtigt worden. Schließlich seien auch die medizinischen Voraussetzungen einer BK Nr. 2102 nicht gegeben. Das Gutachten des Prof. Dr. R    sei unschlüssig, wie sich aus der beratungsärztlichen Stellungnahme des Prof. Dr. S     ergebe.

Der Kläger hat gegen den Bescheid vom 11.10.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2018 Klage zum SG Speyer mit dem Rechtsschutzziel erhoben, die Voraussetzungen einer BK Nr. 2102 festzustellen (S 9 U 303/18). Das Verfahren ist mit dem Verfahren - S 9 U 275/16 - zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.

Der Kläger hat im Klageverfahren die Auffassung vertreten, es müsse von einer traumatischen Entstehung der Meniskusschäden durch das Unfallereignis vom 22.02.1986 ausgegangen werden. Der zeitliche Verlauf spreche für einen Unfallzusammenhang. Bei unfallunabhängigen Degenerationen sei zu erwarten, dass diese im Laufe der Jahre voranschritten. Weitere Meniskusschäden sowie erneute operative Eingriffe hätten jedoch unstreitig nicht stattgefunden. Jedenfalls liege aber eine BK Nr. 2102 im linken Kniegelenk vor, sodass der diesbezügliche Ausgangsbescheid zurückzunehmen sei. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anerkennung dieser BK seien erfüllt. Er sei als Berufsfußballer bereits seit dem 01.07.1981 im Rahmen eines unfallversicherten Beschäftigungsverhältnisses tätig gewesen. Die erstmalige Manifestation der Schädigung des Außen- und Innenmeniskus im linken Kniegelenk habe sich bei dem operativen Eingriff am Meniskus am 03.06.1986 gezeigt. Zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger seine Tätigkeit als Fußballspieler zum Zeitpunkt der festgestellten Meniskusschädigung bereits fünf Jahre ausgeübt, so dass eine „mehrjährige“ belastende Tätigkeit als gegeben angesehen werden könne. Sofern die Beklagte für die Anerkennung der arbeitstechnischen Voraussetzungen zusätzlich den Nachweis von 3.200 Stunden fordere, stehe dies im eindeutigen Widerspruch zum Wortlaut des Merkblatts zur BK
Nr. 2102, in dem die Berufsfußballer ausdrücklich als gefährdete Berufsgruppe genannt würden.
Neben den arbeitstechnischen würden eindeutig auch die medizinischen Voraussetzungen der BK Nr. 2102 vorliegen, wie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. R    vom 27.07.2018 ergebe.

Die Beklagte hat Stellungnahmen des Beratungsarztes Dr. H         vom 30.04. und 19.07.2019 vorgelegt. In seiner Stellungnahme vom 30.04.2019 hat Dr. H         ausgeführt, dass die grundsätzliche Problematik der Klärung der Zusammenhangsfrage zwischen einer beruflichen Tätigkeit und einer Meniskusschädigung darin bestehe, dass zu keinem Zeitpunkt in der Vergangenheit epidemiologische Studien zum Zusammenhang von beruflicher Belastungsintensität und einem medizinischen Schädigungsbild erstellt worden seien. Die Anerkennung der BK Nr. 2102 bei Bergleuten sei ausschließlich erfahrungsbasiert gewesen. Dies gelte auch, soweit diese Berufskrankheit auf andere Tätigkeitsfelder, wie diejenigen von Berufssportlern, erweitert worden sei. Diese Erweiterung ohne einen wissenschaftlichen Konsens sei problematisch. Für die Auffassung von Prof. Dr. R   , dass das als belastungskonform angesehene Schadensbild für mehr statisch ausgerichtete Belastungen bei Belastungen aus dem berufssportlichen Bereich nicht anzunehmen sei, gebe es keine epidemiologischen Studien. Auch beim Sportler sei das Innenmeniskushinterhorn gefährdet. Eine Abwesenheit von Schäden in diesem Bereich spreche damit eher gegen die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs mit einer beruflichen Belastung. Das Kriterium der „Mehrjährigkeit“ sei in Bezug auf berufssportliche Tätigkeiten wenig aussagekräftig. Auch die stundenmäßige Erfassung erscheine nicht geeignet. Beim Kläger seien am Außenmeniskus zwei Rissbildungen beschrieben worden (eine bis in die Hälfte der Meniskussubstanz im Hinterhornbereich, eine weitere im Vorderhornbereich als tangentiale Läsion an der Meniskusoberfläche mit Bildung eines Lappens). Am Innenmeniskus sei ein kleiner Meniskusriss im Vorderhornbereich mit einem kleinen Meniskuslappen festgestellt worden. Entgegen der Auffassung von Prof. Dr. S     sei dieser Befund bei einem 22-jährigen keineswegs als normal anzusehen. Der Operationsbericht des Prof.
Dr. G     lasse jedoch keinen Rückschluss auf eine Ursache für diese Schäden zu. So sei keine histologische Untersuchung erfolgt. Der Vollbeweis einer degenerativen Meniskuserkrankung sei nicht zu erbringen.

In seiner weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme vom 19.07.2019 hat Dr. H         Folgendes ausgeführt: Es sei besonders problematisch, wenn bei dynamischen Belastungen, wie etwa im Fußballsport, ein fehlendes belastungskonformen Schadensbild postuliert werde. Hier sei eine epidemiologische Basis zu ermitteln. Im Fall des Klägers liege kein degenerativ verursachter Schaden vor, da keine Dokumentation durch Prof. Dr. G     erfolgt und auch das andere Kniegelenk nicht betroffen sei. Es liege kein belastungskonformes Schadensbild im Sinne eines degenerativen Meniskusschadens vor.

Durch Urteil vom 13.04.2021 hat das SG die Klage mit folgender Begründung abgewiesen: Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Rücknahme des Bescheides vom 12.09.2012, denn seine Kniegelenksbeschwerden seien keine BK Nr. 2102, die er infolge seiner beruflichen Tätigkeit erlitten habe. Nach § 44 Abs.1 SGB X sei ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergebe, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erweise, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden seien. Die Voraussetzungen des § 44 SGB X seien vorliegend nicht erfüllt, denn der Bescheid vom 12.09.2012 sei rechtmäßig. Nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV seien Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten eine BK. Voraussetzung für die Anerkennung einer BK sei neben dem Vorliegen eines berufskrankheitentypischen Erkrankungsbildes, dass die schädigenden Einwirkungen im Sinne des Berufskrankheitentatbestandes nachgewiesen seien und dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung sowie zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung bestehe. Dabei müssten die schädigende Einwirkung, die versicherte Tätigkeit und die als Berufskrankheit geltend gemachte Gesundheitsschädigung im Vollbeweis nachgewiesen sein, während für die Beurteilung der Kausalzusammenhänge die hinreichende Wahrscheinlichkeit genüge. Das Entstehen von länger andauernden Krankheitsfolgen infolge der beruflich bedingten Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) sei regelmäßig keine Voraussetzung für die Anerkennung einer BK. Das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen könne dahinstehen, da jedenfalls die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr. 2102 nicht gegeben seien. Dies folge aus den überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Beratungsarztes Dr. H         in seinen Stellungnahmen vom 10.07.2017, 30.04.2019 und 19.07.2019. In diesen habe Dr. H         ausgeführt, dass beim Kläger bereits kein anerkennungsfähiges Krankheitsbild im Sinne der BK Nr. 2102 erwiesen sei. Eine erstmalige Manifestation der Schädigung des Außen- und Innenmeniskus im linken Kniegelenk habe sich bei einem operativen Eingriff am Meniskus am 03.06.1986 gezeigt. Beschrieben worden sei der Außenmeniskus mit zwei Rissbildungen. Am Innenmeniskus habe sich ein kleiner Meniskusriss im Vorderhornbereich mit einem kleinen Meniskuslappen gezeigt. Eine Dokumentation eines Degenerationsgrades sei nicht erfolgt. Eine histologische Untersuchung habe nicht stattgefunden. Der Erstbefund knapp zwei Wochen nach dem Schädigungsereignis habe keinerlei eindeutige Meniskuszeichen enthalten. Vielmehr seien Streckung und Beugung als endgradig schmerzhaft beschrieben worden. Der Vollbeweis eines degenerativ verursachten Schadens im Sinne eines primären Meniskusschadens liege damit nicht vor. Vielmehr spreche die Aussparung des üblicherweise bei einer BK gefährdeten Hinterhorns des Innenmeniskus gegen einen Zusammenhang. Das vom Beratungsarzt Dr. H         geforderte belastungskonforme Schadensbild im Sinne eines degenerativen Meniskusschadens entspreche auch den Ausführungen in der medizinisch-wissenschaftlichen Literatur. So werde beispielsweise auch bei Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, ausgeführt, dass es sich bei der primären Meniskopathie um - durch besondere berufliche Umstände verursachte - Aufbrauch- und Degenerationserscheinungen mit einer Einbuße an Elastizität und Gleitfähigkeit des gesamten Meniskussystems handele, während bei der sekundären Meniskopathie zunächst ausgedehnte Knorpelschäden erschienen. Ursächlich hierfür seien die Minderwertigkeit des Gelenkknorpels, Folgen arthrotischer Veränderungen bei anlagebedingten oder posttraumatischen Achsenfehlstellungen, posttraumatische Stufenbildungen im Bereich der Gelenkkörper nach Frakturen oder eine posttraumatische Instabilität des Gelenkes nach Kapselbandverletzungen. Sekundär folge dann der Meniskusschaden. Dabei handele es sich dann nicht um eine BK, weil die versicherte Tätigkeit keine rechtlich-wesentliche Ursache für diesen sekundären Meniskusschaden sei. Ein danach für die Anerkennung als BK zu fordernder primärer Meniskusschaden, der als berufsbedingt anerkannt werden könne, liege nicht vor. Der Auffassung des Prof. Dr. R    in dessen Gutachten vom 27.07.2018 könne nicht gefolgt werden. Der Gutachter begebe sich nach eigenem Bekenntnis eindeutig außerhalb des wissenschaftlich Belegbaren. Dies gelte unter anderem für seine Feststellung, wonach Verteilungsmuster mit dem Betroffensein des Außenmeniskushinterhorns und des Übergangs zum Vorderhorn für eine „High-Risk“ Sportart im Sinne der Entstehung für repetitive Mikrotraumen belastungskonform seien.

Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Unfallfolgen aufgrund des Ereignisses vom 22.02.1986. Der Bescheid der Beklagten vom 13.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.10.2016 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Meniskusschäden im linken Kniegelenk seien nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich auf das Unfallereignis vom 22.02.1986 zurückzuführen. Zunächst sei der Unfallhergang, wie die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 20.10.2016 zutreffend ausgeführt habe, bereits dem Grunde nach nicht geeignet gewesen, eine Zerreißung des Innen- und Außenmeniskus zu verursachen. Dies stehe aufgrund der eigenen Angaben des Klägers zum Unfallhergang wie auch aufgrund der von dem Durchgangsarzt Dr. D       anlässlich der ersten Untersuchungen des Klägers zeitnah nach dem Unfallereignis erhobenen Befunde fest. Danach habe der Kläger einen Tritt gegen das linke Knie erlitten. Es habe sich lediglich eine Prellung ohne Anzeichen frischer knöcherner Verletzungen gefunden. Geeignete Unfallabläufe, die zu einer traumatischen Verletzung des Meniskus führen könnten, seien indes nach medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen eine fluchtartige Ausweichbewegung unter Drehung des Oberkörpers bei fixiertem Fuß, der Sturz bei fixiertem Fuß des Standbeins sowie „Schwungverletzungen“, z. B. die schwungvolle Körperdrehung bei Hängenbleiben des Standbeins im Sport (Hochsprung, Weitwurf, Fußball) oder ein Absprung vom fahrenden Zug. Eine Krafteinwirkung (Prellung) auf das gestreckte Kniegelenk reiche nicht. Nach alledem sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfallereignis vom 22.02.1986 und der am linken Kniegelenk objektivierten Meniskusschäden nicht wahrscheinlich zu machen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 21.04.2021 zugestellte Urteil am 17.05.2021 Berufung eingelegt.

Zu deren Begründung trägt er vor, dass das Sozialgericht die Klage zu Unrecht abgewiesen habe. Bei ihm sei vom Vorliegen der Voraussetzungen der BK Nr. 2102 auszugehen, sodass die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 SGB X im Hinblick auf die Rücknahme des bestandskräftigen Bescheides vom 12.09.2012 hinsichtlich der Schädigungen des Innen- und Außenmeniskus im linken Kniegelenk gegeben seien. Er sei „mehrjährig“ im Sinne der streitbefangenen BK tätig gewesen, da der Verordnungsgeber keinen bestimmten zeitlich fassbaren Anteil für kniebelastende Tätigkeiten an der täglichen Arbeitszeit vorgebe. Bei seiner versicherten Tätigkeit als Profifußballer sei er den schädigenden Einwirkungen wesentlich ausgesetzt gewesen. Andere nichtversicherte oder außerberufliche Expositionen seien nicht ersichtlich. Es sei auch vom Vorliegen eines berufskrankheitentypischen Erkrankungsbildes auszugehen. Bei ihm seien im Rahmen der Arthroskopie vom 03.06.1986 ein Querriss am Außenmeniskushinterhorn, ein kleiner Lappenriss im Bereich des Außenmeniskusvorderhorns sowie des Innenmeniskusvorderhorns festgestellt worden, die jeweils mittels Teilresektion versorgt worden seien. Es liege mithin ein im Vollbeweis gesicherter Meniskusschaden vor, der durch die versicherten schädigenden Einwirkungen, die er im Rahmen seiner Tätigkeit als Profifußballer erlitten habe, hervorgerufen worden sei. Dies ergebe sich aus dem schlüssigen und überzeugenden Gutachten des Prof. Dr. R    vom 27.07.2018. Die beratungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. Hochstein seien zu Teilen widersprüchlich. So fordere dieser, dass im Bereich des Innenmeniskushinterhorns auch im Fußballsport Schäden auftreten müssten, damit man von einem belastungskonformen Schadensbild sprechen könne. Woher der Beratungsarzt diese Erkenntnis nehme, bleibe jedoch unklar, da er selbst darauf hingewiesen habe, dass es insoweit keine epidemiologischen Studien zu Schadensbildern im Profisport gebe. Auch sei bekannt, dass dieses Schadensbild für Dauerzwangshaltungen kennzeichnend sei, die jedoch gerade beim Fußballer nicht aufträten. Dort seien vielmehr rezidivierende Mikrotraumen, hervorgerufen durch dynamische Belastungen, prägend. Der Fußballsport sei durch häufig wiederkehrende erhebliche Bewegungsbeanspruchung, insbesondere Belastungen durch Laufen und Springen mit häufigen Knick-, Dreh- oder Scherbewegungen geprägt. Dr. Hochstein übertrage die biomechanischen Erkenntnisse zu statischen Belastungen einfach auf dynamische Belastungen. Auch sei das Erfordernis einer beidseitigen Meniskopathie nicht für häufig wiederkehrende erhebliche Bewegungsbeanspruchung zu fordern.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 13.04.2019 und den Bescheid der Beklagten vom 11.10.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 12.09.2012 zurückzunehmen und festzustellen, dass die Schädigungen des Innen- und Außenmeniskus im linken Kniegelenk eine Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung sind.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Dem Gutachten des Prof. Dr. R    sei das SG zu Recht nicht gefolgt. Es könne nicht vom Vorliegen einer primären Meniskopathie im Wege des Vollbeweises ausgegangen werden. Hierfür sei erforderlich, dass ein belastungskonformes Schadensbild an den Menisken festgestellt werden müsse. Hieran fehle es vorliegend jedoch. Das Schadensbild sei bei statischer und dynamischer Belastung identisch. Insoweit sei ein Schaden im Bereich des Hinterhorns des Innenmeniskus zu fordern. Ein isolierter Schaden im Bereich des Außenmeniskus reiche nicht aus.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat Prof. Dr. R    eine orthopädisch-unfallchirurgische Stellungnahme vom 07.01.2022 abgegeben: Primäre Meniskopathie bedeute, dass die Meniskusschädigung nicht Folge einer anderen Erkrankung, wie etwa einer Arthrose sei. Die stärkste Form der Schädigung des Meniskus sei der Meniskusriss. Dann gehe es um die Frage, welches die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer primären Meniskopathie seien. Im Falle des Klägers gehe aus dem Operationsbericht des Prof. Dr. G     aus dem Jahr 1986 hervor, dass keine relevanten Knorpelschäden feststellbar gewesen seien, sondern lediglich Rissbildungen an den Menisken. Auch andere Erkrankungen in Gestalt anlagebedingter oder externer Einflussfaktoren seien im Fall des Klägers nicht feststellbar. Ob histologisch der Nachweis einer sogenannten Texturstörung zusätzlich zum Meniskusriss zu erbringen sei, sei dahingehend beantworten, dass ein breiter fachmedizinischer Konsens dahingehend bestehe, dass die Histologie als verzichtbar angesehen werde. Vorliegend sei der Nachweis durch Arthroskopie erbracht worden. Ein MRT, dessen Eignung zum Nachweis eines Meniskusschadens umstritten sei, habe 1986 ohnehin nicht zur Verfügung gestanden. Eine Beidseitigkeit der Meniskusschäden sei weder nach dem Merkblatt noch nach der wissenschaftlichen Literatur zu fordern. Die BK Nr. 2102 sei 1988 über den Bergmannsberuf hinaus für andere Berufsgruppen geöffnet worden, ohne dass ihre epidemiologischen Grundlagen nachgebessert worden seien. Eine relevante Auseinandersetzung mit etwaigen Besonderheiten des Berufsfußballsportlers sei in der Literatur niemals wirklich erfolgt. Daher seien die tradierten Vorstellungen zum Schadensbild für Berufe, die im Knien und Hocken verrichtet würden, nicht auf den Berufsfußballer übertragbar. Die Kniebelastung im Fußballsport unterscheide sich erheblich von der Kniebelastung im Knie- und Hocksitz. Professionelle Fußballer liefen in einem Spiel 10 Kilometer oder mehr mit häufigen abrupten Stopps und Beschleunigungen. Ihre Knie unterlägen deshalb einem sehr hohen Belastungsniveau. Das Risiko für Verletzungen im Bereich des Kniegelenks sei erhöht und zwar sowohl im Sinne eines Makrotraumas (Rupturen der Kreuzbänder, des Meniskus oder Frakturen) als auch im Sinne von Mikrotraumata etwa als Folgen von Prellungen. Ein Profifußballspieler sei einer repetitiven Mikrotraumatisierung ausgesetzt. Diese resultiere aus Abstopp-Dreh-Antrittsbewegungen. Diese führten zu Mikrotraumen im Bereich des Außenmeniskus, da der äußere Gelenkanteil und damit auch der Außenmeniskus stärker dynamisch belastet sei als der Innenmeniskus. Dabei sei zu beachten, dass der Meniskus hinsichtlich seines Stoffwechsels und seiner Anpassungsvorgänge als äußerst „träge“ beschrieben werden könne. Sein Reparationspotenzial sei gering bis nicht vorhanden. Daher führe in einem Gewebe, das über kein relevantes Anpassungs- und Heilungsvermögen verfüge, ein gehäuftes Auftreten von Mikroverletzungen schließlich zur Substanzzerrüttung und zur Ausbildung eines Gewebeschadens im Sinne eines Meniskusrisses.

Die Beklagte ist dieser Stellungnahme entgegengetreten und hat hierzu am 28.02.2022 ausgeführt, dass diese nicht nachvollziehbar sei. Dies gelte auch für die vom Gutachter verwandten Literaturzitate.

In einer weiteren von Amts wegen eingeholten orthopädisch-unfallchirurgischen Stellungnahme vom 11.03.2022 hat Professor Dr. R    zu den von der Beklagten im Schriftsatz vom 28.02.2022 erhobenen Einwendungen Stellung bezogen. Er hat nochmals darauf hingewiesen, dass die handbuchbasierten Sichtweisen sich hinsichtlich der Meniskusbelastung beim Leistungssportler nicht auf einem neueren Stand befänden. Profifußballer seien einer anderen Form der Kniebelastung ausgesetzt als Personen, die semistatisch in beengten Verhältnissen arbeiteten. Die Belastungen von Profisportlern im Kniebereich würden als sogenannte „raue Beanspruchungen“ in der Literatur bezeichnet. Profifußballer unterlägen im Hinblick auf das äußere Kniegelenk ungünstigen Bewegungsmustern. Eine repetitive Überbelastung führe zu einer repetitiven Mikrotraumatisierung des äußeren Anteils des Kniegelenks und in der Folge des Außenmeniskus.

Die Beklagte hat eine beratungsärztliche Stellungnahme des Prof. Dr. S     vom 20.04.2022 vorgelegt: Es seien keine biomechanischen Untersuchungen bekannt, die sich explizit mit den Belastungen der Menisken beim Fußballspiel befassten. Daher könnten nur allgemeine Kenntnisse zur Pathophysiologie und Biomechanik des Meniskus herangezogen werden. Aus den von Prof. Dr. R    in Bezug genommenen Studien folge keineswegs, dass Fußballer in erhöhtem Maß dem Risiko einer isolierten Außenmeniskusschädigung ausgesetzt seien. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass in den genannten Untersuchungen eine differenzierte Betrachtung zwischen Innenmeniskus- und Außenmeniskusschäden nicht erfolgt sei.

In einer weiteren von Amts wegen eingeholten Stellungnahme vom 11.08.2022 hat sich Prof. Dr. R    mit der beratungsärztlichen Stellungnahme des Prof. Dr. S     vom 20.04.2022 auseinandergesetzt. Er hat ausgeführt, dass die Belastung im Knien oder im Hocksitz eine eher statisch-kontinuierliche Belastung sei, die im Wesentlichen bei starken Kniebeugewinkeln um 90° und darüber stattfinde. Die Belastung beim Profifußballspieler sei eine sehr dynamische Belastung, die überwiegend strecknah in Kniebeugestellungen zwischen 0° und 40° stattfinde. Bereits aus dieser völlig anderen Kniehaltung während der Belastung ergäben sich völlig andere Lastflüsse im Gelenk. Bei kniender und hockender Tätigkeit sei eine kontinuierliche Beanspruchung mit „dauerhafter Überforderung“ gegeben, während das schädigende Element beim Profifußballsportler das rezidivierende Mikrotrauma sei. Das Mikrotrauma sei ein Trauma, welches im Hinblick auf die Belastung dem Makrotrauma entspreche. Da die Einwirkung beim Makrotrauma aber noch stärker sei, komme es hier zu makroskopischen, d.h. mit dem Auge sichtbaren Gewebeschädigungen am Meniskus mit Kontinuitätstrennung. Bei Mikrotraumata komme es nur zu Schäden auf mikroskopischer Ebene, die dann aber im Sinne der Häufung an einer Stelle ebenfalls zum Strukturversagen und zur Kontinuitätstrennung führen könnten. Aus dieser völlig anderen Beanspruchung der Art nach, aber auch der Lokalisation nach, resultierten andere Verteilungen des Schadensbildes am Meniskus als bei den klassischen Berufsgruppen wie Bergleuten oder Fliesenlegern. Das Mikrotrauma sei eine zufällige Einwirkung, sodass auch hinsichtlich der Lokalisation der Schadenseinwirkung eine zufällige Verteilung im Gelenk auftrete, während die definierte Körperhaltung „Hocken“ und „Knien“ eine eher immer gleiche, sehr viel “standardisiertere“ Einwirkung erzeuge. Die sogenannte „raue Bewegungsbeanspruchung“ beim Profifußballer stehe einem geradezu apodiktischen Festhalten am Mitbetroffensein des Innenmeniskushinterhorns entgegen. Dies gelte umso mehr, als in der medizinischen Literatur anerkannt sei, dass es auch ohne beruflich relevante Exposition zu vorzeitigen Texturstörungen und damit einem Betroffensein des Innenmeniskushinterhorns komme.

Die Beklagte ist dieser Stellungnahme des Prof. Dr. R    nochmals entgegengetreten und hat eine anonymisierte, nicht auf den vorliegenden Fall bezogene beratungsärztliche Stellungnahme des Facharztes für Chirurgie und Unfallchirurgie M    -C       vom 02.06.2022 vorgelegt. In dieser hat der Beratungsarzt ausgeführt, dass ein isolierter Außenmeniskusschaden bei einem Berufsfußballspieler kein belastungskonformes Schadensbild darstelle, da es an der für eine berufsbedingte Verursachung erforderlichen Innenmeniskusbeteiligung fehle. Die biomechanische Belastung des Fußballspielers unterscheide sich nicht wesentlich von der Belastung eines Bergmanns. Sogenannte raue, d.h. dynamische Bewegungsabläufe, zögen eine höhere Gefahr einer Innenmeniskusschädigung nach sich. Hieraus folge, dass eine isolierte Schädigung eines Außenmeniskus bei intaktem Innenmeniskus kein belastungskonformes Schadensbild einer BK Nr. 2102 darstelle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die Verwaltungsakte verwiesen, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers führt in der Sache zum Erfolg.

Die Beklagte ist unter Aufhebung des Bescheids vom 11.10.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2018 in Anwendung von § 44 SGB X zu verurteilen, den Bescheid vom 12.09.2012, mit dem die Feststellung einer BK
Nr. 2102 abgelehnt wurde, zurückzunehmen und festzustellen, dass die im Juni 1986 objektivierten Schädigungen des Innen- und Außenmeniskus im linken Kniegelenk des Klägers eine Berufskrankheit nach der Nummer 2102 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung sind.

Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

Der Bescheid vom 12.09.2012, mit dem die Feststellung der BK Nr. 2102 abgelehnt worden ist, ist rechtswidrig und daher in Anwendung von § 44 Abs. 1 SGB X zurückzunehmen.

Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind und denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind.

Für die Anerkennung einer BK muss die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen oder ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen müssen weiterhin die betreffende Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale versicherte Tätigkeit, Verrichtung, Einwirkungen und Krankheit müssen im Sinne des sogenannten Vollbeweises, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur Überzeugung des Gerichts vorliegen. Hierfür genügt eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, die nach der Lebenserfahrung praktisch der Gewissheit gleichkommt, weil sie bei jedem vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar überschauenden Menschen keine Zweifel mehr bestehen lässt (vgl. Keller in: MKLS, § 128 Rn. 3 b m.w.Nw. zur st. Rspr.). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt hingegen die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht jedoch die bloße Möglichkeit. Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs bei Berufskrankheiten stellt sich in der Regel schwieriger dar als diejenige etwa bei einem Arbeitsunfall als zeitlich begrenztes Ereignis. Angesichts der multifaktoriellen Entstehung vieler Krankheiten, der Länge der zu berücksichtigenden Zeiträume und des Fehlens eines typischerweise durch berufliche Einwirkung verursachten Krankheitsbildes bei vielen Berufskrankheiten stellt sich letztlich oft nur die Frage nach einer wesentlich mitverursachenden Erkrankung durch die versicherten Einwirkungen (vgl. etwa BSG, Urt. v. 27.06.2006 - B 2 U 20/04 R -).

Nach der Definition der BK Nr. 2102 setzt diese eine „mehrjährige andauernde oder häufig wiederkehrende, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastende Tätigkeit voraus“ (i.d.F. der Änderungsverordnung vom 22.03.1988, in Kraft seit dem 01.04.1988). Mit dieser Änderung wurde die zuvor nur für Untertagearbeiter geltende BK Nr. 2102 (Meniskusschäden nach mindestens dreijähriger regelmäßiger Tätigkeit unter Tage) als offene und für alle Berufsgruppen geltende Berufskrankheit ausgestaltet.

Angesichts der seit dem 01.04.1988 geltenden sehr weiten Definition der äußeren Einwirkung ist ergänzend auf die Ausführungen im Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur vorgenannten BK abzustellen. Diesem kommt zwar keine rechtliche Verbindlichkeit zu, es ist aber als Interpretationshilfe und zur Wiedergabe des bei seiner Herausgabe aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstandes heranzuziehen (vgl. etwa BSG, Urt. v. 17.12.2015 - B 2 U 11/14 R - juris Rn. 16). Hiernach ist eine überdurchschnittliche Belastung der Kniegelenke biomechanisch gebunden an eine Dauerzwangshaltung, insbesondere bei Belastungen durch Hocken oder Knien bei gleichwertiger Kraftaufwendung oder häufig wiederkehrender erheblicher Bewegungsbeanspruchung, insbesondere durch Laufen oder Springen mit häufigen Knick-, Scher- oder Drehbewegungen auf grob unebener Unterlage. Als eine mögliche Gefahrenquelle werden in dem Merkblatt auch Ballsportarten wie Fußball oder Tennis bei Ausübung als Berufssportler genannt.

Eine überdurchschnittliche Belastung der Kniegelenke muss nicht nur ihrer Art nach, sondern auch nach ihrer Dauer und Intensität zur Verursachung der Krankheit geeignet sein. Insoweit ist erforderlich, dass die Belastung mehrjährig oder häufig wiederkehrend auftritt.

Zur Überzeugung des Senats liegen die arbeitstechnischen Voraussetzungen der streitbefangenen BK vor. Der Kläger war als Profifußballer in der Zeit vom 01.07.1981 bis zuletzt 1989 tätig. Im Juni 1986 wurden bei ihm im linken Kniegelenk Schäden am Außen- und am Innenmeniskus festgestellt.

Der Begriff der Mehrjährigkeit bedeutet bereits seinem Wortlaut nach einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren. Der Kläger war im Zeitpunkt der Arthroskopie im Juni 1986, bei der Schädigungen im Außen- und Innenmeniskus festgestellt wurden, rund fünf Jahre überdurchschnittlich meniskusbelastend als Profifußballer für den 1. FC Kaiserslautern und die Eintracht Frankfurt tätig. Die von der Beklagten im Verwaltungsverfahren vertretene Auffassung, dass der Begriff der Mehrjährigkeit eine Mindestexpositionszeit von 3.200 Stunden für zwei Jahre erfordere, findet weder im Verordnungstext der BK Nr. 2102 noch im Merkblatt eine Stütze. Dieser Auffassung steht auch zur Überzeugung des erkennenden Senats die grammatikalische, systematische und teleologische Interpretation des Verordnungstextes sowie des Merkblatts entgegen (vgl. insoweit die eingehenden, überzeugenden und zutreffenden Darlegungen des LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 19.03.2021 - L 8 U 1828/19 - juris Rn. 55, 56 sowie des Bay. LSG, Urt. v. 16.06.2021 - L 17 U 365/18 - juris Rn. 43, 44). Aufgrund der fehlenden Dosis-Wirkungs-Beziehung der BK Nr. 2102 ist eine bestimmte in Stunden zu berechnende Expositionszeit nicht erforderlich. Der Verordnungsgeber gibt gerade keinen bestimmten, zeitlich fassbaren Anteil der kniebelastenden Tätigkeiten an der täglichen Arbeitszeit vor (Mehrtens/Brandenburg, BKV-Kommentar, Stand: Dezember 2022, M 2102 Rn. 3). Hätte der Gesetzgeber eine derartige Belastungsdosis für erforderlich erachtet, hätte er diese selbst in die Verordnung aufnehmen müssen. Angesichts des eindeutigen Verordnungswortlauts der BK
Nr. 2102 ist der Verwaltung eine Konkretisierung und Festlegung einer Belastungsdosis von Rechts wegen verwehrt.

Letztlich hält auch die Beklagte ersichtlich an ihrer im Verwaltungsverfahren vertretenen Auffassung vom Erfordernis einer Mindestexpositionszeit von 3200 Stunden für zwei Jahre zwischenzeitlich selbst nicht mehr fest, da eine solche auch in den beratungsärztlichen Stellungnahmen des Prof. Dr. S     vom 20.08.2018 und des Dr. H         vom 30.04.2019, auf die die Beklagte sich bezieht, nicht verlangt wird.

Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass der unter professionellen Bedingungen ausgeübte Fußballsport grundsätzlich eine häufig wiederkehrende, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastende Tätigkeit i.S. der 2. Alt. der BK Nr. 2102 darstellt. Da im Fußballsport extreme dynamische Belastungen auftreten, ist es zur Überzeugung des Senats gerade nicht zwingend erforderlich, dass die Tätigkeit „auf grob unebener Unterlage“, wie etwa bei Rangierern verrichtet worden sein muss. Der Kläger hat diese Tätigkeit bis zur Feststellung der Schäden im linken Kniegelenk im Juni 1986 auch mehrjährig, nämlich rund fünf Jahre, ausgeübt.

Aufgrund der überzeugenden und nachvollziehbaren Darlegungen des Prof. Dr. R    im Verwaltungs- sowie im gerichtlichen Verfahren geht der Senat davon aus, dass es erhebliche Unterschiede in der Art der Meniskusbelastung zwischen Profifußballspielern und Fliesen- und Parkettlegern oder Untertagearbeitern gibt. Dies ergibt sich aus dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Prof. Dr. Rupp vom 27.07.2018 sowie den im gerichtlichen Verfahren auf Antrag des Klägers und von Amts wegen eingeholten Stellungnahmen desselben vom 07.01.2022, 11.03.2022 und 11.08.2022. Dem steht nicht entgegen, dass das Gutachten des Prof. Dr. R    vom 27.07.2018 für die Beklagte erstellt und in das Verfahren eingebracht worden ist. Der Senat verwertet dieses Verwaltungsgutachten im Wege des vom Sachverständigenbeweis zu unterscheidenden Urkundenbeweises. Das Gutachten genügt in Form und Inhalt den (Mindest-) Anforderungen, die an ein wissenschaftlich begründetes Sachverständigengutachten zu stellen sind (vgl. BSG, Beschl. v. 30.03.2017 - B 2 U 181/16 B - juris Rn. 9 sowie Urt. v. 01.03.1984 -  9a RV  45/82 - juris Rn. 12).

Prof. Dr. R    hat nachvollziehbar dargelegt, dass aus der spezifischen Belastungssituation der Kniegelenke beim Fußballspielen und der hieraus resultierenden unterschiedlichen Beanspruchung der beiden Kniegelenke keine Beidseitigkeit im Schadensbild zu fordern ist. Nach dem Merkblatt sind Belastungen durch Hocken oder Knien bei gleichzeitiger Kraftaufwendung oder häufig wiederkehrender erheblicher Bewegungsbeanspruchung, insbesondere Laufen oder Springen mit häufigen Knick-, Scher- oder Drehbewegungen auf grob unebener Unterlage eine geeignete Belastung. Der von einem Berufssportler ausgeübte Fußballsport wird hiervon erfasst. Die Belastungsmomente, denen Profifußballspieler biomechanisch im Hinblick auf das Meniskusgewebe ausgesetzt sind, unterscheiden sich deutlich von denen eines Untertagearbeiters oder eines Fliesenlegers. Letztere sind quasi-statischen Beanspruchungen ausgesetzt, die aus berufstypischen Zwangshaltungen resultieren. Bei Berufsfußballspielern kommt es hingegen zu schnellen und ruckartigen Belastungsspitzen. Deshalb kann bei der Bewertung der arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht von denselben Maßstäben bei verschiedenen Berufsgruppen und aus deren Tätigkeiten resultierenden verschiedenen Arten und Weisen der Einwirkung auf das Meniskusgewebe ausgegangen werden (ebenso Bay. LSG, Urt. v. 16.06.2021 - L 17 U 365/18 - juris Rn. 52 ff - sowie LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 19.03.2021 - L 2 U 958/20 - juris Rn. 45 ff beide für einen Profifußballspieler sowie LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 19.03.2021 - L 8 U 1828/19 für einen Profihandballer).

Dies hat Prof. Dr. R    in seinem Gutachten vom 27.07.2018 eingehend dargelegt. Er hat insoweit ausgeführt, dass die ruckartigen Belastungsspitzen, denen ein Profifußballer ausgesetzt ist, zu zufälligen, repetitiven Mikrotraumen im Bereich der Menisken führen. Auf diese Mikrotraumen hat im Übrigen auch Dr. Z            in seinem Zusammenhangsgutachten für die Beklagte vom 20.02.1987 hingewiesen. Mikrotraumen sind Bewegungsmuster, die zwar als Einzelursachen einen Meniskus nicht zerreißen können, aber im Sinne von Verletzungen auf mikrostruktureller Ebene zu dessen Schädigung im Wege der Aufsummierung und konsekutiver Rissbildung führen können. Aus diesen anderen Bewegungsmechanismen beim Profifußballer resultiert, dass bei dynamischen Belastungen aufgrund einer häufig wiederkehrenden erheblichen Bewegungsbeanspruchung anders als bei statischen Belastungen eine bestimmte belastungskonforme Lokalisation nicht angegeben werden kann (so auch Grosser, in: Schiltenwolf/Hollo, Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, 6. Aufl. 2014, S. 505; Schiltenwolf, in: Schiltenwolf u.a., a.a.O., 7. Aufl. 2021, S. 386 spricht hingegen davon, dass eine beidseitige Betroffenheit der Regelfall sei, bei dynamischen Belastungen eine belastungskonforme Betroffenheit der Hinterhörner jedoch nicht gefordert werden könne. Dabei legt er jedoch im Hinblick auf das Postulat der Beidseitigkeit - worauf sogleich noch einzugehen sein wird - ersichtlich eine Studie zur Tätigkeit von Bodenlegern zugrunde.).

Zur Überzeugung des Senats kann gestützt auf die Darlegungen des Prof. Dr. R    nicht davon ausgegangen werden, dass - wie es die Beklagte vorträgt - auch beim Berufsfußballspieler eine beidseitige, mindestens Meniskopathie vom Schweregrad III nach Stoller vorliegen müsse (so die Ergebnisse der vom BMAS eingesetzten interdisziplinären Arbeitsgruppe in ihrem Aufsatz zum Krankheitsbild der BK Nr. 2102 Bolm-Audorff, Braunschweig, Grosser, Ochsmann, Schlittenwolf, Das Krankheitsbild im Sinne der BK Nr. 2102 Meniskopathie - Ergebnisse einer interdisziplinären Arbeitsgruppe, in: Der Orthopäde 2020, Published Online 08.05.2020). Diese Aussage wird maßgeblich auf eine Studie von Rytter et al.; Occupational Kneeling and meniscal tears: a magnetic resonance study in floor layers, 2009 gestützt. Diese Studie hat jedoch Bodenleger (floor layers) und damit nicht die hier in Rede stehende dynamische Bewegungsbeanspruchung im Sinne von die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten zum Gegenstand. Sie ist daher nicht geeignet, im Hinblick auf Profiballsportler die Notwendigkeit eines beidseitigen Meniskusschadens als belastungskonformes Schadensbild zu begründen (vgl. auch LSG Bayern, Urt. v. 16.06.2021, a.a.O., Rn. 55). Vor diesem Hintergrund vermag auch die von Spahn et al. in seinem Aufsatz „Die Berufskrankheit Nr. 2102 (Meniskuserkrankung durch dynamische Bewegungsbeanspruchung des Kniegelenks) beim Berufsfußballspieler. Ergebnisse eines systematischen Reviews, MedSach 2022, S. 119 ff vertretene Auffassung, dass sowohl bei dynamischer Bewegungsbeanspruchung als auch bei statischer Belastung im Sinne einer Dauerzwangshaltung ein identisches belastungskonformes Schadensbild im Sinne eines beidseitigen Innenmeniskusschadens vom Schweregrad III nach Stoller zu fordern ist, nicht zu überzeugen. Die Autoren dieser Studie stützen sich unter anderem ebenfalls auf die Studie von Rytter et al., die die berufliche Tätigkeit von Bodenlegern zum Gegenstand hat. Hinzu kommt, dass - wie es die Beklagte unter Berufung auf die beratungsärztliche Stellungnahme des Prof. Dr. S     vom 20.04.2022 selbst eingeräumt hat - bisher keine Ergebnisse aus biomechanischen Untersuchungen, die ausdrücklich die Belastung der Menisken beim Fußballspiel untersuchen, veröffentlicht sind. Von daher kann eine einzige Arbeit zu Bodenlegern zur Überzeugung des Senats nicht geeignet sein, eine wissenschaftliche Evidenz im Sinne einer beidseitigen Schädigung des Innenmeniskus zu begründen (so auch Spahn et al., Kritischer Kommentar zur Definition des Krankheitsbildes im Sinne der Berufskrankheit Nummer 2102 Meniskopathie, in: Der Orthopäde, 2020 Published Online 17.09.2020 sowie ders. et al. MedSach, a.a.O., S. 118 von daher allgemeine Kenntnisse zur Pathophysiologie und Biomechanik des Meniskus als entscheidend für die Diskussion heranzuziehende Kriterien fordernd).

Maßgebend ist zur Überzeugung des Senats daher insoweit die von Prof. Dr. R    unter Berücksichtigung allgemeiner biomechanischer Überlegungen angestellte Erwägung, dass es erhebliche Unterschiede in der Art der Meniskusbelastung zwischen Profifußballern und Untertagearbeitern sowie Beschäftigten gibt, die in andauernder Hock- und Kauerposition arbeiten müssen. Da es beim Hocken und Kauern zu einer anhaltenden Quetschung des Meniskusgewebes kommt, wovon in besonderem Maße das Innenmeniskushinterhorn betroffen ist, kann ausschließlich bei den im Merkblatt zur streitbefangenen BK genannten Berufsgruppen der Bergmänner, Ofenmaurer und Fliesen- oder Parkettleger davon ausgegangen werden, dass sich das Meniskusgewebe erholen kann, wenn die Zwangshaltung des Kniegelenks zumindest vorübergehend beendet wird. Auch sind bei diesen Berufsgruppen maßgeblich der am Innenband fixierte Teil des Innenmeniskus zwischen der Pars intermedia und dem Hinterhorn besonders beansprucht.

Beim Kläger liegt eine primäre Meniskopathie im linken Kniegelenk im Sinne der BK Nr. 2102 und damit auch die medizinische Voraussetzung zur Überzeugung des Senats vor. Die primäre Meniskopathie ist im Vollbeweis gesichert und mit der von Rechts wegen gebotenen hinreichenden Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die Belastung des Klägers im Rahmen der versicherten Tätigkeit als Profifußballspieler zurückzuführen.

Nach den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. R    stellt der im Rahmen einer Arthroskopie des linken Kniegelenks am 03.06.1986 durch Prof. Dr. G     diagnostizierte Meniskusschaden (Querriss des Außenmeniskushinterhorns, kleiner Lappenriss des Außenmeniskusvorderhorns und kleiner Lappenriss des Innenmeniskusvorderhorns) ein belastungskonformes Schadensbild für einen Profifußballer dar. Auch der Zustand nach Entfernung des Meniskusschadens durch Prof. Dr. G     im Rahmen der arthroskopischen partiellen Meniskektomie im Hinter- und Vorderhorn lateral sowie am medialen Vorderhorn ist Folge der primären Meniskopathie. Konkurrierende Ursachen, wie etwa eine Achsfehlstellung, Bandverletzungen, gelenksnahe Frakturen oder rheumatische oder infektiöse Knieerkrankungen sind weder bekannt noch im Vollbeweis nachgewiesen. Prof. Dr. R    hat weiter darauf hingewiesen, dass im Operationsbericht des Prof. Dr. G     aus dem Jahr 1986 auch keine relevanten Knorpelschäden festgestellt wurden.

Dass vorliegend eine Histologie im Jahr 1986 nicht erfolgt ist, ist unschädlich, wie Prof. Dr. R    in seinem Gutachten unter Berücksichtigung der wissenschaftlichen fachmedizinischen Literatur dargelegt hat. Auch war der Kläger im Zeitpunkt des Auftretens der Meniskusschäden erst knapp 22 Jahre alt und damit nach den wissenschaftlichen Erfahrungssätzen zu jung, um relevante Veränderungen am Meniskus entwickeln zu können, wie Prof. Dr. R    dargelegt hat. Auch Dr. H         hat in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 30.04.2019 ausgeführt, dass die objektivierten Meniskusrisse bei einem knapp 22-jährigen entgegen der vom Beratungsarzt Prof. Dr. S     vertretenen Auffassung keineswegs als „normal“ angesehen werden können; es handele sich auch nicht um eine bagatellartige Schädigung. Der Beratungsarzt Dr. H         hat damit letztlich eingeräumt, dass das Alter des Klägers gegen degenerative Veränderungen der Menisken spricht.

Die im linken Kniegelenk des Klägers aufgetretenen Meniskusschäden sind daher im Sinne einer rechtlich wesentlichen Teilursache durch die versicherte berufliche Tätigkeit als Profifußballspieler hervorgerufen worden, sodass die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr. 2102 erfüllt sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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