L 4 KR 277/23 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 KR 116/23 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 277/23 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Es besteht zumindest im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kein Anspruch gegen die Krankenkasse auf Versorgung mit einem Medikament aus der Gruppe der Barbirate hier Pentobarbital.

 

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 27. April 2023 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, hilfsweise auf Beiordnung eines Notanwalts, wird abgelehnt.


G r ü n d e :

I.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf). begehrt die (vorläufige) Versorgung mit dem Medikament Pentobarbital oder Alternativen zur Verwirklichung des Wunsches nach einem selbstbestimmten Lebensende.

Einen entsprechenden Antrag stellte der Bf. bei der Antrags- und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Bg) mit Schreiben vom 06.03.2023 unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 10.12.2020 (Az.: 1 BvR 1837/19 - juris). Die Bg. wies mit Schreiben vom 07.03.2023 darauf hin, dass Anträge für Medikamente zur Selbsttötung nicht an die Krankenkasse, sondern an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zu richten seien. Hiergegen erhob der Bf. Widerspruch, über den bislang nicht entschieden wurde. Die Bg. wies lediglich mit Schreiben vom 23.03.2023 nochmals auf die Beratungsmöglichkeiten und die Zuständigkeit des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte hin; eine Weiterleitung des Antrags sei aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich.

Am 22.03.2023 hat der Bf. einen Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Regensburg sowie auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt. Die Bg. ist dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz entgegen getreten. Es bestehe weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund. Die Bg. sei vorliegend nicht zuständig für die Gewährung von Sterbehilfe. Ebenso sei sie nicht zur Weiterleitung des Antrags verpflichtet. Ferner hat sie darauf hingewiesen, dass eine vorläufige Leistung nicht in Betracht komme, da die Sterbehilfe einen absoluten und endgültigen Zustand auslösen würde.

Das Sozialgericht hat die Anträge mit Beschluss vom 27.04.2023 abgelehnt. Anordnungsgrund und -anspruch seien nicht glaubhaft gemacht. Es sei nicht ersichtlich, dass dem Bf. schwere und unzumutbare Nachteile drohten, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr revidiert werden könnten. Darüber hinaus hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass der Bf. im vorliegenden Fall ein Medikament zur Selbsttötung begehre. Eine einstweilige Anordnung dürfe aber die endgültige Entscheidung nicht vorwegnehmen.

Eine Verfassungsbeschwerde des Bf. gegen den Beschluss hat das BVerfG mit Beschluss vom 30.05.2023 nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Az.: 1 BvR 925/23). Eine Anhörungsrüge hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 22.05.2023 als unzulässig verworfen (Az.: S 2 KR 116/23 ER RG).

Gegen den am 03.05.2023 zugestellten Beschluss hat der Bf. ferner am 15.05.2023 Beschwerde zum Sozialgericht Regensburg erhoben, das diese zuständigkeitshalber an das Bayer. Landessozialgericht abgegeben hat. Den Antrag hat er verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung sowie auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines zu bestimmenden Anwalts, hilfsweise eines Notanwalts. Er hat sich auf eine Verletzung rechtlichen Gehörs aufgrund seiner Überlastungs- und Gesundheitssituation berufen. Ihm sei eine faire Beteiligung am Verfahren unmöglich gemacht. Er könne insbesondere nach wie vor seinen Schriftverkehr nicht mit der nötigen Sorgfalt und im nötigen Umfang erledigen. Diese Verfahrensführung sei eine Behindertendiskriminierung.

Die Bg. ist der Beschwerde entgegengetreten. Zur Begründung hat sie auf ihr bisheriges Vorbringen vor dem Sozialgericht sowie auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Der Bf. beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 27.04.2023 aufzuheben und ihn vorläufig mit dem Medikament Pentobarbital oder einer entsprechenden Alternative zu versorgen.

Zugleich beantragt er,
ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines zu bestimmenden Rechtsanwalts, hilfsweise eines Notanwalts, zu gewähren.

Die Bg. beantragt,
     die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte sowie der Gerichtsakten verwiesen.

II.

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 27.04.2023, zugestellt am 03.05.2023, ist am 15.05.2023 fristgerecht eingelegt worden. Unabhängig von der Frage, ob sie aber im Hinblick auf den erforderlichen Beschwerdewert von 750.- EUR gemäß   § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig ist, hat das Sozialgericht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zutreffend abgelehnt. Insoweit verweist der Senat auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Folgendes wird vom Senat besonders hervorgehoben:

Der Bf. begehrt die Versorgung mit Pentobarbital, einem Medikament aus der Gruppe der Barbirate. Es wird u.a. zur Selbsttötung oder Sterbehilfe eingesetzt. Da der Bf. in seinem Antrag auf die Entscheidung des BVerfG vom 10.12.2020 (BVerfG, a.a.O.) verweist, besteht auch aus Sicht des Senats beim Bf. ein Bezug zu einem erwogenen Einsatz zum Zweck der Selbsttötung.

Eine einstweilige Anordnung mit dem Ziel einer vorläufigen Versorgung scheidet in diesen Fällen von vorherein aus, da im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine Entscheidung in der Hauptsache nicht vorweggenommen werden darf. Eine Maßnahme wäre hier nachträglich nicht mehr für die Vergangenheit korrigierbar (hierzu: Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 86b Rn. 31 m.w.N. auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG). Dies gilt vorliegend gerade auch im Hinblick auf die Verpflichtung des Staates, die Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG, auf den sich der Bf. bezieht, zu achten und zu schützen.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Dementsprechend war auch der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts gemäß § 73a SGG oder eines besonderen Vertreters nach § 72 SGG mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Beschwerde abzulehnen.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

 

Rechtskraft
Aus
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