L 13 R 485/22 B PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 14 R 559/22
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 485/22 B PKH
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Eine erweiternde Auslegung von § 56 Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB VI mit dem Ziel der Gleichstellung einer Auslandserziehung mit einer Inlandserziehung allein unter der Voraussetzung, dass sich die Erziehungsleistung im Ausland unmittelbar an eine bis zum Wegzug bestehende Inlandsbeschäftigung oder Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung anschließt, kommt nicht in Betracht.
2. Aus den Bestimmungen des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der sozialistischen föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12.07.1968 lässt sich keine Gleichstellung der Erziehung auf dem Gebiet des Vertragsstaates mit einer Inlandserziehung herleiten.

 

I. Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 7. September 2022 wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.


G r ü n d e :

I.
 
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage, mit der sie eine höhere Altersrente unter Zugrundelegung zusätzlicher Kindererziehungszeiten (KEZ) und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (BÜZ) begehrt.

Die 1956 geborene Klägerin ist Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina. Sie reiste am 5.10.1973 aus dem ehemaligen Jugoslawien in die Bundesrepublik Deutschland (BRD) ein und ist seit dem 9.1.1979 mit ihrem Ehemann verheiratet. Dieser war ab 1973 für einen jugoslawischen Arbeitgeber in der BRD im Bergbau erwerbstätig, leistete aber keine Beiträge zu einem deutschen Rentenversicherungsträger. Der Ehe entstammen der am 8.5.1979 geborene Sohn A sowie der am 30.6.1981 geborene Sohn S. Die Kindererziehung erfolgte überwiegend durch die Klägerin.

Die Klägerin legte in der BRD - unterbrochen durch Zeiten für Schwangerschaft und Mutterschutz - vom 15.10.1973 bis 16.8.1982 Pflichtbeitragszeiten wegen Beschäftigung zurück. Vom 17.8.1982 bis 15.12.1982 wurden für sie Pflichtbeiträge wegen Arbeitslosengeldbezuges entrichtet. Die Klägerin hielt sich bis zum 18.12.1982 im Bundesgebiet auf und kehrte dann gemeinsam mit ihrem Ehemann und den Kindern nach Jugoslawien zurück.

Im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens stellte die Beklagte die Daten im Versicherungsverlauf der Klägerin bis zum 31.12.2015 verbindlich fest. Vorgemerkt wurden für das Kind A die Zeit vom 1.6.1979 bis zum 30.11.1981 als KEZ sowie die Zeit vom 8.5.1979 bis zum 18.12.1982 als BÜZ und für den Sohn S die Zeit vom 1.7.1981 bis zum 18.12.1982 als KEZ sowie die Zeit vom 30.6.1981 bis zum 18.12.1982 als BÜZ. Die Vormerkung weiterer BÜZ für das Kind A sowie weiterer KEZ und BÜZ für das Kind S lehnte die Beklagte hingegen ab, weil beide Kinder ab 19.12.1982 im Ausland erzogen worden seien. Nur wegen der gleichzeitigen Erziehung mehrerer Kinder wurden als verlängerte Zeiten der Kindererziehung die Monate Januar bis Mai 1983 zusätzlich vorgemerkt (Vormerkungsbescheid vom 4.5.2022).

Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein. Als weitere rentenrechtliche Zeiten seien KEZ für das Kind S vom 1.7.1981 bis zum 30.11.1981 und vom 1.1.1983 bis zum 31.12.1983 sowie BÜZ für die Kinder A und S vom 17.12.1982 bis zum 29.6.1991 vorzumerken. Für das Kind S seien aus nicht nachvollziehbaren Gründen KEZ ab dem Folgemonat der Geburt bis zum 30.11.1981 nicht anerkannt worden, obwohl sich das Kind in diesem Zeitraum im gemeinsamen Haushalt in der BRD aufgehalten habe und von ihr erzogen worden sei. Die Ablehnung von KEZ und BÜZ mit der Begründung der Auslandserziehung sei gleichfalls rechtswidrig. Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 des Abkommens zwischen der BRD und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (DJSVA) vom 12.10.1968 (BGBl. II 1969, 1438) in der Fassung des Änderungsabkommens vom 30.9.1974 (BGBl. II 1975, 390) sei sie so zu stellen, als ob die Erziehung auf dem Hoheitsgebiet der BRD stattgefunden hätte.

Die Beklagte wies den Widerspruch zurück. Voraussetzung für die Anrechnung von KEZ nach § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sei, dass die Erziehung im Gebiet der BRD erfolgt sei oder einer solchen gleichstehe. Eine Erziehung im Inland liege nach dem 18.12.1982 nicht mehr vor. Die Voraussetzungen für eine Gleichstellung mit inländischen KEZ nach § 56 Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB VI seien ebenfalls nicht gegeben, weil Pflichtbeitragszeiten nach deutschen Rechtsvorschriften wegen einer Beschäftigung im Ausland weder von der Klägerin noch von ihrem Ehemann zurückgelegt worden seien. Das über- und zwischenstaatliche Recht enthalte keine Gleichstellung von ausländischen Pflichtbeiträgen mit deutschen Pflichtbeiträgen, weshalb eine Berücksichtigung der Erziehungszeiten in Jugoslawien auch nicht auf Art. 4 Abs. 1 Satz 1 DJSVA gestützt werden könne (Widerspruchsbescheid vom 29.6.2022).

Die Klägerin hat am 25.7.2022 Klage zum Sozialgericht Landshut erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten beantragt. Nachdem die Beklagte der Klägerin zwischenzeitlich ab 1.8.2022 eine Regelaltersrente mit einem monatlichen Zahlbetrag von 325,38 Euro bewilligt hatte (Rentenbescheid vom 4.8.2022), hat diese mit Schriftsatz vom 24.8.2022 zur Begründung ihrer Klage im Wesentlichen vorgetragen: Für das Kind S seien KEZ vom 1.7.1981 bis zum 30.11.1981 und für beide Kinder BÜZ vom 19.12.1982 bis zum 29.06.1991 als rentenrechtliche Zeiten vorzumerken. Die getroffenen Feststellungen seien rechtswidrig, weil nicht klar sei, in welchem Umfang KEZ für das Kind S vorgemerkt worden seien. Es lasse sich anhand des Versicherungsverlaufs nicht nachvollziehen, ob eine Vormerkung von KEZ für das Kind S im Zeitraum 1.7.1981 bis 30.11.1981 tatsächlich erfolgt und der Berechnung der ab 1.8.2022 gewährten Altersrente zugrunde gelegt worden sei. Die Bescheide der Beklagten seien auch insoweit rechtswidrig, als BÜZ nur bis zum 18.12.1982 und nicht bis zum 29.6.1991 festgestellt worden seien. Zwar treffe es zu, dass die Klägerin, ihr Ehemann sowie die gemeinsamen Kinder am 18.12.1982 die BRD verlassen hätten und in das Herkunftsland Bosnien-Herzegowina zurückgekehrt seien. Der Klage fehlten dennoch nicht die Erfolgsaussichten. Denn für den Anspruch auf Anerkennung von KEZ bzw. BÜZ von Staatsangehörigen des vormaligen Jugoslawiens, die nach Begründung einer Mitgliedschaft in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) durch versicherte Tätigkeit sowie Erziehung von Kindern in der BRD ihren Wohnsitz in das Staatsgebiet des Herkunftslandes verlegen und die Erziehung dort fortsetzen, greife die Gebietsgleichstellung in Art. 4 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 3 DJSVA ein. Diese Rechtsvorschriften seien gegenüber §§ 249, 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 SGB VI lex specialis und führten daher zu Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Inlandserziehung (unter Verweis auf BSG, Urteil vom 12.4.2000 - B 14 KG 3/99 R). Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 6.8.2014 (B 11 AL 7/13 R) werde ferner geltend gemacht, dass auch der Erwerb von rentenrechtlichen Anwartschaften durch Kindererziehung eine "Leistung" i.S. des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 DJSVA darstelle. Vom Begriff einer Leistung nach § 11 Satz 1 SGB I werde die Feststellung rentenrechtlicher Zeiten umfasst, weil sie der Verwirklichung eines sozialen Rechts diene, nämlich des Anspruchs auf eine Rente bzw. deren Höhe. Daneben spreche die Eingliederung der §§ 56 f. SGB VI im 2. Kapitel ("Leistungen") des SGB VI dafür, dass es sich um eine "Leistung" i.S. von Art. 4 Abs. 1 Satz 1 DJSVA handele. Auch die zitierten Ausführungen von Eichenhofer (Internationales Sozialrecht, 1994, § 8 Rn. 315), wonach der Erziehungsleistung in der BRD eine Erziehungsleistung im Ausland gleichstehe, wenn der Erziehende unmittelbar vor der Geburt des Kindes - wie vorliegend - pflichtversichert gewesen sei, stützten ihre Rechtsauffassung. Schließlich werde auf die Kommentierungen von Dankelmann (in Kreikebohm, SGB VI, 5. Aufl. 2017, § 56 Rn. 19) und Fichte (in Hauck/Noftz, SGB VI, § 56 Rn. 64, Stand Mai 2019) verwiesen, nach denen eine erweiternde Anwendung von § 56 Abs. 3 SGB VI in Betracht kommen könne. Deren Ausführungen aufnehmend werde geltend gemacht, dass auch nach ihrem Wegzug in das frühere Jugoslawien für sie weiterhin eine hinreichende Verbindung zum System der GRV vorgelegen habe, insbesondere, weil sie die versicherte Tätigkeit aus Gründen der Kindererziehung aufgegeben habe und nicht, weil sie im Vertragsstaat eine versicherte Beschäftigung ausüben wollte.

Das Sozialgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Feststellungsbescheid vom 4.5.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.6.2022 sowie der diesen ersetzende (§ 96 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) Rentenbescheid vom 4.8.2022 ließen klar erkennen, dass für das Kind S KEZ ab den Folgemonat der Geburt vorgemerkt worden seien. Eine "Unklarheit" könne das Gericht nicht erkennen. Voraussetzung für die Anrechnung von KEZ und BÜZ sei gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI u.a., dass die Erziehung auf dem Gebiet der BRD erfolge. Dies sei nach § 56 Abs. 3 Satz 1 SGB VI dann der Fall, wenn sich der Erziehende zusammen mit dem Kind dort aufhalte. Unstreitig haben die Klägerin, deren Ehemann und die gemeinsamen Kinder die BRD am 18.12.1982 verlassen und seien in ihr Heimatland zurückgekehrt. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Landessozialgerichts sei die Argumentation, dass eine Gleichstellung der Auslandserziehung über Art. 4 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 3 DJSVA zu erfolgen habe, nicht belastbar (Beschluss vom 7.9.2022).

Hiergegen hat die Klägerin am 6.10.2022 Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Es sei nicht völlig ausgeschlossen, dass die Klage in der Hauptsache Erfolg habe, wobei zur Vermeidung von Wiederholungen auf das erstinstanzliche Vorbringen verwiesen werde. Zudem sei streitgegenständlich, ob die Klägerin Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Kosten auch dann habe, wenn die Hauptsache keinen Erfolg habe. Ein Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Kosten komme zunächst wegen der Notwendigkeit der Einlegung eines Widerspruchs gegen den Bescheid der Beklagten vom 4.5.2022 in Betracht, da die für die Entscheidung erforderliche Begründung gefehlt habe und erst im Widerspruchsbescheid vom 29.6.2022 nachgeholt worden sei. Ein Erstattungsanspruch komme ferner in Betracht, weil nach dem Inhalt der Rechtsbehelfsbelehrung Widerspruch gegen den Rentenbescheid vom 4.8.2022 einzulegen gewesen sei. Tatsächlich sei der Rentenbescheid Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Auch wenn in beiden Fällen kein Kostenerstattungsanspruch gem. § 63 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) erwachse, seien diese Sachverhalte innerhalb der gerichtlichen Kostenentscheidung nach § 193 SGG zu berücksichtigen.

Die Klägerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 7. September 2022 aufzuheben und ihr für die Prozessführung im ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin B, B Straße, B, zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

  die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hat die angefochtene Entscheidung verteidigt.

Über den gegen den Rentenbescheid vom 4.8.2022 eingelegten Widerspruch der Klägerin hat die Beklagte noch nicht entschieden.

Im Übrigen wird hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Verwaltungsvorgänge verwiesen.

 
II.

Die form- und fristgerecht eigelegte Beschwerde (§§ 172, 173 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung zu Recht abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Hinreichende Erfolgsaussicht ist anzunehmen, wenn das Gericht nach vorläufiger Prüfung den Standpunkt der Klägerin auf Grund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder doch für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. BayLSG, Beschluss vom 8.7.2019 - L 18 AY 21/19 B ER - juris Rn. 41; Schmidt, in Meyer-Ladewig/
Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 73a Rn. 7a). Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit in dem Sinne, dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss, ist nicht erforderlich, sondern es genügt bereits eine sich bei summarischer Überprüfung ergebende Offenheit des Erfolgs (BayVGH, Beschluss vom 11.3.2021 - 19 C 19.500 - juris Rn. 6; Happ, in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 166 Rn. 26). Denn die Prüfung der Erfolgs- aussichten soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern ihn erst zugängig machen (st. Rspr., vgl. stellv. BVerfG, Beschluss vom 16.4.2019 - 1 BvR 2111/17 - juris Rn. 22; BVerfG, Beschluss vom 4.8.2016 - 1 BvR 380/16 - juris Rn. 12).

Hiernach dürfen schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können (st. Rspr., vgl. stellv. BVerfG, Beschluss vom 8.12.2020 - 1 BvR 149/16 - juris Rn. 14 m.w.N.). Hingegen muss Prozesskostenhilfe nicht immer schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich geklärt ist. Auch ist nicht allein aufgrund dessen, dass bestimmte Tatsachen streitig sind und deswegen im Hauptsacheverfahren der Beweisaufnahme bedürften, Prozesskostenhilfe zu gewähren. Gerichte dürfen sich im Prozesskostenhilfeverfahren einer Beweisantizipation bedienen, sofern konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgehen würde (st. Rspr., vgl. stellv. BVerfG, Beschluss vom 13.7.2020 - 1 BvR 631/19 - juris Rn. 18 m.w.N.). Die Ablehnung von Prozesskostenhilfe kann weiter ungeachtet des Fehlens einschlägiger höchstrichterlicher Rechtsprechung gerechtfertigt sein, wenn die Rechtsfrage angesichts der gesetzlichen Regelung oder mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Schwierigkeiten beantwortet werden kann (st. Rspr., vgl. stellv. BVerfG, Beschluss vom 19.2.2008 - 1 BvR 1807/07 - juris Rn. 23 m.w.N.).

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5.12.2018 - 2 BvR 2257/17 - juris Rn. 15; BayLSG, Beschluss vom 24.8.2016 - L 16 AS 222/16 B PKH - juris Rn. 15; BayVGH, Beschluss vom 10.4.2013 - 10 C 12.1757 - juris Rn. 25), der gegeben ist, wenn der Pro-
zessgegner innerhalb angemessener Frist Gelegenheit zur Stellungnahme hatte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.9.2007 - 10 C 39.07 - juris Rn. 1). Ausnahmsweise ist hiervon abweichend der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts - hier des Beschwerdegerichts - maßgeblich, wenn sich im Laufe des Verfahrens die Sach- und Rechtslage zugunsten der Antragstellerin geändert hat, so dass sich infolge dieser Änderung nunmehr hinreichende Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung erkennen lassen (BVerfG, Beschluss vom 11.8.2020 - 2 BvR 437/20 - juris Rn. 4; BayVGH, Beschluss vom 11.3.2021 - 19 C 19.500 - juris Rn. 7; a.A. BayLSG, Beschluss vom 19.3.2009 - L 7 AS 52/09 B PKH - juris).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist bei summarischer Prüfung weder zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife, also bei Eingang der Klageerwiderung der Beklagten beim Sozialgericht am 23.8.2021, noch zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung eine hinreichende oder auch nur offene Erfolgsaussicht des mit der Klage verfolgten Anspruch auf Gewährung einer höheren Altersrente unter Berücksichtigung weiterer KIZ und BÜZ zu erkennen.

Zutreffend hat das Vordergericht entschieden, dass Streitgegenstand des Klageverfahrens allein noch der Bescheid vom 4.8.2022 über die Gewährung von Altersrente ist. Zwar hatte die Klägerin ursprünglich den Bescheid vom 4.5.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.6.2022 angefochten und die Berücksichtigung weiterer KEZ und BÜZ begehrt. Jedoch ist nach Erteilung des Rentenbescheids das Rechtsschutzbedürfnis für eine Korrektur des Vormerkungsbescheids entfallen. Durch die Übernahme der dort festgestellten rentenrechtlichen Zeiten in den Bescheid über die Bewilligung der Altersrente hat der Vormerkungsbescheid seine Beweissicherungsfunktion verloren. Das anhängige Klageverfahren findet seine Fortsetzung im Streit über dasjenige Rechtsverhältnis, dessen vorbereitender Klärung der bis dahin angefochtene Vormerkungsbescheid gedient hatte. Auf die Ersetzung in diesem Sinne findet § 96 Abs. 1 SGG unmittelbare Anwendung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt über die Rentenhöhe (zu den einzelnen Verfügungssätzen eines Rentenbescheids bzgl. Rentenart, -beginn, -dauer und -höhe vgl. BSG, Urteil vom 11.5.2011 - B 5 R 8/10 R - BSGE 108, 152 Rn. 13) als unmittelbar kraft Gesetzes angegriffen gilt, soweit er auf den ursprünglich streitigen Feststellungen beruht (st. Rspr., vgl. im Einzelnen BSG, Urteil vom 14.12.2011 - B 5 R 36/11 - juris Rn. 12; Senatsurteil vom 25.1.2017 - L 13 R 1206/13 - juris Rn. 42 ff.). Eines gesonderten Widerspruchs gegen den einbezogenen Rentenbescheid bedurfte es insoweit nicht (vgl. BSG, Urteil vom 16.6.2015 - B 13 R 23/14 R - juris Rn. 13). Ob hiervon ausgehend die dem Rentenbescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung unzutreffend war mit der Konsequenz, dass ggf. ein teilweiser Kostenerstattungsanspruch nach § 193 SGG im anhängigen Klageverfahren bestehen könnte (vgl. hierzu ausführlich BSG, Urteil vom 20.10.2010 - B 13 R 15/10 R - juris), braucht im Rahmen dieses Beschwerdeverfahren nicht entschieden zu werden. Denn maßgeblich für das Prozesskostenhilfeverfahren ist allein, ob das in der Sache selbst verfolgte materiell-rechtliche Begehren Erfolg verspricht (vgl. Reichling, in BeckOK ZPO, § 114 Rn. 28, Stand 1.3.2023). Der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Kosten ist aber kein besonderer materiell-rechtlicher Streitgegenstand des anhängigen Klageverfahrens, sondern betrifft allein den prozessualen Kostenerstattungsanspruch.

Soweit die Klägerin geltend macht, den Feststellungen der Beklagten lasse sich nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, ob die Zeit vom 1.7.1981 bis 30.11.1981 als KEZ für das Kind S vorgemerkt bzw. bei der späteren Rentenberechnung als KEZ berücksichtigt worden sei, trifft dies nicht zu (zu den Anforderungen an die Begründung eines Rentenbescheids vgl. BSG, Urteil vom 6.7.2022 - B 5 R 39/21 R - juris Rn. 15 ff.). Im Versicherungsverlauf vom 4.5.2022 sind für den vorbenannten Zeitraum KEZ hinterlegt und die Monate Januar bis Mai 1983 als Verlängerungszeiten aufgrund gleichzeitiger Erziehung mehrerer Kinder enthalten. Diese Daten (insgesamt 49 Monate KEZ) hat die Beklagte mit Bescheid vom 4.5.2022 verbindlich festgestellt und der späteren Rentengewährung unverändert zu Grunde gelegt, wie sich im Einzelnen aus dem Rentenbescheid vom 4.8.2022 bzw. dem als Anlage beigefügtem Versicherungsverlauf vom selben Tag nachvollziehbar ergibt.

Die Klage hat auch unter dem Gesichtspunkt der Anerkennung weiterer KEZ bzw. BÜZ keine hinreichenden Erfolgsaussichten.

Nach § 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VI i.V.m. § 56 Abs. 1 bis 3 und 5 SGB VI sind Personen versicherungspflichtig in der Zeit, für die ihnen KEZ anzurechnen sind. Das sind Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten 30 Kalendermonaten nach Ablauf des Monats der Geburt (§ 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VI i.V.m. § 249 Abs. 1 SGB VI). Nach § 57 SGB VI ist die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem zehnten Lebensjahr bei einem Elternteil eine BÜZ, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer KEZ auch in dieser Zeit vorliegen. Einem Elternteil wird gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VI eine KEZ angerechnet, wenn (1.) die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist, (2.) die Erziehung im Gebiet der BRD erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und (3.) der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist.

Streitentscheidend ist die Frage, ob die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB VI vorliegen. Hierzu bestimmt § 56 Abs. 3 Satz 1 SGB VI, dass eine Erziehung im Gebiet der BRD erfolgt ist, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten hat. Die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Berücksichtigung von KEZ im Ausland formulieren im Weiteren die Sätze 2 und 3 des § 56 Abs. 3 SGB VI.

In der streitbefangenen Zeit ab 19.12.1982 hat die Klägerin ihr Kind nicht, wie das Gesetz dies nach § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 SGB VI für den Regelfall voraussetzt, im Inland erzogen. Dies steht außer Zweifel und bedarf keiner weiteren Erörterung.

Die Voraussetzungen, unter denen nach § 56 Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB VI abweichend von der Grundregel des Satzes 1 KEZ bei Auslandsaufenthalt des erziehenden Elternteiles und des Kindes angerechnet werden können, sind ebenfalls nicht erfüllt. Einer Erziehung im Gebiet der BRD steht nach Satz 2 gleich, wenn der erziehende Elternteil sich mit seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten hat und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten hat. Dies gilt nach Satz 3 bei einem gemeinsamen Aufenthalt von Ehegatten oder Lebenspartnern im Ausland auch, wenn der Ehegatte oder Lebenspartner des erziehenden Elternteils solche Pflichtbeitragszeiten hat oder nur deshalb nicht hat, weil er zu den in § 5 Abs. 1 und 4 SGB VI genannten Personen gehörte oder von der Versicherungspflicht befreit war. Bei den Pflichtbeitragszeiten muss es sich jeweils um solche nach deutschem Recht handeln (vgl. BSG, Urteil vom 23.10.2003 - B 4 RA 15/03 R - juris Rn. 18; BSG, Urteil vom 15.3.1995 - 5 RJ 28/94 - juris Rn. 20; Schuler-Harms, in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, § 56 Rn. 59, Stand 1.4.2021). Hieran fehlt es. Weder die Klägerin noch ihr Ehemann haben ab 19.12.1982 aus einer im Ausland ausgeübten Beschäftigung oder Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten zur deutschen GRV zurückgelegt. Ebensowenig hat ihr Ehemann diese Voraussetzung nur deshalb nicht erfüllt, weil er zu den in § 5 Abs. 1 und 4 SGB VI genannten Personen gehörte oder von der Versicherungspflicht befreit war.

Auch die vom Bundessozialgericht in verfassungskonformer Auslegung zu KEZ bei Auslandserziehung anerkannten weiteren Fallgruppen, auf welche die Gleichstellung einer Erziehung im Ausland mit einer Inlandserziehung nach § 56 Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB VI ebenfalls anzuwenden ist, nämlich im öffentlich-rechtlichem Bereich die "Quasi-Entsendung" und im privatrechtlichen Bereich das "Rumpfarbeitsverhältnis" (vgl. im Einzelnen BSG, Urteil vom 17.11.1992 - 4 RA 15/91 - BSGE 71, 227; BSG, Urteil vom 23.10.2003 - B 4 RA 15/03 R - BSGE 91, 245), liegen hier nicht vor. Voraussetzung wäre, dass der Ehemann der Klägerin im Interesse eines Dienstherrn oder Arbeitgebers bei im Übrigen im Inland dem Grunde nach fortbestehendem Dienst- bzw. Beschäftigungsverhältnis verpflichtet war, nach Maßgabe eines von ihm nach fremdem Recht begründeten Arbeitsverhältnisses für eine im Voraus begrenzte Zeit im Ausland tätig zu sein. Daran fehlt es.

Das Bundessozialgericht hat stets betont, dass die vorbenannten Fallgruppen abschließenden und nicht lediglich beispielhaften Charakter haben (vgl. BSG Urteil vom 23.10.2003 - B 4 RA 15/03 R - BSGE 91, 245 Rn. 26 m.w.N.). Für die Annahme der Klägerin, eine im Ausland erfolgte Kindererziehung könne nach § 56 Abs. 3 SGB VI immer schon dann als KEZ anerkannt werden, wenn sich die Erziehungsleistung unmittelbar an eine Inlandsbeschäftigung bzw. Pflichtversicherung in der GRV anschließt, bedürfte es daher klarer, dem Gesetz selbst zu entnehmender Hinweise, die sich aber hinsichtlich der im Streit stehenden Ausnahmevorschrift (zur einschränkenden Auslegung von Ausnahmevorschriften vgl. BSG, Urteil vom 1.6.2017 - B 5 R 2/16 R - BSGE 123, 205 Rn. 19) weder im Wortlaut der Norm finden noch durch deren Zwecksetzung auch nur nahegelegt werden. Ratio legis des § 56 Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB VI und damit innere Rechtfertigung für die Gleichstellung der dort genannten Zeiten der Kindererziehung ist nicht bereits und allein, dass der Erziehende das Inland verlässt und damit den Erziehungsort ins Ausland verlegt. Der Auslandsaufenthalt des erziehenden Elternteils muss mit der typisierenden und pauschalierenden Grundwertung des Gesetzes in Einklang bleiben, dass während der Zeit des Auslandsaufenthalts deutsche Rentenanwartschaften gerade wegen der Kindererziehung entgangen sind, nicht aber wegen einer Integration in eine ausländische Arbeitswelt oder weil sich der Erziehende dauerhaft bzw. auf nicht absehbare Zeit von der inländischen Arbeits- und Erwerbswelt und damit auch von der deutschen GRV gelöst hat, wie es z.B. in den Auswanderungsfällen geben ist (vgl. BSG, Urteil vom 10.11.1998 - B 4 RA 39/98 R - SozR 3-2600 § 56 Nr. 13 Rn. 22). Letzteres ist hier aber der Fall.

Etwas Anderes folgt auch nicht aus der von der Klägerin zitierten Kommentarliteratur. Sowohl Dankelmann (in Kreikebohm, SGB VI, 5. Aufl. 2017, § 56 Rn. 19) als auch Fichte (in Hauck/Noftz, SGB VI, § 56 Rn. 64, Stand Mai 2019) verstehen die Ausnahmevorschriften in § 56 Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB VI in dem vom Senat vertretenen Sinne. Auch die Ausführungen von Eichenhofer (Internationales Sozialrecht, 1994, Rn. 315), auf welche sich die Klägerin zur Begründung ihrer Rechtsauffassung ergänzend beruft, rechtfertigen keine andere Beurteilung. Soweit in jener kursorischen Darstellung ausgeführt wird, "der Erziehungsleistung in Deutschland steht eine Erziehungsleistung im Ausland gleich, wenn der Erziehende unmittelbar vor der Geburt des Kindes pflichtversichert war", kann dieser Wendung nicht die ihr von der Klägerin beigemessene Bedeutung zukommen. Denn Eichenhofer nimmt im vorangehenden Satz ausdrücklich auf die Vorschrift des § 56 Abs. 3 SGB VI Bezug ("Nach § 56 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, 4 SGB VI kann eine Kindererziehungszeit in der deutschen Rentenversicherung nur angerechnet werden, wenn die Erziehungsleistung in Deutschland erbracht wurde oder ihr gleichsteht"), ohne aber im Weiteren eine über den Gesetzeswortlaut oder die vom Bundessozialgericht ergänzend anerkannten Fallgruppen hinausgehende erweiternde Auslegung des § 56 Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB VI auch nur einzufordern. Letztlich stellt die von der Klägerin zitierte Wendung ihrem Sinnzusammenhang nach eine verkürzte Erläuterung der gesetzlichen Bestimmungen dar, wonach KEZ im Ausland unter bestimmten Voraussetzungen anzuerkennen sind. Selbst wenn man der bereits 29 Jahre alten, nicht erneut aufgelegten Darstellung von Eichenhofer einen anderen Sinngehalt zuerkennen möchte, würde es sich um eine vereinzelt gebliebene Literaturmeinung handeln, welche in Rechtsprechung und Schrifttum nicht ansatzweise Widerhall gefunden hat und daher für die Frage der Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht maßgeblich sein kann.

Weitere KEZ sind schließlich auch nicht unter Berücksichtigung zwischen- oder überstaatlichen Rechts anzurechnen. Da Bosnien und Herzegowina nicht Mitgliedsstaat der Europäischen Union ist, können unionsrechtliche Gleichstellungsansprüche von vorherein keine Berücksichtigung finden (siehe hierzu Schuler-Harms, in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, § 56 Rn. 64 ff., Stand 1.4.2021). Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin enthält auch das hier allein in Betracht kommende DJSVA keine Vorschriften, welche die Vormerkung von Tatbeständen der Auslandserziehung als Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung vorschreiben oder erlauben. Ebensowenig sind Regelungen über eine Gleichstellung ersichtlich.

Das DJSVA ist im Verhältnis zwischen der BRD und der Republik Bosnien und Herzegowina weiter anzuwenden. Durch Notenwechsel vom 13.11.1992 (vgl. Bekanntmachung vom 16.11.1992, BGBl. II 1992, 1196) zwischen der Regierung der BRD und der Regierung der Republik Bosnien und Herzegowina ist dessen Fortgeltung bis zu einer - bisher nicht erfolgten - Neuregelung ausdrücklich vereinbart worden (vgl. im Einzelnen Senatsurteil vom 27.4.2017 - L 13 R 329/15 - juris Rn. 24 ff.).

Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c DJSVA bestimmt, dass sich dieses Abkommen auf die deutschen Rechtsvorschriften über die Rentenversicherung bezieht. Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a DJSVA stehen bei Anwendung der Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates dessen Staatsangehörige den Staatsangehörigen des anderen Vertragsstaates gleich, wenn sie sich im Gebiet eines Vertragsstaates gewöhnlich aufhalten. Gemäß Art. 3 Abs. 3 DJSVA werden Leistungen nach den Rechtsvorschriften des einen Vertragsstaates den Staatsangehörigen des anderen Vertragsstaates, die sich außerhalb der Gebiete der Vertragsstaaten gewöhnlich aufhalten, unter denselben Voraussetzungen erbracht wie den sich dort gewöhnlich aufhaltenden Staatsangehörigen des ersten Vertragsstaates. In Art. 4 Abs. 1 Satz 1 DJSVA wiederum ist vereinbart, dass, soweit das Abkommen nichts anderes bestimmt, die Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates, nach denen die Entstehung von Ansprüchen auf Leistungen oder die Gewährung von Leistungen oder die Zahlung von Geldleistungen vom Inlandsaufenthalt abhängig ist, nicht für die in Art. 3 Abs. 1 des Abkommens genannten Personen gelten, die sich im Gebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten.

Aus diesen Vorschriften lässt sich eine Gleichstellung der Erziehung auf dem Gebiet des Vertragsstaates mit einer Inlandserziehung nicht herleiten. Bereits der 6. Senat des Bayerischen Landessozialgerichts hat mit Urteilen vom 9.3.2022 (L 6 R 75/21) und 11.5.2022 (L 6 507/21) im Einzelnen dargelegt, dass es sich bei der Anerkennung von Pflichtbeitragszeiten aufgrund Kindererziehung nicht um eine "Leistung" i.S. des Art. 3 Abs. 3 DJSVA handelt und auch über die Gebietsklausel des Art. 4 Abs. 1 S. 1 DJSVA eine Gleichstellung nicht erfolgen kann. Dem tritt der erkennende Senat bei.

Die Ermittlung des Regelungsgehalts völkerrechtlicher Verträge, zu denen auch die Sozialversicherungsabkommen zählen (st. Rspr., vgl. stellv. BSG, Urteil vom 20.1.2021 - B 13 R 2/20 R - juris Rn. 14), richtet sich nach den Grundsätzen in Art. 5, 31 ff. des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (WVK) vom 23.05.1969, dem durch Bundesgesetz vom 3.8.1985 (BGBl. II 1985, 926) zugestimmt wurde und das für die BRD am 20.8.1987 in Kraft getreten ist (Bekanntmachung vom 26.10.1987, BGBl. 1987 II, 757). Für - wie hier - vor 1987 geschlossene Verträge sind die Auslegungsregeln der Konvention, der nach ihrem Art. 4 eine Rückwirkung nicht zukommt, als Ausdruck allgemeinen Völkergewohnheitsrechts anerkannt (st. Rspr., vgl. stellv. BSG, Urteil vom 12.7.1988 - 4/11a RA 36/87 - juris Rn. 14). Danach sind Sozialversicherungsabkommen nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen (Art. 31 Abs. 1 WVK). Maßgeblich sind insbesondere der Wortlaut des Vertrags (Art. 31 Abs. 2 WVK) und die gewöhnliche Bedeutung der verwendeten Ausdrücke (vgl. BSG, Urteil vom 10.4.2003 - B 4 RA 43/02 R - SozR 4-5050 § 17a Nr. 1 Rn. 24). Auf die Begriffsbestimmungen des innerstaatlichen Rechts ist grundsätzlich erst auf einer nachgelagerten Prüfungsebene zurückzugreifen (vgl. BFH, Beschluss vom 30.9.2020 - I R 76/17 - juris Rn. 34).

Was unter dem Begriff "Leistung" zu verstehen ist, wird im Normtext nicht weiter konkretisiert. Unter "Leistung" sind aber nach der gewöhnlichen, auch dem DJSVA zugrundeliegenden Bedeutung regelmäßig die in den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsstaates vorgesehen Dienst-, Sach- und Geldleistungen zu verstehen, die vom zuständigen Träger bei Eintritt des Versicherungs- bzw. Versorgungsfalles zu erbringen sind. KEZ hingegen sind Beitragszeiten mit vollwertigen Beiträgen (vgl. § 54 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2 SGB VI i.V.m. § 177 SGB VI), die nach Erfüllung der allgemeinen Wartezeit eigenständige Rentenanwartschaften begründen (vgl. § 70 Abs. 2 SGB VI). Rentenanwartschaften können aber erst bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen, etwa des Eintritts des Versicherungsfalls, zum Vollrecht (Stammrecht) erstarken, aus dem wiederum (Einzel-)Ansprüche auf konkrete Leistungen, wie etwa den monatlich auszuzahlenden Betrag der Rente, erwachsen (vgl. stellv. BSG, Urteil vom 9.10.2012 - B 5 RS 9/11 R - juris Rn. 13). D.h. für das Sozialversicherungsrecht ist die Gegenüberstellung von Beitragszeit und Leistung geradezu charakteristisch und deshalb sind schon nach dem üblichen sozialversicherungsrechtlichen Sprachgebrauch KEZ nicht unter den Begriff der Leistung zu subsumieren. Dass die Anrechnung von KEZ selbst keine Leistung im oben genannten Sinne ist, ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit auch aus der Systematik des Abkommens selbst. Denn es unterscheidet klar zwischen Beitragszeiten (zum Begriff vgl. Art. 1 Nr. 10 DJSVA) einerseits und Leistungen andererseits (vgl. etwa Art. 25 Abs. 1 und 2 DJSVA sowie Nr. 3 Buchst. a des Schlussprotokolls zum DJSVA). Inwiefern vor diesem Hintergrund aufgrund der von der Klägerin in Bezug genommenen Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 6.8.2014 (B 11 AL 7/13 R - SozR 4-1200 § 45 Nr. 8), die einen Anspruch auf Erstattung von Beitragsaufwendungen zur Kranken- und Pflegeversicherung allein nach nationalem Recht zum Gegenstand hatte, andere Schlüsse gezogen werden sollen, bleibt unerfindlich. Einem derartigen Verständnis steht auch nicht - wie die Klägerin meint - der Umstand entgegen, dass das SGB VI als Fünfter Titel des Zweiten Unterabschnitts ("Anspruchsvoraussetzungen) im Zweiten Abschnitt ("Renten") des Zweiten Kapitels ("Leistungen") die "Rentenrechtlichen Zeiten" regelt. Schon sprachlich macht nämlich die amtliche (d.h. vom Gesetzesbeschluss des Parlamentsgesetzgebers mitumfasste) Überschrift dieses Titels selbst deutlich, dass an dieser Stelle gerade nicht unmittelbar die genannten Leistungen geregelt werden, sondern nur die für den Rentenanspruch bzw. die Rentenberechnung bedeutsamen Zeiten.

Auch über die Gebietsklausel des Art. 4 Abs. 1 S. 1 DJSVA kann die Erziehung im Vertragsstaat einer inländischen nicht gleichgestellt werden. Denn diese Vorschrift erfasst nur den "Aufenthalt" im Gebiet der anderen Vertragspartei, nicht die Erziehung eines Kindes in diesem Gebiet (vgl. auch BSG, Urteil vom 12.4.2000 - B 14 KG 3/99 R - BSGE 86, 115 Rn. 20; Gürtner, in KassKomm, § 56 SGB VI Rn. 45, Stand 1.12.2018). Unter "Aufenthalt" ist für gewöhnlich der für die zulässige Ausübung von Staatsgewalt bedeutsame tatsächliche Umstand zu verstehen, dass sich eine Person im Hoheitsgebiet eines Staates befindet (BSG, Urteil vom 12.7.1988 - 4/11a RA 36/87 - juris Rn. 14). Eine weitergehende, die Kindererziehung im Aufenthaltsgebiet erfassende Bedeutung haben die Parteien des DJSVA nicht vereinbart. Dies lag auch nicht in ihrem Blick, weil es bei Inkrafttreten des Abkommens nach deutschem Recht noch keine Versicherungszeiten wegen Kindererziehung im Inland gab (vgl. BSG, Beschluss vom 16.11.2022 - B 5 R 121/22 B - juris Rn. 16).

Eine andere Beurteilung ergibt sich endlich nicht aus dem von der Klägerin zitierten Urteil des Bundessozialgerichts vom 12.4.2000 (B 14 KG 3/99 R - BSGE 86, 115), welches entgegen deren Vorbringen nicht zu § 1 Abs. 2 Nr. 1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG), sondern zu § 1 Abs. 1 und 3 BKGG ergangen ist. Weshalb der Kindergeldanspruch mit dem Anspruch eines Elternteils auf Berücksichtigung von KEZ bei der Berechnung eigener Rentenansprüche rechtlich gleich behandelt werden muss, erläutert die Klägerin nicht und hierfür ist auch nichts ersichtlich (vgl. BSG, Beschluss vom 25.8.2022 - B 5 R 83/22 B - juris Rn. 7; BSG, Beschluss vom 16.11.2022 - B 5 R 121/22 B - juris Rn. 10; siehe auch die besonderen Vorschriften einerseits zu kinderbezogenen Leistungen der Rentenversicherung in Art. 26 Abs. 2 DJSVA und andererseits in Art. 28 DJSVA zum Kindergeld).

Steht mithin fest, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Berücksichtigung weiterer KEZ bei der Berechnung ihrer Regelaltersrente hat, so gilt dies für die geltend gemachten BIZ aufgrund obiger Ausführungen entsprechend (vgl. § 57 Satz 1 SGB VI).

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

 

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