L 28 KR 469/20

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
28.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 182 KR 1611/19
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 28 KR 469/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Der Berücksichtigung als Einkünfte im Sinne des § 240 SGB V steht nicht entgegen, dass die Ausschüttungen aus einem Kommanditanteil an einer KG Versicherten tatsächlich (im Ergebnis) nicht zugeflossen sind, weil der Kommanditanteil zugunsten eines Familienangehörigen teilweise mit einem Nießbrauch belegt ist (Vorbehalts- und Quotenießbrauch).

 

2. Bei der Einräumung eines lebenslangen Nießbrauchs aus Anlass einer unentgeltlichen Übertragung eines Gesellschaftsanteils im Wege der vorweggenommenen Erbfolge handelt es sich um eine Form der Vorausabtretung. Es liegt darin eine freiwillige Verwendung der künftigen Einkünfte vor, die die Höhe der Beiträge nicht mindert.

 

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 19. November 2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand

 

Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welcher Höhe der Kläger als freiwillig versicherter hauptberuflich Selbständiger für die Zeit ab dem 1. Dezember 2018 bis längstens zum 31. Dezember 2019 Beiträge zur Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sowie zur sozialen Pflegeversicherung zu zahlen hat.

 

Der Kläger ist seit dem 1. April 2007 als freiwilliges Mitglied bei den Beklagten zu 1) und 2) kranken- und pflegeversichert. Er ist als Designer hauptberuflich selbständig erwerbstätig.

 

Der Kläger hält einen Kommanditanteil an der WB Verwaltungs-GmbH & Co Bauträger KG. Diese KG erzielt Einkünfte aus Mieteinnahmen. Seinen Kommanditanteil hat der Kläger aufgrund eines zwischen ihm selbst und seiner Großmutter geschlossenen Übertragungsvertrags vom 29. Juni 2004 von seiner Großmutter als Schenkung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erhalten.

 

In dem o. g. „Vertrag über die Schenkung einer Kommanditbeteiligung und Einräumung eines Nießbrauchs“ mit seiner Großmutter bestellte der Kläger zugunsten seines Vaters, B R von L, einen lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch an dem ihm übertragenen Kommanditanteil. Dem Vater des Klägers stand als Nießbrauchsberechtigtem vertraglich der Teil des auf den Kläger entfallenden Anteils am Jahresüberschuss der o. g. KG zu, der dem Kläger nach Berücksichtigung der von ihm zu tragenden Einkommensteuern und Ergänzungsabgaben verblieb (§ 2 und § 3 des bezeichneten Vertrags). Dabei wurden vertraglich 25 % des Ergebnisanteils für die Steuerbelastung einbehalten, so dass der Nießbrauchsberechtigte Anspruch auf 75 % des Gewinns aus dem Kommanditanteil hatte (§ 3 Abs. 2 des o. g. Vertrags).

 

Gemäß § 4 des o. g.  Vertrags über die Schenkung der Kommanditbeteiligung soll sich der Nießbrauch im Wesentlichen auf das Gewinnstammrecht beziehen und nicht die Gesellschafterrechte umfassen. Auch während der Dauer des Nießbrauchs werden alle Stimm- und Verwaltungsrechte in der B KG vom Kläger ausgeübt (§ 4 Abs. 1 Satz 1 des o. g. Vertrages). Mitunternehmer im steuerrechtlichen Sinn soll gemäß §  4 Abs. 1 Satz 2 des o. g. Vertrags „allein“ der Kläger sein. Er verpflichtet sich, die Gesellschafterrechte dahin auszuüben, dass die Gesellschaft dem Nießbrauchsberechtigten einen konkret bezifferten, aber aus dem Vertrag nicht entnehmbaren (da geschwärzten) Mindestnießbrauchsbetrag aus dem Gewinn zahlen kann (§ 4 Abs. 3 des o. g. Vertrags). Nach Darstellung des Klägers beträgt der vertraglich vereinbarte Mindestnießbrauchsbetrag 24.000 Euro pro Jahr.

 

Der Kläger hat auf den zu erwartenden Jahres-Nießbrauchnutzen dem Nießbrauchsberechtigten einen monatlichen Teilbetrag in konkret vereinbarer Höhe zu überweisen, der aus der KG übernommen werden darf (§ 3 Abs. 3 des o. g. Vertrags). Geht der auf dieser Grundlage gezahlte Jahresbetrag über den sich aus dem Kommanditanteil ergebenden Nießbrauchnutzen hinaus, muss der Differenzbetrag in späteren Jahren mit deren Jahres-Nießbrauchserträgen ausgeglichen werden (so § 3 Abs. 4 des o. g. Vertrags).

 

Aus einem weiteren Schenkungsvertrag vom gleichen Tag mit seinem Vater, Herrn R Bvon L-F, erhielt der Kläger ein Drittel der Kommanditbeteiligung seines Vaters. Auch in diesem Vertrag bestellte der Kläger seinem Vater und in seinem Todesfall dessen Ehefrau und deren Tochter einen lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauch an dem geschenkten Kommanditanteil. Der Nießbrauch ist inhaltlich weitgehend identisch mit dem weiteren Nießbrauch, der an dem von der Großmutter erhaltenen Kommanditanteil begründet ist, ausgestaltet

 

Die anteiligen Einkünfte aus den Mieteinnahmen der KG wurden nach dem Vortrag des Klägers jährlich in voller Höhe an den nießbrauchberechtigten Vater des Klägers ausgeschüttet.

 

Der Vater des Klägers und Nießbrauchsberechtigte ist am 6. Mai 2019 verstorben, damit endete der Nießbrauch zu dessen Gunsten. Gemäß § 2 Abs. 2 und 3 des o. g. Vertrags waren im Anschluss seine Ehefrau und die Tochter in Höhe von jeweils 1/4 des Kommanditanteils nießbrauchsberechtigt. In Höhe der restlichen 50 % fließen dem Kläger seit Juni 2019 die versteuerten Ausschüttungen selbst zu. Gemäß der Angaben des Klägers endete der Nießbrauch an dem Kommanditanteil mit Beginn des Jahres 2021, da er vorzeitig gegen Entgelt vollständig abgelöst wurde.

 

In den Jahren 2015 und 2016 und 2018 erhielt der Kläger selbst tatsächlich keine Liquiditätsausschüttungen aus seinen Gewinnanteilen an der o. g. KG (bestätigt durch Schreiben der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Mazars vom 17. Januar 2018 und vom 26. November 2018).

 

Gemäß dem Einkommensteuerbescheid vom 15. Januar 2018 beliefen sich die dem Kläger einkommenssteuerrechtlich für das Jahr 2015 zugeordneten Einkünfte aus der Beteiligung am Gewerbebetrieb auf 32.998 Euro. Diesen Bescheid übersandte der Kläger der Beklagten im August 2018. Laut dem Einkommenssteuerbescheid vom 18. November 2018 für das Jahr 2016 beliefen sich die dem Kläger einkommenssteuerrechtlich zugeordneten Einkünfte aus der Beteiligung am Gewerbebetrieb auf 27.694 Euro.

 

Mit Bescheid vom 11. September 2018 setzte die Beklagte zu 1) auch für die Beklagte zu 2) die Beiträge der Kranken- und sozialen Pflegeversicherung für den Kläger ab dem 1. August 2018 vorläufig auf monatlich 446,82 Euro für die Krankenversicherung und 83,97 Euro für die soziale Pflegeversicherung fest. Dabei legte die Beklagte zu 1) ein monatliches Einkommen in Höhe von 2.997,42 Euro zugrunde und berücksichtigte damit die o. g. Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß dem Einkommensteuerbescheid vom 15. Januar 2018. Eine endgültige Beitragsfestsetzung erfolge, sobald der Einkommensteuerbescheid 2018 vorliege.

 

Mit Bescheid vom 7. Januar 2019 berücksichtigte die Beklagte zu 1) ab dem 1. Januar 2019 vorläufig eine Anhebung des Beitragssatzes in der Pflegeversicherung um 0,5 Prozentpunkte.

 

Mit zwei Bescheiden vom 30. Januar 2019 berechnete die Beklagte zu 1) die Beiträge für Dezember 2018 neu und setzte auf der Grundlage eines monatlichen Einkommens von 2.356,75 Euro Beiträge in Höhe von 351,16 Euro für die Krankenversicherung und 65,99 Euro für die soziale Pflegeversicherung vorläufig fest (insgesamt: 417,15 Euro). Ab dem 1. Januar 2019 setzte sie auf der Basis eines unveränderten Einkommens den Beitrag zur Krankenversicherung (unverändert) auf 351,16 Euro sowie den Beitrag zur Pflegeversicherung auf 77,77 Euro (insgesamt: 428,93 Euro) vorläufig fest. Zur Begründung führte der Bescheid aus, die Beitragsfestsetzung erfolgte für Selbständige vorläufig.

 

Der Kläger kündigte seine Mitgliedschaft bei den Beklagten zum nächstmöglichen Zeitpunkt (undatiertes Schreiben, Bl. 49 der Verwaltungsakte). Diese Kündigung wurde von den Beklagten weder bestätigt noch im Folgenden beachtet, das Mitgliedschaftsverhältnis wurde vielmehr fortgesetzt. Der Kläger kam auch später nicht mehr auf sein Kündigungsschreiben zurück.

 

Mit Schreiben vom 1. März 2019 erhob der Kläger Widerspruch gegen die beiden Bescheide vom 30. Januar 2019. Die ab Dezember 2018 zu zahlenden Beiträge sollten auf der Grundlage der Mindestbemessungsbeiträge vorläufig festgesetzt werden. Die ihm gemäß dem Einkommensteuerbescheid vom 18. November 2018 (für das Jahr 2016) einkommenssteuerrechtlich zugeordneten Einkünfte aus der Beteiligung am Gewerbebetrieb in Höhe von 27.694 Euro könnten nicht berücksichtigt werden. Über diese Beträge könne er nicht verfügen, sie würden auf der Grundlage des Nießbrauchs in voller Höhe an seinen Vater ausgeschüttet. Dies werde durch die entsprechende Bescheinigung der M GmbH und Co KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Steuerberatungsgesellschaft vom 17. Januar 2018 belegt, wonach der Kläger in den Jahren 2015 und 2016 keine Liquiditätsausschüttungen aus seinen Gewinnanteilen erhalten habe.

 

Gemäß § 240 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz SGB V sei die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwillig versicherten Mitglieds zu berücksichtigen. Da diese Gewinnausschüttungen nicht berücksichtigt werden könnten, seien Beiträge auf der Grundlage von Mindestbemessungsgrenze in Höhe von 1.038,33 Euro für den Zeitraum ab Januar 2019 und in Höhe von 1.522,50 Euro für den Monat Dezember 2018 vorläufig festzusetzen. Er habe seinen Lebensunterhalt im Jahr 2016 im Wesentlichen aus den Einnahmen einer Erbschaft bestritten, seine Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit hätten im Jahr 2017 lediglich 12.965 Euro betragen, so dass auch insoweit die Bemessung anhand der Mindestbemessungsgrenze gerechtfertigt sei.

 

Schließlich könnten gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 der Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung lediglich Einnahmen und Geldmittel zugrunde gelegt werden, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden könnten. Gemessen daran könne der Kläger die Einkünfte aus der Beteiligung wegen des Nießbrauchs nicht für den Lebensunterhalt verwenden.

 

Die beiden Widerspruchsbescheide vom 18. Juni 2019 und vom 7. August 2019 wiesen den Widerspruch des Klägers gegen je einen der beiden Beitragsbescheide vom 30. Januar 2019 zurück.

 

Mit seiner bereits am 19. Juli 2019 erhobenen Klage zum Sozialgericht Berlin hat sich der Kläger gegen die vorläufige Beitragsfestsetzung ab Dezember 2018 und die beiden Widerspruchsbescheide 18. Juni 2019 und vom 7. August 2019 gewandt und sein Begehren weiterverfolgt.

 

Ausgehend von den Angaben des Klägers zu seinen Einkommensverhältnissen setzte die Beklagte zu 1) nach Klageerhebung den monatlichen Beitrag wie folgt vorläufig fest: Ab dem 1. August 2019 in Höhe von insgesamt: 825,83 Euro (Bescheid vom 16. Dezember 2019); ab dem 1. Januar 2020 in Höhe von insgesamt 853,13 Euro (Bescheid vom 6. Januar 2020), ab dem 1. Januar 2021 in Höhe von 909,45 Euro (Bescheid vom 22. Januar 2021).

 

Nach Einreichung der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2018 und 2019 setzte die Beklagte zu 1) die Beiträge des Klägers für diese Jahre mit mehreren Bescheiden vom 22. Juni 2021 rückwirkend neu fest und berücksichtigte unverändert die Einkünfte aus Kapitalvermögen entsprechend den steuerrechtlichen Festsetzungen wie folgt:

 

Für den Zeitraum vom 1. August 2018 bis zum 31. Dezember 2018 einen Gesamtbeitrag pro Monat in Höhe von 783,23 Euro, beruhend auf einem Arbeitseinkommen in Höhe von monatlich 4.993,75 Euro (Bescheid vom 22. Juni 2021); Für den Zeitraum vom 1. Januar 2019 bis zum 31. Dezember 2019 wurde ein Gesamtbeitrag in Höhe von 497,58 Euro endgültig festgesetzt. Dabei berücksichtigte die Beklagte zu 1) Arbeitseinkommen in Höhe von monatlich 2.733,92 Euro (Bescheid vom 22. Juni 2021).

 

Für den Anschlusszeitraum vom 1. Januar 2020 verbleibe es bei der vorläufigen Beitragsfestsetzung in bisheriger Höhe (Bescheid vom 22. Juni 2021).

 

Der Kläger erhob auch gegen die endgültige Festsetzung der Beiträge für die Zeit vom   1. Januar 2018 bis zum 31. Dezember 2019 Widerspruch (22. Juli 2021). Diesen beschied die Beklagte nicht.

 

Gemäß dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2020 betrugen die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb 2.389 Euro (für das gesamte Kalenderjahr). Die Einkünfte aus selbständiger Arbeit betrugen dabei -4.187 Euro. Die Beklagte zu 1) setzte nach Vorlage dieses Bescheides mit Bescheiden vom 13. Juli 2022 die Beiträge für das Kalenderjahr 2020 endgültig auf monatlich insgesamt 193,23 Euro fest und legte den gesetzlich festgelegten Mindestbetrag (an Einkommen) in Höhe von 1.061,67 Euro pro Monat zugrunde. Den Bescheid über die vorläufige Beitragsfestsetzung hob sie für den Zeitraum auf. Für den Zeitraum ab dem 1. Juli 2022 setzte die Beklagte zu 1) den Beitrag vorläufig auf insgesamt 209,46 Euro fest und berücksichtigte den gesetzlichen Mindestbetrag in Höhe von 1.096,67 Euro.

 

Für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2023 setzte sie den Beitrag auf monatlich insgesamt 218,41 Euro fest. Dabei legte sie ebenfalls den gesetzlich festgelegten Mindestbetrag (an Einkommen) in Höhe von 1.137,67 Euro pro Monat zugrunde (Bescheid vom 17. Januar 2023).

 

Mit Gerichtsbescheid vom 19. November 2020 hat das Sozialgericht die Klage gegen die Bescheide vom 30. Januar 2019 abgewiesen. Der Widerspruchsbescheid vom 7. August 2019 sei gemäß § 96 SGG Gegenstand der Klage geworden. Die vorläufige Beitragsfestsetzung ab Dezember 2018 sei rechtmäßig. Gemäß § 240 SGB V sei bei der Beitragsbemessung sicherzustellen, dass die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt werde. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei dazu geklärt, dass diese wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht von der Höhe der liquiden Mittel bestimmt werde. Daher könnten im Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung auch Einnahmen, die der Erfüllung von Verbindlichkeiten dienten, herangezogen werden. So habe das Bundessozialgericht entschieden, dass Kapitalerträge aus einer zur Sicherung der Darlehensforderung abgetretenen Lebensversicherung als Einnahmen eines freiwillig versicherten Mitglieds, die zum Lebensunterhalt verbraucht werden könnten, auch dann beitragspflichtig seien, wenn sie zur Tilgung des Darlehens an das Kreditinstitut ausgezahlt würden. Die Abtretung einer dem Grunde nach beitragspflichtigen Einnahme durch den Versicherten sei eine für die Beitragsbemessung grundsätzlich unbeachtliche Verwendung der Einnahmen. Auch zu reinvestierten Ausschüttungen aus einer Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds habe das Bundessozialgericht entschieden, dass es in der Dispositionsfreiheit des Versicherten liege, sich für eine Anlage zu entscheiden, durch deren vertragliche Ausgestaltung er während der Laufzeit über anfallende steuer- und beitragspflichtige Gewinne nicht frei verfügen könnte, weil diese Gewinne unmittelbar reinvestiert worden seien. Gerade die vertraglich begründete Verwendungsbindung der wirtschaftlich dem Kläger zuzurechnenden Gewinne stelle eine Vergleichbarkeit mit dem Fall her, in dem Einnahmen aus Kapitalerträgen zur Darlehenstilgung unmittelbar an ein Kreditinstitut statt an den Versicherten ausgezahlt würden. Auch der Kläger mache von seiner privatrechtlichen Dispositionsfreiheit Gebrauch. Seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit liege darin begründet, dass er in der Lage sei, einer dritten Person einen Nießbrauch an seinem Kommanditanteil einzuräumen. Unbeachtlich sei es, dass er über die Ausschüttungen aus diesem Kommanditanteil nicht frei verfügen könne.

 

Der Kläger hat gegen den seinem Bevollmächtigten am 23. November 2020 zugestellten Gerichtsbescheid am 22. Dezember 2020 Berufung eingelegt; mit dieser wendet er sich zuletzt noch gegen die Beitragsfestsetzung für den Zeitraum 1. Dezember 2018 bis zum 31. Dezember 2019.

 

Das Sozialgericht verkenne, dass der Nießbrauch unwiderruflich sei und er gerade keine Möglichkeit habe, diesen löschen zu lassen. Bereits deshalb sei weder eine Einnahme zur Erfüllung zu berücksichtigen noch sei der Sachverhalt mit einer reinvestierten Ausschüttung aus einem Immobilienfonds vergleichbar. Außerdem habe er – im Unterschied zu den durch das Bundessozialgericht entschiedenen Fällen – gerade keinen finanziellen Vorteil, insbesondere werde sein Vermögen oder Einkommen (mit den Ausschüttungen) nicht erhöht. Er werde vielmehr mit Steuern auf Einkünfte belastet, die ihm nicht zuflössen. Dementsprechend würden auch Beiträge erhoben.

 

Auch gemäß der Maßgabe des § 3 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler komme es darauf an, dass es sich um Einnahmen handeln müsse, die das freiwillige Mitglied zum Lebensunterhalt verbrauche oder zumindest verbrauchen könnte. Beides sei ihm nicht möglich.

 

Die Schenkung an seinen Vater sei ihrerseits mit der Maßgabe erfolgt, dass er dem Vater aus dem Nießbrauch monatlich einen Abschlag in Höhe von 2.000 Euro zu zahlen habe, was einen Mindestnießbrauch darstelle. Aufgrund der Ausgestaltung des Nießbrauchs handele es sich für den Kläger um eine Gewinnverwendung, er sei deshalb steuerpflichtig. Aufgrund des Mindestnießbrauchs in Höhe von jährlich 24.000 Euro und der Tatsache, dass der Überschuss der KG nicht ausgereicht habe, um diesen zu erwirtschaften, seien bis einschließlich 2014 Überzahlungen an den Vater des Klägers erfolgt. Die Zahlungen an den Vater seien von der KG geleistet worden, die die Beträge für den Kläger verauslagt habe, dieser habe die Beträge hernach an die Gesellschaft erstatten müssen. Bis zum 31. Dezember 2014 sei so eine Forderung des Klägers gegen seinen Vater in Höhe von 89.000 Euro aufgelaufen. In den folgenden Jahren ab 2015 sei diese dadurch abgebaut worden, dass an den Vater nicht mehr als der Mindestnießbrauch ausgezahlt worden sei. Rechnerisch höhere Beträge seien nicht ausgezahlt worden. Die Forderung habe bis zum Tod des Vaters im Mai 2019 geringfügig abgebaut werden können. Ein Ausgleich durch die Erben sei unwahrscheinlich. Es habe tatsächlich kein Zufluss an den Kläger stattgefunden, da er seinerseits die verauslagten Beträge an die KG habe erstatten müssen.

 

Der wesentliche Teil seiner versteuerten Einkünfte resultiere aus seiner Beteiligung an der o. g. KG. Die W B Verwaltungs-GmbH & Co KG weise in ihrer Bilanz einen Verlustvortrag in Höhe von 944.000 Euro auf, der mit rund 315.000 Euro auf den Kläger entfalle. Er könne daher keine sonstigen Entnahmen tätigen. Nur soweit der Kläger ab Juni 2019 Einkünfte in Höhe von 50 % der Einkünfte aus dem Kommanditanteil tatsächlich ausgezahlt erhalte, sei eine Heranziehung zu den Beiträgen zutreffend. Im Übrigen müssten, soweit die Einkünfte aus dem Kommanditanteil Berücksichtigung fänden, zumindest die tatsächlich geleisteten Nießbrauchszahlungen einkommensmindernd berücksichtigt werden.

 

Mit Blick auf die zwischenzeitlich endgültige Festsetzung für 2020 auf der Basis der gesetzlichen Mindestbeträge und der für die Zeit ab 2021 noch vorläufig erfolgten Beitragsfestsetzung beantragt der Kläger,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 19. November 2020 aufzuheben und die Beklagten unter Änderung der Bescheide vom 22. Juni 2021 zu verurteilen, die Beiträge für die Zeit vom 1. Dezember 2018 bis zum 31. Dezember 2019 endgültig ausgehend von den gesamten Einnahmen allein des Klägers unter Abzug der geleisteten Nießbrauchszahlungen festzusetzen.

 

 

Die Beklagte beantragt,

 

 

            die Berufung zurückzuweisen.

 

 

Hinsichtlich der Ausschüttungen an den (verstorbenen) Vater des Klägers gelte es zu berücksichtigen, dass der Kläger jedenfalls anfänglich eine Position innehatte, die nach den höchstrichterlichen Vorgaben eine Beitragspflicht begründe. Diese Position stehe bei wirtschaftlicher Betrachtung dem Kläger zu. An dieser Einstufung änderten rein individualvertragliche Vereinbarungen nichts, die für eine bestimmte Zeit eine Verwendungsbindung hinsichtlich der Ausschüttung darstellten. Die klägerische Leistungsfähigkeit werde gerade nicht durch die liquiden Mittel bestimmt.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die ausgetauschten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Gerichts- und teilweise elektronische Verwaltungsakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung sowie der Entscheidung des Senats gewesen sind.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

 

A. Der Senat durfte in der Besetzung durch die Berichterstatterin und die ehrenamtlichen Richter und Richterinnen entscheiden, denn das Sozialgericht hat durch Gerichtsbescheid entschieden und der Senat hat die Berufung zur Entscheidung auf die Berichterstatterin und die beiden ehrenamtlichen Richter/Richterinnen mit Beschluss vom 30. Januar 2023 übertragen

 

B. Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 19. November 2020 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Das Sozialgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beitragsfestsetzung rechtmäßig erfolgte und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Der Senat verweist hier vollumfänglich auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung, die er sich nach Prüfung zu eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG).

 

Zu betonen und auszuführen bleibt aber in Anbetracht der für den maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt des Senats veränderten Sach- und Rechtslage Folgendes:

 

I. Streitgegenstand ist die Beitragserhebung für den Zeitraum vom 1. Dezember 2018 bis zum 31. Dezember 2019.

 

1. Der Kläger hat mit seinem Widerspruch und der erhobenen Klage zunächst zulässig die Beitragsbescheide vom 30. Januar 2019 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 18. Juni 2019 und vom 7. August 2019 angegriffen. Die Bescheide setzten die Beiträge für den Kläger für die Zeit vom 1. Dezember 2018 bis zum 31. Dezember 2018 und ab dem 1. Januar 2019 vorläufig fest. Die vorläufigen Festsetzungen haben sich für den Zeitraum Dezember 2018 bis zum 31. Dezember 2020 erledigt. Die Beklagte hat mit den Bescheiden vom 22. Juni 2021 und vom 13. Juli 2022 die Beiträge für den o. g. Zeitraum endgültig festgesetzt. Damit verloren die zuvor ergangenen Bescheide über die vorläufige Festsetzung ihre Wirkung und erledigten sich kraft Gesetzes auf andere Weise nach § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Die gegen sie bereits erhobene Anfechtungsklage wurde unzulässig.

 

Mit Blick auf die endgültige Festsetzung für das Jahr 2020, die im Ergebnis keine Einkünfte aus den Ausschüttungen des Kommanditanteils berücksichtigte, sondern die Beiträge auf der Basis der gesetzlichen Mindestbeiträge festsetzte und angesichts der Tatsache, dass für den Anschlusszeitraum ab dem 1. Januar 2021 nur vorläufige Festsetzungen bestehen, hat der Kläger seine Klage im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf den Zeitraum bis 31. Dezember 2019 beschränkt.

 

2. Über die nach Einlegung der Berufung ergangenen Beitragsbescheide mit einer endgültigen Festsetzung vom 22. Juni 2021 entscheidet der Senat auf (Anfechtungs-) Klage gem. § 54 Abs. 1 SGG. Die Bescheide über die endgültige Festsetzung sind nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, weil sie die Bescheide über die vorläufige Festsetzung ersetzen. Da die angegriffene vorläufige Festsetzung zukunftsoffen erfolgte, wurden die den Bescheiden vom 30. Januar 2019 folgenden Bescheide über die Festsetzung der Beiträge, da sie diese in die Zukunft änderten, gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klage- und Berufungsverfahrens. Gleichwohl hat es Beklagte versäumt, die einbezogenen Bescheide und den sie betreffenden Verwaltungsvorgang an den Senat zeitnah zu übersenden (§ 96 Abs. 2 SGG). Der Kläger hat die Klage auf den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2019 beschränkt.

 

3. Nicht Gegenstand des Verfahrens ist schließlich der Bescheid vom 22. Juni 2021, der Beiträge für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis zum 31. Juli 2018 endgültig festsetzt sowie der weitere Bescheid dieses Tages, soweit dieser Beiträge für die Zeit ab 1. August 2018 bis zum 30. November 2018 endgültig festsetzt. Denn für diesen Zeitraum waren die vorläufigen Beitragsbescheide zu keinem Zeitpunkt Gegenstand dieses Verfahrens, § 96 SGG ist insoweit nicht einschlägig

 

 

II. Die Klage hat keinen Erfolg, weil die Festsetzung der Beiträge ab dem 1. Dezember 2018 bis zum 31. Dezember 2019 nicht rechtswidrig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.

 

1. Dabei haben sich die Beitragsfestsetzungen der Beklagten nicht schon dadurch für Teilzeiträume erledigt, dass der Kläger mit seinem undatierten Schreiben nach dem Ruhensbescheid der Beklagten zu 1) vom 8. November 2018 das Versicherungsverhältnis zum nächst möglichen Zeitpunkt kündigte. Eine Beendigung des Versicherungsverhältnisses ist zwar nach § 191 Nr. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) mit dem Wirksamwerden einer Kündigung möglich. Allerdings setzt die Wirksamkeit – auch bei einer freiwilligen Mitgliedschaft – voraus, dass das Mitglied nachweist, dass es über eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall verfügt. § 175 Abs. 4 Satz 4 SGB V ist nicht nur bei Kündigung einer Mitgliedschaft gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V einschlägig, sondern nach seinem Schutzzweck auch bei der Kündigung einer freiwilligen Mitgliedschaft, um eine Mitgliedschaft bei einer anderen (ggf. privaten) Krankenkasse zu begründen (vgl. näher LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. Juni 2013 – L 1 KR 48/11; Just in: Becker/Kingreen, SGB V, 8. Aufl. 2022, § 175 Rn. 26). Der Kläger hat weder zum Zeitpunkt seines Kündigungsschreibens noch später das Bestehen einer anderweitigen Absicherung für den Krankheitsfall nachgewiesen. Vielmehr wurde im konkludenten Einverständnis aller Beteiligten das Versicherungsverhältnis zu den Beklagten fortgesetzt.

 

2. Die Beitragsberechnung beruht auf § 240 SGB V in der ab dem 1. Dezember 2018 geltenden Fassung vom 4. April 2017 und ab dem 15. Dezember 2018 in der Fassung vom 11. Dezember 2018. Gemessen daran hat der Kläger keinen Anspruch darauf, dass die von ihm zu leistenden Zahlungen auf den Nießbrauch am Kommanditanteil einkommensmindernd berücksichtigt werden.

 

a. Die Beklagte war berechtigt, die Beiträge des Klägers für die Zeit ab dem 1. Dezember 2018 – ausgehend von dem zunächst angefochtenen Bescheid vom 30. Januar 2019 – rückwirkend festzusetzen. Zwar hatte sie zuvor bereits mit dem Bescheid vom 11. September 2018 die Beiträge ab dem 1. August 2018 (auf insgesamt 530,70 Euro) festgesetzt. Dieser Bescheid ist auch bindend geworden (§  77 SGG). Mit dem Bescheid vom 30. Januar 2019 erfolgte aber eine Reduzierung der Beiträge auf insgesamt 417,15 Euro, damit keine weitere Belastung des Klägers, sondern eine Begünstigung. Diese ist gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X rückwirkend zulässig (BSG, Urteil vom 17. März 2010 – B12 KR 4/09 R - Rn. 14/15). Der zuvor am 11. September 2018 ergangene Bescheid enthielt außerdem keine endgültige Regelung, sondern setzte ausdrücklich die Beitragshöhe nur vorläufig fest. Diese vorläufige Beitragsfestsetzung war für den hauptberuflich selbständigen Kläger auch zulässig, denn gemäß § 240 Abs. 4a SGB V in der ab dem 1. Januar 2018 geltenden Fassung werden die nach dem Arbeitseinkommen, damit für Selbständige, zu bemessenden Beiträge auf der Grundlage des zuletzt erlassenen Einkommensteuerbescheides vorläufig festgesetzt. Nach Satz 3 der Bestimmung werden die vorläufig festgesetzten Beiträge auf Grundlage der tatsächlich erzielten beitragspflichtigen Einnahmen für das jeweilige Kalenderjahr nach Vorlage des jeweiligen Einkommensteuerbescheides endgültig festgesetzt. Der Kläger erzielte Einkünfte aus Arbeitseinkommen.

 

 

b. Die Beklagte durfte die für den Kläger in den Einkommensteuerbescheiden ausgewiesenen Einkünfte aus Gewerbebetrieb zur Gänze berücksichtigen. Diese machen für den streitgegenständlichen Zeitraum den überwiegenden Löwenanteil der Einkünfte des Klägers aus.

 

§ 240 Abs. 1 SGB V verweist mit dem Begriff der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds, die bei der Beitragserhebung zu berücksichtigen ist und mit der näheren Konkretisierung des § 240 Abs. 2 SGB V, wonach mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen sind, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtigen Beschäftigten der Beitragsberechnung zugrunde zu legen sind, insbesondere auf die in § 226 Abs. 1 Satz 1 genannten Einnahmearten Arbeitsentgelt (§ 14 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV), Renten der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 228), Versorgungsbezüge (§ 229) sowie Arbeitseinkommen (§ 15 SGB IV, Mecke, in: Becker/Kingreen, 8. Aufl. 2022, SGB V § 240 Rn. 8).

 

§ 240 SGB V hat im Übrigen für die Beitragsberechnung freiwillig versicherter Mitglieder, die hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind, mehrfache und teils grundlegende Änderungen erfahren. Mit Einführung des § 240 Abs. 4a SGB V mit Wirkung zum 1. Januar 2018 hat der Gesetzgeber die Frage der vorläufigen bzw. endgültigen Festsetzung der Beiträge auf Einkommen aus selbständiger Tätigkeit neu geregelt. Während zuvor gemäß § 240 Abs. 4 Satz 6 SGB V a. F. die Berücksichtigung des jeweils aktuellsten Einkommenssteuerbescheides nur für die Zukunft und damit teilweise eine um Jahre verzögerte Berücksichtigung der tatsächlichen Einnahmen vorgesehen war, die noch dazu von den Arbeitszeiten der Finanzbehörden, aber auch durch verspätete Einreichungen von Steuererklärungen beeinflusst wurde, findet seither zunächst eine vorläufige Beitragsfestsetzung statt (§ 240 Abs. 4a Sätze 1 und 2 SGB V), die nach Vorlage des Einkommenssteuerbescheides für das jeweilige Kalenderjahr durch eine endgültige Festsetzung auf Grundlage der tatsächlich erzielten Einnahmen ersetzt wird (§ 240 Abs. 4a Satz 3 SGB V). Nur wenn das Mitglied seine tatsächlichen Einnahmen auf Verlangen der Krankenkasse nicht innerhalb von drei Jahren nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres nachweist, gilt für die endgültige Beitragsfestsetzung nach Satz 3 als beitragspflichtige Einnahme für den Kalendertag der 30. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 240 Abs. 4a Satz 4 SGB V, vgl. dazu Hessisches Landessozialgericht, - LSG - Urteil vom 2. Juni 2022 – L 8 KR 129/20 –, Rn. 31 - 32, juris). Zum 1. Januar 2019 hat der Gesetzgeber zudem – für den Kläger bedeutsam – die Mindestbeitragsbemessungsgrundlage für hauptberuflich Selbständige abgesenkt.

 

Gemäß § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V gilt als beitragspflichtige Einnahme freiwillig Versicherter für den Kalendertag nach wie vor mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße. Diese Regelung ist, nach Wegfall der früheren Sätze 2 und 3 des Absatzes, auch auf Selbständige anwendbar. Die Absenkung der Beitragsbemessungsgrundlage ist bei Nachweis eines entsprechend niedrigen Einkommens mithin nicht mehr auf 30/60 der Bezugsgröße begrenzt. Im Übrigen gelten weiterhin die eingeführten Regelungen zur vorläufigen und endgültigen Festsetzung der Beitragsverpflichtungen Selbständiger (Urteil des Hessischen LSG, aaO).

 

Die Beklagte zu 1. hat den Berechnungen der Beiträge des Klägers, im streitgegenständlichen Zeitraum, beginnend ab dem 1. Dezember 2018, die jeweils geltenden Regelungen zugrunde gelegt. Dabei ist sie für den Zeitraum vom 1. Dezember 2018 bis zum 31. Dezember 2019 nicht von der gesetzlich vorgesehenen Mindestbemessungsgrundlage, d. h. der für freiwillig Versicherte selbständige Mitglieder niedrigsten möglichen Bemessungsgrundlage, ausgegangen, sondern zutreffend das im Einkommensteuerbescheid für 2018 und 2019 ausgewiesene höhere Einkommen aus Gewerbe in unverminderter Höhe übernommen (Beitragsbescheide vom 22. Juni 2021).

 

Arbeitseinkommen in diesem Sinne ist der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit (§ 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB IV bestimmt ergänzend, dass Einkommen als Arbeitseinkommen zu werten ist, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist. Für Kapitaleinkünfte aus einem Kommanditanteil ist es unstreitig, dass es sich dabei grundsätzlich um einen Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit und damit um Einkommen nach dem Einkommensteuerrecht handelt. Bei Gewinnanteilen eines Kommanditisten aus einem Gesellschaftsanteil einer GmbH & Co KG handelt es sich um Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. S. des §  15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (Frotscher/Geurts, EStG, § 20 Rn. 97). Gemessen daran sind auch die Ausschüttungen aus dem Kommanditanteil des Klägers grundsätzlich beitragspflichtige Einnahmen. Ausweislich der Steuerbescheide entfielen 2018 Einkünfte aus Gewerbebetrieb, konkret aus Beteiligungen in Höhe von 48.820 Euro und 2019 in Höhe von 28.084 Euro auf den Kläger (Einkommensteuerbescheide vom 24. Juni 2020 und vom 21. Mai 2021).

 

Der Berücksichtigung als steuerpflichtige Einkünfte steht im Fall des Klägers nicht entgegen, dass die Ausschüttungen aus dem Kommanditanteil ihm tatsächlich (im Ergebnis) nicht zugeflossen sind, weil der Kommanditanteil zugunsten seines Vaters bzw. ab Juni 2019 zugunsten von dessen Ehefrau und Tochter noch teilweise mit einem Nießbrauch belegt war (Vorbehalts- und Quotenießbrauch) und der Kläger darauf vertraglich begründete vorschussweise Zahlungen zu leisten hatte.

 

Steuerrechtlich sind die Ausschüttungen aus dem Kommanditanteil dem Kläger trotz des Nießbrauchs zuzurechnen, weil Zurechnungsobjekt der Ausschüttungen grundsätzlich der Anteilseigner (Kommanditist) ist. Zurechnungssubjekt der Ausschüttung ist gemäß §  15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EstG der Gesellschafter, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen ist. Der Kläger ist insoweit unternehmerischer Gesellschafter und Inhaber des Gesellschaftsanteils geblieben, damit des nach dem Steuerrecht maßgebenden Wirtschaftsgutes i. S. von § 39 Abs. 1 Abgabenordnung (AO).

 

Einem zivilrechtlich hiervon abweichenden Gläubiger der Ausschüttung (z.B. aufgrund einer Abtretung oder eines Nießbrauchs) ist diese nur dann einkommensteuerrechtlich zuzuordnen, wenn ihm ein Dispositionsrecht über die Einkommensquelle eingeräumt ist, die über das bloße Empfangen der Einkünfte hinausgeht. Hierfür reicht ein Nießbrauchsrecht an einem Gesellschaftsanteil nicht aus, welches über das Gewinnbezugsrecht nicht hinausgeht. Erforderlich ist vielmehr ein Übergang der Mitverwaltungs- und konkret der Stimmrechte mit entscheidendem Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft (Bundesfinanzhof, Urteil vom 14. Februar 2022 – VIII R 29/18 – Rn. 16), so dass der Nießbrauchberechtigte das Recht auf Mitwirkung an der Erzielung des Kapitalvermögens hat (Finanzgericht - FG – Münster, Urteil vom 14. Januar 2003 – 7 K 2638/00 E – Rn. 45, juris). Steht dem Nießbraucher dagegen im Wesentlichen nur das Gewinnnutzungsrecht zu, ist er (steuerrechtlich) nicht Mitunternehmer und stellt sich der Nießbrauch am Gesellschaftsanteil lediglich als Vorausabtretung der Gewinnanteile, der Ausschüttung, dar (vgl. FG Münster, aaO, Rn. 45 für den Anteil an einer Kapitalgesellschaft). Die Zuordnung der Ausschüttung bei einem Nießbrauchsberechtigten anstelle des Gesellschafters ist dann einkommensteuerrechtlich nicht gerechtfertigt; eine Zweiteilung oder Aufteilung der Einkünfte auf Gesellschafter und Nießbraucher sieht das Steuerrecht nicht vor.

 

Ausgehend davon wurde der Kläger (zu Recht) als Zuordnungssubjekt der Ausschüttungen im Sinne des Steuerrechts behandelt. Denn sein Vater und die ihm folgenden Nießbrauchsberechtigten konnten den Kläger nicht von der Einwirkung auf das Recht (das Wirtschaftsgut i. S. von § 39 AO) ausschließen. Sie haben vertraglich nur ein Nutzungsrecht an dem Kommanditanteil in Gestalt der Jahresüberschüsse eingeräumt erhalten (vgl. §  2 und § 3 des Vertrags über die Schenkung einer Kommanditbeteiligung und Einräumung eines Nießbrauchs, allgemein, Koenig, Abgabenordnung, 4. Aufl. 2021 § 39 Rn. 44 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs; Schigulski, in: Leingärtner, Besteuerung der Landwirte, Stand: Oktober 2022, Kapitel 41 Rn. 81).

 

Dem Vater des Klägers sowie nach seinem Tod seiner Ehefrau und Tochter war zwar ein Nießbrauchsrecht am Kommanditanteil selbst eingeräumt, allerdings beschränkte es sich zu jeder Zeit auf den Anteil am Jahresüberschuss nach Steuern und Abgaben (§ 3 Abs. 1 des Vertrags über die Schenkung einer Kommanditbeteiligung und Einräumung eines Nießbrauchs). § 4 Abs. 1 des Vertrags über die Schenkung einer Kommanditbeteiligung und Einräumung eines Nießbrauchs beschränkt den Nießbrauch zudem „im Wesentlichen“ auf das Gewinnstammrecht, belässt die Verwaltungs- und sonstigen Gesellschafterrechte beim Kläger und führt in Satz 3 sogar explizit aus, dass Mitunternehmer im steuerrechtlichen Sinne der Kläger sein soll. Auch wenn gerade die letzte Bestimmung keine (steuer-)rechtliche Bindung hervorbringen vermag, sondern nur den Parteiwillen widerspiegelt, weil die Stellung als Mitunternehmer nicht zur Disposition der Vertragsparteien steht, wird daraus mehr als deutlich, dass der Kläger Inhaber des Wirtschaftsgutes sein sollte und auch allein Unternehmer im steuerrechtlichen Sinne.

 

Die steuerrechtliche Zuordnung der Einnahmen spricht in der Regel dafür, dass sie auch beitragsrechtlich – konkret im Rahmen von § 240 SGB V – als Einnahmen des Steuerpflichtigen zum Lebensunterhalt zu werten sind (BSG, Urteil vom 17. März 2010 – B 12 KR 4/09 R – Rn. 19). Im Fall des Klägers ist nicht ersichtlich, dass die Einrichtung des Nießbrauchs vor allem bezogen auf das Gewinnstammrecht und damit die Ausschüttungen im Rahmen des Beitragsrechts anders zu beurteilen sind. Das gilt auch bei Berücksichtigung der speziellen Ausgestaltung des Nießbrauchs.

 

§ 15 SGB IV bezweckt mit der Anknüpfung an den nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelten Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit grundsätzlich einen Gleichlauf von steuer- und beitragsrechtlicher Betrachtung, u.a. aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung. Das wird noch dadurch verstärkt, dass § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB IV auch hinsichtlich der Art von Einkünften anordnet, dass Einkommen dann Arbeitseinkommen i. S.  des Sozialversicherungsrechts ist, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist („volle Parallelität“, vgl. BT-Drucks. 12/5700, S. 92 – Zu Artikel 3 Nummer 2). Demgemäß sind Einkünfte aus einem Kommanditanteil, die kraft Nießbrauchsrecht einem Dritten tatsächlich zufließen, solche des Gesellschafters, so der Nießbrauchsberechtigte nur ein Gewinnbezugsrecht hat. Sie sind steuerrechtlich und damit auch sozialversicherungsrechtlich Einkommen des Gesellschafters/Kommanditisten.

 

Eine abweichende Betrachtung ist nicht wegen der Besonderheiten oder dem Sinn und Zweck der Beitragsbemessung nach § 240 SGB V für den Nießbrauch an einem Kommanditanteil – beschränkt auf das Gewinnstammrecht – geboten. Denn es handelt sich hier zumindest wirtschaftlich um eine (Sonder-)Form der Vorausabtretung oder ist ihr zumindest beitragsrechtlich gleichzustellen.

 

Die Abtretung von dem Grunde nach beitragspflichtigen Einnahmen von Versicherten ist eine für die Beitragsbemessung grundsätzlich unbeachtliche Verwendung der Einnahmen (so bereits das Sozialgericht in der Ausgangsentscheidung). Das BSG hat für die Fälle der Abtretung von Einnahmen im Bereich des § 240 SGB V mehrfach ausgeführt, dass solche Einnahmen ungeachtet der Tatsache, dass sie dem Forderungsinhaber (Zedent) tatsächlich nicht als liquide Mittel zur Verfügung stehen, zur Beitragsbemessung heranzuziehen sind. Abtretungen werden typischerweise entweder zur Erfüllung einer Verbindlichkeit vorgenommen oder der Berechtigte verfügt im Wege der freiwilligen Zuwendung an Dritte über seine Einkünfte (BSG, Urteil vom 17. März 2010 – B 12 KR 4/09 R – Rn. 20; Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 12 KR 19/14 R – Rn. 19). Beide Rechtsgeschäfte beeinflussen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Zedenten nicht.

 

Liegt in der Einräumung eines Nießbrauchs an einem Gesellschaftsanteil, konkret bezogen auf das Gewinnstammrecht, eine besondere Form der Vorausabtretung durch den Gesellschafter und rechtfertigt das steuerrechtlich die Zuordnung der Früchte zum Gesellschafter (so das FG Münster, Urteil vom 14. Januar 2003 – 7 K 2638/00 E – Rn. 45), so sind die Gewinnanteile auch der Beitragspflicht nach den obigen Grundsätzen des BSG, dem sich der Senat anschließt, ungeschmälert zu unterwerfen. Auf die Befriedigung einer Verbindlichkeit kommt es dabei nicht entscheidend an, denn auch freiwillige Zuwendungen stellen eine Form der Verfügung und Verwendung von Einkünften dar. Sie sind vor diesem Hintergrund Ausdruck der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Inhabers des Rechts.

 

§ 3 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler (hier in der ab 27. November 2014 bis 22. Juni 2021 geltenden Fassung) rechtfertigt keine andere Betrachtung. Soweit dort in Abs. 1 Satz 1 geregelt ist, dass maßgebend alle Einnahmen und Geldmittel sind, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, nimmt diese Bestimmung eine vom Sinn und Zweck des § 240 SGB V geforderte Abgrenzung von solchen Geldmitteln vor, die ihrer Zwecksetzung nach dem allgemeinen Lebensunterhalt dienen, von denjenigen, die eine besondere eigenständige Zwecksetzung aufweisen und deshalb nicht der Beitragspflicht unterliegen. Zu letzteren gehören z. B.  zum einen (Sozial-)Leistungen, die der Kompensation eines bestehenden besonderen persönlichen Bedarfs dienen oder als „Hilfe in besonderen Lebenslagen“ nicht für den „allgemeinen“ Lebensbedarf des Betroffenen bestimmt sind, sondern dem Betroffenen ungekürzt erhalten bleiben sollen (z. B.  Pflegegeld, vgl. BSG, Urteil vom 15. Oktober 2014 – B 12 KR 10/12 RNZS 2015, 141 Rn. 21, beck-online). Einkünfte aus Kommanditanteilen gehören nicht dazu.

 

Die Verbeitragung der Ausschüttungen als Einkommen steht im Fall des Klägers auch nicht entgegen, dass damit (unzulässig) Vermögen der Beitragspflicht unterworfen wird. Denn Anknüpfungspunkt der Beitragspflicht bleiben die auf der Einräumung des Nießbrauchs, damit einer Verfügung über ein Recht, beruhenden konkreten Ausschüttungen (aus einem Vermögensgegenstand), dagegen nicht der Kommanditanteil an sich (vgl. zur Verfassungsmäßigkeit der Berücksichtigung von Einkünften aus Vermögen bei freiwillig Versicherten, Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 20. August 2001 – 1 BvR 515/99 – Rn. 8). Auf die Tatsache, dass der Kläger nach Abschluss des Übertragungs- und Schenkungsvertrags mit seiner Großmutter an die Form der Vorausabtretung gebunden war, kommt es nicht an. Dies ist Ausfluss des 2004 erfolgten zivilrechtlichen Rechtsgeschäfts, in Gestalt des seinerzeit geschlossenen Schenkungs- und Übertragungsvertrags und des Rechtsgrundsatzes, wonach Verträge einzuhalten sind. Zumindest für eine logische Sekunde war dabei der Kläger Inhaber des Kommanditanteils, an dem er den Nießbrauch begründete und damit über künftige mögliche Gewinne verfügte (zur Frage der Abänderbarkeit des Vertrags sogleich).

 

Bei dieser Betrachtung einer Verwendung von (künftigen) Einnahmen ist es auch unschädlich, dass der Kläger durch die Ausschüttung selbst weder von einer Verbindlichkeit frei wurde und sie auch nicht über den Umweg der Schuldentilgung sein Vermögen vermehrte. Gleiches gilt, soweit er damit keine Geldmittel ersparte, die dann z.B. wegen einer Kredittilgung für seinen Lebensunterhalt unmittelbar zur Verfügung standen. Denn es liegt mit dem Vertragsschluss im Jahr 2004 insoweit ein freiwilliger Entschluss über die Verwendung der künftigen Einkünfte vor.

 

Auch die Tatsache, dass der Nießbrauch im Fall des Klägers so ausgestaltet war, dass er den Nießbrauchsberechtigten einen monatlich garantierten Mindestbetrag zu leisten hatte, kann zu keiner anderen Betrachtung führen. Führt der Nießbrauch an sich (dem Grunde nach) nicht dazu, die Ausschüttungen beim Kläger unberücksichtigt zu lassen, so gilt das auch für die konkret gewählte praktische Ausgestaltung, in der der Kläger quasi mit monatlichen Abschlägen in Vorleistung treten musste.

 

Insgesamt ist schließlich hinsichtlich der Frage, ob die Beitragserhebung im Fall des Klägers zu einer unbeabsichtigten oder unzumutbaren ggf. gleichheitswidrigen Härte führt, zu berücksichtigen, dass die Einkünfte Folge einer konkreten zivilrechtlichen Ausgestaltung des Nießbrauchs sind, die typischerweise erbschafts- und schenkungssteuerrechtliche (Hinter-)Gründe hat. Mit einem Vorbehaltsnießbrauch i. S. eines Vorbehalts anlässlich einer Schenkung (unter Lebenden) im Wege der vorweggenommenen Erbfolge behält sich die schenkende Person einen Teil der Rechte an der übertragenen Sache oder Forderung vor. Diese Gestaltung eröffnet grundsätzlich Steuervorteile in mehrere Richtungen, denn die Einräumung eines Nießbrauchs führt zu einer Wertminderung des Kommanditanteils in steuerrechtlicher Hinsicht, konkret seiner Bewertung in Höhe des Kapitalwertes (des Nießbrauchs), was sich günstig auf eine mögliche Schenkungssteuer auswirken kann (vgl. allgemein dazu https://www.juhn.com/fachwissen/erbschaftsteuer-schenkungsteuer/vorbehaltsniessbrauch/, recherchiert am 24. Mai 2023). Für den Beschenkten/Gesellschafter, der mit dem Nießbrauch belastet wird, wirkt sich günstig aus, dass er den steuerrechtlichen Einkünften auch Aufwendungen entgegenstellen kann, die der Nießbraucher als reiner Nutznießer der Rechtsfrüchte (z. B. des Gewinns aus einem Gesellschaftsanteil) nicht (mehr) hat.

 

Im Übrigen gelten viele Gestaltungsmöglichkeiten einer Verknüpfung von Schenkung und vorweggenommener Erbfolge als Steueroptimierung im Familienverbund und werden damit explizit im Bereich der Steuer- und Unternehmensberatung beworben (vgl. nur https://www.wirtschaftspruefung-muenchen.com/zuwendungsniessbrauch.html: „Steuern sparen im Familienverbund“, recherchiert am 24. Mai 2023). Verbliebe es bei diesen Konstellationen bei einer Verbeitragung ohne Berücksichtigung der steuerrechtlich festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder unter Abzug von Zahlungen für den Nießbrauch, so würde sich die zumindest auch aus Gründen der Steueroptimierung gewählte privatrechtliche Gestaltung aus Sicht der Sozialversicherung als Rosinenpicken darstellen.

 

Der Kläger wird nicht schon deshalb unzumutbar belastet, weil er mit dem Nießbrauch aus dem Vertrag langfristig gebunden wurde. Zwar trifft es zu, dass die Einräumung des lebenslangen Nießbrauchs unmittelbar mit der Übertragung des Kommanditanteils verbunden war. Damit konnte dieser nicht einseitig vom Kläger aufgehoben oder geändert werden. Allerdings dürfte die konkrete Belastung des Klägers vor allem daraus resultieren, dass die Beitragslast – im Unterschied zur Einkommensteuer, die ihn ebenfalls im Verhältnis zum Finanzamt trifft, obwohl er real keine Auszahlung aus den Ausschüttungen erhält – im Rahmen der vertraglichen Ausgestaltung des Nießbrauchs keine Berücksichtigung gefunden hat. Im Gegensatz dazu berücksichtigt die Regelung des § 3 Abs. 2 des Schenkungs- und Übertragungsvertrags mit der Gr0ßmutter (2004) explizit die aus der Ausschüttung beim Kläger verbleibende Steuerlast mit mindestens 25 %. Die Einkommensteuer verringerte so von vornherein den dem Nießbrauchsberechtigten zustehenden Gewinnanteil unmittelbar. Eine vergleichbare Berücksichtigung hat die Beitragslast des Klägers in der GKV und sozialen Pflegeversicherung (sPV) in dem Vertrag nicht gefunden. Dies beruht entweder darauf, dass sie schlicht von den Vertragschließenden oder den sie Beratenden nicht gesehen wurde oder, dass dem Beitrag in der Krankenversicherung (KV) und sPV im Unterschied zur Einkommensteuer für den beitragsverpflichteten Kläger ein unmittelbarer Vorteil, nämlich die (freiwillige) Versicherung, gegenübersteht. Geht man mit Blick auf die erst 2007 begründete freiwillige Versicherung des Klägers von ersterer Fallkonstellation aus, stellt sich die nicht vom Senat zu beantwortende Frage, ob insoweit eine ergänzende Vertragsauslegung gemäß § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) möglich war, nach welcher auch der durch die Gewinneinkünfte erhöhte Beitrag des Klägers mit dem Begriff der „Abgabe“ über die Höhe des Nießbrauchs auszugleichen war, oder ein Wegfall der Geschäftsgrundlage mit der Möglichkeit der Vertragsanpassung vorlag. Beide Szenarien schließen es aus, die mögliche individuelle Härte dadurch auszugleichen, dass eine Ausnahme von der Beitragspflicht nach § 240 SGB V zu Lasten der Versichertengemeinschaft vorgenommen wird.

 

Berechnungsfehler bei der Ermittlung der sich aus den Einkünften ergebenden Höhe der Beiträge zur KV und sPV sind schließlich im Fall des Klägers nicht erkennbar.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht. Der Senat folgt der Rechtsprechung des BSG zur Beitragsbemessung nach § 240 SGB V (§ 160 Abs. 2 SGG).

 

 

 

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