Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. August 2022 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt anstelle der ihm gewährten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) solche nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).
Der Kläger ist 1958 geboren und erhält vom beigeladenen Jobcenter des Landkreises K1 seit Oktober 2016 ununterbrochen Leistungen nach dem SGB II.
Im Auftrag des Beigeladenen begutachtete R1 vom medizinischen Dienst der Bundesagentur für Arbeit den Kläger nach Aktenlage, gestützt insbesondere auf den Reha-Entlassbericht der psychosomatischen Fachklinik S1 vom 6. Februar 2017 (betreffend den stationären Aufenthalt des Klägers vom 28. Dezember 2016 bis 1. Februar 2017; Diagnosen: somatoformer Schwankungsschwindel, mittelgradige depressive Episode, Tinnitus aurium, akustisches Trauma 7/2014, Gonarthrose), in welchem das Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit unter drei Stunden bewertet wurde, und ging am 21. April 2017 in ihrem Gutachten von einer voraussichtlich dauerhaften Erwerbsminderung beim Kläger aus. Der Beigeladene teilte daraufhin dem Beklagten mit Schreiben vom 7. September 2017 mit, dass seiner Auffassung nach der Kläger einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII habe und er auch einen Erstattungsanspruch geltend mache. Der Beklagte widersprach dieser Bewertung mit Schreiben vom 18. September 2017.
Die daraufhin nach § 44a SGB II angerufene Deutsche Rentenversicherung B1 (DRV) zog den Reha-Entlassbericht der Psychosomatischen Fachklinik S1 vom 6. Februar bei.
Da sich die Rentenversicherung dieser Bewertung nicht anschließen konnte, ließ sie den Kläger am 27. November 2017 ambulant von der D1 begutachten. Diese diagnostizierte (1) einen chronischen, mittlerweile durch Aufmerksamkeitslenkungsstrategien kompensierbaren Tinnitus aurium ohne wesentliche Einschränkung der Antriebs- und Gestaltungskompetenzen im Alltag, (2) eine leichte depressive Verstimmung (Dysthymia) ohne wesentliche Einschränkung der Antriebs- und Gestaltungskompetenzen im Alltag, (3) eine vorbeschriebene mittelgradige depressive Episode, zum Untersuchungszeitpunkt remittiert, (4) in beobachteten Verhaltensmomenten bewegungsunabhängig angegebener sekundenanhaltender somatoformer Schwankungsschwindel, in unbeobachteten Verhaltensmomenten bei entsprechenden Bewegungs- und Verhaltensmustern kein somatoformer Schwankungsschwindel, und damit durch Aufmerksamkeitslenkungsstrategien kompensierbar, (5) einen zumindest schädlichen Gebrauch von Alkohol, (6) episodische Spannungskopfschmerzen, (7) belastungsabhängige rechtsseitige Knieschmerzen ohne Bewegungseinschränkungen. Der Kläger sei mit qualitativen Einschränkungen noch in der Lage, im Umfang von sechs Stunden und mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein.
Am 20. September 2017 beantragte der Kläger beim Beklagten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.
Mit Schreiben vom 6. Dezember 2017 teilte die DRV dem Beklagten mit, der Kläger sei erwerbsfähig, volle Erwerbsminderung liege nicht vor.
Mit Bescheid vom 2. Juli 2018 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers ab, der Kläger gehöre nicht zum Personenkreis, welche Leistungen nach dem 3. und 4. Kapitel des SGB XII beziehen könnten.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und wendete sich gegen das Ergebnis des Gutachtens der DRV. Die DRV teilte nach wiederholten Anfragen des Beklagten mit Schreiben vom 7. November 2019 mit, es bleibe auch nach neuerlicher ärztlicher Prüfung bei der dortigen Beurteilung, wonach vollschichtiges Leistungsvermögen vorliege.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26. März 2020 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger sei erwerbsfähig im Sinne von § 8 SGB II und könne keine Leistungen nach dem 3. und 4. Kapitel des SGB XII beziehen.
Hiergegen hat der Kläger am 21. April 2020 Klage zum Sozialgericht (SG) Karlsruhe erhoben.
Das SG hat mit Beschluss vom 14. Oktober 2021 das Jobcenter des Landkreises K1 zum Verfahren beigeladen. Des Weiteren hat das SG die Verwaltungsakten der DRV beigezogen.
Das SG hat ferner die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen befragt.
Der M1 hat in seiner Auskunft vom 19. Oktober 2021 mitgeteilt, der Kläger habe sich bis 24. Februar 2017 in seiner Behandlung befunden, er könne nur Berichte überlassen.
Der B2 hat in seiner Auskunft vom 24. Oktober 2021 mitgeteilt, der Kläger leide unter Tinnitus und habe sich zuletzt am 30. Januar 2018 vorgestellt. Den aktuellen Gesundheitszustand könne er nicht beurteilen, dieser sei ihm unbekannt.
Der W1 hat am 21. November 2021 eine Auskunft aus einem Schwerbehindertenverfahren vom 1. März 2018 vorgelegt, aus welcher hervorgeht, dass er den Kläger zuletzt am 8. Februar 2017 gesehen habe.
Das SG hat daraufhin bei dem N1 das Gutachten vom 15. Juli 2022 eingeholt. Der Gutachter hat auf der Grundlage der am 13. Juni 2022 durchgeführten ambulanten Untersuchung die Gesundheitsstörungen Dysthymia und Kopfschmerz vom Spannungstyp diagnostiziert und unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen (keine schweren körperlichen Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten mehr als 10 kg sowie ständiges Stehen und Gehen, im Zusammenhang mit dem Tinnitus keine Tätigkeiten unter Zeitdruck und mit vermehrten Stressfaktoren) ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr für leichte und mittelschwere körperliche Arbeit mit Heben und Tragen von Lasten bis zu 10 kg in abwechslungsreicher, überwiegend sitzender Tätigkeit bestätigt. In dem Zusammenhang seien noch möglich das Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken sowie Zusammensetzen von Teilen. Betriebsunübliche Einschränkungen seien nicht gegeben, die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Das so festgestellte Leistungsvermögen bestehe seit 2014, mit dem Gutachten von D1 bestehe im Ergebnis Übereinstimmung. Nach dieser Begutachtung seien nach Angabe des Klägers ärztliche Behandlungen nicht erfolgt. Eine weitere Begutachtung sei nicht erforderlich.
Das SG hatte mit Schreiben vom 26. Juli 2022 die Klagerücknahme angeregt sowie für den Fall der Fortführung der Klage einen Gerichtsbescheid angekündigt und Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.
Der Kläger hat sich in seiner Stellungnahme hierzu für voll erwerbsgemindert gehalten und auf seine Gesundheitsstörungen Tinnitus, Einschlafstörung, Durchschlafstörung, Konzentrationsstörung und Schwankungsschwindel verwiesen. Er sei tagsüber müde und antriebslos. Dies sei in der Rehabilitationseinrichtung S1 so bestätigt worden.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf die Bewertung der DRV verwiesen.
Mit Gerichtsbescheid vom 25. August 2022 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, die form- und fristgerecht erhobene Klage sei zulässig. Der Kläger begehre unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Meistbegünstigung die mit der Aufhebung des Bescheids vom 2. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2020 verbundene Verurteilung des Beklagten zur Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (4. Kapitel SGB XII), hilfsweise Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt ab dem Beginn des Monats der Antragsstellung, mithin ab dem 1. September 2017, bis laufend. Letzteres ergebe sich daraus, dass bei Leistungsablehnungen grundsätzlich, so auch hier, über die gesamte Zeit bis zur Entscheidung des Gerichts zu befinden sei. Statthaft sei dabei die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage, § 54 Abs. 1, 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die so verstandene Klage sei jedoch nicht begründet.
Leistungsberechtigt nach dem 4. Kapitel des SGB XII seien nach § 41 Abs. 1 SGB XII Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus Einkommen und Vermögen nach § 43 bestreiten könnten, wenn sie die Voraussetzungen nach Absatz 2, 3 oder 3a erfüllten.
Leistungsberechtigt seien Personen nach Absatz 1 wegen Alters, wenn sie die Altersgrenze erreicht hätten, was bei dem 1958 geborenen Kläger erst mit Vollendung des 66. Lebensjahres, mithin 2024 der Fall sein werde, § 41 Abs. 2 S. 2 SGB XII. Altersbezogen ergebe sich somit kein Anspruch auf Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII.
Leistungsberechtigt seien nach Abs. 3 ferner Personen, die nach Abs. 1 wegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung, wenn sie das 18. Lebensjahr vollendet hätten, unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Absatz 2 des Sechsten Buches seien und bei denen unwahrscheinlich sei, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden könne.
Dass diese Voraussetzung beim Kläger nicht vorliege, ergebe sich schlüssig und widerspruchsfrei aus dem Gutachten des N1, es werde vom im Wege des Urkundenbeweises zu verwerteten Gutachtens von D1 bestätigt. Unter Berücksichtigung der dort jeweils erhobenen Befunde, welche keine höhergradigen kognitiven Defizite und keine höhergradigen neurologischen Störungen bestätigten, sei der Reha-Entlassbericht vom 6. Februar 2017 hinsichtlich seiner Leistungsbeurteilung nicht schlüssig. Der Kläger könne zur Überzeugung des Gerichts mit qualitativen Einschränkungen sechs Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein.
Die Voraussetzungen nach § 41 Abs. 3a SGB XII lägen ebenfalls nicht vor, weder sei der Kläger in der streitigen Zeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen im Eingangs- oder Berufsbildungsbereich tätig gewesen, noch habe er ein Budget nach § 61a SGB IX erhalten.
Von der Leistungsberechtigung nach dem 3. Kapitel des SGB XII sei gemäß § 21 SGB XII ausgeschlossen, wer dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II sei. Dies seien nach § 8 Abs. 1 SGB II alle Personen, die nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande seien, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dass der Kläger noch sechs Stunden am Tag unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein könne, stehe für das SG jedoch wie ausgeführt fest. Der Kläger sei damit zumindest dem Grunde nach zum Bezug von Leistungen nach dem SGB II berechtigt und erhalte diese tatsächlich auch laufend; vom Leistungsbezug nach dem 3. Kapitel sei er hingegen nach § 21 SGB XII ausgeschlossen.
Die Berufung bedürfe schon deshalb nicht der Zulassung, weil wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr streitbefangen seien, § 144 Abs. 1 S. 2 SGG.
Der Kläger hat gegen den ihm mit Postzustellungsurkunde am 27. August 2022 zugestellten Gerichtsbescheid am 27. September 2022 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben.
Zur Begründung hat er unter anderem geltend gemacht, das Gutachten von N1 sei größtenteils von D1 abgeschrieben. Bei dem Gutachten von D1 handele sich um ein vorsätzliches Falschgutachten im Auftrag der Rentenversicherung (Jobcenter Landratsamt). Das Reha-Gutachten sei überhaupt nicht berücksichtigt worden. Es werde auch immer wieder ein Alkoholproblem sowohl von D1 als auch von N1 unterstellt. Im weiteren hat er sich dann mit einzelnen Punkten im Gutachten von N1 auseinandergesetzt und unter anderem geltend gemacht, dass sein Alkoholkonsum lediglich 0,5 bis 1 l Bier pro Tag an bis zu fünf Tagen in der Woche betrage, die Ausführungen im Gutachten von N1 auf Seite 4 zur Vorgeschichte und aktuellen Beschwerden komplett vom Gutachten D1 übernommen worden seien, so aber nicht stimmen würden, seine Gesundheitsstörungen nicht vollumfänglich berücksichtigt worden seien und auch hinsichtlich des Leistungsvermögens all die von N1 aufgezählten Tätigkeiten mit Stressfaktoren verbunden seien (im Einzelnen siehe Bl. 21 bis 25 LSG-Akte).
Er sei auf fünf Wochen Rehabilitation gewesen, habe dort alle ihm möglichen Anwendungen mit großem Eifer mitgemacht und teilweise davon auch profitiert. Allerdings habe es nur 2 Stunden pro Woche „Tinnitus Erklärung“ gegeben, eine richtige Tinnitus Therapie habe aber nicht stattgefunden. Stattdessen sei ihm von der DRV eine psychosomatische Reha in S1 gewährt worden. Diesen Fehler versuche man jetzt zu kaschieren, indem man ihm Alkoholprobleme unterstelle.
Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. August 2022 sowie den Bescheid des Beklagten vom 2. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2020 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm ab dem 1. September 2017 Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Das Gutachten von D1 liege dem Beklagten allerdings nicht vor, sodass er insoweit nicht nachvollziehen könne, wer von wem abgeschrieben habe. Jedenfalls müsse man darauf hinweisen, dass der Kläger im Laufe des Verfahrens keine aktuellen Befunde von behandelnden Ärzten habe vorlegen können. Alle von ihm eingereichten Unterlagen datierten aus der Zeit vor 2018, der Aufenthalt in der Klinik in S1 sei bereits 2017 gewesen. Sowohl der Beklagte als auch das beigeladene Jobcenter seien im Übrigen an das Gutachten der DRV gebunden. Daher sei der Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII abzulehnen gewesen, da eine Erwerbsfähigkeit im zeitlichen Rahmen von 3 bis 6 Stunden bejaht worden sei, eine volle Erwerbsminderung demnach nicht vorliege.
Der Vorsitzende hat am 22. März 2023 einen Erörterungstermin durchgeführt, im Rahmen dessen darauf hingewiesen wurde, dass auch nach Einschätzung des Vorsitzenden auf der Grundlage der vorliegenden Gutachten von D1 und N1 beim Kläger keine volle Erwerbsminderung vorliege, weshalb auch kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII, Grundsicherung im Alter bzw. bei Erwerbsminderung, gegeben sei und die Berufung daher keine Aussicht auf Erfolg habe. Dem Kläger war noch Gelegenheit eingeräumt worden, innerhalb einer Frist mitzuteilen, ob die Berufung Hinblick darauf zurückgenommen wird. Die Beteiligten haben sich im Übrigen für den Fall, dass die Berufung fortgeführt werde, mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Mit Schreiben vom 10. April 2023 hat der Kläger erklärt, er nehme hiermit seine Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zurück. Im Übrigen stelle er zum wiederholten Mal den Antrag einer unabhängigen Begutachtung durch einen HNO-Sachverständigen. Des Weiteren hat er noch Ausführungen zum Gutachten von D1 gemacht, wonach unter anderem Teile der Anamnese so nicht stimmen würden, seine Aussagen unter anderem auch verdreht würden. Schließlich bestehe eine komplette Ignoranz hinsichtlich der ein bis zwei alkoholfreien Biere, die er zuerst nachmittags trinke, und dem Umstand, dass er erst zum Abendessen und abends jeweils noch mal einen halben Liter Bier mit Alkohol trinke.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten sowie der DRV und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Der Senat konnte aufgrund der Zustimmung der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die vom Kläger mit Schreiben vom 10. April 2023 abgegebene Erklärung, er nehme hiermit seine Zustimmung zurück, stand dem nicht entgegen. Bei der erklärten Zustimmung zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung handelt es sich um eine Prozesserklärung, die sobald alle Beteiligten (hier gemeinsam im Erörterungstermin vom 22. März 2023) diese Erklärung abgegeben haben, nicht mehr widerrufen werden kann. Auch der Umstand, dass das Einverständnis für den Fall erklärt worden war, dass die Berufung nicht zurückgenommen wird, steht dem nicht entgegen. Denn auch wenn die Einverständniserklärung grundsätzlich bedingungsfeindlich ist, wird eine innerprozessuale Bedingung allgemein als zulässig angesehen, wenn etwa das Einverständnis für den Fall des Widerrufs eines Vergleichs erteilt wird (Bergner in: Schlegel/Voelzke, JurisPK-SGG 2. Aufl. § 124 SGG [Stand 15. Juni 2022] Rn. 54 mit Hinweis auf: Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, § 124 SGG Rn. 3c; Kummer in: Peters/Sautter/Wolff, SGG, § 124 SGG Rn. 39; Hauck in: Zeihe/Hauck, SGG, § 124 SGG Rn. 6a bb).
Es bestand für den Senat im Übrigen auch im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens kein Anlass, von der Möglichkeit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung keinen Gebrauch zu machen, zumal dem Kläger im Erörterungstermin Gelegenheit gegeben worden war, sich ausführlich zur Sache zu äußern.
II.
Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, Abs. 3 SGG statthafte, unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und Abs. 3 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig.
III.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter bzw. bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII verneint, da keine (dauerhafte) volle Erwerbsminderung beim Kläger vorliegt.
Das SG hat zutreffend unter Darstellung der hier maßgeblichen gesetzlichen Regelungen im SGB XII und auf der Grundlage der vorliegenden Gutachten von D1 und N1 in nicht zu beanstandender Weise die Voraussetzungen für einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Grundsicherung im Alter bzw. bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII verneint. Es wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Gerichtsbescheides Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung hier gemäß § 153 Abs. 2 SGG abgesehen.
Ergänzend zum Berufungsverfahren ist festzustellen, dass auch unter Berücksichtigung der Einwendungen des Klägers weder das im Urkundenbeweis zu verwertende Gutachten von D1 noch das vom SG eingeholte Gutachten von N1 letztlich zu beanstanden sind, vielmehr schlüssig und nachvollziehbar dargelegt haben, dass beim Kläger keine volle Erwerbsminderung vorliegt.
Die vom Kläger im Übrigen in der Berufungsbegründung über mehrere Seiten (26 Positionen) erhobenen Einwendungen gegen das Gutachten von N1 sind letztlich in keiner Weise geeignet, die Schlüssigkeit des Gutachtens zu erschüttern.
Zum einen handelt es sich um Kritik an Formulierungen bzw. Schreib- bzw. Übertragungsfehler bzw. u. a. Angaben zur Leistungshöhe des Arbeitslosengeld II, die schon schlicht für die Frage der Erwerbsminderung irrelevant sind.
Zum weiteren wendet sich der Kläger im Ergebnis mehrmals gegen die nicht nur von N1 sondern auch schon im Reha-Entlassungsbericht der Klinik S1 vom 6. Februar 2017 wie auch von D1 gesehene Alkoholproblematik im Hinblick auf die eigenen Angaben des Klägers (laut N1 bezüglich eines täglichen Konsums von 0,5 bis 1 l Bier). Dazu ist festzustellen, dass im Zusammenhang mit einer möglichen Alkoholproblematik beide Gutachter lediglich die Frage einer Entziehung bzw. Therapie diesbezüglich für notwendig erachtet haben, im Zusammenhang mit der hier streitigen Erwerbsminderung dies aber ohne Bedeutung war.
Im Übrigen handelt es sich bei den Einwendungen des Klägers um Kritik an den von N1 im Rahmen der ambulanten Untersuchung des Klägers erhobenen Befunde, deren Beurteilung hinsichtlich Diagnose und Umfang der Funktionsstörungen und dem daraus resultierenden Leistungsvermögen einschließlich der qualitativen Leistungseinschränkungen. Für den Senat sind aber auf der Grundlage der von N1 erhobenen Befunde einschließlich der Funktionsstörungen auch die von ihm beschriebenen qualitativen Leistungseinschränkungen nachvollziehbar. Insbesondere stellt es für den Senat keineswegs einen Widerspruch dar, wenn N1 in seinem Gutachten im Rahmen der Beantwortung der Beweisfragen unter 2) darauf hinweist, dass die Dysthymia bzw. chronisch ängstliche Depression lediglich Einschränkungen der Motivation und zeitweise des Antriebs sowie der Kopfschmerz vom Spannungstyp bedingt zeitweise Einschränkungen der Konzentrationsfähigkeit nach sich zieht und unter 2) a) unter anderem bei noch möglichen Tätigkeiten auch das Bedienen von Maschinen erwähnt. Denn selbstverständlich ist im Übrigen das Bedienen von Maschinen möglich und umgekehrt auch wie bei allen anderen Arbeitnehmern, sofern die Aufmerksamkeit bzw. Konzentrationsfähigkeit z.B. durch akute Kopfschmerzen zeitweise eingeschränkt ist, schon - wie vom Kläger erwähnt - aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen gegebenenfalls zu unterbrechen. Ebenso wenig stehen die von N1 beschriebenen noch möglichen Tätigkeiten, nämlich leichtere mittelschwere körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis zu 10 kg in abwechslungsreicher, überwiegend sitzender Tätigkeit - unter anderem Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen - den aufgrund des Tinnitus und der damit verbundenen Einschränkung der Stresstoleranz ausgeschlossenen Tätigkeiten unter Zeitdruck und mit vermehrten Stressfaktoren entgegen.
Schließlich war auch nicht dem Antrag des Klägers auf Einholung eines Gutachtens auf HNO-ärztlichem Fachgebiet nachzugehen. Denn die Existenz des Tinnitus ist unstreitig. Für die hier zu klärende Frage, ob und inwieweit infolge des Tinnitus der Kläger qualitativ oder gar quantitativ in seinem Leistungsvermögen eingeschränkt ist, ist entscheidend, in welcher Form sich der Tinnitus beim Kläger konkret auswirkt. Hierzu ist aber festzuhalten, dass der Kläger sowohl bei der Untersuchung bei D1 als auch bei N1 wie auch im Übrigen im Erörterungstermin jeweils problemlos an den Gesprächen in Zimmerlautstärke teilnehmen konnte. Des Weiteren konnten weder D1 noch N1 im Rahmen ihrer Untersuchung Anzeichen von Erschöpfung oder Konzentrationsmängel oder Störungen bei der Auffassung feststellen, was gerade zeigt, dass der Kläger offensichtlich Dank auch der erlernten Verhaltensmaßnahmen bzw. Ablenkungstherapien durchaus einen ausreichenden und erholsamen Schlaf hat und der Tinnitus damit letztlich gerade nicht auch zu quantitativen Einschränkungen des Leistungsvermögens führt.
Im Ergebnis ist damit insgesamt festzustellen, dass auf der Grundlage der hier vorliegenden ärztlichen Unterlagen einschließlich der Gutachten von D1 und N1 auch der Senat sich nicht davon überzeugen kann, dass beim Kläger eine volle Erwerbsminderung und damit gegebenenfalls ein Anspruch auf (aufstockende) Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII besteht.
Aus diesen Gründen ist die Berufung zurückzuweisen.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.