1. Berufskraftfahrer haben gegenüber ihrem Arbeitgeber die ungeschriebene arbeitsvertragliche Nebenpflicht, jegliche Verkehrsverstöße zu unterlassen, die zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen können.
2. Wird die Fahrerlaubnis eines Berufskraftfahrers wegen eines Verkehrsverstoßes mit einem weiteren Punkt im Verkehrszentralregister geahndet und daraufhin wegen Überschreitung der Punkteschwelle die Fahrerlaubnis entzogen, war für den Arbeitslosen bei einfachster Betrachtung erkennbar, dass bei einem weiteren Verkehrsverstoß der Verlust der Fahrerlaubnis und infolgedessen auch des Arbeitsplatzes drohte, so dass von grober Fahrlässigkeit im Sinne des Sperrzeitrechts auszugehen ist.
3. Die irrtümliche Annahme des Arbeitslosen, ein älterer Punkt sei inzwischen verfallen, so dass der neu hinzugetretene Punkt nicht zum Entzug der Fahrerlaubnis führen würde, ist insoweit irrelevant. Ein solcher Irrtum zeigt vielmehr, dass sich der Arbeitslose der Tragweite möglicher weiterer Verstöße durchaus bewusst war, er jedoch irrig davon ausging, sich noch weitere Verstöße erlauben zu können, bevor es zur Entziehung der Fahrerlaubnis kommt. Insofern war sein Verhalten nicht von Einsicht geprägt, sein Verhalten im Straßenverkehr zu ändern, sondern belegt vielmehr das Unverständnis über den Sinn und Zweck des Punktesystems und seine grobe Fahrlässigkeit hinsichtlich der Folgen weiterer Sorgfaltsverstöße. Zudem hätte der Arbeitslose selbst, wenn seiner Argumentation insoweit zu folgen wäre, sich zuvor bei der Fahrerlaubnisbehörde über seinen aktuellen Punktestand erkundigen können.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.03.2022 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Aufhebung eines Sperrzeitbescheides wegen Arbeitsaufgabe.
Der im Jahr 1968 geborene Kläger war seit dem 01.10.2005 als Berufskraftfahrer bei der Firma H1 Transporte, W1, angestellt. Ihm wurde die Fahrerlaubnis wegen Erreichen der Punktzahl für mindestens 6 Monate entzogen. Dem lagen folgende Verkehrsverstöße zu Grunde:
Tattag |
Verkehrsverstoß |
Rechtskraft |
Punkte |
05.04.2018 |
Überschreiten der zulässigen |
27.07.2018 (Eintragung 07.08.2018) |
1 |
12.06.2018 |
Überschreiten der zulässigen |
13.09.2018 |
1 |
14.08.2018 |
Benutzen eines elektronischen Gerätes |
03.10.2018 |
1 |
28.02.2019 |
Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 18 km/h |
29.07.2019 |
1 |
14.10.2019 |
Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 27 km/h |
25.02.2020 |
1 |
18.02.2020 |
Benutzen eines elektronischen Gerätes |
11.08.2020 |
1 |
30.03.2020 |
Benutzen eines elektronischen Gerätes |
16.06.2020 |
1 |
22.09.2020 |
Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 34 km/h |
11.12.2020 |
1 |
Mit Schreiben vom 09.06.2017 wurde der Kläger bei einem Punktestand von 4 Punkten ermahnt. Mit den Schreiben vom 23.10.2018 und 22.07.2020 wurde der Kläger bei einem Punktestand von 6 Punkten verwarnt.
Mit Schreiben vom 29.01.2021 kündigte der Arbeitgeber des Klägers das Arbeitsverhältnis zum 01.02.2021 mit der Begründung, dass der Kläger ohne gültige Fahrerlaubnis seinen Beruf nicht mehr ausüben könne.
Der Kläger zeigte seine Arbeitslosigkeit am 01.02.2021 an und beantragte am 07.02.2021 die Gewährung von Arbeitslosengeld. Er gab als Grund für die Kündigung an, dass ihm die Fahrerlaubnis wegen des Erreichens von 8 Punkten für mindestens 6 Monate entzogen worden sei. Er sei als Berufskraftfahrer angestellt und eine Weiterbeschäftigung ohne Fahrerlaubnis sei nicht möglich.
Mit Bescheid vom 25.02.2021 stellte die Beklagte den Eintritt der Sperrzeit für 12 Wochen vom 01.02.2021 bis zum 25.04.2021 fest. Es sei abzusehen gewesen, dass der Kläger seine berufliche Tätigkeit ohne Führerschein nicht mehr ausüben könne. Ein wichtiger Grund für sein Verhalten liege nicht vor.
Mit weiterem Bescheid vom 25.02.2021 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 26.04.2021 bis zum 03.04.2022 mit einem täglichen Leistungsbetrag von 48,68 €. Für den Zeitraum vom 01.02.2021 bis zum 25.04.2021 betrug der tägliche Leistungsbetrag 0 €, da eine Sperrzeit von 12 Wochen bei Arbeitsaufgabe nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III festgestellt worden war.
Der Kläger legte mit Schreiben vom 08.03.2021 gegen die Verhängung der Sperrzeit Widerspruch ein. § 159 SGB III setze ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln voraus, welches aber in seinem Fall nicht gegeben gewesen sei. Alle Punkte seien verkehrsbedingt und ohne grobe Fahrlässigkeit zustande gekommen. Der Arbeitgeber biete auch Arbeitsplätze an, die von der Fahrerlaubnis unabhängig seien. So einer wäre ihm auch angeboten worden, stände aber momentan saisonal nicht zur Verfügung. Zudem sei er davon ausgegangen, dass er noch keine 8 Punkte erreicht habe, weil kurz vor seinem 8-Punkte-Bescheid 1 Punkt verfallen sei. Was er jedoch nicht gewusst habe war, dass es eine Überliegefrist gäbe, in der die verfallenen Punkte noch ein Jahr im Hintergrund stehen bleiben würden und beim Erreichen der 8 Punkte herangezogen werden dürften. Eine Sperrzeit gefährde seine Existenz. Sein Arbeitgeber würde ihn nach Erhalt der Fahrerlaubnis sofort wiedereinstellen.
Telefonisch teilte der Kläger am 15.03.2021 gegenüber der Beklagten mit, dass sich die Verstöße über einen Zeitraum von 2,5 bis 3 Jahre zögen. Die Hälfte davon sei privat bedingt. Der letzte Verstoß sei beruflich bedingt. Der letzte Bußgeldbescheid sei rechtskräftig. An einem Punkte-Abbauseminar habe er nicht teilgenommen. Die Teilnahme sei nur bei nicht mehr als 5 Punkten möglich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.03.2021 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Das Beschäftigungsverhältnis sei vom Arbeitgeber wegen vertragswidrigen Verhaltens des Klägers gelöst worden. Das vertragswidrige Verhalten sei darin zu sehen, dass der Kläger durch den Verlust seiner gültigen Fahrerlaubnis seinen Beruf als Kraftfahrer nicht mehr ausüben könne. Der Kläger habe damit rechnen müssen, dass der Arbeitgeber das Verhalten nicht hinnehmen, sondern das Beschäftigungsverhältnis beenden würde, die Arbeitslosigkeit sei daher zumindest grob fahrlässig herbeigeführt worden. Bei Berufskraftfahrern sei das Vorhandensein einer Fahrerlaubnis zur Erfüllung der vertraglichen Arbeitspflicht Geschäftsgrundlage eines Arbeitsvertrages. Dabei sei entgegen der Auffassung des Widerspruchsführers bei der Frage der grob fahrlässigen Herbeiführung der Arbeitslosigkeit auch nicht zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass er als Berufskraftfahrer mehr als 3,5 Millionen Kilometer berufsbedingt gefahren sei. Vielmehr sei darauf abzustellen, dass sich der Kläger als Berufskraftfahrer umso mehr hätte straßenrechtskonform verhalten müssen, da bei ihm ja gerade der Arbeitsplatz an den Besitz der Fahrerlaubnis geknüpft sei. Für den Kläger sei es aufgrund seiner bisherigen Verkehrsverstöße bei einfachster Betrachtung erkennbar gewesen, dass bei einem weiteren Verkehrsverstoß, der mit einem Punkt geahndet wird, der Verlust der Fahrerlaubnis und infolgedessen auch des Arbeitsplatzes drohe, so dass sein arbeitsvertragswidriges Verhalten als grob fahrlässig im Hinblick auf die Herbeiführung seiner Arbeitslosigkeit zu werten sei.
Mit Bescheid vom 25.10.2021 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld wegen der Aufnahme einer Beschäftigung ab dem 25.10.2021 auf. Der Kläger wurde bei der Firma H1 wiedereingestellt.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat am 01.04.2021 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Die Kündigung sei erst mit Schreiben vom 29.01.2021, also nahezu 4 Monate nach dem Tattag erfolgt. Der Geschwindigkeitsverstoß begründe kein arbeitsvertragswidriges Verhalten. Der letzte Geschwindigkeitsverstoß sei auf einer Privatfahrt erfolgt. Zudem sei der Kläger im Arbeitsvertrag nicht auf die Bedeutung des Besitzes einer gültigen Fahrerlaubnis für seinen Arbeitgeber hingewiesen worden, da ein schriftlicher Arbeitsvertrag gar nicht vorgelegen habe. Überdies sei der Kläger nicht abgemahnt worden. Ohne Abmahnung komme ein grob fahrlässiges Verhalten nicht in Betracht. Der Verstoß auf einer Privatfahrt stelle per se kein vertragswidriges Verhalten dar. Ein Verkehrsteilnehmer sehe während der Fahrt nicht immer und andauernd seinen Punktestand vor Augen und rechne nicht ständig mit dem Erreichen einer bestimmten, für die Fahrerlaubnis schädlichen, Punkteerhöhung. Zudem sei nach der Schwere der Verkehrsverstöße zu differenzieren. Vorliegend habe „nur" eine Geschwindigkeitsübertretung vorgelegen. Auch sei aufgrund des Zeitablaufes zwischen Tattag und Kündigung bzw. Entzug der Fahrerlaubnis nicht mehr mit der Folge des Verlustes des Arbeitsplatzes zu rechnen gewesen. Überdies reiche eine begangene Geschwindigkeitsüberschreitung alleine nicht aus, um damit zu rechnen, dass ein Verkehrsverstoß festgestellt werden und zum Verlust des Arbeitsplatzes führen würde.
Die Beklagte hat zur Klageerwiderung vorgetragen, dass dem Kläger arbeitsvertragswidriges Verhalten vorzuwerfen sei. Zu den Nebenpflichten eines Berufskraftfahrers, die unabhängig vom Vorliegen eines schriftlichen Arbeitsvertrages gelten würden, gehöre die Aufrechterhaltung seiner Fähigkeit, ein Fahrzeug führen zu dürfen. Damit verbunden sei die Einhaltung der Straßenverkehrsbestimmungen. Gegen diese Nebenpflichten habe der Kläger verstoßen, weil er durch mehrfache Verkehrsverstöße eine so hohe Anzahl an Punkten in Flensburg erhalten habe, dass es zu einem sechsmonatigen Fahrerlaubnisentzug gekommen sei. Unbeachtlich sei in diesem Zusammenhang, dass die Verstöße teilweise bei Privatfahrten erfolgt seien. Ein Berufskraftfahrer habe die Verpflichtung, seine Fahrweise auch im privaten Bereich so einzurichten, dass er seinen arbeitsvertraglichen Pflichten weiter nachkommen könne. Gegen diese arbeitsvertragliche Verpflichtung habe der Kläger verstoßen. Das Fehlen einer Abmahnung führe nicht dazu, dass arbeitsvertragswidriges Verhalten verneint werden müsse. Da die Fähigkeit des Klägers, die vertragliche Hauptleistung zu erbringen, entfallen sei, könne eine Abmahnung die ihr innewohnende Warnfunktion gar nicht erfüllen und wäre somit sinnentleert. Dem Kläger sei grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Grobe Fahrlässigkeit liege vor, wenn der Kläger die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt habe. Der Kläger habe verteilt auf einen Zeitraum von 2 bis 3 Jahren 8 Punkte in Flensburg erhalten. Dem Entzug der Fahrerlaubnis habe kein einmaliges Ereignis wie eine Trunkenheitsfahrt oder Ähnliches zugrunde gelegen, sondern der Kläger habe mehrfach massiv gegen Verkehrsvorschriften verstoßen. Der Kläger habe fünf Verkehrsverstöße wegen Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und drei Verstöße wegen der Nutzung von elektronischen Geräten (Handy) begangen. Bereits die Wiederholung der gleichartigen Verstöße ist aus Sicht der Beklagte als grob fahrlässig zu werten. Hinzu komme, dass der Kläger nicht nur anlässlich der acht Verstöße, sondern zusätzlich noch mit Schreiben vom 09.06.2017, 23.10.2018 und 22.07.2020 verwarnt und auf die Folgen weiterer Punkte aufmerksam gemacht worden sei. Der Zeitablauf zwischen dem Verkehrsverstoß und der Kündigung sei nicht geeignet, eine andere Entscheidung zu rechtfertigen.
Das SG hat am 05.08.2021 den Rechtsstreit nicht öffentlich mit den Beteiligten erörtert. In diesem Termin gab der Kläger an, dass er den letzten Verkehrsverstoß auf einer Privatfahrt nach D1 begangen habe. Die Strecke sei er zum ersten Mal gefahren. Er habe Zeitdruck gehabt.
Das SG hat die Klage nach vorheriger Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 14.03.2022 abgewiesen. Die Voraussetzungen einer Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe nach § 159 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB III lägen vor. Der Kläger habe sich vertragswidrig verhalten. Er habe gegen arbeitsvertragliche Nebenpflichten verstoßen. Zwar liege ein schriftlicher Arbeitsvertrag nicht vor, sodass auch keine zusätzlichen Klauseln, etwa die Pflicht zur Einhaltung der Verkehrsvorschriften oder die Pflicht zum Erhalt der Fahrerlaubnis, vereinbart worden seien. Der Besitz der Fahrerlaubnis sei bei Berufskraftfahrern jedoch nach der Rechtsprechung des BSG Geschäftsgrundlage des Arbeitsvertrages, so dass sich daraus eine ungeschriebene Neben-pflicht ergebe, alles zu unterlassen, was zum Verlust des Führerscheins führen könne. Es liege auch ein Verstoß gegen vertragliche Hauptpflichten vor. Der Kläger sei als Berufskraftfahrer eingestellt worden. Nach dem Entzug der Fahrerlaubnis sei es ihm unmöglich geworden, seine Arbeitspflichten aus § 611 BGB zu erfüllen. Dass sich der letzte Verkehrsverstoß bei einer Privatfahrt ereignet habe, sei unbeachtlich. Insofern sei zu berücksichtigen, dass der Kläger ausdrücklich als Lkw-Fahrer eingestellt worden und damit die Fahrerlaubnis notwendige Voraussetzung für die Ausübung der vorgesehenen Tätigkeit gewesen sei. Weiter habe der Arbeitgeber im Kündigungsschreiben ausdrücklich darauf abgestellt, dass die Kündigung nur deshalb erfolgt sei, da der Kläger über keine Fahrerlaubnis mehr verfüge. Die Interessenlage im konkreten Arbeitsverhältnis spreche daher dafür, dass der Kläger auch im Privatbereich dafür Sorge zu tragen habe, sich im Besitz der Fahrerlaubnis zu halten, und dementsprechend Verkehrsverstöße wie den hier maßgeblichen zu unterlassen habe. Es bestehe auch der notwendige Kausalzusammenhang nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III zwischen dem arbeitsvertragswidrigen Verhalten des Klägers und der Kündigung.
Zudem habe der Kläger seine Arbeitslosigkeit grob fahrlässig verursacht. Die grobe Fahrlässigkeit müsse sich auf alle Glieder der Kausalkette vom arbeitsvertragswidrigen Verhalten bis hin zur Arbeitslosigkeit erstrecken. Der Kläger sei ermahnt und verwarnt worden. Er habe – vor seinem letzten Verkehrsverstoß – von den 7 Punkten gewusst. Es sei für ihn ohne weiteres erkennbar gewesen, dass bei einem weiteren Verkehrsverstoß, der mit einem Punkt geahndet werde, der Verlust der Fahrerlaubnis und infolgedessen auch des Arbeitsplatzes drohte. Die Angabe des Klägers, er sei davon ausgegangen, dass ein Punkt bereits verfallen gewesen sei, sei nicht glaubhaft und im Übrigen auch unbeachtlich. Der Kläger sei mehrfach von der Fahrerlaubnisbehörde über die Punktzahl in Kenntnis gesetzt worden. Maßgeblich für die Tilgung sei nach § 29 Abs. 4 Nr. 3 StVG der Tag der Rechtskraft. Damit wäre der erste Punkt, der für den Entzug der Fahrerlaubnis herangezogen wurde, erst am 07.03.2021 getilgt worden. Der letzte Verkehrs-verstoß sei am 22.09.2020 erfolgt. Soweit der Kläger auf die Überliegefrist des § 29 Abs. 6 S. 2 StVG hinweise, sei dieser Hinweis unbeachtlich, da die Überliegefrist erst mit Tilgung beginne und die Tilgungsfrist aber noch nicht abgelaufen gewesen sei. Die Rechtslage sei klar. Der Irrtum hätte durch einen Blick in das Gesetz oder durch die Einholung eines Rechtsrats vermieden werden können. Die grobe Fahrlässigkeit entfalle auch nicht dadurch, dass der Kläger darauf vertraut haben wolle, einen Ersatzarbeitsplatz angeboten zu bekommen. Worauf er dieses Vertrauen gestützt habe, sei nicht vorgetragen worden. Dass dies auch tatsächlich nicht geschehen sei, spreche dafür, dass eine solche Aussicht nicht gesichert bestanden habe. Jedenfalls hätte es jedem eingeleuchtet, im Vorfeld eine Zusicherung des Arbeitgebers einzuholen.
Die grobe Fahrlässigkeit entfalle auch nicht dadurch, dass zwischen Tattag und Kündigung mehrere Monate gelegen hätten. Die Kündigung sei an den Entzug der Fahrerlaubnis geknüpft und der Entzug der Fahrerlaubnis wiederum an die Verkehrsverstöße. Die grobe Fahrlässigkeit entfalle auch nicht dadurch, dass der Kläger während seines Geschwindigkeitsverstoßes gehofft hatte, dass der Verkehrsverstoß nicht festgestellt werden würde. Der Kläger habe wiederholt nicht mehr geringfügige Geschwindigkeitsüberschreitungen sowie mehrfach die verbotswidrige Nutzung eines Mobiltelefons begangen. Dies lege nahe, dass es sich um bei dem Kläger eingeschliffene Verhaltensweisen handele. Aufgrund der Mitteilungen der Straßenverkehrsbehörde hätte der Kläger die Möglichkeit gehabt, sein Verhalten im Straßenverkehr zu ändern und punkt-bewehrtes Verhalten zu vermeiden. Dazu sei er offenbar nicht bereit gewesen. Der Vortrag des Klägers offenbare vielmehr ein grundlegendes Unverständnis dessen, was (straßenverkehrs-)rechtskonformes Verhalten darstelle. Wenn er vortrage, er sei davon ausgegangen, einen Punkt bereits getilgt zu haben, belege dies, dass er durch Tilgungen, Löschungen oder Abzüge i. S. v. § 2 Straßenverkehrsgesetz erfolgende Reduzierungen als Gelegenheit verstehe, sich sodann wieder neue Verkehrsverstöße unterhalb der relevanten Grenze von 8 Punkten erlauben zu dürfen. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 159 Abs. 1 S. 1 SGB III sei nicht ersichtlich. Auch eine besondere Härte, die die Dauer der Sperrzeit auf 6 Wochen verkürzt hätte, liege nicht vor
Der Prozessbevollmächtigte hat gegen den ihm am 15.03.2022 zugestellten Gerichtsbescheid am 06.04.2022 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Er hat zur Berufungsbegründung auf das bisherige Vorbringen im Klageverfahren Bezug genommen. Zutreffend sei, dass sich die grobe Fahrlässigkeit auf alle Glieder der Kausalkette vom arbeits-vertragswidrigen Verhalten bis hin zur Arbeitslosigkeit erstrecken müsse. Das SG habe die grobe Fahrlässigkeit der Herbeiführung der Arbeitslosigkeit größere Ansprüche gestellt, als die Entscheidungen des LSG Saarland und des LSG Nordrhein-Westfalen. Auch erscheine nicht nachvollziehbar, dass das SG die Angabe des Klägers, er sei davon ausgegangen, dass ein Punkt bereits verfallen sei, für nicht glaubhaft halte. Im Fall des Klägers habe vor dem Verstoß kein Anlass bestanden die Rechtslage sorgfältig zu prüfen, soweit erforderlich Rechtsrat einzuholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig zu beachten. Für eine völlig abstrakte Überprüfung der Rechtslage losgelöst vom Sachverhalt bestehe kein Anlass. Vor der Überschreitung, also den konkreten Verstoß dies zu verlangen, sei lebensfremd. Richtig sei, dass die Tilgungsfrist noch nicht abgelaufen gewesen sei und auch, dass der Kläger von der Überliegefrist nichts gewusst habe. Dies wüssten allerdings sicher die wenigsten Nichtfachleute. Auch diesbezüglich habe kein Anlass bestanden, einen Blick in das Gesetz zu tun oder aber Rechtsrat einzuholen. Die Annahme des Klägers sei schlichtweg falsch gewesen, allerdings aus Laiensicht sei dies nachvollziehbar. Der Kläger habe auch im Vorfeld keine Zusicherung des Arbeitgebers einholen müssen, um einen Ersatzarbeitsplatz zu erhalten. Auch hierfür habe kein Anlass bestanden, denn der Kläger habe den Verkehrsverstoß ja nicht vorsätzlich begehen wollen. In diesem Zusammenhang sei auch der "Vorwurf" zurückzuweisen, dass der Kläger sich das Recht herausnehmen wolle, neue Verkehrsverstöße zu begehen, sobald sich das Punktekonto unterhalb der relevanten Grenze von 8 befinde. Auch hier sei darauf hinzuweisen, dass er natürlich nicht die vorsätzliche Begehung eines Verstoßes geplant habe oder dies habe tun wollen. Der Kläger habe gerade nicht die Gewissheit gehabt, dass er seinen Arbeitsplatz verliere, sobald er keine Fahrerlaubnis mehr haben würde. Hinzu komme, dass der Kläger den Verkehrsverstoß, der dann zum Verlust der Fahrerlaubnis geführt habe, nur einfach fahrlässig, nicht jedoch grob fahrlässig begangen habe. Daher sei die Voraussetzung, dass sich die grobe Fahrlässigkeit auf alle Glieder der Kausalkette vom arbeitsvertragswidrigen Verhalten bis hin zur Arbeitslosigkeit erstrecken müsse, gerade nicht erfüllt. Auch könne dem Kläger nicht der Vorwurf gemacht werden, dass er die Strecke bereits gekannt habe. Denn er sei dort zum ersten Mal entlanggefahren. Das SG habe im Erörterungstermin eine vorläufige Rechtsauffassung geäußert, wonach mit einem Erfolg der Klage gerechnet werden konnte. Insofern sei die letztendlich getroffene Entscheidung überraschend gewesen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Stuttgart vom 14.03.2022 und den Bescheid der Beklagten vom 25.02.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2021 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hat zur Berufungserwiderung auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Gerichtsbescheid verwiesen. Der Vortrag der Bevollmächtigten sei nicht geeignet, die Sach- und Rechtslage anders zu bewerten. Der Kläger habe sich arbeitsvertragswidrig verhalten, indem er mehrere Verkehrsverstöße begangen habe. Als Arbeitnehmer, der zur Führung von Kraftfahrzeugen verpflichtet sei, habe er dafür Sorge zu tragen, nach Straßenverkehrsrecht hierzu berechtigt zu bleiben. Es treffe ihn die Nebenpflicht, jegliche Verkehrsverstöße – geschäftlich und privat veranlasst - zu unterlassen, die zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen könnten. Der Kläger habe gegen diese Nebenpflicht verstoßen und sich der Gefahr ausgesetzt, die Fahrerlaubnis zu verlieren. Der Verlust der Fahrerlaubnis habe dem Arbeitgeber Anlass zur Kündigung gegeben, da es dem Kläger unmöglich geworden sei, seine Arbeitspflichten zu erfüllen. Der Kläger habe – zumal er wohl keinen schriftlichen Arbeitsvertrag gehabt habe – nicht davon ausgehen dürfen, dass ihn sein Arbeitgeber auch ohne Führerschein weiterbeschäftigen könne. Dem Kläger sei bekannt gewesen, dass ihm der Verlust der Fahrerlaubnis gedroht habe. Dass er dennoch weiterhin verkehrsrechtlichen Vorschriften zuwidergehandelt habe, bewerte die Beklagte als grob fahrlässig. Der Kläger habe gewusst, dass sich Punkte angesammelt hatten. Darauf, ob der Kläger die genauen Regelungen und das Punktesystem inklusive Löschung gekannt habe, komme es nach Auffassung der Beklagten nicht an. Aufgrund der Mitteilungen der Straßenverkehrsbehörde habe der Kläger die Möglichkeit gehabt, sein Verhalten im Straßenverkehr zu ändern und punktebewehrtes Verhalten zu vermeiden. Da er jeweils zu schnell gefahren sei oder während der Fahrt telefoniert habe, scheine es sich um eingeschliffene Verhaltensweisen zu handeln. Die Beklagte habe nach dem Erörterungstermin nochmals umfassend mit Rechtsprechungshinweisen vorgetragen. Die Bevollmächtigten hätten hierzu auch Stellung genommen. Der Streitgegenstand sei als offen zu bezeichnen gewesen. Das SG habe sich im Gerichtsbescheid auch auf keinen neuen Gesichtspunkt gestützt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht hätte zu rechnen brauchen.
Die Berichterstatterin hat den Rechtsstreit nicht öffentlich mit den Beteiligten am 12.12.2022 erörtert.
Die Berichterstatterin hat die Verwaltungsakten der Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamtes R1 über den Entzug der Fahrerlaubnis des Klägers zum Verfahren beigezogen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten sowie der Fahrerlaubnisbehörde Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist statthaft und zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Der Bescheid vom 25.02.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat zu Recht für den Zeitraum vom 01.02.2021 bis zum 25.04.2021 eine Sperrzeit nach § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB III festgesetzt. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.
Gemäß § 159 Abs. 1 Satz 1 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt gemäß § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III vor, wenn die oder der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe). Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe beträgt gemäß § 159 Abs. 3 SGB III zwölf Wochen. Die verkürzt sich
1. auf drei Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohne eine Sperrzeit geendet hätte,
2. auf sechs Wochen, wenn
a) das Arbeitsverhältnis innerhalb von zwölf Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohne eine Sperrzeit geendet hätte, oder
b) eine Sperrzeit von zwölf Wochen für den nach dem Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten würde.
Die Sperrzeit beginnt gemäß § 159 Abs. 2 Satz 1 SGB III mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, oder, wenn dieser Tag in eine Sperrzeit fällt, mit dem Ende dieser Sperrzeit.
Das SG hat im Gerichtsbescheid vom 14.03.2022 ausführlich und schlüssig dargelegt, dass die Voraussetzungen für die im Zeitraum vom 01.02.2021 bis zum 25.04.2021 festgesetzte Sperrzeit nach § 159 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB III erfüllt sind. Der Senat stellt in Übereinstimmung mit dem SG fest, dass der Kläger sich vertragswidrig verhalten, Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat.
Nach der Rechtsprechung des BSG unterliegen Berufskraftfahrer einer ungeschriebenen arbeitsvertraglichen Nebenpflicht, sich untadelig während ihrer Berufsausübung im Straßenverkehr zu verhalten. Danach kann ein Berufskraftfahrer die von ihm arbeitsvertraglich geschuldete Arbeit nur verrichten, wenn er im Besitz einer Fahrerlaubnis ist und bleibt. Entsprechend ist das Vorhandensein einer Fahrerlaubnis zur Erfüllung der vertraglichen Arbeitspflicht Geschäftsgrundlage eines Arbeitsvertrages bei Berufskraftfahrern. Ein Arbeitnehmer, der zum Führen von Kraftfahrzeugen verpflichtet ist, hat dafür Sorge zu tragen, dass er seine straßenverkehrsrechtliche Berechtigung hierzu erhält. Er hat daher nicht nur wie jedermann Verkehrsverstöße zu unterlassen, sondern ihn trifft gegenüber dem Arbeitgeber die Nebenpflicht, jegliche Verkehrsverstöße zu unterlassen, die zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen könnten. (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.2005 – B 7a AL 46/05 R –, juris Rdnr. 12 ff. sowie LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.01.2016 – L 9 AL 189/13 –, juris Rdnr. 23 ff; LSG für das Saarland, Urteil vom 11.12.2019 – L 6 AL 4/18 –, juris Rdnr. 12 sowie 36 ff.).
Gegen diese Nebenpflicht hat der Kläger vorliegend vertragswidrig verstoßen und seine Arbeitslosigkeit grob fahrlässig herbeigeführt. Wird die Fahrerlaubnis eines Berufskraftfahrers wegen Überschreitung der Schwelle von Punkten im Verkehrszentralregister entzogen, ist für den Arbeitslosen bei einfachster Betrachtung erkennbar, dass bei einem weiteren Verkehrsverstoß, der mit einem Punkt geahndet wird, der Verlust der Fahrerlaubnis und infolgedessen auch des Arbeitsplatzes droht, so dass sein arbeitsvertragswidriges Verhalten als grob fahrlässig im Hinblick auf die Herbeiführung seiner Arbeitslosigkeit ist (vgl. LSG für das Saarland, a.a.O., Rdnr. 36 sowie nachgehend BSG, Beschluss vom 12.05.2020 – B 11 AL 12/20 B –, juris; siehe auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.08.2012 – L 3 AL 5066/11 –, juris Rdnr. 29). Der Kläger war, wie das SG zutreffend ausgeführt, auch ermahnt und verwarnt worden. Es war für ihn daher ohne weiteres erkennbar, dass ein weiterer Verkehrsverstoß, der mit einem Punkt geahndet wird, den Verlust der Fahrerlaubnis und infolgedessen auch des Arbeitsplatzes zur Folge haben würde. Der Senat stellt dies mit dem Schreiben der Fahrerlaubnisbehörde vom 14.01.2021 fest. Danach wurde der Kläger zuletzt mit Schreiben vom 22.07.2020 bei einem Punktestand von 6 Punkten über die Folgen eines weiteren, punktebewehrten Verkehrsverstoßes und die Voraussetzungen eines Punkteabbaus belehrt. Insoweit führt das SG auch überzeugend aus, dass der vorgetragene Irrtum des Klägers bezüglich der Überliegensfrist nicht zum Entfallen der groben Fahrlässigkeit führt. Er zeigt vielmehr, dass sich der Kläger der Tragweite möglicher weiterer Verstöße durchaus bewusst war, er jedoch irrig davon ausging, sich noch weitere Verstöße erlauben zu können, bevor es zum endgültigen Entzug kommt. Insofern war sein Verhalten nicht von Einsicht geprägt, sein Verhalten im Straßenverkehr zu ändern, sondern belegt vielmehr das Unverständnis über den Sinn und Zweck des Punktesystems. Der Senat stellt somit fest, dass der Kläger grob fahrlässig bezüglich des Sorgfaltsverstoßes und auch des Verlusts des Arbeitsplatzes gehandelt hat. Auch bezüglich des Arbeitsplatzes lag keine gesicherte Zusage des Arbeitgebers vor, ihn während der Dauer eines Fahrerlaubnisentzugs auf einem Ersatzarbeitsplatz beschäftigen zu können. Das SG führt auch zutreffend aus, dass kein wichtiger Grund nach § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB III ersichtlich ist. Der Senat folgt somit der Begründung der angefochtenen Entscheidung und sieht daher nach § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Lediglich ergänzend führt der Senat aus, dass aus dem Vorbringen des Klägers im Berufungs-verfahren keine anderweitige rechtliche Bewertung des Sachverhaltes folgt.
Soweit der Kläger vorträgt, dass kein Anlass für eine sorgfältige Prüfung der Rechtslage bestanden habe, ist dies vor dem Hintergrund der Bedeutung der Fahrerlaubnis für sein Arbeitsverhältnis sowie der Anzahl der bereits gespeicherten Punkte nicht überzeugend. Der Senat hat bereits ausgeführt, dass das Vorliegen einer Fahrerlaubnis Geschäftsgrundlage für das Arbeitsverhältnis des Klägers war und er daher die arbeitsvertragliche Nebenpflicht hatte, alles zu tun, um die Fahrerlaubnis nicht zu verlieren. Zudem hat der Kläger eine so erhebliche Anzahl von punktebewehrten Verkehrsverstößen begangen, dass der nächste punktebewehrte Verstoß den Entzug der Fahrerlaubnis zur Folge haben würde. Somit bestand dringender Anlass zur Prüfung der Rechtslage. Dass dem Kläger ein möglicher Entzug der Fahrerlaubnis beim Erreichen von 8 Punkten bewusst war, zeigen auch seine - fehlerhaften - Überlegungen bezüglich der Unschädlichkeit eines weiteren Verstoßes. Insofern führt ihn der von ihm vorgetragene Irrtum nicht zur Annahme einer lediglich leichten Fahrlässigkeit, da er sich auch ohne Weiteres, bei der Fahrerlaubnisbehörde selbst hätte erkundigen können. Auch soweit er zum wiederholten Mal vorträgt, dass er nicht verpflichtet gewesen sei, vor dem Verlust der Fahrerlaubnis eine Zusicherung seines Arbeitgebers einzuholen, dass dieser ihm einen Ersatzarbeitsplatz anbieten würde, ist zu entgegnen, dass eine solche Verpflichtung zwar nicht besteht, der Kläger jedoch bei Verlust des Arbeitsplatzes ohne Weiterbeschäftigung grundsätzlich die Folgen seines Handels zu tragen hat. Auch insofern hindert das vorgetragene Vertrauen auf eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht die Annahme grober Fahrlässigkeit. Der Kläger hat das außer Acht gelassen, was jedem einleuchten musste, nämlich die Gefahr, dass er seinen Arbeitsplatz verliert.
Es ist auch irrelevant, ob der Kläger den letzten Verkehrsverstoß, der zum Erreichen eines Punktestandes von 8 Punkten geführt hat, nur einfach fahrlässig oder grob fahrlässig begangen hat und ob er die Strecke, die er beim letzten Verstoß gefahren ist, bereits kannte. Anknüpfungspunkt für die grobe Fahrlässigkeit ist nicht das letzte verkehrswidrige Verhalten, sondern die Herbeiführung der Arbeitslosigkeit. Der Kläger war auch nach dem Schreiben der Fahrerlaubnisbehörde vom 14.01.2021 über den drohenden Entzug der Fahrerlaubnis zuletzt mit Schreiben vom 22.07.2020 belehrt worden. Der Zeitabstand zwischen der letzten Tat und dem Eintritt der Sperrzeit ist ebenfalls für die Bewertung nicht relevant. Auch kommt es nicht darauf an, ob die Verkehrsverstöße bei einer privaten Fahrt oder einer beruflichen Fahrt sich ereignet haben, da insoweit keine Unterscheidung für die Wertung als punktebewehrter Verkehrsverstoß und die Wertung als arbeitsvertragswidriges Verhalten zu machen ist (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 25.02.2011 – L 8 AL 3458/10 –, juris Rdnr. 24 ff.). Auch liegt nicht lediglich ein singulärer Verkehrsverstoß vor, welcher zum Entzug der Fahrerlaubnis geführt hat (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 08.06.2011 – L 3 AL 1315/11 –, juris Rdnr. 44), sondern der Entzug ist vielmehr Folge einer Vielzahl von Verkehrsverstößen und somit eines fortgesetzten Fehlverhaltens des Klägers über mehrere Jahre. Zeitlich knüpft die Sperrzeit an das Ende des Beschäftigungsverhältnisses und nicht an den Verkehrsverstoß an. Es ist daher irrelevant, wann der letzte Verkehrsverstoß erfolgte, da insofern die Kündigung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich ist.
Entgegen dem Vortrag des Klägers hat das SG im Erörterungstermin vom 05.08.2021 keine Hinweise dergestalt erteilt, dass es der Klage stattgeben werde. Ein solcher Hinweis wurde weder protokolliert, noch konnte dies von der Beklagten bestätigt werden. Eine Überraschungsentscheidung liegt somit nicht vor.
Demnach hat die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit nach § 159 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III zu Recht festgestellt. Die Sperrzeit beginnt nach § 159 Abs. 2 Satz 1 SGB III am 01.02.2021 und endet nach § 159 Abs. 3 Satz 1 SGB III nach zwölf Wochen am 25.04.2021. Die Sperrzeit ist auch nicht nach § 159 Abs. 3 Satz 2 b) SGB III auf 6 Wochen zu verkürzen. Der Senat kann keine besondere Härte nach § 159 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 b) SGB III feststellen. Weder steht die Regeldauer der Sperrzeit außer Verhältnis zu den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen, noch liegt ein geringes Verschulden vor (vgl. hierzu Schmitz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Aufl., § 159 SGB III Rdnr. 111ff).
Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht