L 1 BA 17/22

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 4 BA 9/18
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 BA 17/22
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 BA 8/23 R
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 3. November 2021 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen. 

Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.


Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob die Beigeladene in ihrer Tätigkeit als Ärztin für die Hessische Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge (HEAE) in der Zeit vom 27. Oktober 2015 bis 30. März 2017 abhängig beschäftigt gewesen ist.

Die 1947 geborene Beigeladene ist Fachärztin für Chirurgie. Sie war in dem Zeitraum vom 27. Oktober 2015 bis 30. März 2017 bei der HEAE als Ärztin tätig. Während ihrer Tätigkeit hat die Beigeladene Untersuchungen durchgeführt und Sprechstunden abgehalten an insgesamt zwei verschiedenen Standorten.

Die HEAE wurde nach dem Erlass des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 30. September 2016 mit Wirkung zum 18. November 2016 als selbstständige Behörde im nachgeordneten Bereich des Regierungspräsidiums Gießen aufgelöst und mit ihrem Aufgabenbestand als Abteilung VII „Flüchtlingsangelegenheiten, Erstaufnahmeeinrichtung und Integration" in das Regierungspräsidium Gießen eingegliedert. Rechte und Pflichten aus der Vereinbarung mit der HEAE sind ab dem 18. November 2016 auf das Regierungspräsidium Gießen übergangen.

Die Tätigkeit der Beigeladenen für die HEAE erfolgte auf der Grundlage der zwischen dem Kläger und der Beigeladenen getroffenen Vereinbarung vom 28. Oktober 2015. Diese Vereinbarung lautete:

§ 1 Vertragsgegenstand und Status des Vertragspartners
(1) Die Vertragspartnerin erbringt medizinische Dienstleistungen im Auftrag der HEAE in der Außenstelle A-Stadt, in freiberuflicher Tätigkeit im Bedarfsfälle. Sie ist nicht in die Arbeitsorganisation der HEAE eingegliedert. Das Entgelt erfolgt fallbezogen. Die Dienstleistungen unterliegen nicht der Sozialversicherungspflicht (Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung). 
(2) Die nachfolgende Vereinbarung regelt für den Fall eines Einsatzes die Rahmenbedingungen. 
(3) Die Vertragspartnerin legt als Nachweis über die Zulassung zur Berufsausübung eine Kopie der Approbationsurkunde vor.

§ 2 Leistungen des Vertragspartners während der vereinbarten Einsatzzeit
(1) Die Vertragspartnerin übernimmt die ambulante medizinische Versorgung für Ausländer, die in der HEAE untergebracht sind, im Rahmen der Vorgaben nach § 4 Asylbewerberleistungsgesetz (Anlage 1).
Dazu gehört 
• die Behandlung von Krankheiten, gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Verletzungen, soweit dies ambulant möglich ist, 
• Anordnung von Überweisungen an Fachärzte bzw. Einweisungen in Kliniken 
• Dokumentation aller ärztlichen Leistungen (in der Patientendatei der HEAE) unter Beachtung des Datenschutzes.
(2) Sie übernimmt zudem Aufgaben, die sich maßgeblich aus den § 62 Asylverfahrensgesetz sowie § 36 Infektionsschutzgesetz und der dazu jeweils getroffenen Erlassregelungen des Hess. Ministeriums für Arbeit, Familie und Gesundheit (zurzeit Erlass vom 04.02.2009, Az.: IV 6 A 58a 0101-0002/2008/001 - StAnz. 2009 S. 544 - Anlage 2) zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten ergeben. Die Erstuntersuchung beinhaltet gemäß beigefügtem Erlass über die ärztliche Untersuchung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern und anderen Personen nach Einreise in Hessen vom 04.02.2009 (siehe Anlage 2) 
1. Aufnahme und Dokumentation der bestehenden Medikation 
2. Rezeptur der notwendigen Medikation 
3. Anamnese, Diagnostik und Dokumentation einer akut beklagten Erkrankung. Während der Erstuntersuchung erbrachte Ambulanzleistungen werden nicht zusätzlich vergütet. 
Ausgenommen von der Erstuntersuchung sind die Röntgenuntersuchungen. 
Erforderlichenfalls hat die Vertragspartnerin alle erforderlichen Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz einzuleiten. 
(3) Die Vertragspartnerin führt die vertraglichen Leistungen zeitlich nach Vereinbarung durch. 
(4) Ein Not- oder Bereitschaftsdienst der Vertragspartnerin außerhalb der vereinbarten Präsenzzeiten ist nicht vorgesehen.

§ 3 Leistungen der HEAE
(1) Die HEAE stellt der Vertragspartnerin adäquate Räumlichkeiten, Geräte, Inventar, Verbandsstoffe u. ä.; sowie Medikamente und Impfstoffe zur Durchführung medizinischer Untersuchungen und der medizinischen Versorgung kostenfrei bereit.
(2) Die HEAE trägt neben den Mietkosten für die Räume auch die Kosten der Instandhaltung, der Energieversorgung und der Müllentsorgung sowie der Reinigung. 
(3) Ebenso stellt die HEAE Hilfspersonal zur Vor- und Nachbereitung sowie zur Durchführung der Sprechstunden.
(4) Die HEAE besorgt nach Ausstellen einer ärztlichen Verordnung durch die Vertragspartnerin nicht vorrätige notwendige Medikamente und Verbandsmittel zur Behandlung von Patienten.
(5) Die HEAE übernimmt eventuell entstehende Kosten für zusätzliche externe ärztliche oder technische Untersuchungs- und Behandlungsleistungen (z.B. Röntgen).
(1) Zur Vereinfachung der Abrechnung werden Fallpauschalen für die Erstuntersuchung sowie ambulante Beratungen und Behandlungen vereinbart, die sich an den Gebührensätzen der GOÄ orientieren. Diese sind auch erforderlich, um die Kosten einzelnen Patienten zur Abrechnung mit anderen Kostenträgern zuordnen zu können. Für die Gestellung der Praxisinfrastruktur durch die HEAE sind die nachfolgenden Beträge bereits um 25 % gemindert.

Dienstleistung   Vergütung €
Erstuntersuchung mit Ausstellung der ärztlichen Bescheinigung      11,37
Fallpauschale pro ambulanter Beratung/Behandlung      15,34
für beratende Tätigkeiten für die Dienststellenleitung Stundensatz      50,00


(2) Für die Abrechnung der Erstuntersuchungen stellt die HEAE der Vertragspartnerin Listen mit den erforderlichen Angaben zur Verfügung.
(3) Für die Abrechnung der ambulanten Leistungen versieht die HEAE den Vordruck (Anlage 3) mit dem Behandlungsdatum und Aufklebern der behandelten Patienten, den die Vertragspartnerin ihrer Rechnung beifügt. 
(4) Die Abrechnung und Zahlung der vereinbarten Vergütung erfolgt unverzüglich nach Rechnungseingang.

§ 5 Haftung Die Vertragspartnerin haftet für Schäden, die durch ihr/sein vorsätzliches Verhalten der HEAE oder Dritten entstanden sind. Die HEAE stellt die Vertragspartnerin für fahrlässig verursachte Schäden frei, soweit diese nicht durch ein privates Versicherungsverhältnis abgedeckt sind.

§ 6 Datenschutz und Schweigepflicht Die Vertragspartnerin verpflichtet sich, über alle Angelegenheiten, die ihm im Rahmen seiner Tätigkeit für die HEAE zur Kenntnis kommen, Stillschweigen zu bewahren. Insbesondere ist sie nicht berechtigt, Auskünfte an die Medien (Presse, Rundfunk, Fernsehen) ohne vorherige ausdrückliche Zustimmung der Dienststellenleiterin der HEAE zu erteilen. Weiterhin sichert sie einen den gesetzlichen Bestimmungen entsprechenden Datenschutz für die bei sich oder Dritten in seinem Auftrag gespeicherten Daten zu.

§ 7 Vertragsdauer, Nebenabreden, Salvatorische Klausel 
(1) Da die Einsätze zeitlich befristet erfolgen und diese Vereinbarung nur die gegenseitigen Verpflichtungen während der Einsatzzeiten regeln, bedarf es bei Nichtinanspruchnahme der Vertragspartnerin durch die HEAE keiner Kündigung.
(2) Nebenabreden sowie Änderungen oder Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform.
(3) Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages unwirksam oder unzulässig sein, wird dadurch die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht beeinträchtigt. Anstelle der unwirksamen oder unzulässigen Bestimmung gelten die gesetzlichen Vorschriften.

Am 1. September 2016 schlossen der Kläger und die Beigeladene eine Folgevereinbarung für die Zeit ab 1. September 2016. Unter § 3 dieser Folgevereinbarung („Entgelt und Abrechnung“) ist wie folgt geregelt:

(1) Zur Vereinfachung der Abrechnung wird für die Erbringung der in § 2 genannten ärztlichen Leistungen ein Stundensatz in Höhe 75,00 € vereinbart. Die Abrechnung erfolgt bei Nichtableistung einer vollen Stunde entsprechend prozentual anteilig.
(2) Für die Abrechnung der Leistungen stellt die HEAE der Vertragspartnerin Listen mit den erforderlichen Angaben zur Verfügung.

Am 4. November 2016 beantragte der Kläger ein Statusfeststellungsverfahren nach § 7a ff. Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Nach Anhörung mit Schreiben vom 16. Dezember 2016 stellte die Beklagte gegenüber dem Kläger mit Bescheid vom 2. Februar 2017 fest, dass die Tätigkeit der Beigeladenen als Ärztin bei der HEAE seit 27. Oktober 2015 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird. In dem Beschäftigungsverhältnis bestehe Versicherungsfreiheit in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Aus den vorgelegten vertraglichen und dargestellten tatsächlichen Verhältnissen ergäben sich die folgenden wesentlichen Tätigkeitsmerkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis:
• „Es besteht die vertragliche Verpflichtung, die Leistungen persönlich zu erbringen. 
• Die Auftragnehmerin ist hinsichtlich des Tätigkeitsortes gebunden, da sie auf die Nutzung der am Sitz der Erstaufnahmeeinrichtung zur Verfügung stehenden Infrastruktur für die medizinische Versorgung (z. B. Behandlungs- und Praxisräume) angewiesen ist. 
• Die Koordination der Einsätze erfolgt durch den Medizinischen Dienst der HEAE, die Arbeitszeiten werden verbindlich in einem Dienstplan festgelegt. 
• Die Anwesenheit der Auftragnehmerin wird kontrolliert. Die zu untersuchenden Flüchtlinge und Asylsuchenden werden durch das Personal der HEAE zugewiesen. 
• Es erfolgt am Einsatzort eine Zusammenarbeit mit dem Personal (z.B. Medizinische Fachangestellte, Krankenpfleger und -Schwestern, ggf. Sprach-Vermittler). 
• Gegenüber dem medizinischen Personal besteht ein fachliches Weisungsrecht.
• Festangestellte Ärzte werden im gleichen Aufgabengebiet beschäftigt. 
• Bei Abwesenheit oder Verhinderung organisiert der Auftraggeber eine Ersatzkraft. 
• Die fachliche Letztentscheidung hat der leitende Arzt der HEAE.
• Die vereinbarten Einsätze werden in einem Dienst- bzw. Organisationsplan festgehalten. 
• Die Dokumentation der durchgeführten Untersuchungen und Behandlungen erfolgt auf dem vorgegebenen Dokumentationsbogen. 
• Die Tätigkeit wird mit einer festen Stundenpauschale vergütet. 
• Die benötigten Arbeitsmittel und Verbrauchsmaterialien werden zur Verfügung gestellt. 
• Ein Einsatz eigener Betriebsmittel im erheblichen Umfang erfolgt nicht. 
• Die Haftung für fahrlässig verursachte Schäden Hegt beim Auftraggeber. 
• Ein unternehmerisches Risiko oder eine unternehmerische Chance besteht in der Ausübung der Tätigkeit nicht. 
• Die Tätigkeit wird in einer fremdbestimmten Arbeitsorganisation ausgeübt.“

Merkmale für eine selbständige Tätigkeit seien folgende: 
• „Die Ablehnung von Aufträgen ist möglich. 
• Einsatz der eigenen Arbeitskleidung.
• Honorarärzte sind nicht verpflichtet an Dienstbesprechungen teilzunehmen. 
• Die Vergütung für Erstuntersuchungen sowie ambulante Beratungen und Behandlungen erfolgt nur für tatsächlich durchgeführte Behandlungen mittels Fallpauschalen. 
• Für die Gestellung der Praxisinfrastruktur sind die Fallpauschalen bzw. der Stundensatz für beratende Tätigkeiten um 25 % gemindert.“

Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen überwiegten die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Die Auftragnehmerin übernehme im Rahmen der Erstuntersuchungen und der weiteren ärztlichen Behandlungen von Asylsuchenden, Asylbewerbern bzw. Flüchtlingen für die zuständige Behörde des Landes bzw. der Kommune hoheitliche Aufgaben und sei insofern - wie ein Amtsarzt - weisungsgebunden in eine fremde Betriebsorganisation eingegliedert. In der Krankenversicherung bestehe Versicherungsfreiheit, weil die Versicherungspflicht erst nach Vollendung des 55. Lebensjahres eingetreten sei und der Beschäftigte oder sein Ehegatte oder Lebenspartner in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Versicherungspflicht nicht gesetzlich krankenversichert und mindestens die Hälfte dieser Zeit versicherungsfrei, von der Versicherungspflicht befreit oder nicht versicherungspflichtig gewesen sei (§ 6 Abs. 3a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V). In der Rentenversicherung bestehe Versicherungsfreiheit, weil die Beschäftigte eine Vollrente wegen Alters beziehe (§ 5 Abs. 4 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI). Nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe Versicherungsfreiheit, weil die Beschäftigte die Regelaltersgrenze erreicht habe (§ 28 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - SGB III i. V. m. § 235 Abs. 1 und 2 SGB VI).

Den gegen den Bescheid vom 2. Februar 2017 erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2018 zurück.

Am 27. März 2018 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Gießen erhoben.

Mit Beschluss vom 10. Juli 2018 hat das Gericht die Beigeladene nach §§ 75 Abs. 2, Alternative 1, 106 Abs. 3 Nr. 6 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Verfahren beigeladen. Die Bahn-BKK, die Agentur für Arbeit und die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See sind gemäß § 75 Abs. 2b Satz 2 SGG benachrichtigt worden.

Mit Bescheid vom 11. Dezember 2018 hat die Beklagte den Bescheid vom 2. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2018 hinsichtlich der festgestellten Tätigkeitszeiträume abgeändert. Die Beklagte stellte fest, dass in der von der Beigeladenen am 27. Oktober 2015,  30. Oktober 2015, 2. November 2015, 4. November 2015, 17. November 2015, 3. Dezember 2015 8. Dezember 2015, 11. Dezember 2015 15. Dezember 2015, 18. Dezember 2015, 22. Dezember 2015, 24. Dezember 2015, 26. Dezember 2015, 29. Dezember 2015, 31. Dezember 2015, 5. Januar 2016, 8. Januar 2016, 12. Januar 2016, 14. Januar 2016, 21. Januar 2016, 28. Januar 2016, 4. Februar 2016, 12. Februar 2016, 16. Februar 2016, 22. Februar 2016, 25. Februar 2016, 1. März 2016, 4. März 2016, 7. März 2016, 10. März 2016, 15. März 2016, 22. März 2016, 24. März 2016, 29. März 2016, 31. März 2016, 7. April 2016, 12. April 2016, 21. April 2016, 26. April 2016, 28. April 2016, 12. Mai 2016, 17. Mai 2016, 21. Juni 2016, 19. Juli 2016, 29. Juli 2016, 4. August 2016, 18. August 2016, 22. August 2016, 5. September 2016, 6. September 2016, 14. September 2016, 30. September 2016, 17. Oktober 2016, 25. Oktober 2016 1. November 2016, 17. November 2016, 24. November 2016, 13. Dezember 2016, 20. Dezember 2016, 27. Dezember 2016, 6. Januar 2017, 12. Januar 2017, 23. Januar 2017, 8. Februar 2017, 23. Februar 2017, 24. Februar 2017, 1. März 2017, 20. März 2017 und am 30. März 2017 ausgeübten Beschäftigung bei der HEAE Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe.

Mit Bescheid vom 28. März 2019 hat die Beklagte den Bescheid vom 2. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2018 hinsichtlich der festgestellten Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung abgeändert. Die Beklagte hat nunmehr festgestellt, dass in der Rentenversicherung Versicherungsfreiheit bestehe, weil die Beigeladene nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bzw. entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen eine Versorgung nach Erreichen einer Altersgrenze beziehe (§ 5 Abs. 4 Nr. 2 SGB VI).

Der Kläger hat im Wesentlichen vorgetragen, dass die Beigeladene nicht in einem Dauerrechtsverhältnis zu dem Kläger gestanden habe, aufgrund dessen sie in irgendeinem Umfang Leistungen zu erbringen gehabt habe oder sich verpflichtet habe, Leistungen zu erbringen. Die Beigeladene habe ihrerseits keinen Anspruch darauf gehabt, dass ihr Einsätze in einem bestimmten Umfang oder für eine bestimmte Dauer übertragen werden. Sie habe Sprechstunden so abgehalten, so wie dies auch für niedergelassene Ärzte gelte. Die Beigeladene habe insgesamt keine Pflichten übernommen wie sie für ein Arbeitsverhältnis typisch seien. Dies bestätigten die beiden Verträge ausdrücklich. Die Beigeladene sei eigenverantwortlich als Ärztin tätig gewesen und verpflichtet gewesen, die Maßgaben des ärztlichen Standards gemäß § 630a Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) anzuwenden. Die Beigeladene habe während den von ihr vereinbarten Einsatzzeiten allgemeinärztliche Leistungen erbracht, so wie dies selbstständige Vertragsärztinnen und Vertragsärzte gemäß dem SGB V täglich ausübten. Die Beklagte ignoriere den Vertragstext, indem sie lediglich auf den „Willen der Beteiligten“ abstelle. Der Wert der von dem Kläger der Beigeladenen zur Verfügung gestellten Betriebsmittel sei sehr gering gewesen (sehr einfaches Mobiliar für ärztliche Verrichtungen, Sprechstundenmaterial). Die Vergütung habe sich nach Fallpauschalen gerichtet. Mithin habe sich die Vergütung danach gerichtet, in welchem Umfang tatsächlich Leistungen erbracht worden seien. Insoweit habe die Beigeladene ein Unternehmerrisiko getragen. Zudem liege hier eine Kurzfristigkeit im Sinne des § 8 SGB IV vor.

Die Beklagte hat im Wesentlichen auf ihre Ausführungen in dem Verwaltungsverfahren, insbesondere in dem Widerspruchsbescheid vom 14. März 2018, verwiesen. Eine kurzfristige Beschäftigung im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB IV i. V. m. § 115 SGB IV habe nicht vorgelegen. Denn die von den Beteiligten geschlossenen Rahmenverträge vom 28. Oktober 2015 und vom 1. September 2016 ohne jegliche Zeitangabe seien nicht für längstens ein Kalenderjahr (mit Arbeitseinsätzen von maximal 70 Arbeitstagen) befristet gewesen. Bei Rahmenverträgen mit sich wiederholenden Arbeitseinsätzen über mehrere Jahre liege eine gelegentliche kurzfristige Beschäftigung nur dann vor, wenn die einzelnen Arbeitseinsätze ohne Bestehen einer Abrufbereitschaft unvorhersehbar zu unterschiedlichen Anlässen ohne erkennbaren Rhythmus an maximal 70 Arbeitstagen im Kalenderjahr erfolgten und der Betrieb des Arbeitgebers nicht strukturell auf den Einsatz solcher Arbeitskräfte ausgerichtet sei. Die streitige Tätigkeit sei auch nicht nach ihrer Eigenart auf nicht mehr als drei Monate oder insgesamt 70 Arbeitstage begrenzt gewesen (Schreiben der Beklagten vom 11. November 2018, Bl. 63 ff. der Gerichtsakte).

Die Beigeladene hat die Auffassung vertreten, dass kein abhängiges sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden habe. Sie ist der Argumentation des Klägers beigetreten.

In der mündlichen Verhandlung vom 3. November 2021 hat das Sozialgericht die Beigeladene befragt sowie die Zeugin Frau B. D. vernommen. Mit Urteil vom 3. November 2021 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 2. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2018 in der Gestalt der Bescheide vom 11. Dezember 2018 und vom 28. März 2019 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Die getroffenen Feststellungen, dass die Tätigkeit der Beigeladenen als Ärztin für die HEAE in dem Zeitraum vom 27. Oktober 2015 bis zum 30. März 2017 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden sei, sei rechtmäßig.

Der Bescheid vom 2. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2018 in Gestalt der Bescheide vom 11. Dezember 2018 und vom 28. März 2019 sei rechtmäßig. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung sei § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach sei Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung bildeten eine Tätigkeit nach Weisungen sowie die Eingliederung in die Arbeitsorganisation (Hess. LSG, Urteil vom 7. Juli 2016 - L 8 KR 297/15 - juris Rn. 38). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setze eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber persönlich abhängig sei. Dies sei bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb dann der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert sei und dabei hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort sowie Art der Ausführung einem umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliege. Demgegenüber zeichne sich eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit aus (BSG, Urteil vom 11. November 2015, B 12 KR 13/14 R - juris Rn. 18 m.w.N.). Ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliege „...richtet sich [...] nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen“ (BSG, Urteil vom 11. November 2015, B 12 KR 13/14 R - juris Rn. 18 m.w.N.; vgl. auch: BSG, Urteil vom 24. Januar 2007, B 12 KR 31/06 R - juris Rn. 16).

Das Gesamtbild bestimme sich dabei nach den tatsächlichen Verhältnissen. Maßgeblich sei das „Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist" (BSG, Urteil vom 24. Januar 2007, B 12 KR 31/06 R - juris Rn. 17). Ausgangspunkt für die Prüfung, ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig sei, sei zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, „so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt“ (BSG, Urteil vom 24. Januar 2007, B 12 KR 31/06 R - juris Rn. 17.) Stünden die tatsächliche Beziehung und die sich daraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Rechtsbeziehung im Widerspruch zu der ursprünglich getroffenen Vereinbarung, so gehe - sofern dies rechtlich möglich sei - die tatsächliche Beziehung der formellen Vereinbarung vor (BSG, Urteil vom 24. Januar 2007, B 12 KR 31/06 R - juris Rn. 17). Maßgeblich sei damit die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert werde und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig sei (BSG, Urteil vom 25. Januar 2006, B 12 KR 30/04 R - juris Rn. 22; BSG, Urteil vom 24. Januar 2007, B 12 KR 31/06 R - juris Rn. 17). Das BSG habe mit Urteilen vom 4. Juni 2019 (u. a. B 12 R 11/18 R - juris) über statusrechtliche Fragen von honorarärztlichen Tätigkeiten entschieden. Dabei habe es auch zu den Kriterien der Weisungsgebundenheit und des Merkmals der Eingliederung Stellung genommen.

Unter Berücksichtigung der aufgeführten Beurteilungsmaßstäbe, vor allem auch unter Berücksichtigung des Urteils des BSG vom 4. Juni 2019 (B 12 R 11/18 R) sei die Beigeladene im streitgegenständlichen Zeitraum vom 27. Oktober 2015 bis zum 30. März 2017 im Rahmen ihrer Tätigkeit als Ärztin in der HEAE abhängig gegen Arbeitsentgelt beschäftigt gewesen. Zu Recht habe die Beklagte festgestellt, dass die Tätigkeit der Beigeladenen als Ärztin in der HEAE in dem oben genannten Zeitraum im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden sei. Die Beigeladene sei gemäß § 2 der Vereinbarung vom 28. Oktober 2015 verpflichtet gewesen, die ambulante medizinische Versorgung für Ausländer, die in der HEAE untergebracht gewesen seien, im Rahmen der Vorgaben nach § 4 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zu übernehmen. Zumindest vertraglich sei darüber hinaus vereinbart gewesen, dass die Beigeladene Aufgaben übernehme, die sich maßgeblich aus den § 62 Asylverfahrensgesetz sowie § 36 Infektionsschutzgesetz und der dazu getroffenen Erlassregelung ergäben (§ 2 Abs. 2 der Vereinbarung vom 28. Oktober 2015).

Die Verpflichtung für den Kläger zur Durchführung von Erstuntersuchungen ergebe sich aus dem Erlass des Hessischen Ministeriums für Arbeit, Familie und Gesundheit vom 4. Februar 2009, der in 1.2 die Regelung enthalte, dass die Ausländerinnen und Ausländer unmittelbar nach ihrer Einreise nach Hessen von der Aufnahmeeinrichtung aufgefordert würden, sich vom ärztlichen Dienst der Einrichtung oder einem ärztlichen Dienst nach § 62 AsylVfG bzw. § 36 Abs. 4 IfSG untersuchen zu lassen. Die Erstuntersuchungen sowie die medizinische Versorgung der in der HEAE untergebrachten Personen insgesamt stellten eine Kernaufgabe der HEAE dar. Die Beigeladene sei in einen ganz zentralen Bestandteil der Arbeitsorganisation der HEAE integriert gewesen, nämlich in die medizinische Versorgung der in der HEAE untergebrachten Personen. Die Beigeladene sei in die Arbeitsorganisation des Klägers eingegliedert gewesen. Denn die Erstuntersuchungen und die medizinische Versorgung der in der HEAE untergebrachten Personen stelle einen wesentlichen Bestandteil der Arbeitsorganisation der HEAE dar. Die Einschränkung auf einen bestimmten Aufgabenbereich spreche dabei nicht per se gegen die Eingliederung in die Arbeitsorganisation. Vielmehr habe die Beigeladene mit den von ihr abgehaltenen Sprechstunden bzw. durchgeführten Untersuchungen einen wesentlichen Bestandteil bei der von dem Kläger durchzuführenden Schritte bei der medizinischen Versorgung übernommen. So habe der Kläger selbst vorgetragen, dass die Beigeladene Diagnosen gestellt und therapeutische Maßnahmen ergriffen habe. Im Einzelfall habe sie auch Arzneimittel verordnet sowie die Weiterbehandlung bei Fachärzten oder Kliniken empfohlen. Die Beigeladene sei damit in den laufenden Arbeitsprozess der medizinischen Versorgung der in der HEAE untergebrachten Personen eingebunden gewesen. Als erste Anlaufstelle sei sie damit ein Rädchen im System der dem Kläger obliegenden medizinischen Versorgung der in der HEAE untergebrachten Personen gewesen. Weder sei die Beigeladene räumlich noch in sonstiger Weise außerhalb dieser Gesamtorganisation gewesen. Auch von den sie aufsuchenden Personen sei die Beigeladene nicht als selbstständig niedergelassene Ärztin, sondern als medizinische Ansprechpartnerin in der HEAE wahrgenommen worden. Die Ausübung der Tätigkeit der Beigeladenen sei damit im Rahmen der Eingliederung in eine fremd vorgegebene Arbeitsorganisation erfolgt. Zu keinem anderen Ergebnis führe dabei die Tatsache, dass die Arbeitsabläufe zum damaligen Zeitpunkt nicht strukturiert und die der Beigeladenen zur Verfügung gestellten Betriebsmittel sehr gering bzw. sehr einfach gehalten gewesen seien. Dies sei zurückzuführen auf den plötzlichen und unvorhergesehenen Anstieg der von der HEAE aufzunehmenden Flüchtlinge, spreche aber nicht gegen die Annahme, dass die Beigeladene in deren Arbeitsorganisation eingegliedert gewesen sei. Der Kläger habe der Beigeladenen einen Behandlungsraum zur Verfügung gestellt, der mit, wenn auch einfachem, Mobiliar für die ärztliche Tätigkeit ausgestattet gewesen sei. Auch Sprechstundenmaterial habe der Kläger der Beigeladenen zur Verfügung gestellt. Die Beigeladene habe die von ihr vertraglich geschuldeten Leistungen persönlich zu erbringen gehabt und ihre Tätigkeit ausschließlich in den von dem Kläger zur Verfügung gestellten Räumen ausgeübt. Weder räumlich noch im sonstigen Sinne habe sie außerhalb der Gesamtorganisation der HEAE gestanden, etwa in der Form, dass sie außerhalb der HEAE bzw. in eigenen Räumen die Sprechstunden bzw. Untersuchungen durchgeführt hätte.

Dass die Beigeladene nicht weisungsgebunden gewesen sei, schließe das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung nicht aus. Dazu habe das BSG mit Urteil vom 4. Juni 2019 wie folgt ausgeführt: Zunächst sei zu berücksichtigen, dass die ärztliche Tätigkeit in einem Krankenhaus Besonderheiten aufweise und deshalb einzelne Gesichtspunkte, die sonst eine Tätigkeit als abhängig oder selbstständig kennzeichnen, von vornherein nicht als ausschlaggebende Abgrenzungsmerkmale herangezogen werden könnten. Ärzte handelten bei medizinischen Heilbehandlungen und Therapien grundsätzlich frei und eigenverantwortlich. Hieraus könne allerdings nicht ohne Weiteres auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen werden (BSG, Urteil vom 4. Juni 2019, B 12 R 11/18 R - juris Rn. 25). Weiter hat das BSG ausgeführt, dass Weisungsgebundenheit und Eingliederung weder in einem Rangverhältnis zueinander stünden, noch müssten diese stets kumulativ vorliegen. Vielmehr gehe eine Eingliederung nicht zwingend mit einem umfassenden Weisungsrecht des Krankenhauses einher (BSG, Urteil vom 4. Juni 2019, B 12 R 11/18 R - juris Rn. 29). 

Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen des BSG könne die fehlende Weisungsgebundenheit der Beigeladenen nicht als wesentliches Indiz für eine selbstständige Tätigkeit herangezogen werden. Überdies sei die Beigeladene auch nicht völlig weisungsfrei gewesen. Denn vertraglich sei die Beigeladene verpflichtet gewesen, die ambulante medizinische Versorgung der in der HEAE untergebrachten Personen im Rahmen bestimmter Vorgaben durchzuführen. Diese seien auch in § 2 der Vereinbarung vom 28. Oktober 2015 vertraglich aufgeführt worden:
„[...] Dazu gehört 
• die Behandlung von Krankheiten, gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Verletzungen, soweit dies ambulant möglich ist, 
• Anordnung von Überweisungen an Fachärzte bzw. Einweisungen in Kliniken 
• Dokumentation aller ärztlichen Leistungen (in der Patientendatei der HEAE) unter Beachtung des Datenschutzes. “

Die Beigeladene habe damit bei der Durchführung der Untersuchungen bestimmte Vorgaben zu beachten gehabt und sei überdies auch nicht in der Auswahl ihrer Patienten frei gewesen. 

Für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung spreche neben der Eingliederung der Beigeladenen in die Arbeitsorganisation der HEAE weiterhin maßgeblich, dass die Beigeladene kein eigenes Kapital eingesetzt und auch kein für einen Selbstständigen typisches Unternehmerrisiko getragen habe. Maßgebliches Kriterium für ein unternehmerisches Risiko sei nach der Rechtsprechung des BSG, „ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist“ (BSG, Urteil vom 18. November 2015, B 12 KR 16/13 R - juris Rn. 36 m.w.N.). Die Vergütung sei zunächst nach Fallpauschalen (§ 4 der Vereinbarung vom 28. Oktober 2015) erfolgt und später hätten der Kläger und die Beigeladene einen Stundensatz von 75,00 EUR (§ 3 der Vereinbarung vom 1. September 2016) vereinbarten. Mit keiner dieser Abrechnungsmodalitäten sei ein unternehmerisches Risiko im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts verbunden gewesen. Schon aufgrund der zunächst vereinbarten Fallpauschale habe die Beigeladene keinen Verdienstausfall für ihre geleistete Arbeit zu befürchten gehabt. Denn aufgrund der immens hohen Aufnahme von Flüchtlingen pro Tag und der damit verbundenen erforderlichen hohen Anzahl an Untersuchungen bzw. medizinischen Sprechstunden sei ein tatsächlicher Verdienstausfall nicht zu befürchten gewesen. Dieser Tatsache müssten sich der Kläger und die Beigeladene auch schon in der Erstvereinbarung vom 28. Oktober 2015 bewusst gewesen sein. Ohnehin sei in der Folgevereinbarung von 1. September 2016 ein festes Stundenhonorar vereinbart worden, was auch dafür spreche, dass es nicht dem Willen der Vertragsparteien entsprochen habe, ein wirtschaftliches Risiko eines Verdienstausfalls auf Seiten der Beigeladenen zu schaffen. Hinsichtlich des Risikos, keine weiteren Beauftragungen zu erhalten, habe das BSG in seiner Entscheidung vom 4. Juni 2019 wörtlich wie folgt ausgeführt: „Da es lediglich auf eine Betrachtung der konkreten Tätigkeit ankommt, ist das einzig in Betracht kommende Risiko der beigeladenen Ärztin, vom Kläger keine weiteren Folgeaufträge zu erhalten, für die Frage ihres Status in der konkreten Tätigkeit irrelevant “ (BSG, Urteil vom 4. Juni 2019, B 12 R 11/18 R - juris Rn. 33).

Es liege auch keine Zeitgeringfügigkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV i.V.m. § 115 SGB IV (in der maßgeblichen Fassung vom 11. August 2014) vor. Denn die Tätigkeit der Beigeladenen sei weder vertraglich auf längstes drei Monate oder 70 Arbeitstage begrenzt, noch ergebe sich eine solche Begrenzung aus der Eigenart der Beschäftigung.

Der Kläger hat gegen das ihm am 27. Januar 2022 zugestellte Urteil am 25. Februar 2022 vor dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und zur Begründung seinen Vortrag wiederholt und vertieft. Ergänzend hat er vorgetragen, dass aufgrund der Vielzahl von Flüchtlingen in den Jahren 2015/2016 Ärztinnen und Ärzte zu deren Untersuchung und Versorgung hätten herangezogen werden müssen. Die Beigeladene sei im Verhältnis zu dem jeweils betroffenen Flüchtling „Behandler“ im Sinne von § 630a BGB gewesen. Sie sei dem Flüchtling gegenüber nicht einem Krankenhaus vergleichbar aufgetreten. § 36 Abs. 4 IfSG bestätige, dass es sich bei dem „Ärztlichen Zeugnis“ über das Vorliegen oder Nichtvorliegen der ansteckungsfähigen Lungentuberkulose um ein Dokument handele, welches gerade nicht in der Behörde generiert werde, die das IfSG durchführe. Die Beigeladene habe vollkommen frei über die zu beurteilenden Einzelaufträge entscheiden können. Sie habe auch keine Verwaltungstätigkeit ausgeübt und habe eine persönliche Haftung getragen. Als Ärztin habe sie schon gemäß § 2 der Hessischen Berufsordnung keine Weisungen entgegennehmen dürfen. Die Beigeladene habe nicht eine Aufgabe des Klägers erfüllt. „Schuldner“ der medizinischen Nachweise sei vielmehr der Flüchtling gewesen. Die vom Kläger zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten stellten auch kein „fremdes Unternehmen“ dar, sondern allenfalls einen „Arbeitsplatz“, wie ihn Selbstständige ebenso wie abhängige Beschäftigte benötigten. Wenn überhaupt könnte man die Erstaufnahmeeinrichtung als ein „Unternehmen“ bezeichnen. Die Beigeladene sei nicht Teil dieses Unternehmens gewesen. Weder der Kläger noch die Beigeladene hätten Patienten „ausgewählt“. Geflüchtete seien nicht zugewiesen worden, sie hätten sich vielmehr der Untersuchung gestellt, ihre Einwilligung sei maßgeblich gewesen. Dass die Beigeladene die von dem Kläger zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten genutzt habe, sei vorliegend nicht relevant. Die Entscheidungen des BSG zu den Honorarärzten beträfen Sachverhalte, die mit dem hiesigen nicht zu vergleichen seien. Das Bayerische LSG habe zudem mit Entscheidung vom 12. November 2020 den Status einer Notärztin als selbstständig eingestuft. Auch die immer wieder betone „Organisationsstruktur“, die seitens des Klägers etabliert worden sei, rechtfertige die Einstufung als Beschäftigung nicht. Das Gesetz differenziere eindeutig zwischen der Organisation der Erstaufnahmeeinrichtung einerseits und der medizinischen Versorgung bzw. Betreuung der Flüchtlinge andererseits. Dies sei auch in der Sache geboten - so wie es das BSG in Bezug auf die Familienhelfer entschieden habe (Urteil vom 31. März 2017, B 12 R 7/15 R). Im Übrigen habe die Beigeladene in der Zeit vom 7. April 2016 bis 22. August 2016 insgesamt 116 Flüchtlinge an 13 Tagen ambulant behandelt. Es liege mithin eine kurzfristige Tätigkeit vor.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 3. November 2021 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2018 sowie geändert durch die Bescheide der Beklagten vom 11. Dezember 2018 und vom 28. März 2019 aufzuheben und festzustellen, dass die Beigeladene ihre Tätigkeit als Ärztin aufgrund einzelner Aufträge seitens des Klägers bzw. der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge im Zeitraum vom 27. Oktober 2015 bis zum 30. März 2017 als Selbstständige ausgeübt hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend. Zur Frage der Kurzfristigkeit bzw. Geringfügigkeit hat die Beklagte darauf verwiesen, dass Angaben zu weiteren kurzfristigen Tätigkeiten, mit welchen eine Zusammenrechnung erfolgen müsste, nicht vorlägen. Zur Prüfung der Berufsmäßigkeit müssten zudem die Einkünfte aus allen Tätigkeiten angegeben werden, damit die wirtschaftliche Bedeutung beurteilt werden könne. 

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie hat angeführt, dass sei bereits seit 5 Jahren berentet ist. Sie beziehe Renten des Hessischen Versorgungswerkes, der Zusatzversorgungskasse für die Gemeinden und von der Deutschen Rentenversicherung. Von Dezember 2021 bis März 2022 sei sie in 2 Impfzentren in A-Stadt tätig gewesen. Eine finanzielle Notwendigkeit habe jeweils nicht vorgelegen. 

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren, Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen, da sich die Beteiligten mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). 

Die zulässige Berufung ist unbegründet. 

Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 3. November 2021 abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 2. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2018 sowie geändert durch die Bescheide der Beklagten vom 11. Dezember 2018 und vom 28. März 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass die Tätigkeit der Beigeladenen für den Kläger in der streitigen Zeit im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses erfolgt ist.

Gemäß § 153 Abs. 2 SGG wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen. Zutreffend hat das Sozialgericht Gießen aufgrund der hiernach zu beachtenden Maßstäbe eine abhängige Tätigkeit festgestellt. 

Ergänzend ist anzumerken, dass die Durchführung von Erstuntersuchungen und Aufgaben des Infektionsschutzes grundsätzlich sowohl im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit als auch einer abhängigen Beschäftigung erfolgen können. Aufgrund der konkreten Ausgestaltung der Tätigkeit der Beigeladenen ist vorliegend allerdings von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. 

Solange sich die Flüchtlinge in der Erstaufnahmeeinrichtung des Klägers befanden, war er verpflichtet, die Flüchtlinge (in den Grenzen des § 4 AsylbLG) ärztlich medizinisch zu versorgen: § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylbLG enthält die Verpflichtung der zuständigen Behörde, die in § 4 Abs. 1 AsylbLG genannten Leistungen sicherzustellen (sog. Sicherstellungsauftrag). Dem Leistungsträger obliegt es, organisatorische und verfahrensmäßige Vorkehrungen zu treffen, die ärztliche und zahnärztliche Versorgung sowie Schutzimpfungen und Vorsorgeuntersuchungen zu gewährleisten. Das Leistungserbringungsrecht nach dem AsylbLG bietet der Behörde zugleich einen Gestaltungsspielraum zu bestimmen, auf welche Weise die erforderliche medizinische Hilfe gewährt wird (vgl. BT-Drs. 12/4451). Der Sicherstellungsauftrag kann etwa durch Amtsärzte oder beauftragte Ärzte erfüllt werden. In der Praxis hat sich der Aufbau von trägereigenen Versorgungsstrukturen aus wirtschaftlichen Gründen nicht durchgesetzt, so dass die Arztwahl durch Ausgabe von Behandlungsscheinen in der Regel der leistungsberechtigten Person überlassen bleibt (Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 4 AsylbLG (Stand: 28.12.2022), Rn. 76). In der besonderen Situation in der hier streitigen Zeit von 2015 bis 2019 hat sich der Kläger ausnahmsweise für eine Heranziehung von Ärzten im Rahmen eines Dienstleistungsauftrages entschieden - auch, weil angesichts der Zahl der Flüchtlinge die Ausstellung von Behandlungsscheinen organisatorisch zunächst nicht bzw. nicht in vollem Umfang möglich gewesen sein dürfte.

Der Senat kann vor diesem Hintergrund nicht erkennen, inwiefern sich der Sicherstellungsauftrag in § 4 Abs. 3 AsylbLG von den Vorgaben nach § 62 Asylverfahrensgesetz und § 36 Infektionsschutzgesetz unterscheiden soll. Dem Kläger obliegt ein Sicherstellungsauftrag, zu deren Erfüllung er im Fall der Beigeladenen aus Sicht des Senats eines Beschäftigungsverhältnisses bedient hat.

Ebenso wenig kommt es auf die (politische) Dimension des Zustroms von Flüchtlingen im maßgeblichen Zeitraum an. Maßgeblich ist nicht das „Warum“ der Beauftragung, sondern das „Wie“ der Beauftragung und der tatsächlichen Ausgestaltung der Tätigkeit. Hierbei ist - wie vom Sozialgericht zutreffend ausgeführt - von besonderer Bedeutung, ob der Beschäftigte in den fremden Betrieb eingegliedert ist und einem Weisungsrecht unterliegt. Der Wille der Vertragsparteien ist dabei nachrangig. 

Hinsichtlich des Weisungsrechts hat der Bundessozialgericht wiederholt festgestellt, dass insbesondere bei Hochqualifizierten oder Spezialisten (so genannten Diensten höherer Art) das Weisungsrecht auf das Stärkste eingeschränkt sein kann. Dennoch kann die Dienstleistung in solchen Fällen fremdbestimmt sein, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung des Betriebes erhält, in deren Dienst die Arbeit verrichtet wird. Die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers verfeinert sich in solchen Fällen zur funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess (zuletzt Urteil vom 19. Oktober 2021, B 12 KR 29/19 R, juris, Rn. 20 ff m.w.N). 

Zudem gilt, dass für die Frage, ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, stets die konkreten Umstände des individuellen Sachverhalts maßgebend sind. „Bei der gebotenen Gesamtabwägung sind sämtliche, auch solche Umstände zu berücksichtigen, die einer Tätigkeit ihrer Eigenart nach immanent, durch gesetzliche Vorschriften oder eine öffentlich-rechtliche Aufgabenwahrnehmung bedingt sind oder auf sonstige Weise "in der Natur der Sache" liegen. Ihnen ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zwar nicht zwingend eine entscheidende Indizwirkung für eine abhängige Beschäftigung beizumessen; umgekehrt ist eine abhängige Beschäftigung aber auch nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil sich bestimmte Weisungsrechte oder Vorgaben aus der Eigenart der Tätigkeit ergeben oder ihr innewohnen. Indizwirkung gegen eine Beschäftigung und für eine selbstständige Tätigkeit besteht vielmehr dann, wenn bei Verrichtung der Tätigkeit eine Weisungsfreiheit verbleibt, die sie insgesamt als eine unternehmerische kennzeichnet. Denn ob und inwieweit einzelne Umstände einer Tätigkeit „ihrer Natur nach" immanent sind, hängt wesentlich mit der zu beurteilenden Tätigkeit und ihrer konkreten Ausgestaltung zusammen. Je enger der übertragene Tätigkeitsbereich abgesteckt ist, weil der Auftrag- oder Arbeitgeber nicht auf eigene Gestaltungsmöglichkeiten verzichtet, desto weniger Spielraum kann der übertragenen Tätigkeit noch immanent sein. So ist in der Regel auch die strikte Weisungsunterworfenheit klassischer "Fabrikarbeiter" der Eigenart ihrer Tätigkeit geschuldet. Gerade dies begründet aber ihre Sozialversicherungspflicht und stellt sie nicht infrage (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021, B 12 KR 29/19 R, m.w.N.). 

Zutreffend hat das Sozialgericht die Eingliederung der Beigeladenen in den Dienstbetrieb des Klägers, mit dem dieser u.a. die Erstuntersuchungen organisierte und durchführte, festgestellt. Diese Eingliederung findet ihre Entsprechung am vereinbarten Vergütungsmodell. Denn der Kläger bezahlte die Beigeladene für die von ihr geleisteten Dienste. Eine unmittelbare Abrechnung zwischen der Beigeladenen und den Flüchtlingen oder aber Krankenkassen oder anderen Kostenträgern fand nicht statt. 

Darüber hinaus bestehen - wie vom Sozialgericht zutreffend ausgeführt - keine Anhaltspunkte, die mit einem derartigen Gewicht für Selbstständigkeit sprechen, dass sie die Weisungsgebundenheit und Eingliederung der Beigeladenen auch nur annähernd auf- oder überwiegen können. Insbesondere war die Beigeladene keinem nennenswerten Unternehmerrisiko ausgesetzt. Sie erhielt Fallpauschalen bzw. einen festen Stundenlohn und hatte keinen Verdienstausfall zu befürchten. Für sie bestand auch nicht die Chance, durch unternehmerisches Geschick ihre Arbeit so effizient zu gestalten, dass sie das Verhältnis von Aufwand und Ertrag zu ihren Gunsten entscheidend hätte beeinflussen können. Da es lediglich auf eine Betrachtung der konkreten Tätigkeit ankommt, war das einzig in Betracht kommende Risiko der Beigeladenen, vom Kläger keine weiteren Folgeaufträge zu erhalten, für die Frage ihres Status in der konkreten Tätigkeit irrelevant. Denn aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft gegebenenfalls nicht verwerten zu können, folgt kein Unternehmerrisiko bezüglich der einzelnen Einsätze (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021, B 12 KR 29/19 R, m.w.N).

Die vom Kläger zitierte Entscheidung zu Familienhelfer ist vorliegend nicht einschlägig, da die Tätigkeit eines Familienhelfers in keiner Weise mit der eines Arztes in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu vergleichen ist.

Ob zwischen den Flüchtlingen und der Beigeladenen – wie vom Kläger vorgetragen - Behandlungsverträge gemäß § 630a BGB zustande gekommen sind, erscheint bereits fraglich (vgl. Rehborn/Gescher in: Ermann, § 630a BGB, Rn 7 zur Tätigkeit z.B. des Amtsarztes und des Impfarztes mit Verweis auf BGHZ 63,265 und BGH NJW 1990, 2311). Jedenfalls aber ist dies für die hier streitige Statusentscheidung nicht Ausschlag gebend, da das Auftragsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beigeladenen sowie die insoweit erbrachte Tätigkeit zu beurteilen war.

Für die Beurteilung als abhängige Beschäftigung der Beigeladenen in der HEAE spricht zudem die gesetzliche Regelung zu Ärztinnen und Ärzten in einem Impfzentrum. Für diese wurde in § 130 SGB IV (eingeführt durch Gesetz vom 24. Februar 2021, BGBl I, 274. Eine vergleichbare Regelung für die in Corona-Testzentren tätigen Ärzte findet sich in § 131 SGB IV.) geregelt, dass ihre Einnahmen aus Tätigkeiten in einem Impfzentrum oder einem angegliederten mobilen Impfteam in der Zeit vom 15. Dezember 2020 bis 30. Mai 2022 nicht der Beitragspflicht unterliegen. Die entsprechenden Tätigkeiten sind demnach auch nicht versicherungspflichtig. Dem liegt die gesetzgeberische Einschätzung zugrunde, dass die entsprechenden Einnahmen grundsätzlich der Sozialversicherungspflicht unterliegen, viele der Ärzte aber entweder selbstständig im Rahmen einer Praxis tätig sind, einem berufsständischen Versorgungswerk angehören und/oder bereits pensioniert sind und daher nicht der Sozialversicherungspflicht unterfallen (siehe BT-Drs. 19/26249, S. 92; BR-Drs. 83/1/21, S. 4; Dankelmann in: jurisPK-SGB IV, 4. Aufl., § 130 SGB IV; Knospe in Hauck/Noftz SGB IV, § 130). Hiermit hat der Gesetzgeber deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er die Tätigkeit von Ärzten in Impf- oder Testzentren nicht als selbstständige Tätigkeit, sondern als abhängige Beschäftigung ansieht. Deren Tätigkeit ist aber in gewisser Weise durchaus vergleichbar mit der vorliegenden streitigen Tätigkeit der beigeladenen Ärztin in der Erstaufnahmeeinrichtung (vgl. Senatsurteil vom 23. März 2023, L 1 BA 18/22). 

Ergänzend wird zudem auf die Urteile des Senats vom 12. Mai 2022 (L 1 BA 75/21 und L 1 BA 76/21; Revisionen anhängig: BSG, B 12 BA 7/22 R und B 12 BA 8/22 R) verwiesen.

Die Angabe, dass die Beigeladene lediglich an 13 Tagen für den Kläger tätig gewesen sei, entspricht nicht den in der Verwaltungsakte befindlichen Unterlagen (Bl. 59 bis 116). Diese belegen vielmehr die im Bescheid vom 11. Dezember 2018 aufgeführten Tätigkeitstage. Ob die Beigeladene lediglich geringfügig beschäftigt gewesen ist, ist darüber hinaus für die Frage, ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt worden ist, nicht relevant.

Inwieweit der Kläger Arbeitgeberanteile gemäß § 172 Abs. 1 SGB VI bzw. § 346 Abs. 3 SGB III für die versicherungsfreie Beigeladene zu entrichten hat, ist nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten, da diese keinen Antrag gestellt hat (s. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, Kommentar, 13. Aufl., § 197a Rn. 28 f. m.w.N.).

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Die Klärung der Rechtsfragen ist für eine unbestimmte Anzahl ähnlicher Fälle relevant.

Gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG werden, wenn in einem Verfahren weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten kostenrechtlich privilegierten Personen gehört, Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben. Da der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet, ist der Streitwert auf 5.000,00 € festzusetzen (§§ 47, 52 Abs. 2 GKG).
 

Rechtskraft
Aus
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