Das allgemeine Qualitätsgebot stellt auch Anforderungen an die Struktur- und Prozessqualität der Krankenhausbehandlung.
Werden bestimmte strukturelle oder prozedurale Mindestanforderungen an die Behandlung von der großen Mehrheit der einschlägigen Fachleute aufgrund des Stands der medizinischen Erkenntnisse befürwortet, sind diese vom Krankenhaus auch ohne eine verpflichtende Vorgabe des Gemeinsamen Bundesausschusses oder Normenverträge zu beachten.
Die Implantation eines Neurostimulators zur epiduralen Rückenmarksstimulation im Krankenhaus der Klägerin (Behandlungsjahr 2017) erfüllte die Voraussetzungen der S3-Leitlinie "Epidurale Rückenmarksstimulation zur Therapie chronischer Schmerzen" nicht und entsprach daher nicht den Anforderungen des Qualitätsgebots.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 13. Oktober 2020 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten beider Instanzen zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 17.129,63 € festgelegt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch der Klägerin auf Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung streitig.
Die Klägerin betreibt ein zugelassenes Allgemeinkrankenhaus (Plankrankenhaus) u.a. mit den Fachbereichen „Allgemein- und Gefäßchirurgie“ sowie „Unfallchirurgie“ und „Orthopädie“, jedoch ohne den Fachbereich „Neurochirurgie“.
In diesem Krankenhaus wurde in der Zeit vom 8. bis zum 22. November 2017 der bei der Beklagten versicherte H. S. (im Folgenden: Versicherter) vollstationär behandelt auf der Grundlage der wesentlichen Diagnosen ICD-10 M54.4 [Lumboischialgie] und R52.1L [Chronisch unbeeinflussbarer Schmerz]. Ihm wurde am 21. November 2017 ein Neurostimulator zur epiduralen Rückenmarkstimulation (engl.: spinal cord stimulation = SCS) operativ implantiert [OPS 5 039.n1: Implantation eines Neurostimulators zur epiduralen Rückenmarkstimulation ohne Implantation einer Neurostimulationselektrode: Mehrkanalstimulator, vollimplantierbar, nicht wiederaufladbar].
Mit Datum vom 15. Dezember 2017 (GA Bl. 29) stellte die Klägerin der Beklagten für diese Behandlung einen Gesamtbetrag in Höhe von 17.129,63 € in Rechnung auf der Basis DRG I10B [andere Eingriff an der Wirbelsäule mit bestimmten komplexen Eingriff oder Halotraktion oder Para- /Tetrapl. oder Wirbelfraktur mit bestimmten Eingriff an Wirbelsäule, Spinalkanal und Bandscheibe ohne äußerst schwere CC oder bestimmte andere Operation an der Wirbelsäule mit äußerst schwere CC und > 1 BT], der im Fall der Kodierung des Zusatzentgelts ZE141 [„Neurostimulator zur Rückenmarkstimulation oder zur Stimulation des peripheren Nervensystems, Mehrkanalstimulator, nicht wiederaufladbar, ohne Sondenimplantation“] angesteuert wird.
Die Beklagte lehnte die Zahlung vollständig ab. Unter Hinweis auf ein Strukturgutachten des MDK aus dem Jahr 2016 führte die Beklagte aus, im Leistungszeitraum seien die strukturellen Voraussetzungen für die Erbringung des Zusatzentgelts ZE141 nicht nachgewiesen und es liege keine gültige Abrechnungsvereinbarung für das Zusatzentgelt vor.
Die Klägerin hat am 12. November 2018 beim Sozialgericht Fulda Klage auf Zahlung des Rechnungsbetrags erhoben.
Die Klägerin hat zur Begründung ausgeführt, entgegen der Auffassung der Beklagten setze das Zusatzentgelt ZE141 keine vorherige Vereinbarung im Rahmen einer Budgetvereinbarung voraus, wenn es dem Versorgungsauftrag des Krankenhauses entsprechend berechnet werde. Auch sei die Auffassung der Beklagten falsch, der Versorgungsauftrag ihres Krankenhauses umfasse nicht die Implantation eines Neurostimulators. Die Implantation eines Neurostimulators werde vom Fachgebiet „Chirurgie“ umfasst. Unstreitig bestehe für ihre Klinik ein Versorgungsauftrag für dieses Fachgebiet. Die streitige Maßnahme erfordere keinen Versorgungsauftrag für das Fachgebiet „Neurochirurgie“. Im Übrigen setze die Kodierung der Implantation eines Neurostimulators keine besondere Qualifikation oder Strukturmerkmale voraus.
Die Beklagte hat dem entgegnet, nach dem Strukturgutachten des MDK aus dem Jahr 2016 erfülle das Krankenhaus der Klägerin nicht die personellen, fachlichen und sachlichen Voraussetzungen für die Berechnung des Zusatzentgelts ZE 141. Das Krankenhaus der Klägerin verfüge nicht über die nach der S3-Leitlinie „Epidurale Rückenmarkstimulation zu Therapie chronischer Schmerzen“ erforderliche Profession der Neurochirurgie. Insofern stelle sie infrage, dass die streitige Leistung überhaupt in den Versorgungsauftrag des Krankenhauses der Klägerin falle. Nach der Weiterbildungsordnung (WBO) der Landesärztekammer Hessen rechne die Implantation von Elektroden in den Spinalraum eher zur Neurochirurgie. Das Krankenhaus der Klägerin gehöre zur ersten Versorgungsstufe; dem gegenüber seien medizinisch höchst anspruchsvolle und risikoreiche Eingriffe der Neurochirurgie - wie die Einsetzung eines Elektrostimulators am Rückenmark - Krankenhäusern mit höherer Versorgungsstufe vorbehalten.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 13. Oktober 2020 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 17.129,65 € nebst Zinsen zu zahlen. Das streitige Zusatzentgelt ZE 141 löse die Fallpauschale DRG I10B aus. Die Klägerin sei berechtigt dies abzurechnen. Der Versorgungsauftrag für das Fachgebiet „Chirurgie“ des Krankenhauses der Klägerin sei ausreichend für die bei dem Versicherten der Beklagten vorgenommene Implantation eines Neurostimulators. Diese operative Maßnahme bedürfe nicht eines Versorgungauftrags für das Fachgebiet „Neurochirurgie“. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei zur Bestimmung der medizinischen Leistungen, die von dem jeweiligen Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasst seien, auf die Inhalte der WBO der jeweilig zuständigen Landesärztekammer abzustellen. Die hier streitgegenständliche Implantation eines Neurostimulators zur Rückenmarkstimulation stelle eine „operative Behandlung (…) der Stütz- und Bewegungsorgane“ dar und unterfalle der Definition des Gebietes der „Chirurgie“ der einschlägigen hessischen WBO. Nicht abzustellen sei auf die in einer Leitlinie einer medizinischen Fachgesellschaft aufgestellten Anforderungen. Dafür fehle es an einer rechtlichen Grundlage.
Gegen das ihr am 23. November 2020 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 4. Dezember 2020 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt.
Die Beklagte vertritt weiter die Auffassung, nach der hessischen WBO sei die streitige Behandlung dem Gebiet der Neurochirurgie zuzuordnen. Selbst wenn man der Auffassung folge, dass der streitige Eingriff auch dem Fachgebiet „Chirurgie“ zuzurechnen sei, stehe dem Vergütungsanspruch die strukturelle Bewertung des Krankenhauses der Klägerin durch den MDK im Strukturgutachten vom 14. Oktober 2016 entgegen. In diesem komme der MDK zu dem Ergebnis, die Voraussetzungen des Zusatzentgelts ZE 141 seien nicht erfüllt. Das Krankenhaus der Klägerin verfüge zwar über eine Fachabteilung Chirurgie, nicht jedoch über eine gemäß der S3 Leitlinie „Epidurale Rückenmarkstimulation zur Therapie chronischer Schmerzen“ notwendige Neurochirurgie und den Nachweis der geforderten Einbindung der Fachdisziplinen der Psychiatrie / klinische Psychologie / Psychosomatik.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 13. Oktober 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, das Sozialgericht habe mit dem angefochtenen Urteil zutreffend entschieden. Im Übrigen sei das Strukturgutachten des MDK aus dem Jahr 2016 ohne rechtliche Relevanz, da es hierfür an einer Rechtsgrundlage fehle. Leitlinien schränkten den ihr erteilten Versorgungsauftrag nicht ein.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakte verwiesen, der Gegenstand der Beratung des Senats gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte im Einverständnis der Beteiligten den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
Die Entscheidung des Sozialgerichts Fulda mit Urteil vom 13. Oktober 2020 konnte keinen Bestand haben. Die Klägerin besitzt nicht den geltend gemachten Vergütungsanspruch in Höhe von 17.129,63 € für die vollstationäre Behandlung des Versicherten vom 8. bis zum 22. November 2017 auf der Basis der DRG I10B [andere Eingriff an der Wirbelsäule mit bestimmten komplexen Eingriff oder Halotraktion oder Para- /Tetrapl. oder Wirbelfraktur mit bestimmten Eingriff an Wirbelsäule, Spinalkanal und Bandscheibe ohne äußerst schwere CC oder bestimmte andere Operation an der Wirbelsäule mit äußerst schwere CC und > 1 BT], welche die Kodierung des Zusatzentgelts ZE141 [„Neurostimulator zur Rückenmarkstimulation oder zur Stimulation des peripheren Nervensystems, Mehrkanalstimulator, nicht wiederaufladbar, ohne Sonderimplantation“] voraussetzt.
Wegen der rechtlichen Voraussetzungen des hier streitigen Krankenhausvergütungsanspruchs, insbesondere hinsichtlich seines Entstehens unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes auf der Grundlage der Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch (SGB V) und des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG), der danach vorgesehenen Abrechnung von Behandlungsfällen in Form von Fallpauschalen auf der Basis des auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalogs und die dafür erforderliche Zuordnung eines Behandlungsfalls zu einer DRG nach Maßgabe der Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil (§ 153 Abs. 2 SGG), denen nichts weiter hinzuzufügen ist, zumal dies von den Beteiligten nicht bestritten wird.
Vorliegend ist streitig, ob die von der Klinik der Klägerin im Rahmen der stationären Behandlung des Versicherten im Jahr 2017 erbrachte Leistung einer operativen Implantation eines Neurostimulator zur epiduralen Rückenmarkstimulation [OPS 5 039.n1: Implantation eines Neurostimulators zur epiduralen Rückenmarkstimulation ohne Implantation einer Neurostimulationselektrode: Mehrkanalstimulator, vollimplantierbar, nicht wiederaufladbar] gem. § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V von ihrem Versorgungsauftrag umfasst und im vorliegenden Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit des Versicherten für die medizinische Versorgung erforderlich und wirtschaftlich war.
Der Versorgungsauftrag der Klinik der Klägerin umfasst die Versorgung gesetzlich Versicherter auf dem Fachgebiet der Chirurgie auf der Grundlage des Feststellungsbescheids des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration (HSM) vom 24. Februar 2006 in der Fassung des Bescheids vom 22. Dezember 2016 in Verbindung mit dem damals gültigen Hessischen Krankenhausplan 2009 (KHRP 2009). Danach wurde der Klinik der Klägerin der Versorgungsauftrag mit den Fachabteilungen „Chirurgie, Frauenheilkunde/Geburtshilfe, Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Innere Medizin, Klinische Geriatrie“ erteilt, jedoch ohne eine Fachabteilung der Neurochirurgie. Die verbindliche außenwirksame Festlegung des Versorgungsauftrags erfolgte auf der Grundlage von § 8 Abs. 1 Satz 3 KHG mit Erlass des Bescheids des HSM vom 22. Dezember 2016 mit Aufnahme des Krankenhauses der Klägerin in den Krankenhaus-Plan (KH-Plan) sowie der Benennung der einzelnen Fachgebiete (zum Verhältnis Feststellungsbescheid und KH-Plan siehe: BSG, Urteil vom 9. April 2019 – B 1 KR 2/18 R, juris Rn. 12f.). Auch wenn der KHRP 2009 wie auch der Bescheid des HSM vom 22. Dezember 2016 sich auf die Festlegung der Fachabteilung Chirurgie, Frauenheilkunde/Geburtshilfe, Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Innere Medizin, Klinische Geriatrie beschränkt, kann im Rahmen der Auslegung auf der Grundlage der WBO für Ärztinnen und Ärzte in Hessen der Versorgungsauftrag der Klinik der Klägerin für den gesamten Bereich der Chirurgie festgestellt werden. Bezeichnet der Feststellungbescheid allgemein ein Fachgebiet – wie vorliegend Chirurgie -, so umfasst dies grundsätzlich die Leistungen, für die in der WBO für Ärzte des jeweiligen Bundeslandes ein dem Gebiet zugeordneter Schwerpunkt bzw. eine entsprechende Facharztkompetenz existiert (so auch Verwaltungsgericht Münster, Urteil vom 23. Juni 2010 – 9 K 65/09 –, juris Rn. 34 ff, insb. 42: zum Fachbereich der Chirurgie). Dies entspricht der Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 3 WBO, wonach die fachärztliche Tätigkeit nicht auf die in der Facharztkompetenz vorgeschriebenen Weiterbildungsinhalte beschränkt ist (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. März 2011 – 13 A 1745/10 -, juris Rn. 21 für die WBO der Ärztekammer Westfalen-Lippe für den Bereich Chirurgie).
Der Senat kann für die zu fällende Entscheidung die Frage dahinstehen lassen, ob für die operative Implantation eines Neurostimulators zur epiduralen Rückenmarkstimulation der Versorgungsauftrag des Krankenhauses der Klägerin für den Fachbereich der Allgemeinen Chirurgie ausreichend ist oder dies einen Versorgungsauftrag für den Fachbereich der Neurochirurgie erfordert. Hierauf kommt es aus Sicht des Senats nicht an, weil die im Jahr 2017 durch das Krankenhaus der Klägerin durchgeführte Behandlung des Versicherten nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprach. Dieses Erfordernis aus § 2 Abs. 1 SGB V gilt auch für den Bereich der stationären Versorgung, auch im Hinblick auf die in § 137c Abs. 1 Satz 2 SGB V geregelte „Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt“. Denn Krankenhäuser sind auch innerhalb ihres Versorgungsauftrags nicht berechtigt, ungeeignet zu behandeln (so bereits BSG, Urteil vom 19. Dezember 2017 – B 1 KR 17/17 R -).
Die Krankenhausbehandlung im Sinne von § 39 SGB V ist grundsätzlich nur dann erforderlich, wenn die Behandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht und notwendig ist. Der Krankenbehandlungsanspruch hat sich generell daran auszurichten, welche Behandlung unter Beachtung des Qualitätsgebots und des umfassenden Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit notwendig und ausreichend ist, um das angestrebte Behandlungsziel zu erreichen (§ 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Satz 3, Abs. 4, § 12 Abs. 1 SGB V). Unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse ist hierzu nicht nur dem Grunde, sondern auch dem Umfang nach zu ermitteln, welche Reichweite der Therapie indiziert ist. Dem steht § 137c SGB V nicht entgegen, da diese Vorschrift lediglich einen Verbotsvorbehalt regelt und für den GBA einen Raum für den Erlass von Richtlinien zur Erprobung nach § 137e SGB V schafft (BSG Urteil vom 16. August 2021 - B 1 KR 18/20 R - juris Rn. 9 m.w.N.).
Das auch für die stationäre Behandlung grundsätzlich geltende Qualitätsgebot des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V fordert, dass eine große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Dieses setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein (BSG, Urteil vom 16. August 2021 – B 1 KR 18/20 R -, juris Rn. 10). Auf die formale Aufnahme einer Leistung in den DRG-Katalog ist demgegenüber nicht abzustellen. DRG-Fallpauschalen sind nicht an der Frage der Neuheit einer Methode ausgerichtet. Für die Aufnahme einer Behandlungsmethode in das Regelwerk der DRG kommt es auch nicht darauf an, ob für die Vergütung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB; vgl. § 11, § 6 Abs. 2 KHEntgG i.V.m. § 18 Abs. 2 KHG) eine krankenhausindividuelle Vereinbarung eines Zusatzentgelts vorliegt. NUB-Vereinbarungen besagen wie die anderen Regelungen des Preisrechts für Krankenhausbehandlung nichts dazu, ob eine Methode dem Qualitätsgebot der GKV genügt und inwieweit GKV-Versicherte Zugang zu ihnen haben (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2018 – B 1 KR 11/18 R –, juris Rn. 27 - 28).
Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob und ggf. für welche Indikationen die Implantation des Neurostimulators im Jahr 2017 als Behandlungsmethode anerkannt war. Selbst wenn der Versicherte der Beklagten diese Indikationen zur Implantation erfüllte, entsprach deren Durchführung in dem Krankenhaus der Klägerin nicht dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse. Denn das Qualitätsgebot des § 2 SGB V stellt auch strukturelle und prozedurale Anforderungen als Voraussetzungen für die Leistungserbringung, da das Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot gebieten, den Weg des gesicherten Nutzens zu gehen, auch solange die Konkretisierung der Anforderung an die Leistungserbringung nicht von dem in erster Linie dafür zuständigen GBA geregelt wurde (BSG, Urteil vom 16. August 2021 – B 1 KR 18/20 R -, juris Rn. 11).
Unabhängig von Konkretisierungen durch Richtlinien oder Normenverträge besteht die Verpflichtung zur Erbringung der Leistungen entsprechend dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse auf der Grundlage von § 135a Abs. 1 Satz 1 SGB V, denn diese begründen lediglich einen Mindeststandard (BSG Urteil vom 16. August 2021 – B 1 KR 18/20 R -, juris Rn. 15 mit Hinweis auf die Begründung zu dem Entwurf des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 <GKV-Gesundheitsreform 2000>, BT-Drucks. 14/1245 S 86 zu Nr. 76). Werden bestimmte strukturelle und/oder prozedurale Mindestanforderungen an die Behandlung von der großen Mehrheit der einschlägigen Fachleute aufgrund des Standes der medizinischen Erkenntnisse befürwortet, so sind diese vom Krankenhaus auch ohne eine verpflichtende Vorgabe des GBA zu beachten (so bereits BSG Urteile vom 8. Oktober 2019 - B 1 KR 3/19 R - BSGE 129, 171 = SozR 4-2500 § 2 Nr. 14, RdNr. 17 und - B 1 KR 4/19 R - SozR 4-2500 § 12 Nr. 16 RdNr. 18). Anderenfalls handelt es sich um eine im Rechtssinne nicht geeignete Versorgung mit der Folge, dass das Krankenhaus trotz einer Behandlung innerhalb seines Versorgungsauftrags hierfür keine Vergütung beanspruchen kann; der Versicherte besitzt aufgrund des Qualitätsgebots (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) und des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs. 1 SGB V) keinen Anspruch auf ungeeignete Leistungen (BSG, Urteil vom 16. August 2021 – B 1 KR 18/20 R -, juris Rn. 15).
Im Zeitpunkt der streitigen Behandlung im Jahr 2017 zeigte sich der allgemeine Stand der medizinischen Erkenntnis in der S3-Leitlinie „Epidurale Rückenmarkstimulation zur Therapie chronischer S3-Leitlinie: Epidurale Rückenmarkstimulation zur Therapie chronischer Schmerzen“ (Stand: 07/2013, Gültigkeitsdauer verlängert bis zum 30. Juli 2018; publiziert im Internetportal AWMF online, AWMF-Register Nr. 041/002). Diese S3-Leitlinie führt u. a. aus: „Im Folgenden sollen Empfehlungen der epiduralen Rückenmarkstimulation zu bestimmten Indikationen oder Krankheitsbildern gegeben werden und im Anschluss ein standardisiertes diagnostisches und therapeutisches Vorgehen dargestellt werden“. Grundlage dieser S3-Richtlinie ist eine fachübergreifende Auswertung (Deutsche Gesellschaften für Anästhesiologie und Intensivmedizin, für Angiologie, für Kardiologie, für Neurochirurgie, für Neuromodulation, für Neurologie, für Psychologische Schmerztherapie und Forschung, deutsche Schmerzgesellschaft e.V.) evidenzbasierter Ergebnisse mit fachübergreifender Beteiligung (Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Schmerztherapie, Dt. Ges. für Schmerztherapie e. V., Berufsverband Deutscher Schmerztherapeuten, European Federation of Neurological Societies).
Auf der Grundlage dieser S3-Leitlinie erfüllte das Krankenhaus der Klägerin im Jahr 2017 nicht die in der Leitlinie unter Ziffer 6.1.5. genannten strukturellen und prozessualen Voraussetzungen. Dort wird ausgeführt:
„Die Neurostimulation soll nur in Zentren, die einen multidisziplinären Ansatz zur Behandlung chronischer Schmerzen sowie eine standardisierte Schmerzanamnese und -dokumentation ausführen, durchgeführt werden (EFIC-Kriterien, Gybels et al. 1998, Span. Leitlinien). Dies schließt eine psychologische oder psychiatrische oder psychosomatische Evaluation des Patienten ein. Die Indikationsstellung soll interdisziplinär (Neurochirurg, Schmerztherapeut, Psychiater/klinischer Psychologe/Psychosomatiker, sowie je nach Schmerzsyndrom Neurologe bzw. Kardiologe und Herzchirurg bzw. Angiologen / interventionellen Radiologe/Gefäßchirurg) erfolgen. Das Zentrum sollte in der Lage sein, Komplikationen der SCS-Therapie zu behandeln und in diesen Fällen eine rasche Zugriffsmöglichkeit auf Krankenhausbetten, OP-Kapazität und fachärztliche Kompetenz haben (Empfehlung: B).“
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Formulierung „soll“ in dieser Leitlinie eine sogenannte „starke Empfehlung“ beinhaltet. Der Empfehlungsgrad im Sinne eines Empfehlungsgrades „B“ entspricht einer Evidenzgrad der Therapiestudien 2a-b (systematischer Review von vergleichenden Kohortenstudien) bzw. 3a-b (systematischer Review von Fall-Kontrollstudien oder mindestens eine gut geplante kontrollierte Studie).
Dies zugrunde gelegt, erfüllte die Klinik der Klägerin nicht die in dieser S3-Leitlinie definierten strukturellen und prozessualen Voraussetzungen für die streitige operative Maßnahme. Die Klinik der Klägerin verfügte nach dem Strukturgutachten des MDK vom 14. Oktober 2016 mit Dr. M., Chefarzt der Anästhesie, der die Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“ führt, zwar über einen Schmerztherapeuten und – auf der Grundlage der Angaben der Klinik - mit dem Oberarzt Dr. K., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, über einen Wirbelsäulenspezialisten, jedoch weder über die Profession aus dem Fachbereich der Neurochirurgie noch über die Profession aus den Fachbereichen Psychiatrie / Klinische Psychologie / Psychosomatik. Nach dem Strukturgutachten fehlen darüber hinaus Angaben des Krankenhauses der Klägerin zur multimodalen Schmerztherapie bei der Indikationsstellung und des Komplikationsmanagements nach der Implantation eines Neurostimulators zur epiduralen Rückenmarkstimulation. Auch im Hinblick auf die in der S3-Leitlinie definierte Prozessqualität hinsichtlich der notwendigen Dokumentation (Ziffer 6.2 der S3-Leitlinie) und der Aufklärung des Patienten über die Methode, ihre Wirkung und mögliche Komplikationen (Ziffer 6.3) fehlt es nach dem Strukturgutachten des MDK an ausreichenden Angaben des Krankenhauses.
Entgegen der Auffassung der Klägerin kann das Strukturgutachten des MDK vom 14. Oktober 2016 zur Entscheidung herangezogen werden. Das Fehlen einer Rechtsgrundlage für das Jahr 2017 ist unerheblich. Die Ermächtigungsgrundlage des § 17c Abs. 2 KHG in der bis zum 31. Dezember 2018 geltenden Fassung enthält weder eine Regelung noch Anhaltspunkte für ein Verwertungsverbot von Erkenntnissen aus anderen Quellen als einer Einzelfallprüfung des MDK, wie etwa aus der vorliegenden Strukturprüfung aus dem Jahr 2016, an der das Krankenhaus der Klägerin freiwillig mitgewirkt hat (so auch BSG, Urteil vom 10. November 2021 – B 1 KR 36/20 R -, juris Rn. 19 für PrüfvV 2014). Den Feststellungen dieses Gutachtens hat die Klägerin auch nicht widersprochen.
Soweit die Klägerin weiter geltend macht, dass der einschlägige OPS 5 039.n1 [Implantation eines Neurostimulators zur epiduralen Rückenmarkstimulation ohne Implantation einer Neurostimulationselektrode: Mehrkanalstimulator, vollimplantierbar, nicht wiederaufladbar] keine der S3-Leitlinie entsprechenden Vorgaben enthält, ist dies rechtlich unerheblich. Soweit der OPS strukturelle Anforderungen definiert, werden lediglich Vergütungsvoraussetzungen geregelt, auf die sich die Vertragspartner auf Bundesebene verständigt haben. Diese Voraussetzungen beschreiben vorgefundene medizinische Erfordernisse und bilden zugleich die sich daraus ergebenden erforderlichen Ressourcen ab, um die vergütungsrechtliche Gleichbehandlung der Krankenhäuser zu gewährleisten. Soweit der OPS keine Strukturvoraussetzungen regelt, hat dies nicht zur Folge, dass solche nicht gelten. Denn das allgemeine Qualitätsgebot wird durch die Regelungen im OPS nicht suspendiert. Dies wäre von den Ermächtigungsgrundlagen für das DIMDI bzw. BfArM und die Vertragspartner auf Bundesebene nicht gedeckt (BSG, Urteil vom 16. August 2021 – B 1 KR 18/20 R -, juris Rn. 22).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 197a SGG, die Streitwertfestsetzung auf § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG).