L 1 U 129/20

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Nordhausen (FST)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1.
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 10 U 1398/17
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 U 129/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
 
Leitsätze

§ 8 SGB VII, § 118 SGG, § 116 SGG

Sozialgerichtliches Verfahren – spezifische Phobie – dissoziative Bewegungsstörung - Befragungsrecht eines Verfahrensbeteiligten gegenüber Sachverständigen: sachdienlicher Klärungsbedarf - gesetzliche Unfallversicherung –

1. Zur Abgrenzung der Diagnose einer spezifischen Phobie von einer dissoziativen Bewegungsstörung.

2. Zur Nichtanerkennung einer dissoziativen Bewegungsstörung als unmittelbare Folge eines Unfallereignisses mangels Vorliegens der hinreichenden Wahrscheinlichkeit.

3. Jeder Verfahrensbeteiligte hat grundsätzlich - zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs - ein Recht auf Befragung eines Sachverständigen, der ein (schriftliches) Gutachten erstattet hat (§§ 116 S 2, 118 Abs 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO; § 62 SGG). Sachdienlichkeit im Sinne von § 116 S 2 SGG ist zu bejahen, wenn sich die Fragen im Rahmen des Beweisthemas halten und nicht abwegig oder bereits eindeutig beantwortet sind.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 5. September 2019 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob weitere Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet Folge des von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalles vom 17. März 2011 sind und ob der Kläger die Zahlung einer Verletztenrente beanspruchen kann.

Der 1977 geborene Kläger war zum Unfallzeitpunkt in den N1 Werkstätten beschäftigt. Auf dem Weg von den Werkstätten nach Hause ist er ausgerutscht und hat sich ausweislich des Durchgangsarztberichtes vom gleichen Tage eine Luxation, Verstauchung und Zerrung des linken Kniegelenks zugezogen. Durch Bescheid vom 22. September 2011 lehnte die Beklagte die Anerkennung dieses Ereignisses als Arbeitsunfall ab, da der Unfall auf bereits bestehende gesundheitliche Beeinträchtigungen zurückzuführen sei. Nach erfolgloser Durchführung eines Widerspruchsverfahrens hat der Kläger hiergegen Klage erhoben (Az.: S 10 U 1229/12). In diesem Klageverfahren hat die Beklagte durch Bescheid vom 10. Juli 2013 ihren Bescheid vom 22. September 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2012 zurückgenommen und das Ereignis vom 17. März 2011 als Arbeitsunfall anerkannt. In der Folgezeit gewährte die Beklagte Verletztengeld bis 21. Oktober 2011. Hiergegen strengte der Kläger nach erfolgloser Durchführung eines Widerspruchsverfahrens erneut ein gerichtliches Klageverfahren an. Im Rahmen dieses Klageverfahrens wurde ein Bericht der Klinik für Psychiatrie des S Klinikums vom 13. November 2016 vorgelegt, wonach der Kläger als Folge des Arbeitsunfalles vom 17. März 2011 an einer massiven Angststörung leide. Diagnostiziert wurde eine spezifische isolierte Phobie ICD-10: F 40.2. Daraufhin hat der Kläger seine Klage auf weitere Zahlung von Verletztengeld aus wirtschaftlichen Gründen zurückgenommen. Insoweit hatte der Vorsitzende in der mündlichen Verhandlung am 14. Dezember 2016 darauf hingewiesen, dass es vorteilhafter sei, eine Verletztenrente zu beziehen. In dem Rechtsstreit bezüglich der Gewährung von Verletztengeld war ein Gutachten von H vom 26. Oktober 2015 eingeholt worden. Darin bezifferte dieser die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) vom 22. Oktober 2011 bis zum 7. April 2015 mit 25 v. H. und für die Zeit danach mit 20 v. H. Dieser Einschätzung widersprach der Beratungsarzt der Beklagten M1 in einer Stellungnahme vom 12. November 2015. Nach der zweiten Untersuchung sei eine deutliche Besserung eingetreten. Aufgrund der deutlichen Zunahme der Oberschenkelmuskulatur könne man von einer weitgehenden Kompensierung der ausgeprägten Instabilität ausgehen. Daher sei eine MdE von 10 v. H. ab dem 8. April 2015 angemessen. Daraufhin erkannte die Beklagte durch Bescheid vom 13. März 2017 als Folgen des Arbeitsunfalles eine geringe Instabilität des vorderen Kreuzbandes des linken Kniegelenks nach operativer Refixation des vorderen Kreuzbandes und Naht des Innenmeniskushinterhorns am 27. April 2011 an. Ausdrücklich nicht als Folge des Arbeitsunfalls anerkannt wurde eine spastische Tetraparese mit eingeschränkter Gehfähigkeit und einer geistigen Behinderung mittleren Grades seit der Geburt. Für den Zeitraum vom 22. Oktober 2011 bis 7. April 2015 wurde eine Rente nach einer MdE in Höhe von 20 v. H. anerkannt. Nach dem 7. April 2015 sei die Instabilität des Kniegelenks nicht mehr derart ausgeprägt, dass eine MdE im rentenberechtigenden Umfang gerechtfertigt erscheine. Ein hiergegen durch den Kläger eingelegter Widerspruch, welchen der Kläger insbesondere auch mit einer Gangunsicherheit begründete, wurde durch Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2017 zurückgewiesen. Im Bereich der Umfangmaße sei zwischen den Untersuchungszeiten der beiden Gutachten eine deutliche Besserung eingetreten. Daher lasse sich nur bis zum Untersuchungstag bei H eine MdE von 20 v. H. rechtfertigen. Aufgrund der deutlichen Zunahme der Oberschenkelmuskulatur müsse man davon ausgehen, dass die nicht mehr ausgeprägt vorliegende Instabilität durch die Muskulatur weitgehend kompensiert werde.

Dagegen hat der Kläger vor dem Sozialgericht Nordhausen Klage erhoben. Im Klageverfahren beauftragte das Sozialgericht den Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie M2 mit der Erstellung eines Zusammenhangsgutachtens. Dieser führt in seinem Gutachten vom 23. Januar 2018 aus, dass zum Untersuchungszeitpunkt am 23. Januar 2018 eine hochgradige Instabilität oder Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenkes nicht festzustellen sei. Es bestehe eine erstgradige Instabilität am Kniegelenk links und eine diskrete Streckhemmung um 5 Grad am Kniegelenk. Die MdE sei mit 10 v. H. einzuschätzen. Auch der Mehrverschleiß des inneren Kniegelenkkompartiments links sei als Folge einer erlittenen Bandverletzung am linken Kniegelenk aufzufassen. Zu berücksichtigen seien aber die vorbestehenden Einschränkungen des Allgemeinzustandes. Ohne Zweifel sei die ausgeprägte Beeinträchtigung des Gangbildes nicht auf die diskrete Instabilität und Streckhemmung des linken Kniegelenks zurückzuführen. Maßgeblich dominierten hier die spastische Tetraparese mit Beinbetonung.

Durch Urteil vom 5. September 2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Eine MdE im rentenberechtigenden Umfang lasse sich nach den Ausführungen von M2 in seinem Gutachten vom 23. Januar 2018 nicht begründen. Zunächst sei zu beachten, dass der Kläger unter einem unfallunabhängigen Vorschaden leide, der sich ebenfalls auf die Gehfähigkeit auswirke, nämlich eine spastische Tetraparese mit Beinbetonung. Aus dem unfallbedingten Riss des vorderen Kreuzbandes und dem Einriss am Außenmeniskushinterhorn verbleibe eine erstgradige Instabilität am Kniegelenk links nach vorn, sowie eine diskrete Streckhemmung um 5 Grad. Nach den Erfahrungssätzen lasse sich damit eine rentenberechtigende MdE im Umfang von 20 v. H. nicht rechtfertigen. Die Einschätzung von H in seinem Gutachten vom 8. April 2015 überzeuge insoweit nicht. Auch H stelle lediglich geringe Funktionsdifferenzen zwischen dem linken und dem rechten Kniegelenk fest. Er habe dem Kläger auch einen guten Ausheilungszustand des Kniebinnenschadens links bestätigt.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Das Sozialgericht gehe von einem unzutreffenden Sachverhalt aus. Es spreche von einer Schädigung des rechten Knies, welche nicht streitgegenständlich sei. Es fehle eine Auseinandersetzung mit allen drei vorliegenden Gutachten und zudem verkenne das Sozialgericht, dass die Erwerbsunfähigkeit des Klägers auch auf psychischen Unfallfolgen beruhe. Der Arbeitsunfall vom 17. März 2011 sei ausschließlich kausal für die Tatsache, dass der Kläger heute im Rollstuhl sitze und nicht mehr ohne fremde Hilfe laufen könne.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 5. September 2019 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 13. März 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2017 zu verurteilen, dem Kläger unter Anerkennung weiterer Unfallfolgen auf psychiatrischem Fachgebiet, insbesondere einer spezifischen Phobie, eine Verletztenrente unter Zugrundelegung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von wenigstens 20 v. H. über den 7. April 2015 hinaus zu gewähren, hilfsweise den Sachverständigen U anzuhören und die bereits protokollierten Fragen zu stellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung.

Der Senat hat nach Durchführung eines Erörterungstermins am 31. Mai 2021 weitere Behandlungsberichte insbesondere auf psychiatrischem Fachgebiet und einen Bericht der N1 Lebenshilfe über die Tätigkeit des Klägers in der Behindertenwerkstatt beigezogen. Anschließend hat der Senat den Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie U mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dieser führt in seinem Gutachten vom 4. Oktober 2022 aus, dass der Kläger auf seinem Fachgebiet an einer mittelgradigen Intelligenzminderung und deutlichen Störungen von Motorik und Verhalten nach frühkindlicher Hirnschädigung, einer dissoziativen Bewegungsstörung von Beinen und Armen, einer spastischen Tetraparese und Choreoathetose nach frühkindlicher Schädigung und auf unfallchirurgischem Fachgebiet an einer leichtgradigen Restinstabilität und Streckhemmung des linken Kniegelenks nach operativ versorgter Läsion des vorderen Kreuzbandes und des Innenmeniskus 2011 leide. Eine phobische Angststörung mit angstbedingter Vermeidung insbesondere des Gehirns könne nicht diagnostiziert werden. Gegen eine phobische Störung spreche insbesondere, dass die Bewegungsstörung nicht auf das Gehen beschränkt sei, sondern in ähnlicher Weise das Heben der Arme betreffe, also ein ganz anderes motorisches System. Gegen eine phobische Störung spreche auch, dass der Kläger angebe, in Situationen, in denen er allein gehen könne, z. B. aufgrund von Freude bei Volksmusik, keine Angst habe. Dies belege die emotional gesteuerte Funktionalität der Bewegungsstörung. Die beim Kläger vorliegende Symptomatik werde treffender durch die Diagnose einer dissoziativen Bewegungsstörung erfasst. Das Unfallereignis vom 17. März 2011 sei grundsätzlich geeignet gewesen, das Organ Seele zu erreichen, nicht jedoch eine länger anhaltende oder tiefgreifende psychische Störung zu bewirken, wie z. B. eine Traumafolgestörung. Ein psychisches Erstschadensbild sei ärztlich nicht dokumentiert. Erstmals mit dem Hausarztbericht vom 11. Januar 2015 werde eine Angstthematik beschrieben. Das S Klinikum berichte erstmals in einem Befundbericht vom 13. November 2016 gegenüber dem Sozialgericht von einer massiven Angst und einer phobischen Angst vor weiteren Stürzen. Zu beachten sei, dass bei dem Kläger bereits vor dem Unfallereignis am 17. März 2011 nach einer frühkindlichen Hirnstörung eine ausgeprägte Störung der Motorik und Koordination bestanden habe. Der Funktionsbereich des Gehens sei bereits vor dem Unfallereignis deutlich eingeschränkt gewesen. Aus den vorliegenden Berichten ergebe sich zweifellos, dass von jeher eine ausgeprägte Gehbehinderung bestanden habe, die durchaus Schwankungen unterlegen habe. Ab Ende 2011/Anfang 2012 habe sich eine aus körpermedizinischer Sicht untypische Stagnation bzw. Wiederverschlechterung der Gehfähigkeit ergeben. Dass die Gehfähigkeit hier insbesondere vor dem Hintergrund der emotionalen Aspekte gesehen werden müsse, zeige sich daran, dass der Kläger in emotional stark besetzten Situationen auf das grundsätzlich weiterhin vorhandene Vermögen, allein zu gehen, zurückgreifen könne. Dies sei klassisch für eine dissoziative Bewegungsstörung. Diese zeichne sich dadurch aus, dass der Zugriff auf grundsätzlich vorhandene Fähigkeiten aufgrund innerer unbewusster Beweggründe nur situationsabhängig gelinge. Dem Unfallereignis vom 17. März 2011 komme hierfür nur eine sehr nachrangige Bedeutung zu. Die unfallbedingte MdE sei daher auf psychischem Fachgebiet mit unter 10 v. H. einzuschätzen.

Der Kläger beanstandet, dass der Sachverständige den Sachverhalt unzutreffend erfasst habe. Die Auffassung des Sachverständigen, dass seine Angst nur eine Appellativfunktion habe, sei medizinisch nicht zwingend, jedenfalls sei der Kläger auch psychisch erkrankt. Der Inhalt des zweieinhalbstündigen Gesprächs mit dem Kläger und seiner Mutter sei unzutreffend wiedergegeben.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 2. Februar 2023 führt U aus, dass er sich in seinem Gutachten sehr ausführlich mit der Diagnostik einer Angst- oder dissoziativen Störung auseinandergesetzt habe. Zu einer phobischen Angstsymptomatik gehöre definitionsgemäß immer eine vegetative Begleitsymptomatik, die beim Kläger nicht vorliege. Die Bewegungsstörung beim Kläger sei nicht auf das Gehen begrenzt, sondern beziehe sich in ähnlicher Weise auch auf andere vom Unfall nicht betroffene Extremitäten. Insoweit sei eine dissoziative Bewegungsstörung diagnostiziert worden. Mit den Berichten des S Klinikums vom 13. November 2011 habe er sich ausführlich auseinandergesetzt. Auch unter Würdigung dieser Berichte könne eine phobische Störung entsprechend den Diagnosekriterien nicht angenommen werden. Wenn der Kläger in der Lage sei, die genannten Fertigkeiten in bestimmten Situationen zu vollbringen, so besage dies, dass er grundsätzlich in der Lage sei, dies zu tun.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen U Unfallfolgen auf psychiatrischem/psychischem Fachgebiet nicht gegeben sind. Der Kläger hält die Beantwortung von Fragen bezüglich des Befundberichtes des S Klinikums vom 13. November 2016 durch den Sachverständigen U für erforderlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten dieses Verfahrens, der Verfahren S 10 U 1392/14, S 10 U 1229/12 und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg (§§ 143, 151 SGG). Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. In der Sache geht es dem Kläger um eine Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Nordhausen vom 5. September 2019 und eine Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 13. März 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2017 und eine Verurteilung der Beklagten zur Feststellung einer phobischen Angststörung als weitere Unfallfolge, sowie der Gewährung einer Verletztenrente.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung einer weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigung aufgrund des Ereignisses vom 17. März 2011 (dazu unter 1.) und auf Gewährung einer Verletztenrente nach § 56 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII - dazu unter 2.).

Neben einem Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente (§ 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII), den der Kläger statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgt (§ 54 Abs. 1, Abs. 4 SGG - dazu unter 2.), ist Streitgegenstand auch die Frage, ob der Kläger über die mit dem angefochtenen Bescheid vom 13. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2017 durch die Beklagte festgestellten Unfallfolgen hinaus, eine weitere Unfallfolge - eine phobische Störung - geltend machen kann (dazu unter 1.). Dem angefochtenen Bescheid lässt sich eine Regelung im Sinne des § 31 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) entnehmen, dass weitere und damit auch psychische Erkrankungen nicht Folge des Arbeitsunfalls sind. Solche negativen Feststellungen sind nach der Rechtsprechung zulässig (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 28. Juli 2016 – L 6 U 1013/15, nach Juris). Der Kläger hat auch nicht nur begrenzt auf die Gewährung einer Verletztenrente gegen den Bescheid vom 13. März 2017 Widerspruch und anschließend Klage erhoben. Sein Vorbringen war von Anfang an auch darauf gerichtet, weitere Unfallfolgen feststellen zu lassen. Dies ergibt sich aus seinen Ausführungen im Widerspruchs- und Klageverfahren. Insoweit ist es unerheblich, dass das Sozialgericht in seinem erstinstanzlichen Urteil darauf nicht ausdrücklich eingegangen ist.

1. Richtige Klageart für die Feststellung weiterer Unfallfolgen ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG und § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG.

In der Unfallversicherung gilt:

Die als Gesundheitserstschaden, d.h. als unmittelbar durch das Unfallereignis verursacht, geltend gemachte Gesundheitsstörung muss im Vollbeweis, d.h. mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Diese liegt vor, wenn kein vernünftiger die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifelt. Vermutungen, Annahmen, Hypothesen und sonstige Unterstellungen reichen daher ebenso wenig aus wie eine (möglicherweise hohe) Wahrscheinlichkeit. Hinreichende Wahrscheinlichkeit wird von der ständigen Rechtsprechung u.a. für die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden (haftungsbegründende Kausalität) sowie dem Gesundheitserstschaden und der Unfallfolge im Sinne eines länger andauernden Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) für ausreichend erachtet (vgl. BSG, Urteil vom 20. März 2007 - B 2 U 27/06 R, nach Juris). Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände diejenigen so stark überwiegen, die für den Ursachenzusammenhang sprechen, dass darauf eine richterliche Überzeugung gegründet werden kann (vgl. BSG, Urteile vom 31. Januar 2012 - B 2 U 2/11 R und 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R, nach Juris). Es gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung. Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheits(erst-)schaden bzw. dem Gesundheitserstschaden und der Unfallfolge voraus und in einem zweiten wertenden Schritt, dass das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch konkurrierende Ursachen, z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, solange die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war.

Ausgehend hiervon steht zur Überzeugung des Senats fest, dass über die durch Bescheid vom 13. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2017 festgestellten Unfallfolgen aus dem Ereignis vom 17. März 2011 hinaus keine weiteren Unfallfolgen, insbesondere auf psychiatrischem Fachgebiet, festzustellen sind. Die von dem Kläger als Unfallfolge geltend gemachte phobische Angststörung kann bereits deshalb nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückgeführt werden, weil ihr Vorliegen nicht vollbeweislich gesichert ist. Insoweit folgt der Senat den nachvollziehbaren und in sich schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen U in seinem Gutachten vom 4. Oktober 2022 und in der ergänzenden Stellungnahme vom 2. Februar 2023.  Das Unfallereignis am 17. März 2011 war zwar grundsätzlich geeignet, zu einem akuten Erschrecken und einer zeitlich eng umschriebenen Anpassungsstörung zu führen. Ihm fehlte jedoch die Eignung, eine spezifische Traumastörung oder andere psychosomatische Störungen hervorzurufen. Ein entsprechendes psychisches Erstschadensbild ist zu keinem Zeitpunkt festgestellt worden. Soweit den Verlaufsnotizen der Institutsambulanz des S Klinikums N2, insbesondere einem Eintrag vom 26. November 2014, entnommen werden kann, dass therapeutischerseits mögliche Ängste mit Einfluss auf die Bewegungsstörung in Erwägung gezogen wurden, geschah dies erst dreieinhalb Jahre nach dem Unfallereignis. Abgesehen von einem Hausarztbericht vom 11. Januar 2015 wird erst in einem Bericht des S Klinikums vom 13. November 2016 auf Nachfrage durch das Sozialgericht Nordhausen im Verfahren S 10 U 1392/14 von einer phobischen Angst vor weiteren Stürzen berichtet. Der Sachverständige U führt insoweit nachvollziehbar aus, dass nähere und konkretisierende Ausführungen zu Art und Ausprägung der benannten Ängste und insbesondere zu ihrem zeitlichen Verlauf fehlen. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 2. Februar 2023 legt U weiter dar, dass eine phobische Angstsymptomatik auch deshalb nicht zu diagnostizieren ist, weil die für ihr Vorliegen erforderliche vegetative Begleitsymptomatik beim Kläger nicht vorliegt. Weiterhin spricht gegen das Vorliegen einer phobischen Angststörung, dass sich nach den Feststellungen des Sachverständigen U unter Auswertung des Akteninhalts die Gehbehinderung nach dem Ereignis vom 17. März 2011 unter unfallchirurgischer und physiotherapeutischer Behandlung zunächst besserte und dann etwa Ende 2011/Anfang 2012 eine zunehmende Stagnation eintrat. Insoweit zieht U in seinem Gutachten daraus den Schluss, dass für diese festzustellende Verschlechterung der vorbestandenen Gehbehinderung vor allem emotionale Wirkfaktoren verantwortlich waren. Hierfür spricht auch insbesondere, dass nach seinen Feststellungen der Kläger in emotional stark besetzten Situationen, in denen die Gehfähigkeit sinnvoll oder notwendig ist, durchaus allein gehen kann. Insoweit ist nicht sein Gehvermögen als solches entfallen, sondern der Zugriff hierauf situativ eingeschränkt. Dies stellt das klassische Bild einer dissoziativen Bewegungsstörung (ICD-10 F. 44.4) dar. Diese ist definiert als abnorme, nicht willentlich ausgeführte Bewegungen oder Bewegungsstörungen, die mit einer bekannten neurologischen Ursache und der Neuroanatomie nicht vereinbar sind und keinen anatomischen Gegebenheiten folgen. Soweit der Kläger hiergegen vorbringt, dass die Feststellungen des S Klinikums im Befundbericht vom 13. November 2016 im Hinblick auf die phobische Angst vor weiteren Stürzen nicht hinreichend berücksichtigt wurden, ist dies unzutreffend. U hat sich in seinem Sachverständigengutachten und auch nochmals in der ergänzenden Stellungnahme damit hinreichend beschäftigt. U benennt  in seinem Gutachten  die emotionalen Aspekte hinsichtlich der Gehfähigkeit und arbeitet deren Auswirkungen heraus. Des Weiteren weist er auch darauf hin, dass das Phänomen sich nicht nur in Bezug auf das Gehen darstellt, sondern z. B. auch in Bezug auf Armbewegungen, wenn es nämlich zeitweise mit wechselnder Seitenlokalisation zu Einschränkungen der Fähigkeit kommt, den Arm zu heben. Auch hier verfügt der Kläger über die Möglichkeit, im Falle positiver Emotionen, z. B. bei Volksmusikauftritten, den Arm zu heben. Hieraus zieht U nachvollziehbar den Schluss, dass ein sogenanntes dissoziatives Phänomen vorliegt. Daher liegt beim Kläger eine dissoziative Bewegungsstörung von Beinen und Armen (ICD-10: F 44.4) und keine phobische Angststörung im Sinne einer spezifischen isolierten Phobie (ICD-10: F 40.2) vor.

Die vollbeweislich gesichert vorliegende dissoziative Bewegungsstörung von Beinen und Armen (ICD-10: F 44.4) kann nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis auch nicht im Sinne einer Verschlimmerung, zurückgeführt werden. Beim Kläger lag bereits zum Zeitpunkt des Unfallereignisses am 17. März 2011 das Bild einer komplexen psychischen, physischen und geistigen Störung nach frühkindlicher Hirnschädigung vor. Damit einher ging eine ausgeprägte Störung der Motorik und Koordination mit spastischer Tetraparese und Choreoathetose, d. h. einer dauerhaft erhöhten Muskelanspannung mit dadurch bedingten unwillkürlichen Bewegungen und Funktionseinschränkungen, auch das Stehen und Gehen betreffend. Bereits vor dem Unfallereignis vom 17. März 2011 waren in Folge dieser Erkrankung die Fähigkeiten zum Gehen für den Kläger deutlich eingeschränkt. Daher hat eine ausgeprägte Gehbehinderung bestanden, die zugleich Schwankungen unterlag.  Nach dem Unfallereignis trat auf unfallchirurgischem Fachgebiet eine versorgte Läsion des vorderen Kreuzbandes und des Innenmeniskus hinzu. Die Verschlechterung der Gehfähigkeit ab Ende 2011 bzw. Anfang 2012 wiederum ist nach den Ausführungen von U in seinem Gutachten vor dem Hintergrund der bereits vorbestandenen ausgeprägten Gehbehinderung im Rahmen der frühkindlichen Hirnschädigung und dem Vorliegen erheblicher emotionaler Aspekte insbesondere von Enttäuschungserfahrungen zu erklären. Dem Unfallereignis vom 17. März 2011 kommt dabei nach den Ausführungen von U keine wesentliche Bedeutung zu. Die dissoziative Bewegungsstörung von Beinen und Armen ist daher nicht auf das Unfallereignis, sondern auf die frühkindliche Hirnschädigung und weitere Enttäuschungserfahrungen zurückzuführen. Der Senat ist daher bereits nicht davon überzeugt, dass überhaupt ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der dissoziativen Störung besteht.

2. Zu Recht hat das Sozialgericht Nordhausen in seinem angefochtenen Urteil vom 5. September 2019 die Klage auch insoweit abgewiesen, als der Kläger die Gewährung einer Verletztenrente begehrt. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 13. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2017 ist auch insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht für den Zeitraum nach dem 8. April 2015 kein Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente zu, da die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit aus dem anerkannten Arbeitsunfall vom 17. März 2011 den rentenberechtigenden Grad von 20 v. H. ab diesem Zeitpunkt nicht mehr erreicht.

Nach § 56 Abs. 1 SGB VII haben Versicherte in Folge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus Anspruch auf Gewährung von Rente, wenn die Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 v. H. gemindert ist. Ein solcher Fall liegt hier über den 7. April 2015 hinaus nicht vor.

Die Bemessung des Grades der MdE ist eine Tatsachenfeststellung, die das Gericht nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Neben der Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ist dabei die Anwendung medizinischer sowie sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens erforderlich. Als Ergebnis dieser Wertung ergibt sich die Erkenntnis über den Umfang der dem Versicherten versperrten Arbeitsmöglichkeiten. Hierbei kommt es stets auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an (vgl. BSG, Urteil vom 2. Mai 2001 - B 2 U 24/00 R, zitiert nach Juris). Bei der Bewertung der MdE ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher maßgebend, sondern vielmehr der damit verbundene Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten (vgl. BSG, Urteile vom 20. Dezember 2016 - B 2 U 11/15 R und vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R, beide zitiert nach Juris). Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit des Verletzten auswirken, sind zwar nicht verbindlich, bilden aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind (vgl. BSG, Urteil vom 23. April 1987 - 2 RU 42/86, zitiert nach Juris). Darüber hinaus sind bei der Beurteilung der MdE auch die von der Rechtsprechung sowie von dem versicherungsrechtlichen und medizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze zu beachten, die zwar nicht im Einzelfall bindend sind, aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Beurteilung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis bilden (vgl. BSG, Urteil vom 20. Dezember 2016 - B 2 U 11/15 R, zitiert nach Juris).

Eine MdE auf psychisch/psychosomatischen Fachgebiet kann bereits deshalb nicht festgesetzt werden, weil auf diesem Fachgebiet keine Unfallfolgen festzustellen sind. Auf Seiten des unfallchirurgischen Fachgebietes bestehen als Unfallfolgen eine leichtgradige Restinstabilität und initialer Mehrverschleiß des linken Kniegelenks nach Verdrehungssturz und operativ erfolgreich versorgter Läsion des vorderen Kreuzbandes und des Innenmeniskus 2011. Die Funktionseinschränkung im linken Kniegelenk mit endgradiger Streckhemmung und leichtgradiger Instabilität mit Bezug auf das vordere Kreuzband erreichen nach den Ausführungen von M2 in seinem Gutachten vom 23. Januar 2018 kein rentenberechtigendes Ausmaß in Höhe von 20 v. H. In diesem Gutachten hat M2 eine diskrete Streckhemmung von 5 Grad am linken Kniegelenk diagnostiziert. M2 führt des Weiteren aus, dass die ohne Zweifel vorliegende ausgeprägte Beeinträchtigung des Gangbildes ansonsten nicht auf die diskrete Instabilität und Streckhemmung des linken Kniegelenks zurückgeführt werden kann. Insoweit dominiert die seit frühester Kindheit beim Kläger vorliegende spastische Tetraparese mit Beinbetonung. Zu beachten ist, dass für den Fall, dass Vorschaden und hinzutretende Gesundheitsstörung dasselbe Organ betreffen, was hier beim Kläger hinsichtlich des linken Kniegelenks grundsätzlich der Fall ist, nur der unfallbedingte Verschlimmerungsanteil zu entschädigen ist. Maßgeblich ist daher der im Einzelfall sachgerecht zu schätzende Funktionsverlust im Verhältnis zum Zustand vor dem Versicherungsfall. Insoweit ist im Einklang mit allen Sachverständigengutachten festzuhalten, dass die maßgebliche Grunderkrankung, nämlich die spastische Tetraparese mit Gangbehinderung und dissoziativer Bewegungsstörung, den weitaus größten Teil der Bewegungsstörung des Klägers ausmachen. Die hinzugetretenen Unfallfolgen am linken Kniegelenk können daher nicht mit einer MdE von 20 v. H. eingeschätzt werden. Soweit H in seinem Gutachten vom 26. Oktober 2015 für das Sozialgericht Nordhausen die MdE vom 8. April 2015 an auf Dauer mit 20 v. H. einschätzt, sind seine diesbezüglichen Ausführungen bereits deshalb nicht nachvollziehbar, weil er im Gutachten selbst ausführt, dass im linken Kniegelenk nur eine anteromediale Restinstabilität vorhanden sei. Er geht von einer Instabilität 2. Grades aus und führt selbst aus, dass die Naht des Außenmeniskus erfolgreich gewesen ist. Insoweit ist seine MdE-Einschätzung mit den Erfahrungswerten nicht in Einklang zu bringen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, Seite 650 ff.). H berücksichtigt nicht ausreichend, dass die ausgeprägte Beeinträchtigung des Gangbildes nicht auf die diskrete Instabilität und Streckhemmung des linken Kniegelenks zurückzuführen ist.

Der Beweisantrag, den Sachverständigen U zu laden zwecks Beantwortung der protokollierten Fragen, war abzulehnen. Nach ständiger Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte und des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BSG, Beschluss vom 11. Dezember 2019 – B 13 R 164/18 B –, Juris) hat der Verfahrensbeteiligte zwar grundsätzlich - zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs - ein Recht auf Befragung eines Sachverständigen, der ein (schriftliches) Gutachten erstattet hat (§§ 116 Satz 2, 118 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 397, 402, 411 Abs. 4 ZPO; § 62 SGG). Nach § 402 ZPO i.V.m. § 397 ZPO sind die Parteien berechtigt, dem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die sie zur Aufklärung der Sache für dienlich erachten. Sachdienlichkeit im Sinne von § 116 Satz 2 SGG ist zu bejahen, wenn sich die Fragen im Rahmen des Beweisthemas halten und nicht abwegig oder bereits eindeutig beantwortet sind (vgl. BSG, Beschluss vom 24. Juni 2020 – B 9 SB 79/19 B –, Juris). Einen solchen „sachdienlichen“ Klärungsbedarf, der über die erläuternde Wiederholung des Gutachtens und der dort bereits enthaltenen Gründe hinausgeht, hat der Kläger aber nicht dargelegt. Der Kläger möchte vom Sachverständigen Fragen bezüglich des Befundberichtes des S Klinikums vom 13. November 2016 beantwortet haben.  Aus den Ausführungen des Sachverständigen U auf Seite 44 und 45 seines Gutachtens ergibt sich die erforderliche Auseinandersetzung mit vorliegenden Befundberichten, welche eine Angststörung problematisieren. Bezüglich des Eintrags der Institutsambulanz vom 26. November 2014 führt U aus, dass die tatsächliche Entwicklung einer Anpassungsstörung nicht dargelegt wird. Hinsichtlich des Befundberichtes  des S Klinikums vom 13. November 2016  führt U auf Seite 45 seines Gutachtens ausdrücklich aus, dass nähere und konkretisierende Ausführungen zu Art und Ausprägung der Ängste, zum zeitlichen Beginn und Verlauf, sowie ein psychopathologischer Befund oder eine Verhaltensbeobachtung fehlen. Der Sachverständige hat damit eingehend begründet, warum er die in dem Befundbericht gestellte Diagnose für unzutreffend hält. Zu weiteren Ausführungen bestand nach der Beweisanordnung keine Veranlassung. Denn nach dieser war der Sachverständige nur gehalten festzustellen, unter welchen Gesundheitsstörungen auf seinem Fachgebiet der Kläger leidet und welche davon auf das Unfallereignis zurückzuführen sind. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 2. Februar 2023 hat der Sachverständige nochmals zusammenfassend dargelegt, warum auch in Würdigung dieser Berichte eine phobische Angststörung nicht angenommen werden kann. Der Kläger unterlässt es, anknüpfend an diese Ausführungen des Sachverständigen sachdienliche Fragen zu formulieren.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht vorliegen.

Rechtskraft
Aus
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