S 1 U 2127/18

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Nordhausen (FST)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1.
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 1 U 2127/18
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1) Ist nach Abwägung aller für den Sachverhalt bekannt gewordenen Kriterien davon auszugehen, dass allein die versicherte Tätigkeit als Anknüpfungspunkt für das Unfallgeschehen in Betracht kommt, reicht dies auch bei unklarer Sturzursache für den Kausalzusammenhang aus. In Betracht kommt dabei insbesondere die nachweislich örtliche und zeitliche Nähe zur Ausübung der versicherten Tätigkeit (hier: Kontrollgang einer Kindergartenerzieherin zum Ende des Arbeitstages).

 

2) Es sind insbesondere dann keine konkreten, für den Unfall im engeren Sinn verantwortlichen, Ursachen festzustellen, wenn außer dem kausalen Anknüpfungspunkt der versicherten Tätigkeit keine anderen Tatsachen festgestellt wurden, die als Konkurrenzursachen wirksam geworden sein könnten. Einer besonderen Einschränkung unter Berücksichtigung des Schutzzwecks (wie etwa im Rahmen der Wegeunfallversicherung in Urteil des BSG vom 17. Dezember 2015 – B 2 U 8/14 R) bedarf es für die Beschäftigtenversicherung nicht.

  1. Der Bescheid der Beklagten vom 10. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2018 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass das Ereignis vom 6. April 2018 ein Arbeitsunfall gewesen ist mit der Folge einer Schädelverletzung
  2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung des Ereignisses vom 6. April 2018 als Arbeitsunfall.

Die 1960 geborene Klägerin war als Kindergärtnerin beschäftigt, als sie am 6. April 2018 gegen 16:10 Uhr in einem Gruppenraum ging. Um ca. 16:20 Uhr wurde sie von der Zeugin O am Boden liegend aufgefunden. Nach Eintreffen des Notarztes F erfolgte der Transport in das Klinikum E. Dem Bericht der Intensivstation, auf der sie bis zum 30. April 2018 behandelt wurde, sind u. a. multiple intrakranielle Blutungen sowie traumatische subarachnoidale Blutungen zu entnehmen. Letztendlich ergab sich eine Längsfraktur der linken Felsenbeinpyramide. Im Bericht ist eine ca. 5 minütige Bewusstlosigkeit erwähnt. Dem Bericht ist die Einschätzung zu entnehmen, dass in der MRT-Verlaufskontrolle eine Sinus- oder Hirnvenenthrombose als Ursache der Blutung ausgeschlossen werden könne.

Im ärztlichen Bericht des Notfallzentrums über die Erstaufnahme der Klägerin ist zu entnehmen, dass sie sich nicht an das Unfallereignis erinnern könne. Diagnostiziert werden hier eine offene Schädelbasisfraktur sowie multiple intracerebale Blutungen. Die behandelnde Klinik schätzte auf die Nachfrage der Beklagten im Mai 2018 ein, dass prinzipiell ein mechanisches Sturzereignis nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne. Es bestehe der dringende Verdacht auf Sturz aus innerer Ursache. Die Ursache des Sturzes könne nicht mehr geklärt werden. Die Hirnverletzungen selbst wären Folge einer mechanischen Einwirkung. Eine spontane intrakranielle Blutung sei höchst unwahrscheinlich. Eine spontane Bewusstlosigkeit als Ursache des Sturzes ist wieder beweisbar noch auszuschließen.

Mit Bescheid vom 10. Juli 2018 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Geschehens vom 6. April 2018 als Arbeitsunfall ab, weil es an einem Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der unfallbringenden Einwirkung fehle. Es würden keine Tatsachen vorliegen, die den Sturz als Realisierung einer Gefahr aus der Beschäftigung qualifizieren würden. Zwar bestehe kein Zweifel daran, dass die Verrichtung zum Unfallzeitpunkt der Tätigkeit im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses zuzurechnen sei. Es fehle jedoch am Nachweis der betrieblichen Verrichtung. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 20. November 2018).

Hiergegen richtet sich die im Dezember 2018 erhobene Klage. Die Klägerin hat keine Erinnerungen an das Unfallgeschehen. Sie hat die Auffassung vertreten, dass die bisherigen Ermittlungen nicht ausreichend wären. Sie hat behauptet, dass dem Notarzt gegenüber Äußerungen erfolgt wären. Es sei davon auszugehen, dass sie zuletzt versicherte Tätigkeiten ausgeführt hat.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 10. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2018 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 6. April 2018 ein Arbeitsunfall gewesen ist mit der Folge einer Schädelverletzung.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Unter Hinweis auf die Gründe des Widerspruchsbescheids hat sie an ihrer Auffassung festgehalten. Es könne letztlich nicht geklärt werden, was die Klägerin als letztes getan hat und insbesondere, ob es sich um eine versicherte Tätigkeit gehandelt hat.

Das Gericht hat zunächst im schriftlichen Verfahren sowohl die Mitarbeiter des Kindergartens als auch die am Noteinsatz beteiligten Personen befragt. Die Zeugin O als Kollegin der Klägerin hat angegeben, die Klägerin am Boden liegend aufgefunden zu haben. Auf die Ansprache habe sie nicht reagiert und habe orientierungslos erschienen. Äußerliche Wunden wären nicht erkennbar gewesen. Die Zeugin W als weitere Kollegin gab an, von der Zeugin O zu Hilfe gerufen worden zu sein. Die Klägerin habe keine äußeren Verletzungszeichen aufgewiesen, schien jedoch orientierungslos zu sein und habe nicht geantwortet. Die Rettungssanitäter H und B gaben schriftlich an, keine Erinnerungen mehr an das Geschehen zu haben.

Der eingesetzte Notarzt F gab anlässlich einer telefonischen Nachfrage an, dass er sich einen Einsatz erinnern könne. Die Klägerin sei verwirrt gewesen und habe in einem Nebenraum auf einem Stühlchen gesessen. Sie sei ansprechbar, aber eingeschränkt gewesen. Verwertbare Äußerungen hätte sie nicht getätigt.

Die Klägerin hat eine neuropsychologische Begutachtung durch F1 von Februar 2020 vorgelegt. Auch hier gab die Klägerin an, keine Erinnerung mehr an das Sturzgeschehen zu haben. Der Sachverständige schätzte ein, dass Folge des Sturzgeschehens eine schwere Hirnleistungsminderung sei.

In der mündlichen Verhandlung sind die Zeugin O, W und F angehört worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten sowie die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist in der Form der Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig. Die Klägerin ist insbesondere befugt, die Feststellung eines Arbeitsunfalls sowie der Unfallfolgen gerichtlich geltend zu machen. Die Klage ist im Ergebnis auch begründet. Die Ablehnung der Anerkennung des Arbeitsunfalls durch die Beklagte ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Nach § 8 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Für einen Arbeitsunfall eines Versicherten ist danach im Regelfall erforderlich, dass seine Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Bedingung für die Feststellung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) vgl. etwa Urteil vom 17. Februar 2009, Az: B 2 U 18/07 R, recherchiert bei Juris).

Die Klägerin war zum Unfallzeitpunkt als Beschäftigte nach 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versichert. Es kam auch am 6. April 2018 zu einem Unfallereignis. Es liegen sowohl ein Unfallereignis im engeren Sinne als auch ein Schaden vor, der durch die versicherte Tätigkeit hervorgerufen wurde. Zunächst steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin während Ausübung der Versichertentätigkeit stürzte und sich dabei die Schädelverletzung zugezogen hat.

Dabei kann das Gericht zunächst nicht auf die eigenen Angaben der Klägerin zurückgreifen, da ihr die Erinnerung an das Geschehen fehlt. Davon ist das Gericht aufgrund der übereinstimmenden Aktenlage sowie der wiederholten Bekundungen der Prozessbevollmächtigten sowie des Ehemanns der Klägerin überzeugt. Auch die Vernehmung O, W und F ergab insoweit keine weiteren Erkenntnisse. Alle Zeugen haben übereinstimmend auch in der persönlichen Anhörung erklärt, dass die Klägerin nach dem Auffinden im Gruppenraum keine verwertbaren Angaben zum Hergang gemacht hat. Auch aus dem von der Klägerseite vorgelegten Gutachten geht zweifelsfrei hervor, dass im Hinblick auf das Geschehen vom 6. April 2018 keine Erinnerung mehr besteht.

Im Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass die Klägerin zuletzt die versicherte Tätigkeit ausgeführt hat. Das Gericht folgt dabei zunächst den Angaben der Zeugin Wagner. Diese hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass sie am Unfalltag gemeinsam mit der Klägerin den Spätdienst ausgeübt hat und ab etwa 16:00 Uhr allein mit ihr im Dienst war. Während die Zeugin mit den wenigen verbliebenen Kindern nach draußen vor das Gebäude ging, war die Klägerin beauftragt, einen Gang durch sämtliche Zimmer durchzuführen. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass immer eine Mitarbeiterin zum Ende der Schicht verpflichtet ist, alle Zimmer zu kontrollieren. Die Zeugin hat insoweit nachvollziehbar dargelegt, dass in dem relativ großen Haus über drei Etagen Räume genutzt werden und jedes Zimmer kurz zu kontrollieren ist. Auch die Zeugin O hat als weitere Mitarbeiterin bestätigt, dass immer ein Mitarbeiter zum Ende der Schicht eine „Runde“ durch alle Zimmer macht. Der nachvollziehbare Hintergrund dieser Handlung ist, dass geprüft werden muss, ob alle Fenster geschlossen sind und beispielsweise auch das Licht gelöscht ist.

Die Klägerin befand sich auf eben diesen Weg, als sie in ihrem Gruppenraum stürzte. Zur Überzeugung des Gerichts steht auch fest, dass der Unfall der Klägerin auch infolge der versicherten Tätigkeit eingetreten ist. Das Tatbestandsmerkmal „infolge“ in § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII setzt dabei voraus, dass die sogenannte Unfallkausalität vorliegt, also zwischen der Verrichtung der versicherten Tätigkeit und dem Unfall ein kausaler Zusammenhang besteht. Der ursächliche Zusammenhang ist im Unfallversicherungsrecht stets zweistufig zu prüfen. Ausgangspunkt ist die Ursachenermittlung nach der Bedingungs- oder Äquivalenztheorie. Nach dieser naturwissenschaftlich-philosophischen Betrachtungsweise ist ursächlich jede Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfällt (conditio sine qua non). Im Hinblick auf die theoretische Unbegrenztheit der sich danach ergebenden Ursachen ist das so gefundene Ergebnis auf einer zweiten Stufe zu korrigieren. Ursächlich im Rechtssinne sind nur diejenigen Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophi-schen Sinne, die unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes wegen ihrer besonderen Beziehung zu dem Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich (nach der Theorie der wesentlichen Ursache) mitgewirkt haben (stRspr: vgl. nur BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05, juris).

Zwar ist der Beklagten darin zuzustimmen, dass eine konkrete Ursache im engeren Sinn für das Sturzgeschehen positiv nicht festgestellt werden konnte. Zeugen des Sturzgeschehens sind nicht vorhanden. Insbesondere die Zeuginnen O und W hatten den Sturz als solches nicht beobachtet. Die Auffindesituation im Gruppenraum ergab auch keine Anhaltspunkte für eine Ursache des Sturzes. Weder sind Hindernisse im Weg festgestellt worden, noch wiesen Spuren am Boden daraufhin, dass eine besondere Glätte herrschte. Dies folgt für das Gericht aus dem Aktenvermerk zum Besuch des Kindergartens am 9. Mai 2018 in den Unterlagen der Beklagten.

Allein diese Unaufklärbarkeit reicht für das Gericht jedoch nicht aus, um den Anspruch der Klägerin abzulehnen. Vielmehr ist das Gericht davon überzeugt, dass die zeitliche Nähe zur Ausübung der versicherten Tätigkeit in Form des Kontrollgangs zum Sturzgeschehen ausreichend ist, um vom versicherungsrechtlichen Bezug auszugehen. Das Gericht stützt sich hierbei auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in früheren Entscheidungen, in denen der Versicherungsschutz immer dann bejaht wurde, wenn außer dem kausalen Anknüpfungspunkt der versicherten Tätigkeit keine anderen Tatsachen festgestellt wurden, die als Konkurrenzursachen wirksam geworden sein könnten. So ist beispielsweise entschieden worden, dass bei einem Unfall aus ungeklärten Umständen am Arbeitsplatz und der zuletzt verrichteten betrieblichen Arbeit der innere Zusammenhang zwischen der Verrichtung und der versicherten Tätigkeit nur dann entfällt, wenn bewiesen wird, dass die versicherte Tätigkeit im Unfallzeitpunkt für eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit unterbrochen wurde (vgl. BSG Urteil vom 4. September 2007 – B 2 U 28/06 R, recherchiert bei Juris). In diesem Sinn ist aktuell auch der seitliche Sturz während einer Betriebsfahrt mit einem Gabelstapler im Lager des Arbeitgebers als wesentliche Mitursache für die durch den Sturz erlittenen Verletzungen angesehen worden, weil Alternativursachen nicht festgestellt werden konnten (vgl. LSG Baden-Württemberg Urt. v. 22.7.2019 – L 1 U 4094/17, beck-online).

Soweit unter Berufung auf eine Entscheidung des BSG im Zusammenhang mit einem Wegeunfall verschiedentlich die Auffassung vertreten wird, dass nunmehr explizit geklärt werden müsse, ob sich durch das versicherte Handeln konkret ein Risiko verwirklicht hat, gegen das der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand gerade Schutz gewähren soll, führt dies vorliegend nicht zu einer anderen Auffassung des Gerichts. Es wird insoweit darauf abgestellt, dass die Wesentlichkeit der Wirkursache zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung zu beurteilen ist (vgl. LSG Schleswig-Holstein Urt. v. 5.3.2017 – L 8 U 53/13, beck-online unter Verweis auf das Urteil des BSG vom 17. Dezember 2015 - B 2 U 8/14 R).

Es heißt in dieser Entscheidung, dass die Frage, ob eine Ursache rechtlich wesentlich ist, auch dann zu prüfen ist, wenn sie als alleinige Ursache festgestellt ist, weil andere (Mit-)Ursachen nicht erwiesen oder nicht in Betracht zu ziehen sind. Denn auch in diesem Fall wird die Einstandspflicht des Unfallversicherungsträgers nur begründet, wenn sich durch den Unfall, der durch die versicherte Verrichtung objektiv verursacht wurde, eine Gefahr verwirklicht hat, gegen die die Versicherung schützen soll. Diese Voraussetzung wird zumeist erfüllt sein, bedarf aber stets der Entscheidung (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2015 ebenda).

Nach der Einschätzung des Gerichts fußt die (scheinbare) Verschärfung des Prüfungsmaßstabes in der zitierten Entscheidung vorrangig auf der Besonderheit des erweiterten Versicherungsschutzes für die Wegeunfallversicherung. Sie schützt danach vor Gefahren für Gesundheit und Leben, die aus der Teilnahme am öffentlichen Verkehr als Fußgänger oder Benutzer eines Verkehrsmittels, also aus eigenem oder fremdem Verkehrsverhalten oder äußeren Einflüssen während der Zurücklegung des Weges hervorgehen. Zwar könnte das Risiko, beim Gehen durch Stolpern oder Ausrutschen, durch einen Zusammenstoß mit einer Vitrine oder durch den Anstoß anderer Personen zu stürzen, jeweils von dem Schutzzweck der Wegeunfallversicherung umfasst sein. Solche äußeren Einwirkungen auf den Körper des Klägers müssten als solche aber zunächst konkret festgestellt sein (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2015 – B 2 U 8/14 R –, recherchiert bei Juris).

Im vorliegenden Fall ist jedoch kein außerhalb der Betriebsstätte liegender Betriebsweg dem Sturzgeschehen vorangegangen. Vielmehr ist nach Abwägung aller bekannten Kriterien davon auszugehen, dass allein die versicherte Tätigkeit als Anknüpfungspunkt für das Unfallgeschehen in Betracht kommt. Eine besondere Einschränkung unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Beschäftigtenversicherung sieht das Gericht vorliegend nicht, auch wenn es sich nicht um eine potenziell so gefährdende Tätigkeit handelt, wie sie den früheren Entscheidungen zugrunde lagen (vorwiegend Stürze aus großer Höhe).

Es ist für das Gericht zudem kein ausreichender Anhaltspunkt ersichtlich, wonach die Klägerin zu diesem Zeitpunkt eigenwirtschaftliche Tätigkeiten verrichtet hat. Allein die Tatsache, dass sich in dem Gruppenraum möglicherweise auch persönliche Gegenstände der Klägerin befanden, führt nicht zum Ausschluss des Versicherungsschutzes. Die Auffindesituation, wie sie von beiden Zeuginnen und im Ergebnis auch dem Notarzt beschrieben wurde, lässt keinen Bezug zu eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten zu. Die Klägerin lag außerhalb des Waschraums, wie insbesondere der Aussage der Zeugin O zu entnehmen war. Die Klägerin befand sich auch nicht in der Nähe eines Schrankes, in dem persönliche Gegenstände aufbewahrt wurden.

Soweit der Zeuge F in seiner Vernehmung noch Anhaltspunkte dafür geliefert hat, dass die Klägerin aus einem Nachbarraum in dem Gruppenraum verbracht worden wäre oder Blut am Waschbecken aufgefunden worden sein soll, konnte sich das Gericht hiervon nicht überzeugen. Die Zeuginnen O und W haben entsprechende Behauptungen bestritten. Bereits in der schriftlichen Anhörung sowie auch in den ersten Ermittlungen nach dem Unfallgeschehen gab es keinerlei derartige Hinweise. Der Zeuge F hat zudem diese Erinnerungen lediglich der Auskunft einer anderen Person zugerechnet. Dies hätten lediglich die Zeuginnen sein können. Im Ergebnis blieb es dabei, dass allein die versicherte Tätigkeit als Anknüpfungstatsache für das Gericht feststand.

Damit war das Sturzgeschehen als versichertes Ereignis anzuerkennen. Der Sturz führte auch zu den gravierenden Kopfverletzungen. Dies folgt für das Gericht aus der Stellungnahme des behandelnden Krankenhauses. R hat eingeschätzt, dass die Schädelverletzungen Folge einer mechanischen Einwirkung sind. Damit sind sie unmittelbar kausal dem Sturzgeschehen zuzurechnen. Eine innere Ursache in Form einer spontanen intrakranielle Blutung hat er als höchst unwahrscheinlich eingeordnet. Eine weitergehende medizinische Aufklärung war in Anbetracht dieser deutlichen Stellungnahme nach Einschätzung des Gerichts nicht veranlasst.

Die Entscheidung der Beklagten war daher aufzuheben und die begehrte Feststellung zu treffen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Rechtskraft
Aus
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