Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Dezember 2020 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Kosten im Vorverfahren streitig.
Mit Bescheid vom 15. April 2019 gewährte die Beklagte dem 1957 geborenen Kläger auf seinen Antrag vom 12. Februar 2019 Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 1. Mai 2019 in Höhe von 1.752,18 € (brutto). Dem Bescheid waren die Anlagen „Berechnung der Rente“ und „Versicherungsverlauf“ beigefügt. Zudem enthielt er den Hinweis, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Auskunfts- und Beratungsstellen der Deutschen Rentenversicherung, der örtlichen Versicherungsämter und Gemeindeverwaltungen sowie die Versichertenberaterinnen und Versichertenberater für weitere Auskünfte oder Erläuterungen kostenlos zur Verfügung stünden. Anschriften und weitere Informationen fänden sich im Internet unter www.deutsche-rentenversicherung.de.
Vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten erhob der Kläger am 23. April 2019 Widerspruch und trug vor, aus dem Bescheid ergebe sich nicht, wie die persönlichen Entgeltpunkte von 51,8447 errechnet worden seien. Es sei beispielsweise nicht der jeweilige Durchschnittsverdienst erwähnt und auch nicht ersichtlich, wie die Entgeltpunkte für beitragsfreie Zeiten ermittelt worden seien. Insoweit sei der Bescheid nicht begründet und die Rentenhöhe rechnerisch nicht nachvollziehbar. Es werde gebeten, diese Begründung nachzuholen. Auf § 63 Abs. 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) weise er in diesem Zusammenhang ausdrücklich hin.
Mit Schreiben vom 30. April 2019 übersandte die Beklagte dem Klägerbevollmächtigten eine Zweitschrift des Bescheides vom 15. April 2019 mit den zusätzlichen Anlagen „Berechnung der persönlichen Entgeltpunkte“, „Rente und Hinzuverdienst“, „Entgeltpunkte für Beitragszeiten“, „Entgeltpunkte für ständige Arbeiten unter Tage“ und „Entgeltpunkte für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten“ und bat um Mitteilung, ob der Widerspruch weiterhin aufrecht erhalten werde und ggf. um entsprechende Begründung.
Hierauf teilte der Klägerbevollmächtigte mit, er sei nach der Zusendung der fehlenden Anlagen in der Lage gewesen, den Rentenzahlbetrag nachzurechnen. Der Bescheid vom 15. April 2019 sei zunächst zu unbestimmt gewesen. Dies löse eine Kostenerstattungspflicht aus. Sofern die Beklagte die diesbezüglichen Auslagen erstatte, werde er den Widerspruch nicht weiterverfolgen, ansonsten werde ein Widerspruchsbescheid innerhalb der gesetzlichen Fristen erwartet. Als Anlage beigefügt war die Kostenrechnung, mit der insgesamt 380,80 € geltend gemacht wurden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2019 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und lehnte die Erstattung der dem Kläger durch das Widerspruchsverfahren entstandenen Aufwendungen ab. Es sei schon fraglich, ob für die Erhebung des Widerspruchs überhaupt ein Rechtsschutzbedürfnis bestanden habe. Den Rentenberatern sei bekannt, dass sie die Anlagen zum Bescheid auf Wunsch bekämen. Die Rentenversicherung habe die Bescheide verständlicher und übersichtlicher gestaltet. Das neue Motto laute: „Erläutern statt berechnen." Wichtig für die Berechtigten sei in erster Linie, nachprüfen zu können, ob die individuellen Daten richtig im Versicherungskonto gespeichert seien. Diese Informationen seien im Versicherungsverlauf enthalten, der nach wie vor mit dem Rentenbescheid übersandt werde. Die daraus resultierenden Entgeltpunkte, die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte und die darauf basierende detaillierte Berechnung der Rente würden ebenfalls dargestellt. Der Bescheid sei damit ausreichend begründet.
Am 24. Juni 2019 erhob der Kläger hiergegen Klage beim Sozialgericht Heilbronn, die mit Beschluss vom 16. August 2019 an das für Angelegenheiten der Knappschaftsversicherung zuständige Sozialgericht Freiburg (SG) verwiesen wurde.
Zur Begründung der Klage trug der Kläger im Wesentlichen vor, er habe Anspruch auf Erstattung der Kosten des Vorverfahrens. Für den Betroffenen müsse ersichtlich sein, wie sich die Rentenhöhe zusammensetze, weshalb dem Rentenbescheid sämtliche Berechnungsgrundlagen, insbesondere die Summe der Entgeltpunkte und deren Ermittlung zu entnehmen sein müssten. Dies sei bei der ersten Übersendung des Bescheids ohne Anlagen nicht erkennbar gewesen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und führte aus, nach ihrer Auffassung sei der ursprünglich angefochtene Bescheid schon bei seinem Erlass mit der erforderlichen Begründung versehen gewesen.
Mit Urteil vom 18. Dezember 2020 verurteilte das SG die Beklagte unter Abänderung des Widerspruchsbescheids vom 13. Juni 2019, dem Kläger die Kosten des Widerspruchsverfahrens dem Grunde nach zu erstatten. Der Kläger habe einen Anspruch auf Erstattung der Kosten des erfolglosen Widerspruchsverfahrens gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X), denn der Widerspruch des Klägers gegen den Rentenbescheid vom 15. Februar 2019 habe nur deshalb keinen Erfolg gehabt, weil eine Verletzung einer Verfahrensvorschrift vorgelegen habe, die nach § 41 SGB X geheilt werden könne. Der Rentenbescheid vom 15. Februar 2019 sei in der dem Kläger ursprünglich übersandten Form nicht hinreichend begründet gewesen, da für den Kläger nicht nachvollziehbar gewesen sei, wie seine konkrete Rentenhöhe bestimmt werde. Insbesondere habe er die zugrundeliegenden Entgeltpunkte und deren Ermittlung nicht nachvollziehen können. Der ursprüngliche Begründungsmangel sei mit der Übersendung der fehlenden Anlagen geheilt worden, was dazu geführt habe, dass der Widerspruch des Klägers erfolglos geblieben sei. Ein Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen ergebe sich gerade für diese Fallkonstellation aus § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X. Dem stehe § 42 SGB X nicht entgegen. Grundsätzlich sei ein unter Missachtung wesentlicher Verfahrensvorschriften ergangener Verwaltungsakt rechtswidrig und unterliege auf Klage ungeachtet der materiellen Rechtslage schon deshalb der Aufhebung. Von dieser Rechtsfolge nehme § 42 SGB X solche Verfahrensfehler aus, die für das materiell-rechtliche Ergebnis bedeutungslos gewesen seien. Hintergrund sei der Grundsatz der Verfahrensökonomie und das Verbot unzulässiger Rechtsausübung. § 42 SGB X korrespondiere aber mit § 41 SGB X: sei danach ein Verfahrens- oder Formfehler nach § 41 SGB X geheilt worden, sei der Verwaltungsakt mangelfrei und könne nicht mehr an einem Fehler im Sinne von § 42 SGB X leiden. § 42 SGB X komme somit in Fällen wie diesen gar nicht zur Anwendung. Die Unbeachtlichkeit eines Verfahrensfehlers nach § 42 SGB X schließe deshalb die Kostenfolge des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht aus. Gründe für die Zulassung der Berufung bestünden nicht.
Am 12. Januar 2021 hat die Beklagte beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Nichtzulassungsbeschwerde (L 4 R 152/21 NZB) erhoben. Mit Beschluss vom 11. August 2021 hat der Senat die Berufung (L 4 R 2657/21) zugelassen und mit weiterem Beschluss vom 8. Oktober 2021 das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
Die Beklagte hat das Verfahren am 16. November 2022 wieder angerufen (nunmehriges Aktenzeichen: L 4 R 3208/22) und zur Berufungsbegründung vorgetragen, nach den zwischenzeitlich vorliegenden Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 6. Juli 2022 (B 5 R 21/21 R; B 5 R 22/21 R und B 5 R 39/21 R) habe der Kläger keinen Anspruch auf die Erstattung der Kosten des Vorverfahrens. Allein aus der Tatsache, dass der Kläger der Rechtsprechung des BSG nicht folgen könne, lasse sich kein Rechtsanspruch auf Erstattung der Kosten des Widerspruchsverfahrens ableiten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Dezember 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 6. Juli 2022 - B 5 R 21/21 R -) könne hinsichtlich der Verneinung einer Kostenerstattung nach § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht gefolgt werden. Das BSG habe die Vorschrift des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X falsch ausgelegt. § 42 Satz 1 SGB X sei entgegen der Auffassung des BSG auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht anwendbar. Die Vorschrift schließe den Anspruch auf Aufhebung eines Verwaltungsaktes aus, der unter bestimmten Form- und Verfahrensmängeln leide. Er habe im gesamten Verfahren nie die Aufhebung des Rentenausgangsbescheides vom 15. April 2019 beantragt, sondern nur die mangelnde Begründung des Bescheides gerügt, welche durch die nachträgliche Übersendung der Anlagen geheilt worden sei. Da die Aufhebung des Rentenbescheides nie Streitgegenstand gewesen sei, komme § 42 SGB X nicht zur Anwendung. § 42 SGB X betreffe allein den Aufhebungsanspruch. Aus der Regelung sei aber kein allgemeiner Rechtsgedanke zu entnehmen, wonach Verfahrensfehler den Verwaltungsakt dann nicht fehlerhaft machten, wenn ausgeschlossen werden könne, dass sie die Entscheidung der Behörde hätten beeinflussen können. Die erfolgte Heilung des Formfehlers schließe die Anwendung von § 42 SGB X aus. Grundsätzlich sei ein unter Missachtung wesentlicher Verfahrensvorschriften ergangener Verwaltungsakt rechtswidrig und unterliege auf Klage ungeachtet der materiellen Rechtslage schon deshalb der Aufhebung. Von dieser Rechtsfolge nehme § 42 SGB X solche Verfahrensfehler aus, die für das materiell rechtliche Ergebnis bedeutungslos gewesen seien. Hintergrund dieser Regelung sei dabei der Grundsatz der Verfahrensökonomie und das Verbot unzulässiger Rechtsausübung. § 42 SGB X und § 41 SGB X stünden dabei in einem Exklusivitätsverhältnis. Sei ein Verfahrensfehler nach § 41 SGB X geheilt worden, sei der Bescheid mangelfrei. Er könne nicht mehr an einem Fehler im Sinne des § 42 SGB X leiden, da der formelle Fehler bereits nach § 41 SGB X ex tunc geheilt worden, der Bescheid also von Beginn an rechtmäßig gewesen sei. Die Heilung des Verfahrensfehlers löse die Kostentragungspflicht nach § 63 Abs. 1 S. 2 SGB X aus. Im Rahmen des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X komme es alleine darauf an, dass ein Verfahrensfehler nach § 41 SGB X unbeachtlich geworden sei. Die Behörde solle Verfahrens- oder Formvorschriften bereits von vornherein beachten. Dies werde gegebenenfalls mit der Folge einer Kostenerstattungspflicht sanktioniert. Ob in der Sache selbst ein Erfolg möglich gewesen wäre, sei insofern unerheblich (Hinweis auf LSG Stuttgart, Urteil vom 16. Mai 2001 – L 5 KA 2481/00 –). Werde im Widerspruchsverfahren – wie vorliegend – allein die mangelnde Begründung gerügt, löse die Heilung dieses Verfahrensfehlers die Kostenfolge des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X aus. § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X ziele mit seiner „nur” Voraussetzung nicht auf § 42 Satz 1 SGB X, sondern schließe den Anspruch auf Kostenerstattung aus, wenn neben der Unbeachtlichkeit nach § 41 SGB X (auf die sich § 42 Satz 1 SGB X beziehe) auch andere Sachgründe dem Erfolg des Widerspruchs entgegenstünden. Das sei dann der Fall, wenn mit dem Widerspruch – über die Beanstandung eines Verfahrens- oder Formfehlers hinaus – auch eine (z.B. mit einem Leistungsbegehren verknüpfte) andere Sachentscheidung eingefordert werde, welche hier gerade nicht begehrt worden sei. In solchen Fällen richte sich die Erstattungsfähigkeit der Kosten nach dem Erfolg des Widerspruchs in der Sache selbst, d.h. sie sei ausgeschlossen, wenn der Widerspruch z.B. wegen eines nicht bestehenden Leistungsanspruchs erfolglos geblieben sei. Der Auffassung, allein schon § 42 SGB X stehe dem Anspruch aus § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X entgegen, liege offenbar die Vorstellung zugrunde, die Behörde könne zunächst nach § 41 SGB X nachbessern, um sich anschließend auf § 42 Satz 1 SGB X zu berufen. Bei einer derartigen Auslegung würde § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X jedoch weitestgehend leerlaufen. Die Regelung würde nur noch gelten, wenn es sich bei dem formellen Mangel um einen Anhörungsfehler handle. Hätte der Gesetzgeber aber dieses Ergebnis beabsichtigt, wäre zu erwarten gewesen, dass er in § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X auch ausdrücklich allein auf die Verletzung des Anhörungsrechts verwiesen hätte, statt vollumfänglich auf die Verfahrens- und Formvorschriften nach § 41 SGB X Bezug zu nehmen. Zuletzt hat der Klägerbevollmächtigte auf die Gesetzesbegründung verwiesen (Drucksache VI/1173, Seite 75), aus der sich ergebe, dass der Gesetzgeber offenbar auch bei geheilten Fehlern (§ 41 SGB X) einen Kostenerstattungsanspruch, hier nach § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X, unabhängig von Kausalitätsproblemen vorsehe. Im Übrigen habe der 9. Senat des BSG (Bezugnahme auf B 9 SB 4/19), ausgehend von einer formalen Betrachtungsweise, den Erfolg des Widerspruchs am tatsächlichen Ausgang des Widerspruchsverfahrens nach §§ 78, 85 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bemessen. Da hier dem Widerspruch durch Nachlieferung der Anlagen in vollem Umfang abgeholfen worden sei, sei der Widerspruch bereits erfolgreich im Sinne von § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X, so dass nach dieser Norm die Kostenerstattung zu erfolgen habe. In verfahrensrechtlicher Hinsicht weiche der 5. Senat des BSG also von der zitierten Rechtsprechung der genannten Senate ab. Diese Abweichung sei rechtserheblich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1. Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, ist zulässig. Sie ist aufgrund der Zulassung durch den Senat (§ 145 Abs. 5 SGG) insbesondere statthaft.
2. Gegenstand des Rechtsstreits ist das Begehren des Klägers, ihm unter Änderung der Kostengrundentscheidung im Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 13. Juni 2019 die Kosten des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 15. April 2019 zu erstatten. Streitbefangen ist damit allein der Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2019 hinsichtlich der Kostenentscheidung. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) unmittelbar gegen die Entscheidung im Widerspruchsbescheid über die Kosten des Widerspruchsverfahrens zulässig (vgl. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 95 Rn. 3). Eines gesonderten Vorverfahrens nach § 78 Abs. 1 SGG hinsichtlich der Kostengrundentscheidung bedurfte es nicht (BSG, Urteil vom 19. Juni 2012 – B 4 AS 142/11 R – juris, Rn. 10). Eine Entscheidung durch Verwaltungsakt darüber, ob im Widerspruchsverfahren die Zuziehung eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten notwendig war (§ 63 Abs. 3 Satz 2, Abs. 2 SGB X), hat der Kläger weder im Verwaltungs- noch im gerichtlichen Verfahren beantragt und die Beklagte auch nicht getroffen (zu den unterschiedlichen Verfügungssätzen im isolierten Vorverfahren vgl. etwa BSG, Urteil vom 20. November 2001 – B 1 KR 21/00 R – juris, Rn. 13). Ein solches Begehren ist damit nicht Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens.
3. Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht unter Abänderung des angefochtenen Widerspruchsbescheids verurteilt, dem Kläger die Kosten des Widerspruchsverfahrens dem Grunde nach zu erstatten. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten des Widerspruchsverfahrens nach § 63 SGB X.
Zwar genügte der Rentenbescheid vom 15. April 2019 unter Beachtung des Urteils des BSG vom 6. Juli 2022 (B 5 R 21/21 R), dem sich der Senat nach eigener Überprüfung uneingeschränkt anschließt, nicht den Begründungsanforderungen nach § 35 Abs. 1 SGB X. Dies führt jedoch entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten nicht zu einer Erstattungspflicht bezüglich der notwendigen Kosten des Widerspruchsverfahrens.
Rechtgrundlage für die Erstattung von Kosten im Widerspruchsverfahren ist § 63 SGB X. Die Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB X sind jedoch nicht erfüllt. Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, soweit der Widerspruch erfolgreich ist, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Dies gilt nach § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X auch, wenn der Widerspruch nur deshalb keinen Erfolg hat, weil die Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift nach § 41 SGB X unbeachtlich ist. Aufwendungen, die durch das Verschulden eines Erstattungsberechtigten entstanden sind, hat dieser selbst zu tragen; das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen.
a) Ein Anspruch auf Kostenerstattung ergibt sich zunächst nicht aus § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Nach der dafür maßgeblichen formalen Betrachtungsweise (vgl. BSG, Urteil vom 6. Juli 2022 – B 5 R 21/21 R – juris, Rn. 13 m.w.N., so auch die durch den Klägervertreter zuletzt zitierte Entscheidung BSG, Urteil vom 24. September 2020 – B 9 SB 4/19 R – juris, Rn. 15; vgl. auch Roos/Blüggel, in: Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 63 Rn. 21 m.w.N.) hatte der Widerspruch gegen den Bescheid vom 15. April 2019 keinen Erfolg, weil dieser auf den Widerspruch des Klägers hin weder zur Rentenart, zur Rentenhöhe, zum Rentenbeginn noch zur Rentendauer abgeändert wurde. Vielmehr wurde nach Übersendung der angeforderten weiteren Anlagen der Widerspruch durch den Kläger inhaltlich explizit nicht weiterverfolgt, sondern ausschließlich die Kostenerstattung für das Vorverfahren geltend gemacht (Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 5. Mai 2019).
b) Ein Anspruch auf Kostenerstattung ergibt sich auch nicht aus § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X. Es fehlt bereits die erforderliche Kausalität der Unbeachtlichkeit der Verletzung von Formvorschriften. Mit Übersendung der weiteren Anlagen „Berechnung der persönlichen Entgeltpunkte“, „Rente und Hinzuverdienst“, „Entgeltpunkte für Beitragszeiten“, „Entgeltpunkte für ständige Arbeiten unter Tage“ und „Entgeltpunkte für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten“ wurde der Formfehler (Begründungsmangel) nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X geheilt und ist damit - auch nach Ansicht des Klägerbevollmächtigten - unbeachtlich geworden. Der Widerspruch ist jedoch nicht „nur deshalb“ ohne Erfolg geblieben. Der Kläger hätte die Aufhebung des Verwaltungsakts auch aus einem anderen Grund nicht beanspruchen können, weil offensichtlich ist, dass der Begründungfehler die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat (§ 42 Satz 1 SGB X).
aa) Der Inhalt des Bescheids vom 15. April 2019 entsprach nicht in allen Punkten den erhöhten Anforderungen, die nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat auch insoweit anschließt, an die Begründung eines Rentenbescheids zu stellen sind (vgl. hierzu und zum Folgenden ausführlich BSG, Urteil vom 6. Juli 2022 – B 5 R 21/21 R – a.a.O., Rn. 15 ff., m.w.N.). Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein schriftlicher und elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen. Einer der in § 35 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 SGB X geregelten Ausnahmetatbestände ist nicht erfüllt. Deshalb waren gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X in der Begründung die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Behörde hat die Gründe ihrer Entscheidung in solcher Weise und in solchem Umfang dem Betroffenen bekannt zu geben, dass dieser seine Rechte sachgemäß wahrnehmen kann. An die Begründung eines Rentenbescheids sind dabei erhöhte Anforderungen zu stellen. Diesen Anforderungen entsprach der dem Kläger ursprünglich übersandte Rentenbescheid schon deshalb nicht, weil sich die Zusammensetzung und die im Einzelnen zugrundeliegende Bewertung der durch die Beklagte berücksichtigten rentenrechtlichen Zeiten allein anhand der dem Rentenbescheid ursprünglich beigefügten Anlagen „Versicherungsverlauf“ und „Berechnung der Rente“ nicht in allen Punkten ausreichend nachvollziehen und überprüfen lassen. Insbesondere ist die Ermittlung und Zusammensetzung der berücksichtigten 51,8447 persönlichen Entgeltpunkte ohne weitere Erläuterungen nicht nachvollziehbar. Erst den im Widerspruchsverfahren übersandten Anlagen lässt sich die Zusammensetzung der Entgeltpunkte mit Entgeltpunkten für Beitragszeiten, für beitragsfreie Zeiten und zusätzlichen Entgeltpunkten für beitragsgeminderte Zeiten im Einzelnen entnehmen und überprüfen. Um die genannten Defizite in der Begründung des Rentenbescheids des Klägers auszugleichen, genügte auch nicht der allgemeine Hinweis, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Auskunfts- und Beratungsstellen der Deutschen Rentenversicherung, der örtlichen Versicherungsämter und Gemeindeverwaltungen sowie die Versichertenberaterinnen und Versichertenberater stünden für weitere Auskünfte oder Erläuterungen kostenlos zur Verfügung. Auch der generelle Verweis auf „weitere Informationen" im Internet unter www.deutsche-rentenversicherung.de ist nicht geeignet, fehlende Begründungen im Rentenbescheid zu ersetzen. Die hinreichende Begründung des Rentenbescheids ist eine Pflicht des Versicherungsträgers; der Rentenberechtigte ist nicht gehalten, sich diese selbst zu erfragen (BSG, a.a.O., Rn. 28).
b) Mit Übersendung der weiteren Anlagen „Berechnung der persönlichen Entgeltpunkte“, „Rente und Hinzuverdienst“, „Entgeltpunkte für Beitragszeiten“, „Entgeltpunkte für ständige Arbeiten unter Tage“ und „Entgeltpunkte für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten“ wurde der Formfehler (Begründungsmangel) nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X geheilt und ist damit - auch nach Ansicht des Klägerbevollmächtigten - unbeachtlich geworden. Die erforderliche Begründung der Berechnungsgrundlagen wurde nachträglich gegeben. Diese Anlagen enthalten eine umfassende Berechnung der Entgeltpunkte für die unterschiedlichen rentenrechtlichen Zeiten. Sie sind anhand der Anlagen nachvollziehbar und überprüfbar.
c) Der Widerspruch ist im Sinne von § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X aber nicht „nur deshalb“ ohne Erfolg geblieben, weil der Fehler nach § 41 SGB X geheilt wurde. Der Kläger hätte die Aufhebung des Verwaltungsakts auch aus einem anderen Grund nicht beanspruchen können, weil offensichtlich ist, dass der Begründungsfehler die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Die Heilung des Verfahrensfehlers nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X war damit nicht der einzige Grund für die Erfolglosigkeit des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 15. April 2019. Der Widerspruch wäre auch unabhängig von der Nachholung der Begründung erfolglos gewesen. Insofern fehlt es an der von § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X geforderten Kausalität vgl. BSG, a.a.O., Rn. 32 f.).
Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten ist § 42 Satz 1 SGB X auf die vorliegende Fallkonstellation anwendbar. § 42 SGB X findet auch Berücksichtigung, wenn ein Begründungsfehler nach § 41 SGB X geheilt worden ist (BSG, a.a.O., Rn. 33 m.w.N. auch zur gegenteiligen Literaturansicht). Dafür spricht nicht zuletzt die in § 42 Satz 2 SGB X normierte Ausnahme, die nur den Anhörungsmangel von der Regelung des Satzes 1 ausnimmt.
Einen Anspruch auf eine höhere Rentennachzahlung hätte der Kläger aus dem Begründungsfehler nicht herleiten können. Nach § 42 Satz 1 SGB X kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Diese Bestimmung ist hier anwendbar, weil nach der Systematik des Gesetzes auch das Fehlen einer erforderlichen Begründung zu den Verfahrens- und Formfehlern i.S. des § 42 Satz 1 SGB X zählt (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 34 m.w.N.). Die Auffassung des Klägervertreters, wonach § 42 SGB X und § 41 SGB X in einem Exklusivitätsverhältnis stünden, trifft nicht zu.
Dass ein Begründungsmangel des Rentenbescheids vom 15. April 2019 die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat, ist offensichtlich. Bloße Begründungsmängel oder Begründungsfehler wirken sich bei gebundenen Verwaltungsakten auf die Rechtmäßigkeit der Regelung selbst nicht aus und rechtfertigen grundsätzlich nicht deren Aufhebung. So verhält es sich auch bei der gebundenen Entscheidung über eine Rentengewährung (BSG, a.a.O., Rn. 35).
Der Anwendungsbereich des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X wird auch nicht wegen § 42 Satz 2 SGB X nur auf die Heilung von Anhörungsfehlern begrenzt. Kostenerstattungsansprüche aus § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X können darüber hinaus noch in all denjenigen Fällen entstehen, in denen der Behörde ein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum zusteht. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 42 Satz 1 SGB X sind dann regelmäßig nicht erfüllt, weil sich zumeist nicht sicher ausschließen lässt, dass der formelle Fehler sich auf das Entscheidungsergebnis ausgewirkt hat (BSG, a.a.O., Rn. 36). Auch die vom Kläger in Bezug genommene Gesetzesbegründung (BT-Drucksache VI/1173, Seite 75 zu Absatz 1) führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Dort wird ausgeführt, es entspreche der Billigkeit, die Kosten auch dann der Behörde aufzuerlegen, wenn der Widerspruch nur deshalb keinen Erfolg hat, weil die Behörde eine unterlassene Verfahrenshandlung nach § 35 SGB X (entspricht § 41 SGB X in der am 1. Januar 1981 in Kraft getretenen Fassung des SGB X vom 18. August 1980) nachgeholt hat. Soweit der Klägerbevollmächtigte der Auffassung ist, hieraus ergebe sich, dass der Gesetzgeber offenbar auch bei geheilten Fehlern einen Kostenerstattungsanspruch unabhängig von Kausalitätsproblemen vorsehe, geht dies ins Leere. Die Formulierung „nur deshalb“, auf die sich das BSG (a.a.O., Rn. 32) zur Begründung des Kausalitätserfordernisses stützt, findet sich bereits in der zitierten Gesetzesbegründung. Das Kausalitätserfordernis ist außerdem mit dem durch den Gesetzgeber angesprochenen Argument der „Billigkeit“ vereinbar.
c) Der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch folgt schließlich auch nicht aus einer analogen Anwendung von § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X. Für eine Analogie besteht kein Raum, da schon keine planwidrige Regelungslücke vorliegt (BSG, a.a.O., Rn. 38).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4SGG.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür nicht vorliegen. Der Rechtssache ist insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG mehr beizumessen. Das BSG hat mit Urteilen vom 6. Juli 2022 (B 5 R 21/21 R, B 5 R 39/21 R und B 5 R 22/21 R) die hier streitgegenständliche Frage der Erstattung der Kosten für ein (isoliertes) Widerspruchsverfahren nach Heilung eines Begründungsmangels eines Rentenbescheids durch nachträgliche Übersendung der Berechnungsgrundlagen zur Ermittlung der Entgeltpunkte abschließend und grundsätzlich geklärt.