L 13 AL 2213/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 129/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 2213/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 9. Juni 2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für Aufwendungen im Zusammenhang mit einer Weiterbildungsmaßnahme bzw. vor Maßnahmebeginn.

Mit Bescheid vom 6. November 2020 bewilligte die Beklagte dem Kläger Lehrgangskosten einschließlich Kosten für die Eignungsfeststellung gemäß § 84 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) für eine Weiterbildung bei der A1 Tours GmbH zum Verkehrsflugzeugführer vom 2. November 2020 bis 29. April 2022. Am 9. November 2020 erkundigte sich der Kläger telefonisch nach den Weiterbildungskosten (Fahrtkosten im Oktober 2020 und Unterkunftskosten). Ferner übersandte er das Angebot der C1 GmbH vom 28. Oktober 2020 über die Ausstattung unter anderem mit einem iPad und iPhone sowie das Angebot der F1 Luftfahrt-Bedarf GmbH vom 19. Oktober 2020 für weitere Ausstattung und machte Angaben zu Prüfungsgebühren, Fahrt- und Übernachtungskosten. Mit E-Mail vom 17. November 2020 teilte die Beklagte dem Kläger mit, nach Rücksprache mit dem zuständigen Vermittler könnten die Kosten für die Anschaffung verschiedener Geräte nicht übernommen werden. Dies sei bereits telefonisch am 4. November 2020 mit dem Kläger besprochen worden. Die Fahrkosten, Kosten für Unterkunft und Verpflegung könnten auch erst ab Maßnahmebeginn übernommen werden. Die angefallenen Kosten ab 2. November 2020 seien erstattet worden. Hierzu erhalte der Kläger einen Bescheid per Post. Mit Änderungsbescheid vom 17. November 2020 übernahm die Beklagte Kosten für die Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme in der Zeit vom 2. November 2020 bis 29. April 2022 (Lehrgangskosten einschließlich Kosten der Eignungsfeststellung, Unterkunftskosten in Höhe von 240  € im November 2020, Fahrkosten in Höhe von 520 € im November 2020, Verpflegungskosten in Höhe von 168 € im November 2020). Mit E-Mail vom 18. November 2020 widersprach der Kläger der Ablehnung der Kostenübernahme. Dies betreffe die Fahrt- und Reisekosten im November, die Ablehnung der Kostenübernahme zum Infektionsschutz, der geforderten Lehrmittel und Ausrüstung. Mit Schreiben vom 20. November 2020 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass der per E-Mail übermittelte Widerspruch den notwendigen Formerfordernissen nicht genüge und bat den Kläger, den Widerspruch bis spätestens 18. Dezember 2020 in der erforderlichen Form nachzureichen oder bis dahin schriftlich seine Urheberschaft zu bestätigen. Mit E-Mail vom 24. November 2020 teilte der Kläger weitere Aufwendungen mit. Die Beklagte verwarf den Widerspruch gegen den Bescheid vom 17. November 2020 mit Widerspruchsbescheid vom 28. Dezember 2020 als unzulässig und entschied mit Änderungsbescheid vom selben Tag über den geänderten Leistungsanspruch für die Zeit vom 2. November 2020 bis 29. April 2022 (geänderte Lehrgangskosten ab 1. November 2020 [geänderter Anspruch auf Prüfungsstücke und Prüfungsgebühren], Unterkunftskosten 840 € [monatlich 420 € für November und Dezember 2020), Verpflegungskosten 336 € [monatlich 168 € für November und Dezember 2020], Fahrkosten 1.300 € [November 2020: 780 €, Dezember 2020: 520 €]).
Am 19. Januar 2021 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) gegen den Widerspruchsbescheid vom 28. Dezember 2020 erhoben. Er hat vorgetragen, die Kostenübernahme sei aufgrund der Corona-Auflagen unbedingt erforderlich. Eine Auflistung der bisherigen Fahrt-, Übernachtungskosten sowie Spesen und Equipementkosten liege der Beklagten vor. Er lege weiter Widerspruch gegen die Deckelung der Reisekosten, Km-Geld, Unterbringung, Spesensätze und Bemessungsgrundlage ein. Mit der Zusage der Ausbildung sei ihm zugesagt worden, dass diese erstattet würden.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat mitgeteilt, außer dem Bescheid vom 17. November 2020 sei kein weiterer Bescheid erteilt worden. Dieser Bescheid beinhalte konkludent auch die Ablehnung der von dem Kläger zusätzlich beantragten Leistungen (Kosten der Anschaffung verschiedener Apple-Produkte in Höhe von 4.826,79 €, Luftfahrtbedarf in Höhe von 4.490,13  € sowie höhere bzw. weitere Fahr-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten). Sämtliche Leistungen habe der Kläger vor Erteilung des Bescheides beantragt. Die Beklagte habe jedoch nur die Leistungen bewilligt, die förderungsfähig seien. Die Entscheidungsgründe seien dem Kläger ergänzend zum Bescheid vom 17. November 2020 in der E-Mail vom 17. November 2020 erläutert worden.
Das SG hat mit Beschluss vom 11. Februar 2021 einen Vergleich vorgeschlagen, nach dem die Beklagte gegenüber dem Kläger einen Bescheid über weitere Fahrtkosten, Kosten für Unterkunft und Verpflegung vor Maßnahmebeginn sowie über weitere Ausstattung erteilen sollte.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 22. Februar 2021 mitgeteilt, dass sie den Vergleichsvorschlag annehme. Sie habe nun den Ablehnungsbescheid vom 18. Februar 2021 erteilt. Mit Bescheid vom 18. Februar 2021 ist der Antrag des Klägers auf Übernahme der Kosten für die Anschaffung verschiedener Apple-Produkte in Höhe von 4.826,79 €, für die Anschaffung von Luftfahrtbedarf in Höhe von 4.490,13 € sowie höherer bzw. weiterer Fahr-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten (als die gesetzliche Pauschale/Höchstgrenze) abgelehnt worden. Es seien alle dem Kläger entstandenen und nach den gesetzlichen Regelungen zustehenden Kosten bewilligt und erstattet worden. Des Weiteren seien vom Maßnahmeträger Gerätschaften, Lernmittel sowie notwendiges Zubehör, um die Maßnahme erfolgreich durchzuführen und abzuschließen, zur Verfügung zu stellen. Der Bescheid enthält die Belehrung, dass dagegen der Widerspruch zulässig sei und innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids einzulegen sei.

Mit Änderungsbescheiden vom 4. Februar 2021 und 18. Februar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. März 2021 hat die Beklagte dem Kläger im Zusammenhang mit der Teilnahme an der beruflichen Weiterbildungsmaßnahme vom 2. November 2020 bis 29. April 2022 Unterkunftskosten in Höhe von 1.260 € (November 2020 bis Januar 2021), Verpflegungskosten in Höhe von 504 € (November 2020 bis Januar 2021) und Fahrkosten in Höhe von insgesamt 2.080  € bewilligt (November 2020: 780  €, Dezember 2020: 520 €, Januar 2021: 780 €).



Mit weiterem Änderungsbescheid vom 4. März 2021 hat die Beklagte Unterkunftskosten in Höhe von 1.680 € (monatlich 420 € für die Zeit von November 2020 bis Februar 2021), Verpflegungskosten in Höhe von 672 € (monatlich 168 € für die Zeit von November 2020 bis Februar 2021) und Fahrkosten in Höhe von 2.860 € (November 2020: 780 €, Dezember 2020: 520 €, Januar 2021: 780 €).

Mit Änderungsbescheid vom 21. April 2021 hat die Beklagte Unterkunftskosten in Höhe von 2.160  € (November 2020 bis März 2021 monatlich 420 €, April 60 €), Verpflegungskosten in Höhe von 864 € (November 2020 bis März 2021 monatlich 168 €, April 24 €) und Fahrkosten in Höhe von 3.900 € (November 2020: 780 €, Dezember 2020: 520  €, Januar und Februar 2021: 780 €, März 2021: 910 €, April 2021: 130 €) bewilligt.

Mit Änderungsbescheid vom 7. Mai 2021 wurden Unterkunftskosten in Höhe von 2.520 € (November 2020 bis April 2021 monatlich 420 €), Verpflegungskosten in Höhe von 1.008 € (November 2020 bis April 2021 monatlich 168 €) und Fahrkosten in Höhe von 4.940 € (April 2021 nunmehr 1.170 €) bewilligt.

Bereits mit E-Mail vom 12. März 2021 hat der Kläger eine Aufstellung weiterer Kosten, unter anderem Reise-/ Unterbringungskosten, Spesen und Kosten für weitere Ausstattung, vorgelegt.

Das SG hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Bescheid der Beklagten vom 18. Februar 2021 nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtstreits geworden sein dürfte und auf die Rechtsmittelbelehrung im Bescheid Bezug genommen sowie darauf hingewiesen, dass ein Widerspruch mittels einfacher E-Mail nicht zulässig sein dürfte.

Nach entsprechender Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 9. Juni 2021 abgewiesen.
Gemäß § 81 Abs. 1 SGB III könnten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn
1. die Weiterbildung notwendig sei, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern oder eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden,
2. die Agentur für Arbeit sie vor Beginn der Teilnahme beraten habe und
3. die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen seien.
Weiterbildungskosten seien gemäß § 83 Abs. 1 SGB III die durch die Weiterbildung unmittelbar entstehenden
1. Lehrgangskosten und Kosten für die Eignungsfeststellung,
2. Fahrkosten,
3. Kosten für auswärtige Unterbringung und Verpflegung,
4. Kosten für die Betreuung von Kindern.
Die Höhe der übernahmefähigen Weiterbildungskosten sei in §§ 84 ff. geregelt.
Die Klage sei form- und fristgerecht gegen den Bescheid vom 17. November 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Dezember 2021 erhoben worden. Mit Bescheid vom 17. November 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Dezember 2021 habe die Beklagte über die Bewilligung der Lehrgangskosten, Unterkunftskosten, Verpflegungskosten und Fahrtkosten entschieden. Dieser Bescheid sei bestandskräftig geworden, da ein formgerechter Widerspruch nicht eingelegt worden sei. Der Widerspruch mittels einfacher E-Mail sei nicht formgerecht im Sinne des § 84 SGG in Verbindung mit § 36a des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I). Dementsprechend habe die Beklagte den Widerspruch rechtmäßig mit Widerspruchsbescheid vom 28. Dezember 2020 als unzulässig verworfen. Die gegen den Widerspruchsbescheid vom 28. Dezember 2020 erhobene Klage sei bereits deshalb unbegründet, weil der Bescheid vom 17. November 2020 bestandskräftig geworden sei. Soweit der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit weitere Leistungen begehre, habe bei Klageerhebung noch kein Bescheid der Beklagten vorgelegen. Der Bescheid vom 17. November 2020 beinhalte keine Entscheidung über die Ablehnung weiterer hier geltend gemachter Kosten wie Kosten für Ausstattung. Bei der E-Mail vom 17. November 2020 handele es sich nicht um einen formgerechten Bescheid. Der Bescheid vom 18. Februar 2021 sei nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des vorliegenden Rechtstreits geworden, da er den Bescheid vom 17. November 2020 nicht abändere oder ersetze. Eine Änderung liege dann vor, wenn der Verwaltungsakt teilweise aufgehoben und durch eine Neuregelung ersetzt werde, eine Ersetzung, wenn der neue Verwaltungsakt ganz an die Stelle des alten trete (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Auflage 2020, §  96 Rn. 4). Der Bescheid vom 18. Februar 2021 ändere jedoch an der Beschwer durch den Bescheid vom 17. November 2020 nichts und sei damit nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden (vgl. hierzu auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt a.a.O. § 96 Rn. 4b).

Gegen den ihm am 11. Juni 2021 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 1. Juli 2021 Berufung beim SG eingelegt. Der Widerspruch sei nach Rücksprache mit Mitarbeitern der Beklagten (Ansprechpartner jedes Mal jemand anders) in schriftlicher Form per E-Mail akzeptiert worden und halte der gerichtlichen Prüfung stand. Die gesamte schriftliche Korrespondenz sei ausschließlich per E-Mail erfolgt. Er hat erneut/weitere Kosten im Zusammenhang mit dem bewilligten Lehrgang geltend gemacht (Apple iPad, Tastatur, Apple Pencil) und den Änderungsbescheid der Beklagten vom 7. Juni 2021 (Leistungen für die Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßnahme vom 2. November 2020 bis 29. April 2022, geänderte Unterkunfts-, Verpflegungs- und Fahrkosten ab Mai 2021 (Unterkunftskosten im Mai 2021: 420 €, Verpflegungskosten im Mai 2021: 168 €, Fahrkosten im Mai 2021: 1040 €) vorgelegt.




Der Kläger beantragt sinngemäß

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 9. Juni 2021 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 17. November 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Dezember 2020 und des Bescheides vom 18. Februar 2021 sowie der Bescheide vom 28. Dezember 2020, 4. Februar 2021 und 18. Februar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. März 2021 und der Bescheide vom 4. März 2021, 21. April 2021, 7. Juni 2021 und 8. Juli 2021 zu verurteilen, ihm weitere Fahrt-, Übernachtungskosten, Spesen und Kosten für Ausstattung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid und im erstinstanzlichen Gerichtsbescheid Bezug genommen. Der Kläger habe sich mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids bislang nicht auseinandergesetzt und das Rechtsmittel nicht schlüssig begründet.

Mit Änderungsbescheid vom 8. Juli 2021 hat die Beklagte für die Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme vom 2. November 2020 bis 29. April 2022 die Kosten ab Juni 2021 angepasst und Unterkunftskosten für Juni 2021 in Höhe von 420 €, Verpflegungskosten für Juni 2021 in Höhe von 168 € und Fahrkosten für Juni 2021 in Höhe von 1.277,60 € bewilligt.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.




Entscheidungsgründe

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Streitgegenständlich ist die vom Kläger begehrte Kostenübernahme für
Ausstattung im Zusammenhang mit einer Weiterbildung bei der A1 Tours GmbH vom 2. November 2020 bis 29. April 2022 sowie höherer Unterkunftskosten/Verpflegungskosten/Fahrtkosten bzw. Unterkunftskosten/Verpflegungskosten/Fahrtkosten für die Zeit vor dem 2. November 2020.

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 17. November 2020 in Abänderung des Bescheids vom 6. November 2020, mit dem erstmals dem Grunde nach die Übernahme der Lehrgangskosten (einschließlich Kosten der Eignungsfeststellung) für die Weiterbildungsmaßnahme in der Zeit vom 2. November 2020 bis 29. April 2022 geregelt wurde, im Zusammenhang mit der Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme vom 2. November 2020 bis 29. April 2022 zusätzlich die Übernahme von Unterkunftskosten, Verpflegungskosten und Fahrkosten geregelt.
Mit Bescheiden vom 28. Dezember 2020, 4. Februar 2021 und 18. Februar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. März 2021, 4. März 2021, 21. April 2021, 7. Mai 2021, 7. Juni 2021 und 8. Juli 2021 hat die Beklagte die Unterkunfts-, Verpflegungs-und Fahrkosten für die Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme vom 2. November 2020 bis 29. April 2022 angepasst.


Mit Bescheid vom 18. Februar 2021 hat die Beklagte über die vom Kläger zusätzlich beantragten Leistungen für Ausstattung bzw. vor dem 2. November 2020 entstandene Kosten sowie die Übernahme höherer bzw. weiterer Fahr-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten (als die gesetzliche Pauschale/ Höchstgrenze) entschieden.

Wie das SG richtig dargelegt hat, hat die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 28. Dezember 2020 zu Recht als unzulässig verworfen, weil der Bescheid vom 17. November 2020 bestandskräftig geworden ist.
Gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG ist der Widerspruch binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 36a Absatz 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat.

Gemäß § 36a Abs. 2 Satz 1 SGB I kann eine durch Rechtsvorschrift angeordnete Schriftform, soweit nicht durch Rechtsvorschrift etwas anderes bestimmt ist, durch die elektronische Form ersetzt werden. Der elektronischen Form genügt ein elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist (Satz 2). Die Signierung mit einem Pseudonym, das die Identifizierung der Person des Signaturschlüsselinhabers nicht unmittelbar durch die Behörde ermöglicht, ist nicht zulässig (Satz 3).
Die Schriftform kann auch ersetzt werden

1.

durch unmittelbare Abgabe der Erklärung in einem elektronischen Formular, das von der Behörde in einem Eingabegerät oder über öffentlich zugängliche Netze zur Verfügung gestellt wird;

2.

bei Anträgen und Anzeigen durch Versendung eines elektronischen Dokuments an die Behörde mit der Versandart nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes;

3.

bei elektronischen Verwaltungsakten oder sonstigen elektronischen Dokumenten der Behörden durch Versendung einer De-Mail-Nachricht nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes, bei der die Bestätigung des akkreditierten Diensteanbieters die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lässt;

4.

durch sonstige sichere Verfahren, die durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt werden, welche den Datenübermittler (Absender der Daten) authentifizieren und die Integrität des elektronisch übermittelten Datensatzes sowie die Barrierefreiheit gewährleisten; der IT-Planungsrat gibt Empfehlungen zu geeigneten Verfahren ab.

Gemäß § 36a Abs. 2 Satz 5 SGB I muss in den Fällen des Satzes 4 Nummer 1 bei einer Eingabe über öffentlich zugängliche Netze ein sicherer Identitätsnachweis nach § 18 des Personalausweisgesetzes oder nach § 78 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erfolgen; in der Kommunikation zwischen dem Versicherten und seiner Krankenkasse kann die Identität auch mit der elektronischen Gesundheitskarte nach § 291 Absatz 2a des Fünften Buches elektronisch nachgewiesen werden.
Im vorliegenden Fall hat der Kläger den Widerspruch nicht in einer gemäß § 36a Abs. 2 SGB I genannten zulässigen elektronischen Form, sondern durch einfache E-Mail und somit formunwirksam eingelegt. Trotz des unverzüglichen Hinweises der Beklagten mit Schreiben vom 20. November 2020 auf den unwirksamen Widerspruch durch einfache E-Mail und die noch bis 18. Dezember 2020 laufende Widerspruchsfrist hat der Kläger auch innerhalb der Widerspruchsfrist keinen formgerechten Widerspruch eingelegt. Demnach ist der Bescheid der Beklagten vom 17. November 2020 bestandskräftig und somit bindend geworden.

Das SG hat auch zutreffend dargelegt, dass – soweit der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit weitere Leistungen begehrt – bei Klageerhebung noch kein Bescheid der Beklagten vorgelegen hat, weshalb es insoweit schon an einer anfechtbaren Entscheidung der Beklagten und der Durchführung eines Vorverfahrens fehlt. Das SG hat in diesem Zusammenhang zutreffend die Auffassung vertreten, dass der Bescheid vom 17. November 2020 keine Entscheidung über die Ablehnung weiterer hier geltend gemachter Kosten, wie Kosten für Ausstattung enthält und die E-Mail vom 17. November 2020 keinen formgerechten Bescheid darstellt. Schließlich hat das SG auch zu Recht - jedenfalls im Hinblick auf die vom Kläger zusätzlich geltend gemachte Ausstattung und Kosten für die Zeit vor dem Beginn der Maßnahme am 2. November 2020 - darauf hingewiesen, dass der Bescheid vom 18. Februar 2021 nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des vorliegenden Rechtstreits geworden ist, da er den Bescheid vom 17. November 2020 insoweit nicht abändert oder ersetzt.
Gemäß § 96 Abs. 1 SGG wird nach Klageerhebung ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.
Geändert oder ersetzt wird ein Verwaltungsakt immer, wenn er denselben Streitgegenstand wie der Ursprungsverwaltungsakt betrifft, bzw. wenn in dessen Regelung eingegriffen und damit die Beschwer des Betroffenen vermehrt oder vermindert wird (vgl. BSG, Urteil vom 9. Dezember 2016 - B 8 SO 1/15 R - juris Rn. 12; Urteil vom 17. Dezember 2015 - B 8 SO 14/14 R - juris Rn. 11; Urteil vom 20. Juli 2005 - B 13 RJ 23/04 R - juris Rn. 14; Becker in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 96 Rn. 28; Schmidt, a.a.O. Rn. 4 ff.). Abändern oder Ersetzen setzt voraus, dass der Regelungsgegenstand des neu einzubeziehenden Verwaltungsaktes mit dem des früheren identisch ist. Ob dies der Fall ist, muss durch Vergleich der in beiden Verwaltungsakten getroffenen Verfügungssätze festgestellt werden. Der neue Verwaltungsakt muss zur Regelung desselben Rechtsverhältnisses ergangen sein, wobei es unschädlich ist, dass die Verwaltungsakte auf unterschiedliche Rechtsgrundlagen gestützt sind (vgl. BSG, Beschluss vom 28. Oktober 2009 - B 6 KA 56/08 B - juris Rn. 13). Keine Abänderung oder Ersetzung i.S. des § 96 SGG liegt deshalb bei einem anderem Streitgegenstand vor (BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 - B 4 AS 37/14 R - juris Rn. 13; Urteil vom 21. November 2002 - B 3 KR 13/02 R - BSGE 90, 143 - juris Rn. 13; Beschluss vom 18. August 1999 - B 4 RA 25/99 B - juris Rn. 11 f., 14; Urteil vom 20. März 1996 - 6 RKa 51/95 - BSGE 78, 98 - juris Rn. 19; Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 96 Rn. 11; Schmidt, a.a.O. Rn. 4).
Gemessen hieran hat der Bescheid vom 18. Februar 2021 den Bescheid vom 17. November 2020 im Hinblick auf die vom Kläger geltend gemachte zusätzliche Ausstattung und Kosten für die Zeit vor dem Beginn der Maßnahme am 2. November 2020 weder abgeändert noch ersetzt, sondern kann nur gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens werden, soweit darin auch die Gewährung von höheren/weiteren Fahr-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten (als die gesetzliche Pauschale/ Höchstgrenze) abgelehnt wird.
Denn der Bescheid vom 17. November 2020 ändert lediglich den Bescheid vom 6. November 2020, der über die Lehrgangskosten für die Zeit vom 2. November 2020 bis 28. April 2022 entschieden hat, insoweit ab, als nunmehr auch über die Unterkunftskosten, Verpflegungskosten und Fahrkosten im Zusammenhang mit der Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme in der genannten Zeit entschieden wird.
Der Bescheid geht jedoch nicht auf die vom Kläger zusätzlich beantragten Leistungen für Ausstattung bzw. vor dem 2. November 2020 entstandene Kosten ein. Die Höhe der gewährten Unterkunftskosten, Verpflegungskosten und Fahrkosten im Zusammenhang mit der Maßnahme vom 2. November 2020 bis 29. April 2022 wird mit den weiteren Änderungsbescheiden vom 28. Dezember 2020, 4. Februar 2021 und 18. Februar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. März 2021, 4. März 2021, 21. April 2021, 7. Mai 2021, 7 Juni 2021 und 8. Juli 2021 der Höhe nach angepasst unter Einbeziehung der konkret entstandenen Kosten, während bezüglich der Bewilligung der Unterkunftskosten, Verpflegungskosten und Fahrkosten dem Grunde nach bereits entschieden war.
Dagegen wird über die weiteren vom Kläger geltend gemachten Kosten für Ausstattung bzw. für die Zeit vor dem Beginn der Maßnahme am 2. November 2020 erstmalig mit Bescheid vom 18. Februar 2021 entschieden, so dass der Bescheid vom 17. November 2020 insoweit weder abgeändert noch ersetzt wird.

Soweit der Kläger für die Zeit vom 2. November 2020 bis 29. April 2022 die Gewährung höherer Unterkunfts- Verpflegungs- bzw. Fahrkosten als die gesetzliche Pauschale/Höchstgrenze geltend macht, haben der Bescheid vom 18. Februar 2021 bzw. die Bescheide vom 28. Dezember 2020, 4. Februar 2021 und 18. Februar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. März 2021, 4. März 2021, 21. April 2021, 7. Mai 2021, 7. Juni 2021 und 8. Juli 2021 den Bescheid vom 17. November 2020 abgeändert und sind gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden.

Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Übernahme höherer bzw. weiterer Unterkunfts-, Verpflegungs- oder Fahrkosten.
Gemäß § 86 SGB III können – wenn eine auswärtige Unterbringung erforderlich ist
für die Unterbringung je Tag ein Betrag in Höhe von 60 € gezahlt werden, je Kalendermonat jedoch höchstens 420 € und
Für die Verpflegung je Tag ein Betrag in Höhe von 24 €gezahlt werden, je Kalendermonat jedoch höchstens 168 €.
Gemäß § 85 SGB III gilt für die Übernahme und Höhe der Fahrtkosten § 63 Abs. 1 und 3 SGB III entsprechend.
Gemäß § 63 Abs. 1 SGB III werden als Bedarf für Fahrkosten folgende Kosten der oder des Auszubildenden zugrunde gelegt:
Kosten für Fahrten zwischen Unterkunft, Ausbildungsstätte und Berufsschule (Pendelfahrten
Bei einer erforderlichen auswärtigen Unterbringung Kosten für die An- und Abreise und für eine monatliche Familienheimfahrt oder anstelle der Familienheimfahrt für eine monatliche Fahrt einer oder eines Angehörigen zum Aufenthaltsort der oder des Auszubildenden.
Eine auswärtige Unterbringung ist erforderlich, wenn die Ausbildungsstätte vom Familienwohnort aus nicht in angemessener Zeit erreicht werden kann.

Gemäß § 63 Abs. 3 SGB III werden die Fahrkosten in Höhe des Betrags zugrunde gelegt, der bei Benutzung des zweckmäßigsten regelmäßig verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittels in der niedrigsten Klasse zu zahlen ist; bei Benutzung sonstiger Verkehrsmittel wird für Fahrkosten die Höhe der Wegstreckenentschädigung nach § 5 Absatz 1 des Bundesreisekostengesetzes (BRKG) zugrunde gelegt (Satz 1) Bei nicht geringfügigen Fahrpreiserhöhungen hat auf Antrag eine Anpassung zu erfolgen, wenn der Bewilligungszeitraum noch mindestens zwei weitere Monate andauert (Satz 2). Kosten für Pendelfahrten werden nur bis zur Höhe des Betrags zugrunde gelegt, der nach § 86 insgesamt erbracht werden kann (Satz 3).
Die Wegstreckenentschädigung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 BRKG beträgt bei Benutzung eines Kraftfahrzeuges oder eines anderen motorbetriebenen Fahrzeuges 20 Cent je Kilometer zurückgelegter Strecke, höchstens jedoch 130 Euro.

Gemessen hieran kann der Kläger keine höheren Unterkunfts-, Verpflegungs- und Fahrtkosten beanspruchen. Die Beklagte hat jeweils die angefallenen Kosten bis zu der gesetzlichen Höchstgrenze für die geltend gemachten Unterkunfts-, Verpflegungs- und Fahrkosten bewilligt. Ein darüber hinausgehender Anspruch besteht nach der eindeutigen Gesetzeslage nicht.


Soweit der Kläger die Ansprüche, über die erstmals mit Bescheid vom 18. Februar 2021 entschieden wurde, im Wege einer Klageänderung gemäß § 99 SGG verfolgt, ist diese unzulässig. Gemäß § 99 Abs. 1 SGG ist eine Änderung der Klage nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Die Einbeziehung von Ansprüchen, über die im hier angefochtenen Bescheid vom 17. November 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Dezember 2020 nicht entschieden wurde, ist nicht sachdienlich, zumal aufgrund der Bestandskraft des Bescheids vom 17. November 2020 keine inhaltliche Entscheidung getroffen werden kann.
Die Beklagte hat auch nicht in eine Klageänderung eingewilligt.

Da das SG somit zu Recht die Klage abgewiesen hat, weist der Senat die Berufung zurück.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass der Kläger mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke/Berchtold, a.a.O., § 193 Rdnr. 8; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 13. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.


 

Rechtskraft
Aus
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