L 10 U 2078/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 48/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 2078/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26.03.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.


Gründe

I.


Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zu Recht festgestellt hat, dass die mit Verwaltungsakt vom 09.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.11.2010 in der Fassung des Bescheides vom 09.02.2012 erfolgte Anerkennung einer somatoformen Störung und einer Anpassungsstörung als Unfallfolge rechtswidrig gewesen und daher ein rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt erlassen worden ist und die bisher gezahlte Versichertenrente eingefroren hat.

Der 1964 geborene Kläger ist - seinen eigenen Angaben nach (Bl. 16 Verwaltungsakte <VA>) gelernter Kfz-Mechaniker und war - jedenfalls bis zum Unfallzeitpunkt - als Kalanderführer (stv. Schichtmeister) bei der Firma I1 GmbH in B1 tätig. Am 23.05.2007 schnitt er - auf einem Podest stehend - Folie ein, die sich am Kalander 16 um das Untermesser gewickelt hatte. Als er um 10.15 Uhr von dem Podest herabsteigen wollte, stürzte er aus ca. einem Meter Höhe (s. Unfallanzeige Bl. 3 f. VA).

Der S1 diagnostizierte sodann eine Commotio cerebri, eine Halswirbelsäulen(HWS-)Distorsion und eine distale Radiusfraktur links Typ 23 B1 nach AO. Der linke Unterarm des Klägers wurde mit einem zirkulär gespaltenen Gips ruhigstellt. Aufgrund der Commotio cerebri erfolgte eine stationäre Monitorüberwachung bis zum 25.05.2007 im Universitätsklinikum F1 (U1, Bl. 18 f. VA). Am 29.05.2007 wurde der Kläger erneut im U1 aufgenommen und die distale Radiusfraktur mittels winkelstabiler LCP-Platte sowie freier Zugschraube (s. Bl. 30 VA) operativ versorgt. Er wurde am 31.05.2007 arbeitsunfähig in die ambulante Weiterbehandlung entlassen (Bl. 10 f. VA). Nach zunächst komplikationslosem Heilverlauf (s. u.a. Berichte der U1 vom 19.06.2007, Bl. 30 f. VA, vom 09.07.2007, Bl. 51 f. VA, vom 21.08.2007, Bl. 68 VA) begann der Kläger am 27.08.2007 eine Arbeits- und Belastungserprobung mit zunächst vier Stunden täglich (s. Bl. 61 und Bl. 80 f. VA). Die geplante Steigerung der täglichen Arbeitszeit auf sechs Stunden war aufgrund einer vom Kläger geklagten Schmerzzunahme (Bl. 72 und 88 f. VA) nicht möglich (Bl. 112 und 117 ff. VA).

Am 25. und 26.09.2007 stellte sich der Kläger bei dem H1 vor und berichtete dort über am 24.09.2007 im ganzen linken Arm aufgetretene Schmerzen und in der Nacht zum 25.09.2007 aufgetretene Kribbelparästhesien im linken Gesicht bis in den linken Thorax, den linken Arm und den linken Oberschenkel reichend. Paresen gab er nicht an.
 H1 erhob einen unauffälligen neurologischen Befund, diagnostizierte dennoch eine sensible Halbseitensymptomatik links sowie differentialdiagnostisch eine cerebrale Ischämie
(Bl.
60 f. SG-Akte). Die Beschwerden in der linken Gesichtshälfte klangen in der Folgezeit wieder ab und wurden vom Kläger erst wieder ab Oktober 2008 beklagt (Bl. 300 VA).

Im November 2007 erstellte der H2 im Auftrag der Beklagten ein Rentengutachten (Bl. 123 ff. VA, Untersuchungstag: 18.10.2007). H3 beschrieb folgende Unfallfolgen: Zustand nach (Z.n.) operativ versorgter distaler Radiusfraktur links mit knöcherner Konsolidierung und noch verbliebener geringfügiger Gelenkstufenbildung, deutliche Bewegungseinschränkung des linken Handgelenks und endgradige Bewegungseinschränkung bei Unterarmumwendbewegungen links, messbare Muskelverschmächtigung linker Oberarm und Unterarm, messbare Weichteilschwellung linkes Handgelenk, glaubhaft eintretende ziehende Schmerzen bei festem Zupacken, bei bestimmten Handstellungen, röntgenologisch sichtbare mäßige Kalksalzverminderung im Bereich des Handgelenkes und der Handwurzelknochen links. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger ab Anfang November wieder arbeitsfähig sein werde. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei vom Tag der Arbeitsfähigkeit bis Ende April 2008 mit 20 v.H. einzustufen. Danach sei mit einer weiteren Anpassung und Gewöhnung zu rechnen, so dass voraussichtlich ab 01.05.2008 die MdE (nur) noch 10 v.H. betragen werde.

Im Rahmen einer am 26.11.2007 stattgehabten neurologischen Untersuchung im Neurozentrum der U1 (Bl. 154 ff. VA) fanden sich keine Anzeichen für ein komplex-regionales Schmerzsyndrom. Vielmehr wurde der V.a. ein leichtes Karpaltunnelsyndrom links geäußert.

Am 09.01.2008 wurde beim Kläger in der U1 das einliegende Osteosynthesematerial entfernt (s. u.a. Bl. 178 f. und 187 VA), woraufhin sich sowohl die Handgelenksbeweglichkeit besserte (Extension/Flexion 55-0-60° und Supination/Pronation 85-0-60°) und sich auch die geklagten Kribbelparästhesien weitgehend zurückbildeten (Bl. 183 f. VA). Ab dem 18.02.2008 erfolgte eine erneute Arbeitserprobung (Bl. 173 VA), die jedoch wegen einer Augenoperation unterbrochen werden musste (Bl. 185 VA, s. auch Bl. 43 und Bl 82 SG-Akte). Am 31.03.2008 nahm er schließlich seine bisherige Tätigkeit vollschichtig wieder auf (s. Bl. 212 und 213 VA).

Am 26.05.2008 stellte sich der Kläger zu einer abschließenden klinischen und radiologischen Verlaufskontrolle in der U1 vor und berichtete über eine Belastungsschmerzsymptomatik, die nach einer achtstündigen Arbeitsbelastung auftrete (Bl. 229 f. VA). Die klinische Untersuchung ergab u.a. eine Handgelenksbeweglichkeit links bei Extension/Flexion von 60-0-50° (rechts 70-0-55°). Fingeropposition, Faustschluss und Schlüsselgriff waren regelrecht ausführbar und die Narbenverhältnisse reizlos. Es fand sich eine diffuse Druckempfindlichkeit im gesamten linken Handgelenk. Die gefertigte Röntgenaufnahme zeigte eine beginnende Handgelenksarthrose, auf die auch die bestehenden Beschwerden zurückgeführt wurden. Eine MdE im rentenrelevanten Bereich wurde verneint, jedoch eine solche bei Verschlimmerung der arthrotischen Veränderungen mit weiterführenden funktionellen Defiziten nicht ausgeschlossen.

Im Mai/Juni 2009 erstellte S1 im Auftrag der Beklagten ein Rentengutachten sowie eine ergänzende Stellungnahme (Bl. 261 ff. und 279 ff. VA, Untersuchungstag: 08.05.2009). Als Unfallfolgen diagnostizierte er eine geringe endgradige Bewegungseinschränkung der Palmarflexion des linken Handgelenkes, eine messbare Muskelminderung des linken Ober- und Unterarmes und radiologisch sichtbare Arthrosezeichen sowie eine geringe Gelenkstufenbildung. Unfallunabhängig diagnostizierte er ein chronisches Lendenwirbelsäulen(LWS)-Syndrom und eine intermittierend sensible Halbseitensymptomatik unklarer Ätiologie. Die MdE schätzte er vom 31.03.2008 bis 30.09.2008 auf 20 v.H. und ab dem 01.10.2008 dauerhaft auf 10 v.H. ein. Ab Sommer 2009 wurde der Kläger als Schichtführer eingesetzt und übte fortan keine schweren körperlichen Tätigkeiten mehr aus (Bl.
 297 VA).

Mit Bescheid vom 09.07.2009 (Bl. 282 ff. VA) bewilligte die Beklagte dem Kläger daraufhin wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls eine vom 31.03.2008 bis 30.09.2008 zeitlich begrenzte Rente nach einer MdE von 20 v.H. und erkannte als Folgen des Arbeitsunfalls am linken Arm einen knöchern fest ausgeheilten Speichenbruch, eine endgradige Bewegungseinschränkung im Handgelenk, eine Muskelminderung am Ober- und Unterarm sowie arthrotische Veränderungen im Handgelenk an und lehnte gleichzeitig die Anerkennung des chronischen LWS-Syndroms und der Halbseitensymptomatik als Unfallfolge ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch (Bl. 293 VA) begründete der Kläger mit (Dauer-)Schmerzen in der linken Gesichtshälfte, die auch in die Hand ausstrahlten, und dem Erfordernis der ständigen Schmerzmitteleinnahme (Bl. 298 f. VA). Diese Beschwerden seien auf die stattgehabte Schädelprellung zurückzuführen. Er legte einen Befundbericht der G1 von März 2009 vor (Bl. 300 VA), in dem diese über ein seit Oktober 2008 auftretendes geringes Kribbeln im linken Gesicht und der linken Körperhälfte, das seit Februar 2009 zugenommen habe, berichtete, eine intermittierende sensible Halbseitensymptomatik diagnostizierte und wegen der fluktuierenden Beschwerden (nunmehr) eine cerebrale Ischämie ausschloss. Gleichzeitig fand sie jedoch keine Hinweise auf eine Somatisierungsstörung, fand jedoch auch keine Erklärung für die intermittierend auftretenden Kribbelparästhesien. In einem weiteren Befundbericht von Februar 2010 diagnostizierte G1 einen benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel, V.a. Arzneimittelexanthem unter Lyrica und Kribbeldysästhesien im linken Gesicht (Bl. 306 VA).

Die Beklagte ließ den Kläger daraufhin durch den Ärztlichen Direktor des Neurozentrums des U1 W1 fachneurologisch begutachten (Bl. 324 ff. VA, Untersuchungstag: 06.07.2010). W1 diagnostizierte auf neurologischem Fachgebiet eine Commotio cerebri am 23.05.2007, ein vorübergehendes Karpaltunnelsyndrom links (klinische Restitution nach Entfernung der Metallplatte am 09.01.2008) und ätiologisch nicht zuzuordnende Dysästhesien und Hypalgesien des linken Gesichts, der linken Halshälfte, von Thorax und Rücken (Th1-Th4) und des gesamten linken Armes. Die MdE schätzte er auf seinem Fachgebiet auf 0 v.H.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.11.2010 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück (Bl. 342 f. VA). Hiergegen erhob der Kläger mit dem Begehren, die Halbseitensymptomatik links als Unfallfolge anzuerkennen, Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG, S 11 U 6326/10).

Vom 23.09.2010 bis 17.01.2011 befand sich der Kläger stationär in psychotherapeutischer Behandlung der Klinik für Psychiatrie und Psychosomatik des U1 (Bl. 497 ff. VA). Dort wurde eine unfallreaktive Somatisierungsstörung bei Zustand nach Arbeitsunfall im Mai 2007 mit rezidivierenden halbseitigen Gesichtsschmerzen links, die sich im Verlauf der unfallbedingten Schmerzen erstmals entwickelt hätten, diagnostiziert. In dem Entlassungsbericht wurde ausgeführt, dass davon auszugehen sei, dass der Arbeitsunfall der Anlass für die Entwicklung der anhaltenden Schmerzen im Gesicht gewesen sei. Zusätzlich bestehe eine schwere depressive Episode und eine Anpassungsstörung.

Außerdem erlitt der Kläger einen Abriss der rechten Bizepssehne, der am 28.02.2011 operativ versorgt wurde (s. Bl. 632 und 1099 VA, s. Bl. 44 SG-Akte). Im Frühjahr 2011 begab er sich in psychotherapeutische Behandlung (zunächst bei dem Z1 s. Bl. 521 VA, ab Oktober 2013 bei der K1 Bl. 623 ff., 915 f., 1041 f. VA, Bl. 1160 f. VA). Im September 2011 entwickelte er eine Unterschenkel-Thrombose, die mit Marcumar behandelt wurde (s. Bl. 406 und 461 VA).

Das SG holte schriftlich die sachverständige Zeugenauskunft der Klinik für Psychiatrie und Psychosomatik des U1 W2 ein (Bl. 19 ff. SG-Akte S 11 U 6326/10), der vom Vorliegen von Unfallfolgen auf seinem Fachgebiet ausging.

Am 22.12.2011 trat beim Kläger erneute Arbeitsunfähigkeit ein, woraufhin die Beklagte bis zum Ablauf der 78. Woche Verletztengeld zahlte (Bl. 560 f., 566 f. und 573 VA). Eine berufliche Tätigkeit nahm der Kläger seither nicht mehr auf.

Die Beklagte ließ den Kläger daraufhin (erneut) fachneurologisch und (auch) psychiatrisch durch den K2 begutachten (Bl. 395 ff. VA, Untersuchungstag: 08.12.2011). Laut der von K2 erhobenen Anamnese litt der Kläger erstmals Anfang 2010 unter psychischen Beeinträchtigungen und begab sich erstmals im Juni 2010 in entsprechende Behandlung in die Ambulanz der psychosomatischen Klinik der U1. Als Unfallfolgen diagnostizierte K2 eine somatoforme Schmerz- sowie Anpassungsstörung sowie ein (klinisch komplett rückgebildetes) leichtes Karpaltunnelsyndrom und schätzte die MdE auf seinem Fachgebiet auf 20 v.H.

Daraufhin änderte die Beklagte mit Bescheid vom 09.02.2012 (Bl. 443 ff. VA) den Bescheid vom 09.07.2009 u.a. dahingehend ab, dass sie dem Kläger für die Zeit vom 31.03.2008 bis 30.09.2008 eine Versichertenrente nach einer MdE von 30 v.H und ab dem 01.10.2008 bis auf Weiteres nach einer MdE von 20 v.H. gewährte (Verfügungssatz 1) sowie als weitere Unfallfolgen eine somatoforme Störung und eine Anpassungsstörung anerkannte (Verfügungssatz 2). Der Kläger zeigte sich jedoch (weiterhin) mit der Rentenhöhe nicht einverstanden und führte den bereits anhängigen Rechtsstreit fort (Bl. 68 f. SG-Akte S 11 U 6326/10).

Im November 2012 wurde beim Kläger erstmals ein Diabetes mellitus Typ II diagnostiziert (s. Bl. 532 f. und 577 VA). Im Dezember 2012 zog sich der Kläger eine Calcaneusfraktur (Tongue type) links zu (s. Bl. 577 und 607 f. VA).

Die Beklagte ließ den Kläger sodann wiederum durch K2 begutachten (Bl. 572 ff. VA, Untersuchungstag: 19.06.2013). K2 beschrieb als Unfallfolge eine leichtgradige depressive Symptomatik mit somatoformem Schmerzsyndrom. Aufgrund des Zeitfaktors (> 2 Jahre) sei die diagnostische Bezeichnung von „Anpassungsstörung“ in leichtgradige depressive Störung zu ändern. Die MdE schätzte er weiterhin auf 20 v.H.

Vom 30.07.2013 bis 28.10.2013 befand sich der Kläger erneut in stationärer psychotherapeutischer Behandlung in der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der U1 (Bl. 632 ff. VA, Diagnosen u.a.: unfallreaktive Somatisierungsstörung bei Z.n. Arbeitsunfall 5/2007 mit rezidivierenden, atypischen halbseitigen Gesichtsschmerzen links, rezidivierende depressive Störung - gegenwärtig schwere depressive Episode -, Panikstörung mit Agoraphobie).

Seit 06.02.2014 bezieht der Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung (s. Bl. 86 SG-Akte).

Das SG holte daraufhin in dem Verfahren S 11 U 6326/10 ein psychosomatisches Gutachten bei N1 ein (Bl. 84 ff. SG-Akte S 11 U 6326/10, Untersuchungstag: 25.09.2014). Der Sachverständige diagnostizierte einen chronifizierten Gesichtsschmerz vom Typ der somatoformen Schmerzstörung, eine depressive Störung mittelgradiger Ausprägung, eine Angststörung mit agoraphobischen und sozialen Ängsten und eine Zwangsstörung mit Zwangshandlungen. Diese Erkrankungen bestünden seit dem Unfall, jedoch sei lediglich die chronische Schmerzstörung durch das Unfallereignis ausgelöst worden, wobei ein Verursachungszusammenhang wie z.B. bei einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) nicht vorliege. Es handele sich um keinen einfachen Kausalzusammenhang, sondern um eine unfallreaktive Symptomentwicklung in einem hoch spezifischen Bedingungszusammenhang, bei dem das physikalische Unfallereignis, die psychosozialen Umstände und insbesondere die soziale Position des Klägers im Betrieb sowie die persönlichkeitsbedingten Vulnerabilitäten erst im Zusammenspiel krankheitsauslösend wirksam geworden seien. Die Krankheitsfolgen seien ohne die persönlichkeitsbedingten Kognitionen, Bewertungen und Verarbeitungen nicht denkbar. Die Schwere des Unfalls selbst sei nicht geeignet, diese Krankheitsfolgen zu verursachen. Für die psychogene Symptomauslösung in Form der somatoformen Schmerzstörung und die dadurch bedingten Anpassungsprobleme mit klinischer Relevanz (Anpassungsstörung) sei eine MdE von 20 v.H. begründet.

Mit Gerichtsbescheid vom 30.01.2015 wies das SG die Klage ab (Bl. 108 ff. SG-Akte S 11 U 6326/10). Die daraufhin beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhobene Berufung (L 8 U 1022/15) nahm der Kläger später zurück.

Vom 29.04.2015 bis 14.07.2015 befand sich der Kläger erneut in stationärer psychotherapeutischer Behandlung in der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der U1 (Bl. 835 ff. VA). Die im Rahmen dieses Aufenthalts gestellten Diagnosen entsprechen denjenigen, die bereits im Rahmen der stationären Behandlung von Juli bis Oktober 2013 gestellt worden waren.

Im April 2016 ließ die Beklagte den Kläger zur Nachprüfung der MdE erneut von S1 begutachten (Bl. 987 ff. VA, Untersuchungstag: 06.04.2016). S1 diagnostizierte als Unfallfolgen auf unfallchirurgischem Fachgebiet eine Radiokarpalarthrose bei konsolidierter distaler Radiusfraktur Typ 23 B2 nach AO links mit Z.n. Plattenosteosynthese und Z.n. Metallentfernung mit endgradig eingeschränkter Beweglichkeit insbesondere der Palmarflexion sowie eine Muskelminderung des linken Unterarms und schätzte die MdE auf seinem Fachgebiet weiterhin auf 10 v.H. ein.

Die Beklagte holte ein weiteres Gutachten auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet bei D1 (Bl. 1090 ff. VA) und ein testpsychologisches Zusatzgutachten S2 ein (Bl. 1012 ff. VA).. S2 fand in einem Beschwerdevalidierungsverfahren (Test of Memory Malingering - TOMM - von Tombaugh) deutliche Hinweise auf mangelnde Leistungsbereitschaft und ging von Aggravations-, wenn nicht sogar Simulationstendenzen beim Kläger aus. D1 fand zum Untersuchungszeitpunkt (16.06.2016) keine objektivierbaren neurologischen Auffälligkeiten. Allerdings beschrieb der Kläger im Bereich der linken Kopfhälfte, der linken Halsseite und im Bereich des linken Vorfußes eine Herabsetzung des Berührungs- bzw. Schmerzempfindens. Elektrophysiologisch zeigten sich Hinweise für ein beginnendes Karpaltunnelsyndrom links. Den psychischen Befund beschrieb er im Wesentlichen unauffällig. Er verneinte das Vorliegen eines depressiven Syndroms. Insgesamt seien keine objektivierbaren Folgen des Arbeitsunfalls vom 23.05.2007 mehr nachweisbar. Auch lasse sich die Somatisierungsstörung zehn Jahre nach dem stattgehabten Unfall nicht mehr als Folge einer distalen Radiusfraktur werten. Vielmehr sei zum Untersuchungszeitpunkt von einer mangelnden Mühewaltung sowie Aggravation, möglicherweise auch Simulation auszugehen. Eine MdE als Folge des Arbeitsunfalles vom 23.05.2007 lasse sich nicht wahrscheinlich machen.

Die Beklagte holte daraufhin die (weitere) Stellungnahme W3 vom 29.05.2017 ein, die sich der Auffassung des D1 anschloss, dass beim Kläger derzeit - zehn Jahre nach dem Unfallereignis - keine psychischen Unfallfolgen (mehr) zu eruieren seien.

Mit Schreiben vom 28.06.2017 (Bl. 1171 f. VA) hörte die Beklagte den Kläger gem. § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zur beabsichtigten Einfrierung des monatlichen Rentenzahlbetrags auf 736,49 € auf unbestimmte Zeit an, da die Beschwerden auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet zu Unrecht als Unfallfolgen anerkannt worden seien und der Verwaltungsakt vom 09.02.2012 somit als rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 SGB X zu werten sei. Da der Kläger auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut habe und sein Vertrauen schutzwürdig sei, dürfe dieser jedoch nicht zurückgenommen werden. Daher sei die Rentenhöhe gem. § 48 Abs. 3 SGB X einzufrieren. Der Kläger führte daraufhin aus, dass bislang nur D1 den Ursachenzusammenhang verneint habe, weshalb ein weiteres psychosomatisches Gutachten eingeholt werden solle (Bl. 1181 f. VA).

Mit Bescheid vom 07.09.2017 (Bl. 1175 ff. VA) stellte die Beklagte sodann fest, dass die mit Verwaltungsakt vom 09.07.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.11.2010 und dem Bescheid vom 09.02.2012 anerkannte somatoforme Störung und Anpassungsstörung auf einer fehlerhaften Beurteilung der Zusammenhangsfrage beruhe und daher ein rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt erlassen worden sei, der jedoch gem. §§ 45, 48 SGB X nicht mehr zurückgenommen werden könne (Verfügungssatz 1). Die bisher gezahlte Versichertenrente werde in Höhe von monatlich 736,49 € gem. § 48 Abs. 3 SGB X auf unbestimmte Zeit eingefroren und damit von künftigen Rentenanpassungen gem. § 95 SGB VII ausgenommen (Verfügungssatz 2). Den hiergegen erhobenen Widerspruch (Bl. 1201 ff. VA) wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.12.2017 zurück (Bl. 1207 ff. VA).

Hiergegen hat der Kläger am 03.01.2018 Klage beim SG (S 3 U 48/18) erhoben.

Das SG hat von Amts wegen ein Sachverständigengutachten bei W4 eingeholt (Bl. 29 ff. SG-Akte, Untersuchungstag: 15.01.2019). W4 hat einen atypischen Gesichtsschmerz links unklarer Ursache mit möglicher somatoformer Verstärkung, eine derzeit leichtgradige depressive Symptomatik bei rezidivierenden z.T. auch schweren depressiven Episoden und anamnestisch eine Panikstörung mit Panikattacken diagnostiziert, diese Gesundheitsstörungen jedoch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis am 23.05.2007 zurückzuführen vermocht. Insbesondere sei kein Zusammenhang zwischen den geklagten Gesichtsschmerzen mit der Verletzung an der linken Hand herstellbar.

Auf Antrag des Klägers gem. § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das SG ein Gutachten bei B2 eingeholt (Bl. 78 ff. SG-Akte, Untersuchungstag: 04.07.2019). Der Sachverständige hat eine unfallreaktive Somatisierungsstörung mit rezidivierenden halbseitigen Gesichtsschmerzen links, ein chronifiziertes Schmerzsyndrom nach Gerbershagen Stadium 3 und ein in der Folge sich entwickelndes depressives Syndrom, eine Agoraphobie mit Panikstörungen sowie eine andauernde Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom diagnostiziert und diese Gesundheitsstörungen auf das Unfallereignis vom 23.05.2007 zurückgeführt. Der Unfall habe im Sinne eines „unheilvoll verlaufenden Schmerzgeschehens zu einer Chronifizierung geführt“. Es sei in keiner Weise erkennbar, dass andere bedeutsame (Teil-)Ursachen für die Krankheiten und resultierenden Funktionsstörungen vor dem Unfallereignis in irgendeiner Weise dokumentiert seien. Die MdE hat er auf 100 v.H. eingeschätzt. Daraufhin hat die Beklagte eine (weitere) Stellungnahme W3 vom 07.10.2019 (Bl. 113 ff. SG-Akte) vorgelegt.

Mit - dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 20.05.2021 zugestellten - Urteil vom 26.03.2021 hat das SG die Klage abgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 18.06.2021 Berufung beim LSG eingelegt und ausgeführt, dass sich das SG fälschlicherweise der Einschätzung W4 und nicht dem Sachverständigengutachten <leer B3 angeschlossen habe. Soweit es auf nach dem Unfall vom 23.05.2007 stattgehabte Operationen und medizinische Behandlungen verweise, verkenne es, dass gerade auch diese - zumindest zum Teil - weiteren Behandlungen durch die psychische bzw. psychosomatische Beeinträchtigung des Klägers verursacht worden seien.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26.03.2021 sowie den Bescheid der Beklagten vom 07.08.2017 (gemeint: 07.09.2017) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2017 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie beruft sich auf den Akteninhalt und die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils.
Der Senat hat die Beteiligten zur beabsichtigten Zurückweisung der Berufung im Beschlussweg ohne mündliche Verhandlung angehört (s. S. 36 und 39 Senatsakte).


Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Gerichtsakten der Verfahren S 11 U 6326/10 und L 8 U 1022/15 sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.


II.



Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 SGG zulässige Berufung des Klägers nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid der Beklagten vom 07.09.2017 in Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat in dem angefochtenen Bescheid - in Gestalt des Widerspruchsbescheides - zu Recht festgestellt, dass die in dem Bescheid vom 09.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.11.2010 in der Fassung des Bescheides vom 09.02.2012 verfügte Anerkennung einer somatoformen Störung und Anpassungsstörung als Folge des Arbeitsunfalls vom 23.05.2007 rechtswidrig gewesen ist und auch zu Recht die bisher gezahlte Versichertenrente in Höhe von monatlich 736,49 € gem. § 48 Abs. 3 SGB X auf unbestimmte Zeit „eingefroren“.

§ 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X schreibt für den Fall, dass ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht mehr nach § 45 SGB X zurückgenommen werden kann und eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eingetreten ist, zwingend ein „Aussparen“ bzw. „Einfrieren“ der an sich auf Grund der wesentlichen Änderung (s. § 48 Abs. 1 SGB X) zugunsten des Betroffenen zu gewährenden Erhöhung vor, ohne dass dafür eine Frist vorgesehen ist. Die Aussparungsregelung greift nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (dazu und auch zum Nachfolgenden: BSG 20.03.2007, B 2 U 38/05 R, zitiert - wie sämtliche höchstrichterliche Rechtsprechung - nach juris Rn. 18 ff., m.w.N.) nicht nur ein, wenn sich der zur Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Bescheides führende Fehler auf die Höhe einer Geldleistung auswirkt, sondern auch dann, wenn er die Grundlage der Leistungsbewilligung betrifft. Nach Sinn und Zweck des § 48 Abs. 3 SGB X soll verhindert werden, dass die zu hohe Leistung, die durch einen Fehler entstanden ist, durch eine Veränderung zugunsten des Betroffenen immer noch höher wird, das bestehende Unrecht also weiter wächst, unabhängig davon, ob dies durch einen rechtswidrig festgestellten Faktor oder eine rechtswidrig festgestellte Grundlage der Leistungsbewilligung geschehen würde.

Die Beklagte hat die Feststellung über die Rechtswidrigkeit des begünstigenden Dauerverwaltungsaktes vom 09.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.11.2010 in der Fassung des Bescheides vom 09.02.2012 - nach Anhörung des Klägers gem. § 24 Abs. 1 SGB X - auch zu Recht auf § 48 Abs. 3 SGB X gestützt, obwohl - anders als dort vorausgesetzt - die Verhältnisse, die diesem Verwaltungsakt zu Grunde gelegen haben, sich (noch) nicht geändert hatten. In seiner Entscheidung vom 16.12.2004 (B 9 VS 1/04 R, juris Rn. 15) hat das BSG ausdrücklich klargestellt, dass das in § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X vorgesehene „Einfrieren“ oder „Abschmelzen“ von Leistungen stets eine Entscheidung über die Rechtswidrigkeit des Ausgangsbescheides voraussetzt. Diese Feststellung kann als eigenständige Regelung im Sinne des § 31 SGB X zur frühzeitigen Klärung des Sozialrechtsverhältnisses auch selbstständig und zeitlich vor dem Ausspruch eines „Einfrierens“ oder „Abschmelzens“ getroffen werden (s. auch Senatsurteil vom 16.12.2021, L 10 U 4541/18, n.v., LSG Baden-Württemberg 08.07.2009, L 2 U 1556/07, juris Rn. 26). Insoweit ist die Beklagte auch berechtigt gewesen, unmittelbar nachdem ihr bewusst geworden war, dass sie mit Bescheid vom 09.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.11.2010 in der Fassung des Bescheides vom 09.02.2012 die somatoforme Störung und die Anpassungsstörung zu Unrecht als Unfallfolge anerkannt und somit auch zu Unrecht eine Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. auf unbestimmte Zeit gewährt hat, als Teil des Abschmelzungsbescheides die Rechtswidrigkeit dieser Anerkennung festzustellen und daneben die gezahlte Verletztenrente auf den bisherigen Zahlbetrag von 736,49 € „einzufrieren“ bzw. „abzuschmelzen“ (vgl. Steinwedel in BeckOGK-SGB X, Stand 01.12.2020, § 48 Rn. 67 m.w.N.).

Auch der erkennende Senat ist davon überzeugt, dass die im Bescheid vom 09.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.11.2010 in der Fassung des Bescheides vom 09.02.2012 erfolgte Anerkennung einer somatoformen Störung und einer Anpassungsstörung als Folge des Arbeitsunfalls vom 23.05.2007 rechtswidrig gewesen ist.


Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG 12.04.2005, B 2 U 27/04 R). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob neben der versicherten Ursache weitere Ursachen im naturwissenschaftlichen Sinn (erste Stufe) zum Gesundheitsschaden beitrugen. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.

Die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung müssen erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u.a. BSG 30.04.1985, 2 RU 43/84). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG 09.05.2006, B 2 U 40/05 R, auch zum Nachfolgenden). Diese liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Es genügt nicht, wenn der Ursachenzusammenhang nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Dabei ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Denn es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde. Es reicht daher zur Begründung des ursächlichen Zusammenhangs nicht aus, gegen diesen Zusammenhang sprechende Umstände auszuschließen.

Der Senat ist schon nicht davon überzeugt, dass beim Kläger zu irgendeinem Zeitpunkt eine Anpassungsstörung vorgelegen hat, noch dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der somatoformen Störung vorliegt.

Nach dem im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens eingeholten Sachverständigengutachten W4 vom 28.01.2019 - auf das der Senat seine Überzeugungsbildung maßgeblich stützt - hat der Kläger zum Begutachtungszeitpunkt (15.01.2019) nämlich (lediglich) an einem atypischen Gesichtsschmerz links unklarer Ursache mit möglicher somatoformer Verstärkung, einer - im Begutachtungszeitpunkt - leichtgradigen depressiven Symptomatik bei rezidivierenden, z.T. auch schweren depressiven Episoden, sowie anamnestisch einer Panikstörung mit Panikattacken gelitten. Diese Diagnosen stehen zur Überzeugung des Senats auch im Einklang mit den W4 ausführlich erhobenen neurologischen sowie psychopathologischen Befunden (neurologischer Befund: Hirnnerven: u.a. beidseits Tragen von Hörgeräten, ungestörte Augenmotilität, Gesicht sensibel, bei Prüfung mit der Vibrationsgabel kein Anhalt für Vortäuschung einer Sensibilitätsstörung bei auch linksseitig bestehendem Vibrationssinn, bei Prüfung der Gesichtssensibilität Angabe von Missempfindungen im Bereich der ersten beiden Trigeminusäste links, geringfügig auch im 2. Trigeminusast und occipital, Gesicht motorisch intakt; Motorik: u.a. reizlose Narbe an der Radialseite des linken distalen Unterarms, keine umschriebenen Muskelatrophien, kleine Handmuskulatur seitengleich kräftig, seitengleich normale Handbeschwielung, kein erkennbarer Tremor, keine Auffälligkeiten bezüglich Tonus und insbesondere auch Trophik, kein Anhalt für Vorliegen eines CRPS, links leichtgradig verminderte Handkraft; Reflexe: u.a. auffällig erscheint ein linksseitig gut, rechts lediglich marginal auslösbarer Trömner-Reflex sowie ein trotz Adipositas lediglich rechts auslösbarer Bauchhautreflex, ASR beidseits im Vergleich zu den übrigen Muskeleigenreflexen etwas schwächer auslösbar; Sensibilität: Oberflächensensibilität nicht beeinträchtigt, lediglich Angabe einer Temperatursinnstörung am linken Bein, insbesondere auch an der linken Hand keine Angabe von Gefühlsstörungen; Koordination: u.a. ungestörte Feinmotorik, Trigeminus-SEP: linksseitig keine sicher reproduzierbaren Potentiale, so dass eine Schädigung nicht ausgeschlossen werden kann; psychopathologischer Befund: adäquates und gepflegtes Äußeres, im Erstkontakt freundlich zugewandt und um Kooperation bemüht; Bewusstsein: ungestört; Orientierung: unauffällig; Aufmerksamkeit und Gedächtnis: Auffassungsvermögen, Merkfähigkeit und Gedächtnis nicht erkennbar vermindert, Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit nicht beeinträchtigt und insbesondere auch über die mehr als drei Stunden dauernde Exploration hinweg erhalten und nicht abnehmend, bei wechselnden Themen in der Befragung gut umstellungsfähig und responsiv; formales Denken: im Denken ausgeprägt darin verhaftet, seinerzeit als Simulant eingestuft worden zu sein, ansonsten formaler Denkablauf unauffällig; Befürchtungen und Zwänge: in der Untersuchungssituation keine Zwangshandlungen oder -impulse ersichtlich, kein erkennbares Vermeidungsverhalten; Wahn: in der Untersuchungssituation keine wahnhaften Erlebnisweisen eruierbar, insbesondere auch kein Verfolgungswahn, kein Schuld- oder hypochondrischer Wahn; Sinnestäuschungen: kein Stimmenhören, keine optischen oder Körperhalluzinationen eruierbar, Ich-Störungen: keine Zeichen der Derealisation oder Depersonalisation, keine Fremdbeeinflussung des Gedankenganges, keine überwertigen Ideen; Affektivität: etwas eingeschränkte affektive Schwingungsfähigkeit, überwiegend jedoch situationsangepasstes Verhalten; Antrieb: über die gesamte Exploration und Untersuchung hinweg völlig ungestört und adäquat reagierend). Demgegenüber hat W4 eine Anpassungsstörung gerade nicht zu diagnostizieren vermocht und für den Senat auch plausibel dargelegt, dass zwar aufgrund der durch die Radiusfraktur hervorgerufenen Ausfallzeit grundsätzlich die Voraussetzungen für eine Anpassungsstörung gegeben gewesen seien. Da sich die Situation des Klägers jedoch bereits ab Frühjahr 2008 wesentlich gebessert hat und ihm auch zu dieser Zeit in Aussicht gestellt worden war, ihm in absehbarer Zeit den beruflichen Aufstieg zum Schichtführer zu ermöglichen, hat W4 für den Senat nachvollziehbar eine Anpassungsstörung ausgeschlossen. Insoweit weist der Senat darauf hin, dass die Diagnose einer Anpassungsstörung schon daran scheitert, dass bis zum Jahr 2010 keine auffälligen psychischen Befunde erhoben worden sind. Ausweislich der vorliegenden medizinischen Unterlagen und der eigenen Einlassungen des Klägers - u.a. im Rahmen der Begutachtung durch K2 („Bis Anfang 2010 habe Herr A. unter keinerlei psychischen Beeinträchtigungen gelitten und zu keinem Zeitpunkt in psychiatrischer/psychotherapeutischer oder psychopharmakologischer Behandlung gestanden.“, Bl. 407 VA) und durch N1 („großer Crash“ im Jahr 2010, Bl. 90 SG-Akte S 11 U 6326/10) - sind bei ihm erstmals im Jahr 2010 psychische Beeinträchtigungen aufgetreten und er hat sich auch erst dann in psychiatrische Behandlung begeben. Zwischen dem Unfallereignis am 23.05.2007 und dem stationären Aufenthalt in der Klinik für Psychiatrie und Psychosomatik des U1 vom 23.09.2010 bis 17.01.2011 hat weder eine fachpsychiatrische noch eine psychotherapeutische Behandlung stattgefunden. Auch die den Kläger wegen der im September 2007 auftretenden Halbseitensymptomatik behandelnden H1 und G1 haben in ihren Befundberichten von September 2007 und März 2009 keine auffälligen psychischen Befunde beschrieben. Vielmehr wurde in dem Befundbericht von September 2007 überhaupt kein und in dem Befundbericht von März 2009 ein unauffälliger psychischer Befund (u.a. voll orientiert, kein Hinweis auf formale oder inhaltliche Denkstörungen, sozialer Kontakt: gut, Stimmung: gut) beschrieben. Eine Anpassungsstörung hat folglich beim Kläger schon nicht vorgelegen.

Hingegen zweifelt der Senat zwar nicht daran, dass der Kläger an einer somatoformen Schmerzstörung mit Gesichtsschmerz links bei Halbseitensymptomatik leidet. Diese Diagnose ist gerade auch von dem W4 bestätigt worden. Jedoch ist der Senat nicht davon überzeugt, dass diese Erkrankung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall vom 23.05.2007 zurückzuführen ist. W4 hat insoweit für den Senat schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass der vom Kläger beklagte Gesichtsschmerz und die Halbseitensymptomatik erstmals und plötzlich in der Nacht vom 24. zum 25.09.2007 - dies wird auch vom Kläger selbst in seinen Schriftsätzen (s. u.a. Bl. 162 SG-Akte) und Einlassungen (u.a. im Rahmen der Begutachtung durch B2, Bl. 81 SG-Akte, durch K2, Bl. 402 VA) bestätigt -, mithin also ca. vier Monate nach dem stattgehabten Unfall aufgetreten ist, was für ein organisches Geschehen, etwa im Rahmen einer Durchblutungsstörung im vertebrobasilären Stromgebiet oder eines viralen Infektes, und gerade nicht für eine Somatisierungsstörung spricht, zumal auch die behandelnde Neurologin keinen auf eine Somatisierungsstörung hinweisenden Befund beschrieben hat. Überdies gibt es - so der Sachverständige - keine Nervenverbindungen zwischen Hand und Gesicht, die den Gesichtsschmerz nach der Radiusfraktur erklären könnten. Hinzu kommt, worauf W4 ebenfalls hingewiesen hat, dass ausweislich des Befundberichts G1 von März 2009 die Halbseitenproblematik offensichtlich zunächst wieder abgeklungen und erst im Oktober 2008 - also ca. ein Jahr nach dem erstmaligen Auftreten - wieder aufgetreten ist. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall vom 23.05.2007 und der somatoformen Störung ist somit nicht hinreichend wahrscheinlich.

Die Beklagte hat daher in ihrem Bescheid vom 07.08.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2017 zu Recht festgestellt, dass die Anerkennung einer Anpassungs- und einer somatoformen Störung als Unfallfolge rechtswidrig gewesen ist.

Darüber hinaus ist auch die beim Kläger von den mit dem Sachverhalt befassten Ärzten - namentlich u.a. W4 und auch B2 - diagnostizierte depressive Erkrankung und - zumindest anamnestisch bestehende - Panikstörung nicht auf den Unfall zurückzuführen. W4 hat in seinem Sachverständigengutachten ausgeführt, dass diese Symptomatik - wie auch vom Kläger angegeben (s. u.a. Bl. 90 SG-Akte S 11 U 6326/10) - erstmals im Frühjahr 2010 - und somit mehr als zweieinhalb Jahre nach dem stattgehabten Unfall - aufgetreten ist. Zu diesem Zeitpunkt sind jedoch - so der Sachverständige - die mit der Handgelenksfraktur einhergehenden Beschwerden bereits weitgehend abgeklungen gewesen und der Kläger ist im Rahmen seiner Tätigkeit als Schichtführer seit 2009 auch kaum mehr relevanten Handgelenksbelastungen ausgesetzt gewesen. Zudem sind beim Kläger in der Zwischenzeit diverse andere (unfallunabhängige) gesundheitliche Beeinträchtigungen aufgetreten - u.a. im Februar 2008: Augenoperation, im Februar 2011: Operation der abgerissenen rechten Bizepssehne, im Herbst 2011: Unterschenkelthrombose, im Herbst 2012: Erstdiagnose Diabetes mellitus und Bluthochdruck, im Dezember 2012: Calcaneusfraktur -, so dass nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass die aufgetretene depressive Symptomatik gerade auf den Arbeitsunfall vom 23.05.2007 zurückzuführen ist. Diese Einschätzung des W4 hält auch der Senat für schlüssig und nachvollziehbar und schließt sich dieser ausdrücklich an.

Soweit der Wahlsachverständige des Klägers B2 unter Zugrundelegung der Diagnosen Somatisierungsstörung mit rezidivierenden halbseitigen Gesichtsschmerzen links, chronifiziertes Schmerzsyndrom, depressives Syndrom, Agoraphobie mit Panikstörung und andauernder Persönlichkeitsänderung zu einer anderen Einschätzung als W4 gelangt und die genannten Gesundheitsstörungen allesamt auf das Unfallereignis am 23.05.2007 zurückgeführt hat, vermag sich der Senat dieser Einschätzung nicht anzuschließen. B2 ist von einem „unheilvoll verlaufenden Schmerzgeschehen“ ausgegangen, das zu einer Chronifizierung geführt habe, wobei eine Schmerzfehlverarbeitung zu der unfallreaktiven Somatisierungsstörung geführt habe, die „über die Zeit letztendlich“ dazu geführt habe, dass der Kläger tertiär chronifiziert depressiv geworden sei und zusätzlich eine Angststörung mit Panik entwickelte, was schließlich in eine andauernde Persönlichkeitsänderung gemündet sei. B2 geht dabei davon aus, dass die halbseitigen Gesichtsschmerzen auf den Unfall zurückzuführen sind und Grund für die Entstehung u.a. der depressiven Symptomatik im Jahr 2010 sind. Eine Begründung, weshalb der in der Nacht vom 24. auf den 25.09.2007 plötzlich aufgetretene Gesichtsschmerz links gerade auf den Unfall zurückzuführen sein soll, hat B2 freilich nicht geliefert und sich insoweit auch nicht mit dem Sachverständigengutachten des W4 auseinandergesetzt. Jedoch reicht allein der Umstand, dass es - laut B2 - keine Hinweise auf nennenswerte Vorschädigungen oder Persönlichkeitsanlagen des Klägers gebe und er vor dem Unfall eine „reibungslose“ berufliche Vita gehabt habe, nicht aus, das sich ab Ende September 2007 zunächst durch den linksseitigen Gesichtsschmerz und ab Frühjahr 2010 durch Entstehung einer depressiven Symptomatik entwickelnde neurologisch-psychiatrische Geschehen kausal auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Im Übrigen setzt sich B2 in keiner Weise mit dem Umstand auseinander, dass der Kläger zunächst wieder vollschichtig in das Erwerbsleben eingegliedert werden konnte, sogar beruflich zum Schichtführer aufgestiegen ist und es nach dem Unfall zu weiteren - unfallunabhängigen - Gesundheitsbeeinträchtigungen (s.o.) gekommen ist. Weshalb dennoch gerade der Arbeitsunfall vom 23.05.2007 ursächlich für die neurologisch-psychiatrische Symptomatik des Klägers sein soll, erschließt sich dem Senat daher nicht.

Soweit K2 in seinen (urkundsbeweislich verwertbaren) Gutachten von Dezember 2011 und Juni 2013 von einem Kausalzusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und der neurologisch-psychiatrischen Problematik des Klägers ausgegangen ist, vermag der Senat seiner Einschätzung ebenfalls nicht zu folgen. K2 hat beim Kläger sowohl eine somatoforme Schmerzstörung als auch eine Anpassungsstörung, die nach Ablauf von zwei Jahren in eine leichtgradige depressive Störung übergangen sei, diagnostiziert und diese Erkrankungen auf den Arbeitsunfall zurückgeführt. Die Anfang 2010 auftretende höhergradige depressive Phase hat er hingegen nicht (mehr) dem Unfallereignis zugerechnet. Für den Senat ist schon nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher Befunde K2 eine Anpassungsstörung diagnostiziert hat, da bis zum Jahr 2010 überhaupt kein auffälliger psychischer Befund erhoben worden ist (s. hierzu oben). Im Übrigen ist es beim Kläger nach der Entfernung des Osteosynthesematerials im Januar 2008 zu einer Verbesserung sowohl der Schmerzsymptomatik als auch der beruflichen Situation (Aufnahme einer Tätigkeit als Schichtführer) gekommen, so dass schon nicht ersichtlich ist - worauf W4 hingewiesen hat (s.o.) - aus welchen Gründen und wodurch eine Anpassungsstörung unterhalten worden sein soll. Auch hat K2 nicht schlüssig dargelegt, weshalb die im September aufgetretene Halbseitensymptomatik links, die er als „anhaltende somatoforme Schmerzstörung“ bezeichnet hat, hinreichend wahrscheinlich durch das Unfallereignis ausgelöst worden sein soll. Denn weder hat die behandelnde G1 Hinweise auf eine Somatisierungsstörung gesehen, noch hat K2 - im Gegensatz zu W4 - das plötzliche Auftreten dieser Symptomatik kritisch diskutiert. Darüber hinaus führt der bloße Umstand, dass eine Symptomatik zeitlich nach einem Unfallereignis auftritt und eine organische Ursache hierfür nicht gefunden werden kann, nicht per se zur Bejahung des Kausalzusammenhangs.

Schließlich überzeugt den Senat auch die von N1 im Rahmen seines in dem Verfahren S 11 U 6326/10 im Juni 2014 erstatteten (und vorliegend im Wege des Urkundsbeweises verwertbaren) Gutachtens erfolgte Kausalitätsbeurteilung nicht. Darin hat er im Ergebnis zwar einen Kausalzusammenhang zwischen den von ihm gestellten psychiatrischen Diagnosen (chronifizierter Gesichtsschmerz vom Typ der somatoformen Schmerzstörung, depressive Störung - mittelgradiger Ausprägung -, Angststörung mit agoraphobischen und sozialen Ängsten, Zwangsstörung mit Zwangshandlungen) bejaht. Gleichzeitig hat er jedoch darauf hingewiesen, dass es sich um keinen „einfachen“ Kausalzusammenhang, sondern um einen „hoch spezifischen Bedingungszusammenhang“ handele, bei dem das physikalische Unfallereignis, die psychosozialen Umstände und insbesondere die soziale Position des Klägers im Betrieb sowie die persönlichkeitsbedingten Vulnerabilitäten erst „im Zusammenspiel krankheitsauslösend wirksam werden konnten“. Weshalb dennoch gerade dem Unfallereignis überragende Bedeutung für die Entstehung und Unterhaltung der sich beim Kläger entwickelnden psychischen Beeinträchtigungen zukommen soll, hat N1 - worauf auch W4 hingewiesen hat - jedoch gerade nicht begründet.


Der Senat geht nach alledem in Übereinstimmung mit W4 zwar davon aus, dass beim Kläger eine seelische Erkrankung und eine Schmerzsymptomatik besteht und nicht - wie D1 und S2 im Verwaltungsverfahren angenommen haben - Aggravation und/oder Simulation im Vordergrund stehen. Es fehlt jedoch an der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs mit dem Arbeitsunfall am 23.05.2007.

Zur Überzeugung des Senats liegen somit keine mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall vom 23.05.2007 rückführbare gesundheitliche Beeinträchtigungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet vor - also weder die von der Beklagten anerkannte Anpassungs- und somatoforme Schmerzsstörung, noch eine depressive Symptomatik oder eine Panikstörung - und haben auch zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 09.02.2012 nicht vorgelegen, so dass die Anerkennung einer somatoformen Störung und einer Anpassungsstörung als Unfallfolge durch die Beklagte rechtswidrig gewesen ist. Daraus folgt, dass auch die Bewilligung einer Verletztenrente auf unbestimmte nach einer MdE um 20 v.H. rechtswidrig gewesen ist, da allein die Berücksichtigung der neurologisch-psychiatrischen Beeinträchtigungen - die gerade nicht vorliegen - überhaupt zu einer Gesamt-MdE von 20 v.H. geführt hat. Denn die beim Kläger seitens der Beklagten anerkannten chirurgischen Unfallfolgen in Form eines knöchern fest ausgeheilten Speichenbruchs, einer endgradigen Bewegungseinschränkung im Handgelenk, einer Muskelminderung am Ober- und Unterarm und einer arthrotischen Veränderung am Handgelenk bedingen jedenfalls ab dem 01.10.2008 keine MdE von 20 v.H. (mehr). Das hat S1 sowohl in seinem Gutachten vom 12.05.2009 als auch in seinem Gutachten vom 08.04.2016 (beide urkundsbeweislich verwertbar) dargelegt. Diese Einschätzung steht auch im Einklang mit der - vom Senat seiner Beurteilung regelmäßig zugrunde gelegten - unfallversicherungsrechtlichen Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 581), wonach eine MdE von mindestens 20 v.H. erst bei einem Speichenbruch mit erheblicher Achsenabknickung und Einschränkung der Handgelenksbewegungen um insgesamt 80°, einer isolierten Radius-Pseudarthrose, einer Handgelenksversteifung, einer Versteifung der Unterarmdrehung oder Funktionsstörungen im Bereich der Langfinger und des Daumens in Betracht kommt. Derartige Funktionseinschränkungen liegen beim Kläger jedoch nicht vor und sind auch seitens der Beklagten nicht anerkannt worden. Überdies hat der Kläger selbst auch keine Einwendungen weder gegen die seitens der Beklagten anerkannten chirurgischen Unfallfolgen, noch die MdE-Einschätzung des S1 vorgebracht, so dass auch der Senat keinerlei Anhaltspunkte für eine abweichende Beurteilung hat.

Da die Anerkennung einer somatoformen Schmerzstörung und einer Anpassungsstörung rechtswidrig gewesen ist, folglich auch keine rentenrelevante MdE für diese Erkrankungen zu berücksichtigen ist und auch keine anderen bei der Rentenbemessung berücksichtigungsfähigen Unfallfolgen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet vorliegen, steht dem Kläger auch keine Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu, weshalb auch die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. auf unbestimmte Zeit rechtswidrig gewesen ist. Die Beklagte hat daher gem. § 48 Abs. 3 SGB X zu Recht sowohl festgestellt, dass die Anerkennung der somatoformen Schmerzstörung und der Anpassungsstörung rechtswidrig gewesen ist als auch zu Recht die bisherige Verletztenrente auf den Zahlbetrag von 736,49 € „eingefroren“.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.











 

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