L 14 R 872/22

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 33 R 658/22
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 14 R 872/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Hat das Sozialgericht die Klage durch Gerichtsbescheid abgewiesen, schließt dies eine Verwerfung der Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung nicht aus, wenn der Kläger von seinem ihm in der Rechtsmittelbelehrung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts zutreffend mitgeteilten Recht, vor dem Sozialgericht eine mündliche Verhandlung zu beantragen, keinen Gebrauch gemacht hat, und auch die prozessuale Fürsorge- und Hinweispflicht des Gerichts die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht erfordert (Anschluss an BSG, Urteile vom 21. Juli 2021 – B 14 AS 99/20 R –, SozR 4-1500 § 158 Nr 9 und vom 25. März 2021 – B 1 KR 51/20 B).

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 26.10.2022 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe:

 

I.

Der Kläger wendet sich gegen eine von der Beklagten durchgeführte Aufrechnung von rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen nebst Säumniszuschlägen in einer Gesamthöhe von 570,33 EUR – aufgeteilt in drei Teilbeträge à 190,11 EUR – gegen laufende monatliche Rentenleistungen.   

 

Das Sozialgericht hat den Kläger mit Schreiben vom 15.09.2022 darauf hingewiesen, dass die Klage keine Aussicht auf Erfolg habe und mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, im Wege eines Gerichtsbescheides (§ 105 Sozialgerichtsgesetz, nachfolgend: SGG) zu entscheiden.

 

Im Anschluss an die Stellungnahme des Klägers vom 19.09.2022 hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 26.10.2022 abgewiesen. Die Entscheidung ist dem Kläger am 29.10.2022 zugestellt worden.

 

Am 03.11.2022 ist der Kläger bei dem Sozialgericht Köln vorstellig geworden. Ausweislich der von ihm unterzeichneten Niederschrift, die bei dem erkennenden Gericht am 07.11.2022 eingegangen ist, hat er gegen den o.g. Gerichtsbescheid das Rechtsmittel der Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er ausschließlich – mehr oder weniger nachvollziehbare – inhaltliche Ausführungen zu der angefochtenen Entscheidung vorgebracht.   

 

Der Senat hat den Kläger mit Schreiben vom 11.11.2022 zunächst darauf hingewiesen, dass er sich mit dem Rechtsmittel der Berufung nicht erfolgreich gegen den Gerichtsbescheid werde wenden können, weil das Sozialgericht Köln die Berufung nicht gem. § 144 SGG zugelassen hat. Der Senat hat den Kläger ferner darauf hingewiesen, dass – entsprechend der Rechtsmittelbelehrung des in Rede stehenden Gerichtsbescheides – einzig zulässiges Rechtsmittel die Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 145 SGG ist, und diese innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung bei dem erkennenden Gericht einzulegen wäre.

 

Nachdem der Kläger auf dieses Schreiben nicht reagiert hatte, hat der Senat ihn mit weiterem Schreiben vom 08.12.2022, das am 13.12.2022 zugestellt worden ist, darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung gem. § 158 Satz 1 und Satz 2 SGG als unzulässig zu verwerfen (§ 158 Satz 3 SGG). Auch auf dieses Schreiben hat der Kläger bislang nicht reagiert. Mit gleichem Schreiben hat der Senat auch der Beklagten Gelegenheit gegeben, Stellung zu nehmen. 

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand von Beratung und Entscheidung gewesen ist, Bezug genommen.

 

II.

 

1.

Der Senat konnte im Beschlusswege über die Berufung entscheiden.

 

Gem. § 158 Satz 1 SGG ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen, wenn sie nicht statthaft, nicht in der gesetzlichen Frist, nicht schriftlich, nicht in elektronischer Form oder nicht zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt worden ist. Die Entscheidung kann gem. § 158 Satz 2 SGG durch Beschluss ergehen. Damit ist dem Berufungsgericht Ermessen eingeräumt, durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.

 

Einer mündlichen Verhandlung bedurfte es hier nicht, auch wenn das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid entschieden hat. Denn der Kläger hat von seinem Recht, vor dem Sozialgericht eine mündliche Verhandlung zu beantragen (§ 105 Abs. 2 Satz 2 SGG), keinen Gebrauch gemacht. Auf diese Möglichkeit ist der Kläger im Rahmen der Rechtsmittelbelehrung zutreffend hingewiesen worden (s. hierzu BSG, Urteil vom 21.07.2021, Az.: B 14 AS 99/20 R, m.w.N.). Es bestanden auch keine anderweitigen Gründe, auf eine mündliche Verhandlung und nicht durch Beschluss zu entscheiden. Insbesondere waren die prozessualen Erklärungen des Klägers – insoweit vor allem sein Begehren – weder auslegungsfähig noch auslegungsbedürftig, sodass eine weitergehende Fürsorge- und Hinweispflicht, die die Durchführung einer mündlichen Verhandlung geboten hätte, nicht bestand (s. insoweit etwa BSG, Beschluss vom 25.03.2021, Az.: B 1 KR 51/20 B, Rn. 11 – zitiert nach juris). Insoweit wird auch auf die nachfolgenden Ausführungen Bezug genommen.

 

2.

Die Berufung des Klägers gegen den am 29.10.2022 zugestellten Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 26.10.2022 hat keinen Erfolg, denn sie ist bereits unzulässig.

 

Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR (Nr. 1) oder bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 EUR (Nr. 2) nicht übersteigt. Das gilt gem. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nur dann nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

 

Vorliegend wendet sich der Kläger gegen die von der Beklagten vorgenommene Aufrechnung in einer Gesamthöhe von 570,33 EUR. Auch wenn diese Gesamtsumme in drei Teilbeträgen à 190,11 EUR/Monat aufgerechnet wurde, liegen die Voraussetzungen von § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht vor und wäre eine Berufung nur zulässig, wenn sie gesondert zugelassen worden wäre.

 

Der Senat hat auch keine Veranlassung gesehen, das vom Kläger erklärte Begehren anderweitig auszulegen und anzunehmen, dass er das zulässige Rechtsmittel hätte einlegen wollen. Vielmehr hat der Kläger im Rahmen seiner Vorsprache bei dem Sozialgericht Köln ausweislich der von ihm nach Durchsicht unterzeichneten Niederschrift ausdrücklich – entgegen der Ausführungen in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Gerichtsbescheides – das Rechtsmittel der Berufung eingelegt. Bereits vor diesem Hintergrund hat der Senat keine Veranlassung gesehen, das Begehren anderweitig auszulegen. Auch aus dem weiteren Vorbringen des Klägers kann im Übrigen nicht geschlossen werden, dass der Kläger nicht das Rechtsmittel der Berufung hat einlegen wollen, sondern deren Zulassung begehrt. Darüber hinaus hat der Senat den Kläger mit Schreiben vom 11.11.2022 auf das zulässige Rechtmittel hingewiesen, sodass der Kläger dieses noch innerhalb der Frist gem. § 145 Abs. 1 Satz 2 SGG hätte einlegen können. Eine Reaktion auf das Schreiben ist jedoch ausgeblieben.

Vor dem Hintergrund, dass das Sozialgericht (u.a.) den Kläger darüber informiert hat, dass die Entscheidung zulässigerweise nur mit der Beschwerde angefochten und im Übrigen lediglich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt werden könne, geht der Senat davon aus, dass der Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt hinreichend über die Rechtsfolge eines anderweitig eingelegten Rechtsmittels informiert war. Spätestens jedoch seit dem entsprechenden Hinweis des Senats vom 11.11.2022 hatte der – nicht vertretene – Kläger entsprechende Kenntnis.

 

Ebenso wenig wie der so in Kenntnis der Rechtsfolgen ausdrücklich erklärte Wille des Klägers einer Auslegung zugänglich ist, kommt hier eine Umdeutung dahingehend in Betracht, dass anstelle der Berufung das zulässige Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt worden sei. Denn beide Rechtsmittel verfolgen unterschiedliche Zielrichtungen – mit der Nichtzulassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer nicht unmittelbar gegen den Ausgang des Verfahrens als solches, sondern lediglich gegen eine prozessuale Teilentscheidung des Sozialgerichts (zum Ganzen nur H. Müller, in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 3, 2. Aufl., § 145 SGG (Stand: 24.01.2023), Rn. 23; Sommer, in: Roos/Wahrendorf/Müller, SGG, § 145, Rn. 13, m.w.N.; vgl. auch Keller, in: Meyer-Ladewig, Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 145, Rn. 3a).

 

III.

Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.

 

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 160 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGG i.V.m. § 158 Satz 3 SGG nicht vorliegen.

 

Rechtskraft
Aus
Saved