Jedenfalls mit dem Ende der Erbausschlagungsfrist nimmt der Erbe eines landwirtschaftlichen Unternehmens, das weiter betrieben wird, die unternehmerische Tätigkeit im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 1 KVLG (1989) auf.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 28. Oktober 2019 geändert. Es wird festgestellt, dass der Kläger erst ab dem 13. August 2016 Pflichtmitglied der Beklagten ist. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten primär über die Frage, ob die Beklagte den Kläger von seiner Pflichtversicherung bei ihr befreien muss.
Am 24. Juni 2016 verstarb das Mitglied der Beklagten, der Landwirt D K. Er hatte ein landwirtschaftliches Unternehmen mit ca. 156 Hektar Wirtschaftsfläche und Tierhaltung bewirtschaftet. Der Verstorbene hinterließ ein leibliches Kind, hatte jedoch testamentarisch den Kläger als Alleinerben eingesetzt. Dieser war zum Todeszeitpunkt 15 Jahre alt und Schüler.
Die Mutter des Klägers J K, eine Cousine des Verstorbenen, ist Beamtin und als solche beihilfeberechtigt. Ihr Sohn war bei der Beihilfe berücksichtigungsfähiger Familienangehöriger und im Übrigen privat krankenversichert. Diese Versicherung ist zum 30. November 2016 gekündigt worden und besteht nicht mehr.
Nach Abschluss der allgemeinbildenden Schule absolvierte der Kläger eine Ausbildung zum Landwirt. In diesem Zusammenhang führen die Beteiligten ein weiteres Gerichtsverfahren zu der Frage, ob der Kläger hauptberuflich selbstständiger Landwirt ist, welches derzeit aber ruht. Seit 8. Juli 2022 ist er unmittelbar im Anschluss an die Ausbildung vom Ausbildungsbetrieb übernommen worden und arbeitet dort seither in Vollzeit. Der Stundenlohn beläuft sich auf 13,15 €. Die Arbeitszeit und in der Folge auch das monatliche Entgelt variieren nach Jahreszeit. Die Gehaltsabrechnung für Dezember 2022 weist ein Bruttoentgelt i.H.v. 1.995,65 € aus. Im eigenen – geerbten - landwirtschaftlichen Betrieb arbeitet er daneben nicht mehr als 15 Wochenstunden. Dort beschäftigt der Kläger (nach wie vor) einen Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig und nicht nur geringfügig.
Im Auftrag der Mutter des Klägers zeigte ein Bestattungsinstitut den Tod des Erblassers mit Schreiben vom 30. Juni 2016 der Beklagten an, dort eingegangen am 1. Juli 2016 (unter der Adresse „LKK Landwirtschaftliche Krankenkasse, Hoppegartener Str. 100, 15366 Hönow“).
Die Testamentseröffnung durch das Amtsgericht Neuruppin erfolgte am 1. Juli 2016. Unter dem 7. Juli 2016 bat die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft in der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau das Nachlassgericht im Wege der Amtshilfe um Mitteilung der Erben und ggf. des Erbanteils sowie Übersendung des Erbscheins. Hierauf teilte das Nachlassgericht unter dem 13. Juli 2016 der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft mit, ein Erbschein sei noch nicht erteilt worden. Am 19. September 2016 riefen die Mutter und eine Steuerberaterin bei der Beklagten an und fragten, wann das Unternehmen auf den Kläger als Erben umgetragen werde.
Mit Schreiben vom 21. September 2016, aufgegeben zur Post am 23. September 2016, teilte die Beklagte daraufhin dem Kläger (persönlich) mit, dass er ein landwirtschaftliches Unternehmen bewirtschafte, welches die Mindestgröße für die Versicherungspflicht als Unternehmer erreiche. Damit sei er grundsätzlich versicherungspflichtig in der Kranken- und Pflegekasse. Um die Versicherungspflicht endgültig klären zu können, solle ein Fragebogen ausgefüllt bis zum 5. Oktober 2016 zurückgesendet werden. Dem Schreiben war ein Informationsblatt zur Kranken- und Pflegeversicherung beigefügt. In diesem werden die Tatbestände der Versicherungspflicht als landwirtschaftlicher Unternehmer sowie Fälle der Vorrangversicherung, der Versicherungsfreiheit und die Befreiungsmöglichkeiten erläutert.
Im Fragebogen und ihrem Begleitschreiben vom 5. Oktober 2016, eingegangen bei der Beklagten am 7. Oktober 2016, teilte die Mutter u.a. mit, dass der Kläger aufgrund anderweitiger Versicherung nicht verpflichtet sei, sich in der landwirtschaftlichen Krankenkasse zu versichern, weil eine doppelte Versicherung nicht möglich sei. Da der Betrieb nur Verluste erwirtschafte und Kredite sowie Pflichtteilsansprüche ausgezahlt werden müssten, sei eine Beitragszahlung nicht möglich, ohne dass sich der Kläger verschulde. Der Betrieb werde durch sie für ihn geführt. Als gesetzliche Vertreterin sei sie für alle Belange des Betriebes verantwortlich. Mit Schreiben vom 10. Oktober 2016 fragte die Beklagte beim Kläger (wiederum persönlich) nach, wer das landwirtschaftliche Unternehmen tatsächlich bewirtschafte, das wirtschaftliche Risiko trage und die Entscheidungen treffe. Die Mutter des Klägers antwortete mit Schreiben vom 25. Oktober 2016 (bei der Beklagten eingegangen am 28. Oktober 2016) und beantragte für ihren Sohn (nun) auch ausdrücklich die Befreiung von der Versicherungspflicht bei der Beklagten, bis er die Schule und eine Berufsausbildung abgeschlossen habe.
Die Beklagte lehnte den Antrag auf Befreiung mit Bescheid vom 21. November 2016 ab. Zur Begründung führte sie aus, der Antrag sei verfristet, denn er sei nicht binnen drei Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht gestellt worden. Diese sei zum 25. Juni 2016 eingetreten. Der Antrag sei hingegen erst am 28. Oktober 2016 eingegangen. Eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand sei nicht möglich (Bezugnahme auf Urteil des Bundessozialgerichts [BSG] vom 10. Juni 1980 – 11 RK 11/79).
Mit weiterem Bescheid vom 23. November 2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, diesen seit 25. Juni 2016 als Mitglied in der Kranken- und Pflegekasse zu führen. Sie setzte unter Zugrundelegung eines Flächenwertes in Höhe von 128.090 DM für die Zeit ab 25. Juni 2016 Beiträge in Höhe von 408,75 € monatlich für die Krankenversicherung und von 54,20 € für die Pflegeversicherung fest.
Die Mutter des Klägers erhob Widerspruch: Die Frist habe ihres Erachtens frühestens ab Kenntnis bzw. Zustellung einer entsprechenden Aufforderung oder eines Hinweises zu laufen begonnen. Sie habe bereits am zweiten Tag nach dem Erhalt des Schreibens der Beklagten vom 21. September 2016 telefonisch mitgeteilt, dass ihr Sohn keine gesetzliche Krankenversicherung benötige.
Mit Faxschreiben vom 19. Dezember 2016, eingegangen am 20. Dezember 2016, stellte die Mutter nochmals einen – nunmehr – allgemeinen Antrag auf Befreiung und stellte klar, dass bereits die früheren Schreiben so auszulegen gewesen seien. Mit Schreiben vom selben Datum erklärte der Kläger, vertreten durch seine Mutter, gegenüber der Beklagten einen Leistungsverzicht für die Zeit bis zum 30. November 2016. Die Beklagte schlug daraufhin Beitragsforderungen bis 30. November 2016 nieder (Schreiben vom 19. Januar 2017). Sie setzte mit Bescheid vom 9. Januar 2017 die monatlichen Beiträge für die Zeit ab 1. Januar 2017 auf insgesamt 667,20 € fest.
Ab 2017 nahm der Kläger Leistungen aus der landwirtschaftlichen Krankenversicherung in Anspruch. Dabei handelte es sich unter anderem um ärztliche und zahnärztliche Behandlungen sowie Hilfsmittel und Betriebs- und Haushaltshilfe. Die gezahlten Leistungen belaufen sich auf insgesamt 1.749,17 €.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie u.a. aus, die Antragsfrist von drei Monaten gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 Zweites Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG) beginne auch dann mit dem Eintritt der Versicherungspflicht, d.h. mit der Aufnahme der Unternehmertätigkeit, wenn zu diesem Zeitpunkt noch keine Aufnahmemitteilung der Beklagten vorliege (Bezugnahme auf Sächsisches Landessozialgericht [LSG], Urteil vom 11. Dezember 2008 – L 1 KR 63/07). Nach ihren Angaben ist der Widerspruchsbescheid am 27. Juli 2017 versandt worden.
Der Kläger hat hiergegen am 4. September 2017 (Montag) Klage beim Sozialgericht Neuruppin (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat er u.a. ausgeführt, seine Mutter habe den Eingang des Widerspruchsbescheides (erst) am 3. August 2017 handschriftlich vermerkt. Das Schreiben sei durch einen privaten Postdienstleister zugestellt worden, bei welchem Zustellungsverzögerungen eher die Regel als eine Ausnahme darstellten. Wenn – wie hier – eine Abweichung zwischen postalischer Adresse und dem Ort der Zustellung bestehe, komme es zu Zustellungsverzögerungen. Auch hätten er und seine Mutter einen Nachsendeantrag zur jetzigen Anschrift gestellt gehabt. Seine Mutter erinnere sich noch genau, dass sie anlässlich des Schreibens der Beklagten vom 21. September 2016 bereits am Montag, den 26. September 2016 mit der Beklagten zwecks Klärung telefoniert habe.
Die Beklagte hat vorgebracht, ein Telefonat der Mutter des Klägers mit ihrer Mitarbeiterin, Frau F, am 26. September 2016 kurz nach 8 Uhr habe nicht stattfinden können, weil Frau F zu diesem Zeitpunkt nachweislich nicht im Dienst gewesen sei. Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Beantragung der Befreiung von der Versicherungspflicht sei nicht möglich. Der Kläger sei keinesfalls durch Universalsukzession zum Landwirt geworden. Er habe nach Aktenlage vielmehr bereits wenige Tage nach dem Tode des Erblassers und deshalb lange Zeit vor Ablauf der Befreiungsfrist Kenntnis darüber gehabt, Alleinerbe eines landwirtschaftlichen Unternehmens zu sein. Er habe sich bewusst dafür entschieden, das Erbe nicht auszuschlagen.
Das SG hat im Erörterungstermin am 22. Juli 2019 die Mutter des Klägers als Zeugin vernommen. Hinsichtlich des Inhaltes der Zeugenaussage wird auf das Protokoll der Sitzung Bezug genommen. Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, die Bescheide des Beklagten vom 21. November 2016 und vom 23. November 2016 aufzuheben, hilfsweise festzustellen, dass er nicht bei der Beklagten pflichtversichert sei.
Das SG hat diese Klage durch Urteil vom 28. Oktober 2019 abgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, soweit sich die Klage auch gegen den Beitragsbescheid vom 23. November 2016 richte, sei sie unzulässig. Denn der Kläger habe hiergegen keinen Widerspruch eingelegt. Sein Widerspruch habe sich ausschließlich gegen den Bescheid vom 21. November 2016 gerichtet. Auch der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 26. Juli 2017 sei nur zum Bescheid vom 21. November 2016 ergangen.
Die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gegen den Ablehnungsbescheid vom 21. November 2016 sei zulässig, jedoch unbegründet. Denn der Kläger habe nicht rechtzeitig die Befreiung von der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung bei der Beklagten nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 KVLG als einzig möglicher Befreiungsgrundlage beantragt. Er habe, vertreten durch seine Mutter als Alleinsorgeberechtigte, seine unternehmerische Tätigkeit, welche nach § 22 Abs. 1 KVLG für den Beginn der Mitgliedschaft maßgeblich sei, spätestens am 29. Juni 2016 begonnen. Maßgeblich sei die tatsächliche Aufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeit als sogenannte Rechts- oder Tathandlung im Rahmen eines Realaktes (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 27. August 1998 – B 10 KR 5/97 R). Als Beginn der unternehmerischen Tätigkeit komme bereits der Tag des Versterbens des Erblassers in Betracht, denn an diesem Tage habe die Mutter die Betriebsführung zumindest mit übernommen. Letztlich sei der Betrieb auch ab diesem Tag auf Rechnung des Klägers geführt worden. Allerdings hätten der Kläger und seine Mutter angegeben, zunächst nicht gewusst zu haben, dass der Kläger als Alleinerbe eingesetzt worden sei. Spätestens der Zeitpunkt, an dem die Mutter Kenntnis von der Erbeinsetzung ihres Sohnes gehabt und auch für diesen den Betrieb fortgeführt habe, sei als Beginn der unternehmerischen Tätigkeit anzusehen. So habe der Kläger im Erörterungstermin ausgeführt, dass bereits angefangen worden sei, die Buchhaltung zu übernehmen. Die Mutter selbst habe bekundet, gleich nach dem Auffinden des Testaments am 29. Juni 2016 mit angepackt zu haben. Dass die Mutter weiter angegeben habe, dass sie den Betrieb zusammen mit ihrem Bruder selbstverständlich in jedem Fall zunächst fortgeführt hätte, sei nicht maßgeblich, weil es auf ihre Intention unter den konkreten Umständen ankomme. Bis zum 29. September 2016 habe der Kläger jedoch keinen Befreiungsantrag gestellt. Insoweit komme alleine das vom Kläger behauptete Telefonat zwischen seiner Mutter und der Mitarbeiterin der Beklagten Frau F in Betracht. Das SG sei allerdings nicht davon überzeugt, dass es ein solches Telefonat überhaupt gegeben habe. Jedenfalls ergebe sich weder aus dem klägerischen Vorbringen noch aus den Aussagen der Mutter, dass innerhalb des behaupteten Telefonates ein Befreiungsantrag gestellt worden wäre.
Dem Kläger sei auch keine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren. Ob eine solche möglich sei, sei umstritten. Von mangelndem Verschulden im Sinne des § 27 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) sei nicht auszugehen. Der Sache nach berufe sich der Kläger auf seine Unkenntnis der Rechtslage. Eine solche sei aber grundsätzlich nicht geeignet, ein mangelndes Verschulden zu begründen. Auch habe seine Mutter und damit er selbst innerhalb der noch laufenden Frist von der Versicherungspflicht Kenntnis erhalten. Aufgrund des übereinstimmenden Vortrages des Klägers und seiner Mutter stehe fest, dass diese das „Begrüßungsschreiben“ vom 21. September 2016 am 24. September 2016 erhalten habe und ihr damit jedenfalls vor dem Fristablauf frühestens am 26. September 2016 die Versicherungspflicht, die Möglichkeit der Befreiung und die Geltung der Dreimonatsfrist bekannt gewesen sei.
Der Kläger sei auch nicht nach den Grundsätzen über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch so zu stellen gewesen, als habe er den Befreiungsantrag fristgerecht gestellt. Eine Verletzung einer Beratungs- und Betreuungspflicht durch die Beklagte sei nicht zu erkennen. Diese habe den Kläger sofort nach Kenntnis der Betriebsübernahme mit Schreiben vom 21. September 2016 auf die bestehende Versicherungspflicht, die Befreiungsmöglichkeiten und die Frist hingewiesen. Sie habe nach Versterben des Erblassers ausreichend Nachforschungen angestellt, wer Rechtsnachfolger des Betriebes geworden sei, indem bereits am 7. Juli 2016 beim Nachlassgericht und bei der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Nachfragen erfolgt seien. Auch habe den Kläger selbst nach § 27 KVLG eine Mitteilungspflicht getroffen.
Auch der Hilfsantrag auf Feststellung, nicht in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegekasse versichert zu sein, sei unbegründet. Denn der Kläger sei nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVLG pflichtversichert. Sein Unternehmen erreiche die Mindestgröße für ein landwirtschaftliches Unternehmen von acht Hektar nach § 2 Abs. 1 Satz 1 KVLG i.V.m. § 1 Abs. 5 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) und dem entsprechenden Beschluss der Vertreterversammlung. Das Unternehmen des Klägers beruhe auf Bodenbewirtschaftung und überschreite diese Mindestgröße. Der Kläger übe die Tätigkeit auch selbstständig aus und sei Unternehmer nach § 2 Abs. 3 Satz 1 KVLG. Seine Mutter habe als alleinige gesetzliche Vertreterin für ihn als Minderjährigen das Unternehmen geführt, wie sich aus ihren schriftlichen Bekundungen und Aussagen vor Gericht ergebe. Eine der Ausnahmen von der Versicherungspflicht liege nicht vor. Es gebe keine anderweitige Versicherung nach § 3 KVLG. Auch eine Versicherungsfreiheit nach § 3 a KVLG i.V.m. § 6 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sei nicht gegeben Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB V seien zwar u. a. Beamte eines Landes versicherungsfrei, wenn sie nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf Beihilfe oder Heilfürsorge hätten. Dies gelte jedoch nur für die Beamtin selbst und nicht für deren Angehörige. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Versicherungspflicht bestünden nicht.
Gegen diese am 11. November 2019 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers vom 11. Dezember 2019.
Zur Berufungsbegründung führt der Kläger aus, bereits das Telefonat der Mutter des Klägers am 26. September 2016 stelle einen Befreiungsantrag dar. Die Mutter habe zum Ausdruck gebracht, eine Mitgliedschaft des Sohnes in der landwirtschaftlichen Krankenkasse nicht für notwendig zu erachten. Jedenfalls sei dem Kläger Wiedereinsetzung in die versäumte Frist des § 4 Abs. 2 Satz 1 KVLG zu gewähren. Verschulden setze mindestens bedingten Vorsatz voraus. Dem Kläger könne allenfalls Fahrlässigkeit vorgeworfen werden. Selbst bei Zugang des Begrüßungsschreibens am 24. September 2016 habe er die Unkenntnis der Rechtslage nicht rechtzeitig bis zum 26. September 2016 ausräumen können. Die erforderliche Fachkompetenz hierfür habe in der kurzen Zeit nicht eingeholt werden können. Aktuell prüfe die BKK V eine Pflichtmitgliedschaft bei ihr.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 28. Oktober 2019 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 21. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2017 zu verpflichten, ihn von der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung zu befreien,
hilfsweise festzustellen, dass er nicht bei der Beklagten pflichtversichert ist.
Die Vertreterin der Beklagten beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung. Ergänzend führt sie aus, in ihrem Hause würden über alle Telefonate Aktenvermerke geführt. Keinesfalls könne die entsprechende Mitarbeiterin, Frau F bereits um kurz nach 8 Uhr am 26. September 2016 ein Telefonat geführt haben, weil sie nachweislich erst um 8.42 Uhr das Dienstgebäude betreten habe. Da es sich bei § 4 Abs. 2 Satz 2 KVLG um eine Ausschlussfrist handele, sei eine Wiedereinsetzung nach § 27 Abs. 1 SGB X ausgeschlossen. Spätestens am Tag der Testamentseröffnung am 1. Juli 2016 habe Unternehmertätigkeit vorgelegen. Auf die subjektive Wahrnehmung der Unternehmereigenschaft könne nicht abgestellt werden. Maßgeblich sei das Tragen von Gewinn und Verlust. Eine Wiedereinsetzung komme jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn die Fristversäumung auf der Unkenntnis des Antragstellers beruhe.
Der Senat hat beim Landkreis Ostruppin-Prignitz nach Vorgängen für den landwirtschaftlichen Betrieb DK bzw. N K angefragt. Dessen Amt für Verbraucherschutz und Landwirtschaft hat mit Schreiben vom 13. Juni 2022 mitgeteilt, dass am 24. Oktober 2016 der Erbschein eingereicht worden sei. Am 8. November 2016 habe die Mutter des Klägers für diesen die Vergabe einer Betriebsnummer beantragt, welche am 15. November 2016 vergeben worden sei.
Auf die von den Beteiligten im Verwaltungsverfahren und vor Gericht eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen. Der Verwaltungsvorgang der Beklagten sowie der Vorgang der SVLFG – Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft – lagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist nicht der Beitragsbescheid vom 23. November 2016 und damit auch nicht etwaige weitere Beitragsbescheide. Die Berufung greift die erstinstanzliche Zurückweisung der Klage als insoweit unzulässig nicht an.
Der statthaften und zulässigen (§§ 143, 144,151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) Berufung muss überwiegend der Erfolg versagt bleiben.
Zu Recht hat das SG Klage im Hauptantrag abgewiesen.
Zwar ist diese insgesamt zulässig. Insbesondere ist die Klagefrist des § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG von einem Monat nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides nach § 87 Abs. 2 SGG eingehalten. Der Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2017 ist dem Kläger erst am 3. August 2017 zugegangen. Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben. Dies gilt nach § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB X jedoch nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Hier ist zweifelhaft, dass das Schreiben der Mutter als gesetzlicher Vertreterin des Klägers bereits am 30. Juli 2017, dem dritten Tag nach der von der Beklagten behaupteten Versendung am 27. Juli 2017, zugegangen ist. Diese Zweifel ergeben sich aus dem Umstand, dass der Bescheid aufgrund eines Nachsendeantrages an einen anderen Ort übermittelt wurde, was bereits zu Verzögerungen führen kann. Zudem verweist der Kläger zutreffend auf die allgemein langen Postlaufzeiten gerade bei den lokalen privaten Zustelldiensten. Einen Nachweis des Zeitpunkts des Zuganges hat die Beklagte nicht erbracht.
Die Klage ist im Hauptantrag jedoch unbegründet.
Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 21. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2017 stellt sich im Ergebnis als rechtmäßig dar und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch, nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. Zweites Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG) von der Pflichtversicherung aufgrund § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVLG befreit zu werden.
Der Senat teilt zunächst die Auffassung der Beklagten und des SG, dass der Kläger als Unternehmer der Landwirtschaft ein Unternehmen betreibt, das auf Bodenbewirtschaftung beruht und die Mindestgröße nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVLG erreicht, in der landwirtschaftliche Unternehmer in der Krankenversicherung der Landwirte versicherungspflichtig sind.
Auf Antrag wird von dieser Versicherungspflicht befreit, wer durch seine Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer versicherungspflichtig wird, wenn der Wirtschaftswert seines landwirtschaftlichen Unternehmens 60.000 Deutsche Mark übersteigt. Der Antrag ist nach § 4 Abs. 2 Satz 1 und 4 KVLG innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht zu stellen.
Der Senat geht wie bereits das SG weiter davon aus, dass der Flächenwert von 60.000 DM überschritten ist. Auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Urteil wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen. Der (zwischen den Beteiligten unstreitige) korrigierte Flächenwert betrug 71.066 € (= 128.090DM). Die Berechnungen der Beklagten im Bescheid vom 23. November 2016 sind nicht angegriffen worden. Fehler sind nicht ersichtlich.
Der Befreiungsantrag ist nach § 4 Abs. 2 Satz 1 KVLG nur möglich, wenn er innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht gestellt wird. Diese Frist ist hier entgegen der Auffassung der Beklagten und des SG eingehalten. Der Befreiungsantrag vom 28. Oktober 2016 ist rechtzeitig innerhalb von drei Monaten gestellt worden.
Das am 28. Oktober 2016 eingegangene Schreiben der Mutter des Klägers für diesen vom 25. Oktober 2016 enthält einen ausdrücklichen Befreiungsantrag. Aus der maßgeblichen objektivierten Empfängersicht enthält er keine unzulässige Bedingung einer nur vorübergehenden Befreiung bis Schule und Berufsausbildung abgeschlossen seien. Der Satz „Da es in der SVLG die Möglichkeit gibt (,) sich als Schüler und Student von der Versicherungspflicht befreien zu lassen, beantrage ich hiermit die Befreiung von der Versicherungspflicht in der SVLG für meinen Sohn bis er die Schule und eine Berufsausbildung abgeschlossen hat“ stellt sich (nur) als Bezugnahme auf einen unzutreffenden Befreiungstatbestand dar, nicht hingegen als Antrag auf nur vorübergehende Befreiung, solange der Kläger noch Schüler oder Auszubildender sei. Auch die Beklagte hat den Befreiungsantrag als unbedingt angesehen und in der Sache beschieden. Die Mutter des Klägers hat im Übrigen mit Faxschreiben vom 19. Dezember 2016, eingegangen am 20. Dezember 2016, nochmals einen – nunmehr – allgemeinen Antrag auf Befreiung gestellt und ausdrücklich klargestellt, dass bereits die früheren Schreiben so auszulegen gewesen seien.
Ausgehend hiervon ist der Antrag bei einem Beginn der Unternehmereigenschaft (erst) ab 28. Juli 2016 fristwahrend erfolgt:
Nach § 22 Abs. 1 KVLG ist für den Beginn der Mitgliedschaft der Tag der Aufnahme der Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer maßgeblich. Hierfür istim vorliegenden Fall der Ablauf der gesetzlichen Frist zur Ausschlagung des Erbes nach § 1944 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) anzusetzen. Die Ausschlagungsfrist beträgt sechs Wochen und beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grund der Berufung Kenntnis erlangt (§ 1944 Abs. 2 S. 1 BGB), nicht jedoch vor Bekanntgabe der Verfügung von Todes wegen durch das Nachlassgericht, wenn - wie hier - der Erbe durch Verfügung von Todes wegen berufen ist (§ 1944 Abs. 2 S. 2 BGB).
Die Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung tritt mit dem Vorliegen ihrer Voraussetzungen kraft Gesetzes ein, ohne dass es hierzu eines feststellenden Verwaltungsakts oder der Kenntniserlangung des Versicherten hiervon bedarf (BSG, Urteil vom 9. November 2011 – B 12 KR 21/09 R – juris Rn. 17 mit weiteren Nachweisen). Dies verdeutlicht gerade § 22 Abs. 1 Nr. 1 KVLG, der für den Beginn der Mitgliedschaft allein an den Tag der Aufnahme der Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer anknüpft, während die Mitgliedschaft der nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 und 5 KVLG 1989 Versicherungspflichtigen erst mit deren Aufnahme in das Mitgliederverzeichnis beginnt.
Maßgeblich ist aber nicht die bloße Universalsukzession, sondern ein tatsächliches Handeln. Mit dem Tod eines Landwirts geht zwar dessen Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf den oder die Erben über, § 1922 BGB. Hiervon zu trennen ist aber die unternehmerische Tätigkeit. Wer die Rechte an einem Unternehmen erbt, ist nicht automatisch selbst Unternehmer.
So beginnt im Steuerrecht nach Nr. 19 der Umsatzsteuer-Richtlinien die Unternehmereigenschaft (im Sinne von § 2 Umsatzsteuergesetz) (erst) mit dem ersten nach außen erkennbaren, auf eine Unternehmertätigkeit gerichteten Tätigwerden, wenn die spätere Ausführung entgeltlicher Leistungen beabsichtigt ist (Verwendungsabsicht) und die Ernsthaftigkeit dieser Absicht durch objektive Merkmale nachgewiesen oder glaubhaft gemacht wird (Nr. 19 Abs. 1 Satz 1 Umsatzsteuer-Richtlinien). Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung der Landwirtschaft ist das Ende der Mitgliedschaft nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 KVLG 1989 gleichlaufend wie der Beginn nur an die (faktische) Aufgabe der Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer gekoppelt (vgl. BSG, Urteil vom 27. August 1998 – B 10 KR 5/97 R –, BSGE 82, 283-295, juris Rn. 26). Die Aufgabe der Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des § 24 Abs. 1 Nr. 2 KVLG ist unmittelbar keine Willenserklärung, sondern eine sogenannte Rechts- oder Tathandlung (Realakt). Realakte sind auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtete Willensbetätigungen, die kraft Gesetzes eine Rechtsfolge hervorbringen, ohne Rücksicht darauf, ob sie von dem Handelnden gewollt ist oder nicht (BSG, Urteil vom 27. August 1998, a.a.O. Rn. 28).
Entsprechendes muss spiegelbildlich deshalb auch für den Beginn der Unternehmertätigkeit gelten. Hiervon ist bereits zutreffend das SG ausgegangen. Ein entsprechendes tatsächliches Handeln, das einen haftungsbegründeten Rechtschein erzeugen kann, dass das landwirtschaftliche Unternehmen des Verstorbenen nicht mehr nur abgewickelt bzw. treuhänderisch verwaltet wird, sondern nunmehr ein neuer Unternehmer tätig wird, stellt hier aber erst das Verstreichenlassen der Frist zur Erbausschlagung dar. Mit Ablauf der Erbausschlagungsfrist als Zäsur hat sich manifestiert, dass der landwirtschaftliche Betrieb nicht mehr treuhänderisch betrieben wird, sondern nunmehr vom bzw. für den Kläger. Die Frist zur Erbausschlagung lief hier am 12. August 2016 ab, da das Testament am 1. Juli 2016 eröffnet worden ist.
Ein zeitlich vor dem 12. August 2016 stattgefundenes hinreichend als Willensbetätigung feststellbares reales Handeln, aus welchem sich bereits die unternehmerische Tätigkeit des Klägers zeigen könnte, gibt es nicht. Weder das Auffinden des Testaments noch die Testamentseröffnung am 1. Juli 2016 sind geeignet, die bis dahin bereits begonnen Nothilfemaßnahmen zur Fortführung des landwirtschaftlichen Betriebes mit Viehhaltung von den nachfolgenden als solchen für den Kläger als Erben abzugrenzen. Die Mutter des Klägers hat als Zeugin glaubhaft und glaubwürdig sowie nachvollziehbar vorgetragen, dass der landwirtschaftliche Betrieb ihres verstorbenen Cousins habe weiterlaufen müssen. Deshalb hätten ihr Bruder und sie zusammen mit dem Angestellten und weiteren Freunden den Betrieb unterstützt. So seien z. B. Rechnungen bezahlt und die 140 Kühe versorgt worden. Außer ihnen hätte sich im Ort niemand sich um den Betrieb kümmern können. Sie hat ausgeführt, als Nothelfer den Betrieb in jedem Falle erst einmal weitergeführt zu haben, auch beispielsweise für den Fall, dass der leibliche Sohn des Verstorbenen im Testament als Erbe bestimmt worden wäre. Dass die Mutter bereits als Vertreterin ihres Sohnes gehandelt hat, ist deshalb nicht feststellbar. Dies zeigt sich auch nicht etwa dadurch, dass sie dabei unter anderem Buchhaltungsarbeiten vorgenommen hat. Damit manifestiert sich keine Unternehmertätigkeit für den Kläger. Der Kläger ist auch nicht bereits vor dem 13. August 2016 der zuständigen Landwirtschaftsbehörde gegenüber als Unternehmer aufgetreten, obgleich für einen landwirtschaftlichen Betrieb der Erhalt von Subventionen ganz wesentlich ist.
Der Kläger war deshalb erst ab 13. August 2016 landwirtschaftlicher Unternehmer und hatte demnach bis (Montag, den) 14. November 2016 Zeit, den Befreiungsantrag zu stellen.
Allerdings setzt die Befreiung nach § 4 Abs. 2 S. 4 KVLG (in der seit 1. August 2013 geltenden Fassung; ebenso der gleichzeitig eingeführte § 8 Abs. 2 S. 4 SGB V für die allgemeine Befreiungsvorschrift des § 8 Abs. 1 SGB V) den „Nachweis“ eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall voraus. Nach dem Gesetz steht die Befreiung also nicht (nur) unter der Bedingung, dass eine anderweitige Versicherung besteht bzw. bestehen wird. Der Erlass des Befreiungsbescheides ist vielmehr an den Nachweis des anderweitigen Krankenversicherungsschutzes gekoppelt:
Für § 8 SGB V entspricht es der soweit ersichtlich allgemeinen Auffassung, dass der Gesetzgeber im Sinne einer echten Befreiungsvoraussetzung davon ausgeht, dass eine Entscheidung der Krankenkasse über die Befreiung erst ergeht, wenn ein anderweitiger Krankenversicherungsschutz nachgewiesen ist. „Kann eine Person, die einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht stellt, eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall nicht nachweisen, wird die Befreiung nicht wirksam, sodass der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung bestehen bleibt. Weist die Person hingegen beispielsweise eine bestehende Absicherung in der privaten Krankenversicherung nach, ist die Befreiung auszusprechen. Ein lückenloser Versicherungsschutz ist damit gewährleistet und Beitragsrückstände wegen einer verspätet festgestellten Versicherung entstehen nicht“ (BT-Drs. 17/13947, S. 26f; vgl. Hampel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 8 SGB V [Stand: 15.06.2020], Rn. 127). Für die gleichzeitig eingeführte inhaltlich identische Regelung in § 4 Abs. 2 S. 1 und 4 KVLG kann nichts Anderes gelten.
Eine solche Absicherung bestand vorliegend lediglich bis zum 30. November 2016, seither und derzeit aber nicht. Es fehlt bis heute an einem entsprechenden Nachweis, obwohl bereits das SG in der Begründung der Klageabweisung unter anderem auf diese Befreiungs-Tatbestandsvoraussetzung abgestellt hat und auch der Senat entsprechende Hinweise erteilt hat.
Die frühere private Resttarif-Versicherung der Mutter des Klägers für diesen zur Abdeckung des nicht durch die Beihilfe gedeckten Teils, ist seit langem gekündigt. Dass der Kläger (oder möglicherweise nur seine Mutter für ihn), wie von ihm vorgetragen, eine sogenannte kleine Anwartschaft bei der D innehat, reicht für die Annahme einer Krankenvollversicherung nicht aus. Eine solche Anwartschaft entbindet nach Maßgabe der Versicherungsbedingungen des Versicherungsvertrages bei einem neuen Abschluss nur von der Notwendigkeit einer erneuten Gesundheitsprüfung mit entsprechende Neueinstufung der Risiken.
Einer aktuellen Pflichtversicherung, welche die BKK V derzeit prüft, als abhängig Beschäftigter nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V steht § 5 Abs. 5 SGB V (hauptberufliche Selbstständigkeit) entgegen. Nach Satz 2 1. Halbsatz dieses Absatzes des § 5 SGB V wird eine hauptberufliche Selbstständigkeit vermutet, wenn – wie hier - der Unternehmer einen Arbeitnehmer nicht nur geringfügig beschäftigt.
Einer Befreiung steht zudem § 4 Abs. 2 Satz 3 KVLG entgegen, wonach diese ausgeschlossen ist, wenn bereits Leistungen nach diesem Gesetz in Anspruch genommen worden sind. Der Kläger hatte im Dezember 2016 rückwirkend auf Leistungen bis zum 30. November 20176 verzichtet. Allerdings sind nunmehr unstreitig Leistungen über rund 1.750,-- € in Anspruch genommen worden.
Der Hilfsantrag hat hingegen teilweise Erfolg. Die Pflichtversicherung in der KVLG ist nach § 22 Abs.1 KVLG erst ab 13. August 2016 erfolgt.
Andere Befreiungsmöglichkeiten bestanden und bestehen allerdings nicht. Auf die zutreffenden Ausführungen des SG hierzu wird Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG zugelassen.