L 2 SO 3659/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SO 410/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 3659/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Zu den konkreten Voraussetzungen, wann ein Wohnrecht keinen wirtschaftlichen Wert mehr hat, der im Rahmen einer Bedürftigkeitsprüfung bei Hilfe zur Pflege noch zu berücksichtigen wäre.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren zu erstatten.

 


Tatbestand

Zwischen den Beteiligten steht die Gewährung von Hilfe zur Pflege im Zusammenhang mit ungedeckten Heimkosten im Streit.

Der im Januar 1924 geborene und im März 2021 verstorbene Vater der Klägerin, K1 (im Folgenden K1) schenkte der Klägerin im September 2006 sein von ihm damals bewohntes Hausgrundstück (Doppelhaushälfte mit 300 Quadratmeter Grundstück und 165 Quadratmeter Wohnfläche) mit der Auflage, ihm ein Wohnrecht darin einzuräumen. Vertraglich war darin geregelt, dass eine Überlassung des Wohnrechts an Dritte und die Umwandlung in einen Zahlungsanspruch, wenn es nicht mehr ausgeübt werden könne, ausgeschlossen seien und der Eigentümer mit Ausnahme für Schönheits- und Kleinreparaturen für die Instandhaltung des Hausgrundstückes zuständig sei.  Das Wohnrecht war in das Grundbuch eingetragen worden.

Seit September 2015 wurde K1, bei dem inzwischen Pflegegrad IV festgestellt war, stationär gepflegt. Ab Juli 2016 fand eine Vermietung des Hausgrundstückes zunächst bis März 2018 (Nettokaltmiete 890,00 €) statt. Ab Ende 2017 erfolgte eine Renovierung des Dachs, für die die Klägerin ein Darlehen in Höhe von rund 50.000,00 € aufnehmen musste (die monatliche Belastung durch das Darlehen betrug 471,38 € - Tilgung + Zinsen -). Nachdem das Haus ab März/April 2018 (die Mieter waren bei Weiterzahlung der Miete schon vorher ausgezogen) vorübergehend leer stand, erfolgte ab August 2018 bis Juli 2020 eine erneute Vermietung (Nettokaltmiete 920,00 €). Nach Auszug des letzten Mieters wurde das Wohnrecht Juli/August 2020 gelöscht. In der Zwischenzeit wurde das Haus von der Klägerin verkauft.

Soweit die Heimkosten nicht durch die Rente und Leistungen der Pflegeversicherung gedeckt waren, bestritt K1 bis Dezember 2016 diese ungedeckten Heimkosten aus angelegtem Geldvermögen. Nachdem dieses bis auf den Schonbetrag (5.000 €) aufgebraucht war, übernahm die Klägerin ab Januar 2017 die ungedeckten Heimkosten in Höhe von ca. 400,00 bis 650,00 € monatlich aus den Mieteinnahmen.

Am 26. September 2019 beantragte der durch die Klägerin vertretene K1 beim Beklagten die Übernahme der ungedeckten Heimkosten. Die Klägerin wies darauf hin, nicht mehr in der Lage zu sein, diese Kosten zu übernehmen.

Mit Bescheid vom 17. Dezember 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2020 lehnte der Beklagte die Gewährung von Hilfe zur Pflege ab. Zur Begründung verwies der Beklagte darauf, dass nach Abzug der Rente und der Pflegeversicherungsleistungen monatlich rund 681,00 € an ungedeckten Heimkosten anfallen würden. Dieser Betrag sei aus der Vermietung des Hausgrundstücks zu bestreiten. Zwar sei die Überlassung des Hausgrundstücks an Dritte und die Umwandlung des Wohnrechts in einen Zahlungsanspruch vertraglich ausgeschlossen worden. Jedoch sei das Haus dennoch vermietet worden. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin die Vermietung entgegen dem Schenkungsvertrag konkludent gestattet habe.  Daher stünden die Mieteinnahmen dem K1 zu, wie es auch in der Vergangenheit praktiziert worden sei. Von der Miete sei die Darlehensrate für den Renovierungskredit nicht abzuziehen (bei Abzug verbliebe ein ungedeckter Bedarf von rund 232,00 €), da die Klägerin nach dem Schenkungsvertrag für die Renovierung verantwortlich gewesen sei. Zur Stützung seiner Entscheidung verwies der Beklagte auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 19. Januar 2007 (Az. V ZR 163/06 in juris).

Hiergegen hatte K1 am 26. Februar 2020 beim Sozialgericht (SG) Reutlingen Klage erhoben. Zur Begründung hatte er vorgetragen, er könne das Wohnrecht nicht mehr ausüben. Damit sei es erloschen. Das Wohnrecht habe sich nicht in einen Zahlungsanspruch umgewandelt. K1 hatte hierzu auf das Urteil des BGH vom 13. Juli 2012 (Az. V ZR 206/11 in juris) verwiesen. Die Zahlungen bis September 2019 seien nur als Notfalldarlehen erfolgt. Wegen gestiegener Heimkosten sei dies nicht mehr möglich gewesen. Die Löschung des Wohnrechts sei ohne Ausgleichszahlung erfolgt, da kein Rechtsanspruch mehr bestanden habe.
Der Beklagte trat der Klage entgegen und hielt an seiner Auffassung fest. Zu der erst im Laufe des Gerichtsverfahrens vorgenommenen Löschung des Wohnrechts hat er ergänzend vorgetragen, dieses sei nur gegen eine Ausgleichszahlung möglich. Ansonsten liege eine Schenkung vor. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat der Beklagte dargelegt, dass das Wohnrecht zum Zeitpunkt der Löschung rund 25.000,00 € wert gewesen sei und insoweit von einem Schenkungsrückforderungsanspruch auszugehen sei.

Mit Urteil vom 28. Oktober 2020 hat das SG der Klage stattgegeben, den Bescheid des Beklagten vom 17. Dezember 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Februar 2020 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, Hilfe zur Pflege für die Zeit vom September 2019 bis Juli 2020 unter Anrechnung der Nettokaltmiete abzüglich der Darlehensrate und ab August 2020 ohne Anrechnung von Einkommen oder Ausgleichszahlungen wegen des Wohnrechts bzw. der Löschung zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Das SG hat hierbei die Auffassung vertreten, zunächst sei zwischen den Beteiligten unstreitig und stehe auch zur Überzeugung des SG fest, dass K1 als Pflegebedürftiger zum leistungsberechtigten Personenkreis gemäß § 61 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) gehöre. Auch sei unstreitig, dass K1 zur Deckung der Heimkosten gemäß den §§ 19 Abs. 3, 82 SGB XII zunächst einmal seine Rente und die Leistungen der Pflegeversicherung einzusetzen habe und danach ein ungedeckter Bedarf verbleibe.
Hinsichtlich der allein umstrittenen Frage, ob dem Kläger aus dem ihm von seiner Tochter eingeräumten Wohnrecht ein Einkommen anzurechnen sei, sei das SG zu der Überzeugung gelangt, dass für die Zeit  ab Antragstellung im September 2019 bis zum letzten Monat des Mietverhältnisses im Juli 2020 eine Einkommensanrechnung in Höhe der Nettomiete abzüglich der Darlehensrate für den Renovierungskredit vorzunehmen sei, während für die Zeit ab August 2020 keine Einkommensanrechnung aus dem Wohnrecht bzw. dessen Löschung mehr in Betracht komme.
Die maßgeblichen Rechtsgrundlagen fänden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Beim Wohnungsrecht handele es sich um eine persönliche Dienstbarkeit im Sinne von § 1093 BGB. Gemäß § 1092 Abs. 1 BGB sei die persönliche Dienstbarkeit generell nicht übertragbar (Satz 1). Sie könne jedoch einem anderen überlassen werden, wenn diese Überlassung gestattet sei (Satz 2).
Auf den ersten Blick scheine der Umstand, dass im Schenkungsvertrag die Überlassung des Wohnrechts an einen Dritten und die Umwandlung des Wohnrechts in einen Zahlungsanspruch ausdrücklich ausgeschlossen worden seien, eindeutig in dem Sinne, dass eine Einkommensanrechnung des K1 nach dessen Wechsel in das Pflegeheim nicht mehr in Betracht komme. Im Spannungsverhältnis dazu stehe freilich, dass die Klägerin vor September 2019 trotz der scheinbar eindeutigen vertraglichen Regelungen die ungedeckten Heimkosten aus der Vermietung des Hausgrundstücks des K1 freiwillig finanzierte. Dieses Spannungsverhältnis beurteile das SG unter Beachtung der Rechtsprechung des BGH in den von den Beteiligten angesprochenen Urteilen vom 19. Januar 2007 und 13. Juli 2020. Unter Beachtung dieser Urteile sei zunächst festzuhalten, dass das beim K1 bestehende dauernde Ausübungshindernis nicht zum Erlöschen des Wohnrechts geführt habe (mit Hinweis auf juris Rn. 13 im Urteil vom 19. Januar 2007 und juris Rn. 5 im Urteil vom 13. Juli 2012). Im Übrigen würden die beiden Urteile des BGH zunächst widersprüchlich erscheinen. Während im Urteil aus dem Jahr 2007 von der Umwandlung eines Wohnrechts in einen Zahlungsanspruch ausgegangen worden sei, sei selbiges im Urteil vom Jahr 2012 gerade verneint worden. Diese unterschiedlichen Ergebnisse würden jedoch bei genauerer Betrachtung aufgrund unterschiedlicher Sachverhaltsgestaltungen nachvollziehbar begründet. Im Urteil aus dem Jahr 2007 sei als Hauptargument für eine Umwandlung in einen Zahlungsanspruch angeführt, dass eine einvernehmliche Fremdvermietung vorgenommen worden sei und damit der ursprüngliche Vertrag, der eine Überlassung an Dritte ausgeschlossen habe, angepasst worden sei (mit Hinweis auf Rn. 3 und Rn. 18). Als Nebenargument sei noch angeführt worden, dass die Wohnrechtsberechtigte ansonsten auf Sozialhilfeleistungen angewiesen wäre (Rn. 23). Hingegen habe der BGH im Urteil aus dem Jahr 2012 keine Anhaltspunkte für die Annahme einer Vertragsanpassung gefunden, zumal die dortige letzte Eigentümerin nicht einmal die Vertragspartnerin der Wohnrechtsbestellung gewesen sei (Rn. 2 und 7). Als Nebenargument sei ergänzt worden, dass die Wohnrechtsberechtigte ausreichend Einkommen und Vermögen gehabt habe, um die Pflegekosten auch ohne Umwandlung des Wohnrechts in einen Zahlungsanspruch vollständig zu decken (Rn. 15).
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien sei das SG zu der Überzeugung gelangt, dass die Übernahme der Heimkosten durch die Klägerin bis August 2019 nicht in Form eines Notfalldarlehens erfolgt sei. Gegen ein Darlehen spreche bereits, dass nicht vorgetragen worden oder ersichtlich sei, dass die Klägerin irgendwelche Rückzahlungsansprüche gegen den K1 geltend mache. Vielmehr spreche die tatsächliche Kostenübernahme durch die Klägerin dafür, dass zwischen K1 und ihr Einverständnis dahingehend bestand, dass die ungedeckten Heimkosten aus den aus der Vermietung des Hausgrundstücks erzielten Einnahmen zu bestreiten seien. Hierauf sei K1 zur Vermeidung von Sozialhilfebedürftigkeit zuletzt auch angewiesen gewesen. Es sei nicht überzeugend, dass dieses Einverständnis zum September 2019 plötzlich weggebrochen sein sollte. Die Mieteinnahmen seien damals wie zuvor weiter geflossen und auch hinsichtlich der Darlehensbelastung habe sich nichts geändert.
Die folglich vom SG zugrunde gelegte Anpassung des Schenkungsvertrages aus dem Jahr 2006 sei jedoch dahingehend zu begrenzen, dass die Darlehensbelastung der Klägerin von der Miete abzuziehen sei. Dies obwohl die Klägerin bis August 2019 die Heimkosten finanziert habe, die die Miete unter Abzug der Darlehensrate wohl teilweise überstiegen hätten. Für den Abzug der Darlehensrate spreche, dass dies einen angemessenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen darstelle. Zwar sei im Schenkungsvertrag klar geregelt, dass Renovierungskosten, wie die hier vorgenommene Dachsanierung, zu Lasten der Eigentümerin, also der Klägerin gehen würden. Doch auch insoweit sei von einer Vertragsanpassung auszugehen. Denn es überzeuge nicht, dass nur dem Kläger Vorteile aus der Vertragsanpassung in Form der Kommerzialisierung seines Wohnrechts durch Vermietung eingeräumt würden. Auch die Interessen der Klägerin seien zu berücksichtigen. Die zugrunde gelegte Gestattung der Klägerin zur Überlassung der Dienstbarkeit an einen Dritten relativiere ihre Verpflichtung zur Tragung der Renovierungskosten. Es würde sich um eine unbillig einseitige Vertragsanpassung handeln, wenn dem K1 die volle Miete zugeordnet würde und die Klägerin ohne Ausgleich Renovierungskosten tragen müsse, die einer fremden Person (dem Mieter) zugutekämen. Somit könne die Gestattung der Überlassung des Wohnrechts an einen Dritten nur insoweit zugunsten des K1 und mittelbar des Beklagten ausgelegt werden, als die Klägerin nach Abzug der Darlehensrate noch Nettoeinkünfte aus der Miete habe.
Selbstverständlich könnten Nettoeinkünfte aus der Miete nur so lange angerechnet werden, wie diese tatsächlich vorgelegen hätten, also bis Juli 2020.
Entgegen der Auffassung des Beklagten sehe das SG in der im Jahr 2020 erfolgten Löschung des Wohnrechts keine Schenkung, die mit einem Rückforderungsanspruch des K1 verbunden wäre. So sei das SG bereits nicht davon überzeugt, dass die Löschung des Wohnrechts eine Schenkung darstelle. Selbst wenn eine Schenkung vorliegen würde, sei diese nicht mit einer Bereicherung der Klägerin verbunden gewesen.
Gegen eine Schenkung spreche, dass die Klägerin bis August 2019 die ungedeckten Heimkosten in vollem Umfang übernommen habe. Hinsichtlich der Nettokaltmiete abzüglich der Darlehensraten habe dies zwar – wie oben dargelegt – ihrer Schuldigkeit entsprochen. Es spreche jedoch vieles dafür, dass die Nettokaltmiete abzüglich der Darlehensrate schon vor September 2019 nicht mehr zur Deckung der offenen Heimkosten ausgereicht habe. Insoweit sei die Löschung des Wohnrechts als Gegenleistung für die bis August 2019 anteilig überobligatorisch von der Klägerin übernommenen Heimkosten zu sehen.
Im Übrigen gehe das SG entgegen der Berechnungen des Beklagten davon aus, dass dem Wohnrecht zum Zeitpunkt der Löschung kein wirtschaftlicher Wert zuzuordnen gewesen sei. Hierbei berücksichtige das SG den Umstand, dass die Vermietung die damit verbundene Zurverfügungstellung von Einkommen des K1 von der Klägerin organisiert worden sei, genauso wie die Dachrenovierung. Hinzu komme das fortgeschrittene Alter des mittlerweile 96-jährigen K1. Auch wenn sich selbst bei einem 96-Jährigen nach der Sterbetafel noch eine Restlebenserwartung ergebe und die Wohnung bis zuletzt vermietet gewesen sei, halte es das SG in diesem Fall nicht für gerechtfertigt, die üblichen Berechnungsmethoden zum Wert des Wohnrechts anzunehmen. Das von der Beklagten dargelegte Ergebnis von rund 25.000,00 € stehe in keinem schlüssigen Verhältnis zum voraussichtlichen Wert des Grundstücks und zur Bedeutung eines schon lange nicht mehr ausübbaren Wohnrechts eines 96-Jährigen.

Der Beklagte hat gegen das ihr mit Empfangsbekenntnis am 12. November 2020 zugestellte Urteil am 18. November 2020 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung führt der Beklagte aus, dem SG werde zwar hinsichtlich des Umstandes, dass durch den Umzug ins Pflegeheim das Wohnrecht nicht automatisch zum Erlöschen komme, zugestimmt. Auch sei es richtig, dass es sich bei den von der Klägerin geleisteten Zahlungen nicht um ein Notfalldarlehen handele, sondern der Schenkungsvertrag dergestalt angepasst worden sei, dass die Vermietung nun doch gestattet sei und die Einnahmen daher dem Vater der Klägerin zustünden, und zwar in voller Höhe, mindestens jedoch in der Höhe, wie sie zur Deckung der Heimkosten benötigt würden.
Im angefochtenen Urteil des SG werde jedoch fälschlicherweise davon ausgegangen, dass die Kosten zur Tilgung des Darlehens der Klägerin, welches zur Dachsanierung aufgenommen worden sei, von diesen Mieteinnahmen in Abzug zu bringen seien, da es nicht nachvollziehbar sei, dass der Vater der Klägerin bzw. die Klägerin nur Vorteile daraus ziehen solle, hier läge sonst Unbilligkeit vor. Es werde hierbei verkannt, dass durch die Dachsanierung die Immobilie eine deutliche Wertsteigerung erfahren habe und durch die Berücksichtigung der Darlehensraten hier eine Finanzierung durch die Allgemeinheit zur Mehrung des Vermögens der Klägerin ermöglicht werde. So scheide eine Finanzierung einer Vermögensmehrung auch bei einem vom Leistungsbezieher selbst bewohnten Haus nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bereits aus. Eine Finanzierung der Vermögensmehrung eines Dritten sei daher in keiner Weise angezeigt. Auch liege hier keine Unbilligkeit vor, da nicht verkannt werden dürfe, dass die Klägerin bereits die Immobilie als Schenkung erhalten habe, folglich also ohne Gegenleistung.
Es sei auch rechtsfehlerhaft, davon auszugehen, dass die Löschung des Wohnrechts nicht als Schenkung anzusehen sei und im Übrigen hier keine Bereicherung der Klägerin vorliege. Die Löschung des Wohnrechts sei ohne Gegenleistung erfolgt, obwohl hier – auch bei einem 96-jährigen Mann – noch ein Wert dieses Wohnrechts gegeben sei. Hinsichtlich der rechtlichen Bemessungsgrundsätze bei der Bewertung des lebenslänglichen Wohnrechts, von dessen Gewährung die Klägerin durch die unentgeltlich erlangte Löschungsbewilligung befreit worden sei, gehe die Rechtsprechung des BGH davon aus, dass der Wert der Bereicherung nicht im Wert des Wohnrechts für den Wohnberechtigten als solchen, sondern nur in der Erhöhung des Verkehrswertes des Grundstücks bei Wegfall des Wohnrechtes liege, da nur der sich hieraus ergebende Wertzuwachs dem Beschenkten zugutekomme (mit einem Hinweis auf OLG Koblenz,  Urteil vom 24. August 2020 – 12 U 552/18 – juris; BGH Urteil vom 17. April 2018 – X ZR 65/17 -,BGHZ 218, 227 bis 235). Vorliegend habe der Vater der Klägerin das Wohnrecht am gesamten Hausgrundstück innegehabt, mithin an einem Grundstück von 300 Quadratmeter und einer Wohnfläche von 165 Quadratmeter. Mit der Belastung des Hausgrundstückes durch das Wohnrecht sei dieses praktisch unverkäuflich. Ein Verkauf des Hauses habe aber nach den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem SG erfolgen sollen, sodass dieser tatsächlich erst durch die Löschung des Wohnrechtes erfolgen könne. Somit liege hier durchaus eine offensichtliche Bereicherung der Klägerin vor. Auch sei dem Wohnrecht trotz des hohen Alters des Vaters der Klägerin ein wirtschaftlicher Wert zuzuordnen. Warum hier nicht die üblichen Berechnungsmethoden angewendet werden könnten, sei im Urteil – außer mit dem Alter – nicht weitergehend begründet worden und überzeuge nicht. Auch die Organisation der Vermietung sowie die Dachsanierung durch die Klägerin spiele hierfür keine Rolle. Die Dachsanierung und die damit verbundene Wertsteigerung der Immobilie komme allein der Klägerin und nicht ihrem Vater zugute. Zwar sei es richtig, dass die Organisation der Vermietung und die damit erzielten Einnahmen dem Vater der Klägerin zugute gekommen seien, dies habe aber keinen Einfluss auf den Restwert des Wohnrechts. Das Wohnrecht selbst berechne sich nach den üblichen Berechnungsmethoden, die hier durchaus zur Anwendung kommen müssten, wie folgt: Kaltmiete pro Jahr x Restlebenserwartung x Abzinsungsfaktor. Bis einschließlich Juli 2020 sei durch die Vermietung der Immobilie eine Kaltmiete in Höhe von 920,00 € erzielt worden, was somit zugrunde gelegt werden könne. Im Jahr werde so eine Kaltmiete in Höhe von 11.040,00 € erzielt. Nach der Tabelle des Statistischen Bundesamtes habe der Vater der Klägerin zum Zeitpunkt der Löschung des Wohnrechts noch eine Restlebenserwartung von 2,45 Jahren. Lege man im Rahmen des Abzinsungsfaktors einen Zinswert von 1% zugrunde, errechne sich als Abzinsungsfaktor der Wert 0,98. Somit ergebe sich hier ein Wert des Wohnrechts in Höhe von 25.316,93 €.
Damit liege hier durch die unentgeltliche Löschung des Wohnrechts eine Schenkung nach § 516 BGB in Höhe von mindestens 25.316,93 € vor, welche nach § 528 BGB vom Vater der Klägerin zurückzufordern sei, da er unstreitig mit seinem Einkommen nicht dazu in der Lage sei, seinen Unterhalt, namentlich die vollständigen Kosten für die Unterbringung im Pflegeheim, zu decken.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. Oktober 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Ergänzend führt der Klägerbevollmächtigte noch aus, dass entgegen der Auffassung des Beklagten das Wohnrecht erloschen  sei, die zivilvertragliche (und notariell beurkundete) Regelung sei  rechtsgültig und nicht sitten- oder sozialrechtswidrig.
Daher gebe es auch keinerlei Umwandlung in einen Zahlungsanspruch oder Ähnliches. Durch die Löschung des Wohnrechts, welche in der Konsequenz vertraglich so vorgesehen sei, ergebe sich auch keine Bereicherungssituation oder ein geldwerter Vorteil. Die Schenkung sei längst vor Ablauf der Zehnjahresfrist erfolgt, sodass auch hier keine rechtlichen oder sonstigen Konsequenzen erfolgen könnten.
Das Haus sei 1956 gebaut worden, es habe bisher keinerlei Sanierungsmaßnahmen gegeben. Deswegen seien die eingeleiteten Maßnahmen zum Erhalt des Objekts notwendig geworden, ohne dass damit eine irgendwie geartete Wertsteigerung zugunsten der Klägerin entstanden sei, die nun „abschöpfbar“ wäre. Entgegen der Auffassung des Beklagten liege hier keine unentgeltliche Löschung des Wohnrechtes vor, welches eine Schenkung darstellen könne. Das Wohnrecht sei erloschen, sonstige finanzielle Ansprüche des Vaters der Klägerin gebe es nicht. Daher lasse sich auch nichts überleiten oder geltend machen.
Ferner verweist der Klägerbevollmächtigte nochmals auf den Schenkungsvertrag und dort die Regelung in § 3 Ziff. 1 zum Wohnungsrecht 2. Absatz. Danach könne die Ausübung des Wohnrechts an dritte Personen nicht überlassen werden. Sollte der Berechtigte das Wohnungsrecht nicht mehr ausüben können oder wollen, so wandele sich das Recht ausdrücklich nicht in einen Zahlungsanspruch um. Hieraus sei zu entnehmen, dass nach der Aufnahme des verstorbenen Vaters der Klägerin in das Pflegeheim auf Dauer das Wohnungsrecht nicht mehr habe ausgeübt werden können. Weiterhin sei der Wille des Vaters der Klägerin auszulegen. Auch hierzu habe die Klägerin im Erörterungstermin Erläuterungen abgegeben. Hieraus sei zu schließen, dass für den Fall, dass er das Wohnungsrecht nicht nutzen könne, dieses schlichtweg entfalle, da hieraus auch keine Fruchtziehung erfolgen sollte, also auch keine Zahlungsansprüche aus Vermietung geltend gemacht werden sollten. Dies sei der Wille des Schenkers und Inhaber des Wohnungsrechts gewesen.
Daher sei jegliche Leistung der Klägerin an ihren Vater überobligatorisch gewesen. Die Vermietung der Wohnung sei erfolgt, weil es sich um Eigentum der Klägerin handele. Ihr stünden daher die Erträge, also der Mietzins, auch zu. Nur weil das beklagte Sozialamt keine Leistungen gewährt habe, habe die Klägerin die Deckungslücke in Form eines Notdarlehens gewährt. Die Mieterlöse stünden daher mangels anderweitiger Regelung der Klägerin zu. Rechtliche Ansprüche auf Herausgabe der vereinnahmten Miete gebe es daher für den verstorbenen Vater der Klägerin nicht. Aus diesem Grund könne auch nicht von einer Bedarfsdeckung ausgegangen werden. Entgegen der Auffassung des Beklagten könne nicht davon ausgegangen werden, dass der verstorbene Vater der Klägerin dieser als Eigentümerin irgendetwas zu gestatten habe. Sie habe als Eigentümerin so verfahren dürfen, weil dies der Schenkungsvertrag schlichtweg „hergebe“.
Die Renovierung sei notwendig gewesen, weshalb die Klägerin ein Darlehen habe aufnehmen müssen. Sie sei die Darlehensnehmerin und verpflichtet, die Darlehensraten zu bezahlen. Sofern man schon die Zahlungen der Miete anrechne, müsse auch die Darlehensrate hiervon abgezogen werden, denn ohne die Erbringung der Leistungen (Dach neu eindecken) hätten gar keine Mieteinnahmen erzielt werden können.
Es sei schlichtweg nicht nachvollziehbar, dass der Beklagte die überobligatorische Leistung der Klägerin nicht anerkenne, darüber hinaus sogar nicht einmal die Hilfe der notwendigen Aufwendungen berücksichtigt sehen wolle.
Wenn der Beklagte seine Auffassung weiter aufrechterhalte, die Klägerin sei verpflichtet gewesen, die Mieteinnahmen an ihren verstorbenen Vater abzuführen, so müsse sich der Beklagte folgendes entgegenhalten lassen: Im Schenkungsvertrag § 3 Ziff. 1 Wohnungsrecht Abs. 3 sei geregelt, dass der Eigentümer das Gebäude und die dem Wohnungsrecht unterliegenden Räume und Einrichtungen stets in ordnungsgemäßem, gut bewohnbarem und beheizbarem Zustand zu halten habe. Hieraus ergäbe sich für die Eigentümerin, Verpflichtungen einzuhalten und gegebenenfalls auf Verbindlichkeiten einzugehen, um diese Verpflichtungen erfüllen zu können. Bereits aus diesem Grund seien auch das Darlehen und die monatlichen Darlehensraten zu berücksichtigen.
Da der Beklagte gerade darauf abstelle, dass das Wohnungsrecht weiterbestehe und weiter verwertet werden müsse, müssten auch die hierfür aufgebrachten Kosten zwingend abgezogen werden. Die Klägerin sei aufgrund ihrer kleinen Rente (ca. 500,00 € monatlich) nicht in der Lage, die Renovierungskosten aus eigenem Einkommen zu bestreiten.

Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 12. Januar 2022 haben sich die Beteiligten u.a. auch mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

I.


Der Senat konnte aufgrund der Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden.

Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, Abs. 3 SGG statthafte, unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und Abs. 3 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig.

II.

Die Berufung des Beklagten ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht einen Anspruch des verstorbenen Vaters der Klägerin auf Übernahme der ungedeckten Heimkosten für die Zeit ab dem 1. September 2019 bis zum März 2021 unter Anrechnung der Mieteinnahmen einerseits und Abzug der Darlehensraten andererseits zutreffend bejaht.

1.
Die Klägerin ist als Alleinerbin ihres Vaters und Klägers in erster Instanz und auch zunächst als Berufungsbeklagten gemäß § 58 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGBI) Erbin der fälligen Ansprüche auf Geldleistungen, hier Übernahme der ungedeckten Heimkosten im Rahmen der Hilfe zur Pflege, nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches geworden (§ 58 Satz 1 SGB I).

Gemäß § 59 Satz 1 SGB I erlöschen Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen mit dem Tod des Berechtigten. Ansprüche auf Geldleistungen erlöschen hingegen nur, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist (§ 59 Satz 2 SGB I). Bei den hier streitigen Ansprüchen auf Übernahme der ungedeckten Heimkosten im Rahmen der Hilfe zur Pflege handelt es sich um Ansprüche auf Geldleistungen, die jedoch nicht erlöschen, da über sie zum Zeitpunkt des Todes des Berechtigten, des Vaters der Klägerin, noch ein Verwaltungsverfahren bzw. hier Berufungsverfahren anhängig war.

2.
Maßgebliche Anspruchsgrundlage ist § 61 SGB XII. Danach haben Personen, die pflegebedürftig im Sinne des § 61a SGB XII sind, Anspruch auf Hilfe zur Pflege, soweit ihnen und ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern nicht zuzumuten ist, dass sie die für die Hilfe zur Pflege benötigten Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels aufbringen.

Pflegebedürftig sind gemäß § 61a Abs. 1 Satz 1 SGB XII Personen, die gesundheitsbedingte Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Pflegebedürftige Personen im Sinne des Satzes 1 können körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbstständig kompensieren oder bewältigen (Satz 2).

Der verstorbene Vater der Klägerin war – insoweit auch unstreitig zwischen den Beteiligten – aufgrund seiner Demenzerkrankung nach dem Gutachten des Sozialmedizinischen Dienstes der Pflegekasse der Knappschaft Bahn-See vom Dezember 2018 mit dem Pflegegrad III seit dem 1. Januar 2017 unter Berücksichtigung der Kriterien in § 61a Abs. 1 SGB XII pflegebedürftig im Sinne von § 61 SGB XII.
Gemäß § 65 Satz 1 SGB XII haben Pflegebedürftige der Pflegegrade II, III, IV oder V Anspruch auf Pflege in stationären Einrichtungen, wenn häusliche oder teilstationäre Pflege nicht möglich ist oder wegen der Besonderheit des Einzelfalles nicht in Betracht kommt. Beim Vater der Klägerin bestand eine Senilität mit Gangstörung und Notwendigkeit der Hilfestellung bei der Körperpflege sowie u.a. eine fortgeschrittene demenzielle Entwicklung, die maßgeblich die Pflege in der stationären Einrichtung notwendig machte.

Hilfen zur Gesundheit, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfe in anderen Lebenslagen werden gemäß § 19 Abs. 3 SGB XII nach dem Fünften bis Neunten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist. Im Rahmen der Bedarfsprüfung beim Vater der Klägerin waren gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert als Einkommen zu berücksichtigen.

3.
Auf dieser Grundlage stellte sich der Bedarf wie folgt dar:

Tagessatz 101,91 € x 30,42 Tage =                                                 4.418,80 €
Zuzüglich Taschengeld:                                                                                + 114,48 €
                                                                                                                        4.533,28 € Bedarf

Hiervon waren folgende Positionen abzuziehen:
Pflegeversicherungsleistungen                                                                    – 1.775,00 €
Besitzstandsschutz                                                                                       –   445,58 €
Altersrente                                                                                                    – 1.219,28 €
Witwerrente                                                                                                   –   197,33 €
- ausländische Rente                                                                                    –   214,90 €
- 3.852,09 €

Damit verblieb ein ungedeckter Bedarf in Höhe von                                       681,19 €.

Berücksichtigt man, wie vom Beklagten vorgenommen, darüber hinaus auch die zum Zeitpunkt der Antragstellung erzielten Mieteinnahmen in Höhe von 920,00 € für das im Eigentum der Klägerin stehende Haus im Hinblick auf das Wohnrecht des Vaters der Klägerin als weitere Einnahmen, wäre, wie vom Beklagten vertreten, der Bedarf in vollem Umfang gedeckt.

Diese Mieteinnahmen sind zwar auch zur Überzeugung des Senates bei der Frage der Bedarfsdeckung des Vaters der Klägerin hinsichtlich der Heim- und Pflegekosten als weitere Einnahmen zu berücksichtigen, allerdings nur für die Zeit ab September 2019 bis Juli 2020 (also nur für den Zeitraum währenddessen tatsächlich Mieteinnahmen erzielt wurden). Darüber hinaus sind von den Mieteinnahmen mit dem SG auch zur Überzeugung des Senates die Darlehensraten im Zusammenhang mit den Kosten der Sanierung des Daches des Hauses in Abzug zu bringen, mit der weiteren Folge, dass insoweit die noch verbliebenen offenen Heimkosten nicht (mehr) in vollem Umfang jeweils gedeckt werden konnten.


Der Senat stützt seine Entscheidung auf folgende Punkte:
a.)
Zunächst ist festzustellen, dass es sich bei dem im Rahmen des Schenkungsvertrages vom 26. September 2006 eingeräumten Wohnungsrecht in § 3 Ziff. 1 um eine persönliche Dienstbarkeit im Sinne von § 1093 BGB handelt. Gemäß § 1092 Abs. 1 BGB ist eine persönliche Dienstbarkeit generell nicht übertragbar (Satz 1). Sie kann jedoch gemäß § 1092 Abs. 1 Satz 2 einem anderen überlassen werden, wenn diese Überlassung gestattet ist. Im Schenkungsvertrag ist zunächst ausdrücklich in § 3 unter Ziff. 1 Abs. 2 geregelt, dass die Ausübung des Wohnungsrechts dritten Personen nicht überlassen werden kann. Ebenso ist dort bestimmt, dass sofern der Berechtigte das Wohnungsrecht nicht mehr ausüben kann oder will, sich das Recht ausdrücklich nicht in Zahlungsansprüche umwandelt. Davon ausgehend spricht zunächst, wie von Klägerseite auch vertreten, viel dafür, zu diesem Zeitpunkt, nämlich dem Wechsel des Vaters der Klägerin ins Pflegeheim, ein Erlöschen des Wohnungsrechtes anzunehmen. Wie allerdings der BGH in den bereits zitierten Urteilen vom 19. Januar 2007 (V ZR 163/06, juris Rn. 13) und vom 13. Juli 2012 (V ZR 206/11, juris Rn. 13 f.) ausgeführt hat, handelt es sich beim Wohnungsrecht um eine besondere Art der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (§ 193 Abs. 1 Satz1 BGB). Für das Erlöschen des Wohnungsrechtes gelten daher dieselben Grundsätze wie für das Erlöschen einer solchen Dienstbarkeit. Danach erlischt das Recht, wenn seine Ausübung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen dauernd unmöglich wird (mit Hinweis auf Urteil des BGH vom 7. Dezember 1984 – V ZR 189/83, juris). Dies ist u.a. der Fall, wenn das Recht niemandem mehr einen Vorteil bietet (BGH in den zitierten Urteilen mit Hinweis auf eine weitere Senatsentscheidung vom 11. März 1964 – V ZR 78/62 -, juris). An diesen Voraussetzungen fehlt es, wenn das Wohnungsrecht aufgrund der Aufnahme des Berechtigten in ein Pflegeheim nicht ausgeübt werden kann. Denn ihm bleibt nach der zitierten Rechtsprechung des BGH nach § 1090 Abs. 1 Satz 2 BGB die Möglichkeit, mit Gestattung des Grundstückseigentümers die Ausübung seines Rechts anderen zu überlassen und dadurch z.B. für sich einen Mietanspruch gegen den Besitzer der dem Recht unterliegenden Räume zu begründen (mit Hinweis auf das Urteil des BGH vom 2. Juni 1972, V ZR 154/70, juris). Ein in der Person des Berechtigten liegendes Ausübungshindernis führt somit nicht generell zum Erlöschen des Wohnungsrechts, selbst wenn das Hindernis auf Dauer besteht.
Wie der BGH in seinem Urteil vom 13. Juli 2012 (V ZR 206/11 juris Rn. 14) ausdrücklich auch festgestellt hat, führt eine ergänzende Auslegung des Bestellungsvertrages im Hinblick darauf, dass sich die Parteien mit der Bestellung des Wohnrechts bewusst auf ein höchstpersönliches Nutzungsrecht beschränkt haben, im Regelfall nicht zu der Pflicht des Eigentümers, die Vermietung durch den Wohnungsberechtigten zu gestatten (mit Hinweis auf das Urteil vom 9. Januar 2009 – V ZR 168/07 -, juris).



b.)
Das heißt mit anderen Worten, hätte die Klägerin nach dem Wechsel ihres Vaters ins Pflegeheim im September 2015 sich mit einer Vermietung des Hauses nicht einverstanden erklärt, wäre eine solche auch nicht möglich gewesen und hätte aufgrund der Regelungen im Schenkungsvertrag ihr Vater keinen sonstigen Zahlungsanspruch gegen die Klägerin gehabt mit der weiteren Folge für den Beklagten, dass dieser dann wohl schon ab Januar 2017, nämlich nachdem das Geldvermögen des Klägers soweit aufgebraucht war, dass es unter dem Schonbetrag von 5.000,00 € lag, die ungedeckten Heimkosten hätte tragen müssen.

Dies kann letztlich allerdings an dieser Stelle offenbleiben, denn die Klägerin und ihr Vater haben vielmehr, wie vom SG ausgelegt, von der vom BGH angesprochenen Möglichkeit Gebrauch gemacht und die entsprechenden Regelungen dahingehend abgeändert, dass die Klägerin die Überlassung des Wohnungsrechts an einen Dritten zulässt und dadurch für ihren Vater einen Mietanspruch gegen den Besitzer der dem Wohnrecht unterfallenden Räume begründen. Hieraus konnten die noch ungedeckten Heimkosten beglichen werden.
Mit dem SG und entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten geht der Senat damit ebenso davon aus, dass die Klägerin und ihr Vater sich im Rahmen einer Vertragsänderung darauf geeinigt haben, das Wohnungsrecht einem Dritten zu überlassen und mit Hilfe des Mietanspruches die ungedeckten Heimkosten zu begleichen. Im Hinblick auf die gesamten Umstände sieht auch der Senat hier kein Notfalldarlehen, das die Klägerin ihrem Vater hinsichtlich der ungedeckten Heimkosten geleistet haben könnte.

c.)
Mit dem SG ist jedoch auch zur Überzeugung des Senates auf der Grundlage der hier vorgenommenen Anpassung des Schenkungsvertrages aus dem Jahr 2006 eine Begrenzung insoweit vorzunehmen, dass bei der zu berücksichtigenden Miete allerdings die Darlehensbelastung der Klägerin abzuziehen ist. Dafür spricht, dass dies einen angemessenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen darstellt. Zwar wurde im Schenkungsvertrag eindeutig geregelt, dass Renovierungskosten, wie die hier vorgenommene Dachsanierung, zu Lasten der Eigentümerin, also der Klägerin gehen. Doch auch insoweit ist von einer Vertragsanpassung auszugehen. Denn durch die Gestattung der Klägerin, das Wohnungsrecht Dritten zu überlassen, um damit Mieteinnahmen zu erzielen, konnten mit deren Hilfe wiederum die ungedeckten Heimkosten des Vaters der Klägerin beglichen werden. Auf der anderen Seite sind – vor allem, wenn man bedenkt, dass die Klägerin diese Gestattung hätte auch ablehnen können mit der Konsequenz, dass dann der Beklagte schon zu einem viel früheren Zeitpunkt die ungedeckten Heimkosten hätte aller Voraussicht nach übernehmen müssen –auch aus Sicht des Senates die Darlehenskosten, da gerade auch erst aufgrund der Dachsanierung eine Weitervermietung möglich war, von den Mieteinnahmen abzuziehen.
Damit waren die Mieteinnahmen als Einkommen des Vaters der Klägerin abzüglich der Darlehenskosten für die Zeit der Vermietung im hier streitgegenständlichen Zeitraum von September 2019 bis Juli 2020 zu berücksichtigen.

d.)
Für den Zeitraum August 2020 bis März 2021 hingegen sind keine Mieteinnahmen erzielt worden und damit auch nicht mehr in irgendeiner Form als Einkommen beim Vater der Klägerin zur Deckung der Heimkosten zu berücksichtigen gewesen. Der Beklagte hat damit für diesen Zeitraum die noch ungedeckten Heimkosten in voller Höhe zu übernehmen.
Entgegen der Auffassung des Beklagten, sieht auch der Senat in Übereinstimmung mit dem SG im Ergebnis in der im Sommer 2020 erfolgten Löschung des Wohnrechts keine Schenkung, die mit einem Rückforderungsanspruch des Vaters der Klägerin verbunden wäre.
Soweit das SG schon eine Schenkung dahingehend verneint, als seiner Auffassung nach die Klägerin in der Zeit bis August 2019 überobligatorisch Heimkosten übernommen und, sofern man denn überhaupt dem Wohnrecht zu diesem Zeitpunkt noch einen wirtschaftlichen Wert zuweisen wollte, jedenfalls diesen Wert schon durch die überobligatorischen Leistungen bis August 2019 entschädigt habe, kann der Senat dem nicht folgen. Denn wie eine Gegenüberstellung der in der Zeit von Januar 2017 bis August 2019 insgesamt erzielten Mieteinnahmen in Höhe von 25.310,00 € zu den Heimkosten (wie sie sich jedenfalls den dem Gericht vorgelegten Kontoauszügen entnehmen lassen) in Höhe von 14.005,96 € zeigt, verblieben damit noch 11.304,04 € für die Zahlung der Darlehensraten, die in diesem Zeitraum insgesamt 11.784,50 € betrugen. Danach lag jedenfalls keine überobligatorische Leistung der Klägerin vor, vielmehr konnten in dem Zeitraum Januar 2017 bis August 2019 die ungedeckten Heimkosten sowie die Darlehensraten letztlich zu fast 100% aus den Mieteinnahmen bestritten werden.

Soweit das Sozialgericht darüber hinaus aber entgegen der Auffassung des Beklagten davon ausgeht, dass dem Wohnrecht zum Zeitpunkt der Löschung kein wirtschaftlicher Wert mehr zuzuordnen gewesen sei, folgt der Senat dem im Ergebnis.
Denn bei der Löschung des Wohnungsrechtes hatte dies für den Vater der Klägerin keinen wirtschaftlichen Wert mehr bzw. stellte keinen Vorteil mehr dar. Denn die Klägerin hatte ab August 2020 eine Vermietung des Hauses nicht mehr vorgenommen bzw. zugelassen, da das Haus verkauft werden sollte (was in der Zwischenzeit auch geschehen ist) und dies üblicherweise bei einem Einfamilienhaus im nicht vermieteten Zustand einfacher ist. Eine Pflicht der Klägerin zur Weitervermietung bestand nicht, da es grundsätzlich in der Kompetenz der Klägerin als Eigentümerin lag, das Haus auch jederzeit zu verkaufen.
Ein Verkauf wäre im Übrigen auch trotz eines noch bestehenden Wohnrechtes grundsätzlich sowohl rechtlich als auch tatsächlich möglich gewesen. Das Wohnrecht dürfte insbesondere bei der seinerzeit bestehenden Situation kein Verkaufshindernis mehr dargestellt haben. Denn – wie die Klägerin im Erörterungstermin sehr eindrücklich darstellte – wäre sie mit einem potentiellen Käufer gegebenenfalls in das Pflegeheim zu ihrem Vater gegangen, sodass sich der Kaufinteressent einen eigenen Eindruck von der Demenzerkrankung und dem Pflegebedarf des Vaters der Klägerin hätte machen können und damit auch davon, dass dieser das Wohnrecht auf keinen Fall mehr zu irgendeinem Zeitpunkt in der Zukunft noch hätte ausüben können.
Darüber hinaus wäre die ursprünglich zwischen der Klägerin und ihrem Vater getroffene Vereinbarung, nämlich nach dem Wechsel ins Alten- und Pflegeheim das Haus zu vermieten und die Mieteinnahmen soweit notwendig für die Deckung der ungedeckten Heimkosten zu verwenden, für einen neuen Käufer irrelevant gewesen (siehe hierzu auch BGH, Urteil vom 13. Juli 2012 – V ZR 206/11 – juris Rn. 13 ff.).

Damit aber hatte das Wohnrecht des Vaters der Klägerin zum Zeitpunkt der Löschung im Juli 2020 bereits keinen wirtschaftlichen Wert mehr und stellte auch keinen relevanten Vorteil mehr für den Berechtigten, den Vater der Klägerin, dar. Daher war auch unter Berücksichtigung der oben zitierten BGH-Rechtsprechung das Wohnrecht zu diesem Zeitpunkt ohnehin erloschen und stellte insoweit die Löschung nur noch den Vollzug der tatsächlichen Verhältnisse dar.

4.
Im Übrigen kam aufgrund der niedrigen Rente der Klägerin auch eine Inanspruchnahme als zahlungspflichtige Angehörige gemäß § 94 Abs. 1a SGB XII nicht in Betracht, da die dort maßgebliche Einkommensgrenze von mindestens 100.000,00 € pro Jahr die Klägerin auf keinen Fall erfüllt.

5.
Soweit der Beklagte im Übrigen geltend macht, dass zum Zeitpunkt des Wechsels des Vaters der Klägerin ins Pflegeheim im September 2015 die Zehnjahresfrist nach § 529 Abs. 1 2. Alternative BGB noch nicht abgelaufen gewesen sei, ist dies zwar insoweit richtig, als ausgehend von Oktober 2006 als Zeitpunkt der Eintragung ins Grundbuch diese Frist erst im Oktober 2016 abgelaufen ist. Auf der anderen Seite war aber der Vater der Klägerin zum Zeitpunkt des Wechsels ins Alten- und Pflegeheim im September 2015 nicht sozialhilfebedürftig. Vielmehr war er damals im Hinblick auf das bei ihm noch vorhandene Geldvermögen in der Lage, die ungedeckten Kosten hieraus zu bestreiten. So verfügte der Vater der Klägerin am 31. Dezember 2015 über ein Geldvermögen in Höhe von 35.730,79 €, am 31. Dezember 2016 nach wie vor über ein Vermögen in Höhe von 17.437,88 € und auch am 31. Dezember 2017 noch über 6.946,86 €. Erst am 31. Dezember 2018 hatte der Vater der Klägerin nur noch ein Geldvermögen in Höhe von 5.201,62 € (bei einem Schonvermögen von 5.000 €). Damit aber hatte zum Zeitpunkt des Ablaufs der Zehnjahresfrist wegen fehlender Hilfebedürftigkeit auch kein Rückforderungsanspruch bestanden.

Aus all diesen Gründen ist die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Hierbei war zu berücksichtigen, dass die Klägerin zwar nicht zum privilegierten Personenkreis nach § 183 SGG zählt, sie jedoch erst nach dem Tod ihres Vaters im März 2021 und damit nach Erhebung der Berufung als Erbin in das Verfahren eingetreten ist und es insoweit bei der Kostenprivilegierung verbleibt (siehe BSG - B 13 R 190/05 B - juris Rn. 7).

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.



 

Rechtskraft
Aus
Saved