Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16.11.2021 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 76,34 € festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Kodierung des Operationen- und Prozedurenschlüssels (OPS) 9-647.m.
Der klagende Landschaftsverband ist Träger der LVR-Klinik N., eines in den Krankenhausplan Nordrhein-Westfalen aufgenommenen Krankenhauses. Dort wurde vom 25.02.2019 bis 18.03.2019 Herr Z. T. (* 00.00.1964), der bei der Beklagten gegen Krankheit versichert ist, stationär behandelt.
Hierfür berechnete der Kläger der Beklagten unter Zugrundelegung des pauschalierenden Entgelts für Psychiatrie und Psychosomatik (PEPP) PA02C (Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen, Alter > 64 Jahre oder mit Qualifiziertem Entzug ab mehr als 14 Behandlungstagen oder mit komplizierender Konstellation oder mit multiplem Substanzmissbrauch außer bei Opiat- und Kokainkonsum) insgesamt 5.733,92 € (Rechnung vom 31.03.2019). Dabei kodierte der Kläger dem OPS 9-647.m (Spezifische qualifizierte Entzugsbehandlung Abhängigkeitskranker bei Erwachsenen), dies für den Teilzeitraum vom 11.03.2019 bis zur Entlassung am 18.03.2019 iVm OPS-Zusatzkode 9-649.0 (Keine Therapieeinheit pro Woche).
Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit, dass der OPS 9-647 ua eine therapiezielorientierte Behandlung durch ein multidisziplinär zusammengesetztes Behandlungsteam voraussetze. Die anfallenden Therapieeinheiten müssten bei den Zusatzkodes 9-649 ff angegeben werden. Den vom Beklagten übermittelten Daten sei allerdings zu entnehmen, dass für einen Anteil des Behandlungszeitraums keine Therapieeinheiten, sondern der OPS 9-649.0 kodiert worden sei. Damit seien die Voraussetzungen für die Kodierung des OPS 9-647.m nicht gegeben. Die Beklagte bat den Kläger daher, sowohl die Entlassungsanzeige als auch die Rechnung zu korrigieren.
Der Kläger kam dieser Aufforderung nicht nach, woraufhin die Beklagte die Rechnung eigenhändig auf PEPP PA02D (Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen, Alter < 65 Jahre, ohne komplizierende Konstellation, ohne Heroinkonsum oder intravenösen Gebrauch sonstiger Substanzen, ohne Qualifizierten Entzug ab mehr als 14 Behandlungstagen) sowie einen Rechnungsbetrag von 5.657,58 € änderte. Diesen Betrag zahlte sie an den Kläger.
Der Kläger hat daraufhin wegen des Differenzbetrags am 17.07.2020 Klage zum Sozialgericht (SG) Köln erhoben.
Er hat vorgetragen, den von ihm übermittelten Daten seien unstreitig keine Therapieeinheiten iSd OPS 9-649 zu entnehmen; folgerichtig habe er den OPS 9-649.0 kodiert. Dies sei der Tatsache geschuldet, dass seit 2019 für bestimmte Berufsgruppen keine Therapieeinheitenkodes iRd OPS 9-649 mehr existierten (zB Einzel- oder Gruppentherapie durch Pflegefachpersonen, Gruppentherapie durch Spezialtherapeuten); auch könnten Maßnahmen durch Ärzte, Psychologen und Gruppen der Spezialtherapeuten unter 25 min nicht als Therapieeinheiten kodiert werden. Daneben hat der Kläger auf eine Auskunft des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) verwiesen, wonach im Bereich des OPS 9-647 keine Mindestanzahl an Therapieeinheiten vorgegeben sei, was eine Kombination mit dem OPS 9-649.0 ermögliche. Er hat weiter vorgetragen, es sei systematisch sinnfrei, wenn diverse, einem medizinisch-wissenschaftlich belegten Stationskonzept entsprechende Therapien durch Spezialtherapeuten - die unstreitig erbracht worden seien - unberücksichtigt blieben, nur weil sie durch den OPS 9-649 nicht abbildbar seien.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 76,34 € nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.04.2019 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an ihrer Rechtsauffassung festgehalten. Aufgrund des Hinweises zum OPS 9-647, wonach die anfallenden Therapieeinheiten anhand der Zusatzkodes 9-649 ff anzugeben seien, sei folgerichtig dazu davon auszugehen, dass bei der Erbringung der qualifizierten Entzugsbehandlung ein Mindestmaß an Therapieeinheiten anfallen und auch dementsprechend kodiert werden müsse.
Das SG hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 76,34 € nebst Zinsen iHv 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit 16.04.2019 zu zahlen (Urteil vom 16.11.2021). Die Voraussetzungen des OPS 9-647.m seien erfüllt. Es sei zunächst nicht ersichtlich, dass dessen Mindestmerkmale wöchentlich vorzuliegen hätten. Dies folge auch nicht aus dem Hinweis, dass das Therapiekonzept auf mindestens sieben Behandlungstage ausgelegt sei, denn die Mindestmerkmale stellten eindeutig auf den stationären Gesamtaufenthalt ab. Damit sei ausreichend, dass ein ressourcen- und lösungsorientiertes Therapiemanagement unter Einsatz differenzierter Therapieelemente patientenbezogen in Kombination von Gruppen- und Einzeltherapien im Gesamtaufenthalt geleistet worden sei, was vorliegend unstreitig der Fall sei. Es sei daher unerheblich, dass in dem Zeitraum vom 11.03.2019 bis zum 18.03.2019 keine nach OPS 9-649.1 ff kodierbaren Therapieeinheiten angegeben werden konnten. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Hinweise zum OPS 9-649 aufführten, dass ein Kode aus diesem Bereich unabhängig von der Art der Behandlung einmal pro Woche anzugeben sei. Es sei nicht ersichtlich, dass dieser Satz Geltung auch iRd Mindestmerkmale zum OPS 9-647 beanspruche; anderes hätte explizit aufgeführt werden müssen. Dass in dem vorgenannten Zeitraum lediglich der OPS 9-649.0 in Ansatz gebracht worden sei, sei nach dem Wortlaut des OPS nicht ausgeschlossen und werde in dem allgemeinen Hinweis festgehalten, wonach die im Rahmen der spezifischen qualifizierten Entzugsbehandlung anfallenden Therapieeinheiten bei den Zusatzkodes 9-649 ff angegeben würden; damit werde auf den OPS 9-649 ff insgesamt verwiesen, was auch den OPS 9-649.0 einschließe.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer am 23.12.2021 eingelegten Berufung. Sie trägt ergänzend vor: Die Auslegung, was ein "qualifizierter Entzug" sei, bedürfe einer vertieften Auseinandersetzung mit dem Inhalt der Behandlung. Nach der S3-Leitlinie „Screening, Diagnose und Behandlung alkoholbezogener Störungen“ handle es sich um eine suchtpsychiatrische bzw suchtmedizinische Akutbehandlung, die über die körperliche Entgiftung hinausgehe. Entsprechendes ergebe sich aus dem Rahmenkonzept für die stationäre qualifizierte Entzugsbehandlung alkoholkranker Menschen in Nordrhein-Westfalen. Ein solches Verständnis des "qualifizierten Entzugs" entspreche dem wissenschaftlich-medizinischen Sprachgebrauch. Es müsse sehr genau zwischen einer Basisversorgung mit Gesprächen und einer individuellen Entzugstherapie mit vielen, klar definierten und aufgelisteten Behandlungselementen unterschieden werden. Die „Basis der Kodierung“ bilde vorliegend der OPS 9-607 (Regelbehandlung bei psychischen und psychosomatischen Störungen und Verhaltensstörungen bei Erwachsenen). Die qualifizierte Entzugsbehandlung werde anhand des Zusatzkodes OPS 9-647 abgebildet. Da es sich um einen Zusatzkode handle, müssten auch zusätzliche qualifizierte Angaben mit entsprechendem Ressourcenaufwand kodiert werden. In systematischer Hinsicht sei zudem der OPS 8-985 (Motivationsbehandlung Abhängigkeitskranker [Qualifizierter Entzug]) zu beachten. Dieser bilde das Pendant zum OPS 9-647 im DRG- (Diagnosis Related Groups) System. Die Mindestmerkmale stimmten weitestgehend überein, allerdings enthalte der OPS 8-985 eine eindeutige Vorgabe für den Umfang der täglichen therapeutischen Arbeit (min drei Stunden pro Tag). Zudem gebe es einen Vorschlag zur Weiterentwicklung des OPS seitens des Kompetenz-Centrums für Psychiatrie und Psychotherapie sowie des Medizinischen Dienstes (MD) und des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband), der darauf abziele, die Mindestmerkmale zu konkretisieren, indem eine Mindestanzahl von Therapieeinheiten festgeschrieben werde.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger die Klage zurückgenommen, soweit diese auf die Zahlung von Zinsen auch für den 16.04.2019 gerichtet gewesen ist.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16.11.2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angegriffene Entscheidung für rechtmäßig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Soweit der Kläger die Klage in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zurückgenommen hat, ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt (§ 102 Abs 1 S 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Das Urteil des SG ist insoweit wirkungslos (§ 202 S 1 Hs 1 SGG iVm § 269 Abs 3 S 1 Hs 2 Zivilprozessordnung <ZPO>).
Im Übrigen ist die Berufung zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung von 76,34 € nebst Zinsen für die Zeit ab 17.04.2019 verurteilt.
1. Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch eine Versicherte kraft Gesetzes, wenn die Versorgung wie vorliegend in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iSv § 39 Abs 1 S 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erforderlich und wirtschaftlich ist (stRspr, vgl statt vieler: BSG, Urteil vom 19.06.2018 - B 1 KR 26/17 R, amtl Rn 14 mwN).
Die Klägerin war im Rahmen der Abrechnung insbesondere berechtigt, den OPS 9-647.m zu kodieren und der Klägerin sonach PEPP PA02C zu berechnen (zur Ermittlung der abzurechnenden Vergütung anhand ua der zu kodierenden OPS vgl BSG, Urteil vom 08.11.2011 - B 1 KR 8/11 R, juris Rn 15 ff, dort zum DRG-System). Dass die Mindestmerkmale des OPS 9-647 erfüllt sind, stellt auch die Beklagte nicht grundsätzlich in Abrede. Diese hält den Kode lediglich für den Behandlungszeitraum vom 11.03.2019 bis einschließlich 18.03.2019 für unanwendbar, weil der Kläger in diesem Zeitraum - unstreitig - keine Therapieeinheiten iSd OPS 9-649 erbracht hat, sondern "nur" Ergo- (am 12.03.2019) und Bewegungstherapie (jeweils mehrfach am 11.03.2019, 12.03.2019 und 14.03.2019) durch entsprechende Spezialtherapeuten. Folgerichtig hat der Kläger insoweit OPS 9-649.0 (Keine Therapieeinheit pro Woche) kodiert.
Bei der Auslegung des OPS gilt, dass Abrechnungsbestimmungen wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und allenfalls unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen sind; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht. Der OPS kann Begriffe entweder ausdrücklich definieren oder deren spezifische Bedeutung kann sich ergänzend aus der Systematik der Regelung ergeben. Ferner kann der Wortlaut ausdrücklich oder implizit ein an anderer Stelle normativ determiniertes Begriffsverständnis in Bezug nehmen (BSG, Urteil vom 16.08.2021 - B 1 KR 11/21 R, amtl Rn 7; vgl auch BSG, Beschluss vom 19.07.2012 - B 1 KR 65/11 B, juris Rn 17; jeweils mwN). Im Übrigen gilt der Grundsatz, dass medizinische Begriffe im Sinne eines faktisch bestehenden, einheitlichen wissenschaftlich-medizinischen Sprachgebrauchs zu verstehen sind (BSG, Urteil vom 16.08.2021, aaO Rn 7, 11; Beschluss vom 19.07.2012, aaO Rn 18). Ergeben sich danach keine eindeutigen Ergebnisse, ist der allgemeinsprachliche Begriffskern maßgeblich (BSG. Urteil vom 22.06.2022 - B 1 KR 31/21 R, amtl Rn 12; Urteil vom 17.12.2020 - B 1 KR 21/20 R, amtl Rn 26).
Dies zugrundegelegt, kann der OPS 9-647 (Spezifische qualifizierte Entzugsbehandlung Abhängigkeitskranker bei Erwachsenen, idF der Version 2019) nicht so ausgelegt werden, dass er nur kodiert werden darf, wenn zugleich Therapieeinheiten iSd Zusatzkodes 9-649 (Anzahl der Therapieeinheiten pro Woche bei Erwachsenen) tatsächlich erbracht und kodiert werden. Dies entspricht Wortlaut (dazu a) und Systematik des OPS (dazu b). Weitergehende Erwägungen, insbesondere Vergleiche mit anderen OPS-Kodes(dazu c) sowie der Vortrag der Beklagten zu dessen "Weiterentwicklung" (dazu d), müssen außer Betracht bleiben.
a) Der Wortlaut des OPS 9-647 sieht an keiner Stelle vor, dass dieser nur kodiert werden kann, wenn im Rahmen der Behandlung eine bestimmte Anzahl an Therapieeinheiten im Sinne des OPS 9-649 erbracht wird. Zwar schreiben die Hinweise zum OPS 9-647 ausdrücklich Folgendes vor:
„Die im Rahmen der spezifischen qualifizierten Entzugsbehandlung Abhängigkeitskranker anfallenden Therapieeinheiten werden bei den Zusatzkodes 9-649 ff angegeben“
Damit wird aber nicht verlangt, dass Therapieeinheiten iSd OPS 9-649 ff tatsächlich erbracht wurden. Dass die anfallenden Therapieeinheiten bei den OPS 9-649 ff "angegeben" werden müssen, stellt lediglich klar, dass die Erbringung von Therapieeinheiten nicht bereits mit dem OPS 9-647 abgebildet wird (zum Verweis auch auf OPS 9-649.0 sogleich unten b).
Weiter bezeichnet der OPS 9-647 zwar seiner Überschrift nach eine "spezifische qualifizierte Entzugsbehandlung". Unter welchen Voraussetzungen der OPS 9-647 zu kodieren ist, ergibt sich aber aus den im Kode festgeschriebenen Mindestmerkmalen und nicht aus der Überschrift. Bei den Mindestmerkmalen taucht der Begriff des "qualifizierten Entzugs" nicht weiter auf, auch nicht im Sinne eines unbestimmten Rechtsbegriffs. Das zweite Mindestmerkmal sieht lediglich eine
„[t]herapiezielorientierte Behandlung durch ein multidisziplinär zusammengesetztes Behandlungsteam mit mindestens 3 Berufsgruppen (zB Ärzte, Psychologische Psychotherapeuten oder Suchttherapeuten, Sozialpädagogen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Pflegefachpersonen), davon mindestens 1 Arzt oder Psychologischer Psychotherapeut“,
vor, das fünfte ein
[r]essourcen- und lösungsorientiertes Therapiemanagement unter Einsatz differenzierter Therapieelemente patientenbezogen in Kombination von Gruppen- und Einzeltherapie: zB psychoedukative Informationsgruppen, medizinische Informationsgruppen, themenzentrierte Einzel- und Gruppentherapie, Ergotherapie, Krankengymnastik/Bewegungstherapie, Entspannungsverfahren“.
Auf das Vorbringen der Beklagten zum Inhalt des Begriffs "qualifizierter Entzug" nach medizinisch-wissenschaftlichem Sprachgebrauch kommt es mithin nicht an. Dass insbesondere diese Mindestmerkmale erfüllt waren, zieht - wie ausgeführt - auch die Beklagte nicht in Zweifel. Weil die Beklagte insoweit auch kein Prüfverfahren iSd § 275 Abs 1c SGB V eingeleitet hat, besteht auch für den Senat keine Veranlassung zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen (vgl BSG, Urteil vom 22.06.2022 - B 1 KR 19/21 R, amtl Rn 32 ff).
b) In systematischer Hinsicht folgt die Möglichkeit, den OPS 9-647 auch dann zu kodieren, wenn tatsächlich keine Therapieeinheiten iSd OPS 9-649 erbracht wurden, zudem daraus, dass der og Hinweis ausdrücklich auf die Zusatzkodes 9-649 ff verweist und nicht lediglich auf die 9-649.1 ff. Damit ist auch der OPS 9-649.0 umfasst, der gerade den Fall betrifft, dass „[k]eine Therapieeinheit pro Woche“ erbracht wurde.
Gleiches gilt für den folgenden Hinweis zum OPS 9-649 selbst:
„Ein Kode aus diesem Bereich ist unabhängig von der Art der Behandlung einmal pro Woche anzugeben. […]“
Auch dieser Hinweis nimmt mangels ausdrücklicher Einschränkung sämtliche Kodes des OPS 9-649 in Bezug und damit eben auch OPS 9-649.0. Der entsprechenden Vorgabe hat der Kläger auch Genüge getan, indem er für die letzte Behandlungswoche vom 11.03.2019 bis 18.03.2019 den OPS 9-649.0 kodiert hat.
Dass sich die Anforderungen an die im Rahmen der spezifischen qualifizierten Entzugsbehandlung zu erbringenden Therapieeinheiten nicht bereits aus OPS 9-647 ergeben, sondern erst durch die OPS 9-649 ff abgebildet werden, steht im Einklang mit dem systematischen Zusammenspiel von Kodes und Zusatzkodes. Die Nutzungshinweise zum OPS führen unter "Zusatzkodes" diesbezüglich aus:
„Der Operationen- und Prozedurenschlüssel sieht vor, weitere ergänzende Angaben zu einer Operation oder Maßnahme zusätzlich zu kodieren.
Diese Zusatzkodes sind ergänzend zu verwenden, sofern die Information nicht schon im Kode selbst enthalten ist.
Zusatzkodes sind sekundäre Kodes und dürfen nicht selbständig, sondern nur zusätzlich zu einem primären Kode benutzt werden. Sie sind also nur in Kombination mit dem durchgeführten, inhaltlich leitenden Eingriff zulässig. Dabei kann der Primärkode auch durch zwei oder mehr Zusatzkodes ergänzt werden.“
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus folgendem weiterem Hinweis zum OPS 9-647:
„Das Therapiekonzept ist auf mindestens 7 Behandlungstage ausgelegt (Ausnahme: vorzeitiger Therapieabbruch)“.
Auch damit stellt der OPS 9-647 weder ausdrücklich noch systematisch darauf ab, dass tatsächlich Therapieeinheiten iSd OPS 9-649 erbracht worden wären. Weiter lässt sich dem auch nicht entnehmen, dass das Therapiekonzept vorsehen müsste, dass durchgängig Therapieeinheiten iSd OPS 9-649 zu erbringen sind. Vielmehr ist nicht erkennbar, weshalb sich dieser Hinweis nicht auf das Therapiekonzept beziehen sollte, wie es durch die Mindestmerkmale des OPS 9-647 selbst abgebildet wird (dazu bereits oben).
c) Der Hinweis der Beklagten auf den OPS 8-985, der im Unterschied zum OPS 9-647 als Mindestmerkmal den Einsatz differenzierter Therapieelemente für min 3 Stunden pro Tag vorsieht, verfängt schon deshalb nicht, weil Bewertungen und Bewertungsrelationen bei der Auslegung des OPS-Kodes außer Betracht zu bleiben haben. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt (BSG, Urteil vom 17.12.2019 - B 1 KR 19/19 R, amtl Rn 13). Ohnehin ließe der Umstand, dass der OPS 9-647 ein entsprechendes Mindestmerkmal nicht vorsieht, in systematischer Hinsicht sogar den Rückschluss zu, dass dessen Kodierung eben nicht von derartigen Voraussetzungen abhängig.
Inwieweit sich in Fällen, in denen lediglich OPS 9-649.0 kodiert wird, ggf niedrigere Entgelte ergeben als dann, wenn tatsächlich Therapieeinheiten erbracht wurden und daher OPS 9-649.1 ff kodiert werden können, mag dahinstehen. Die Vertragsparteien der Vereinbarung über die pauschalierenden Entgelte für die Psychiatrie und Psychosomatik (PEPPV) mögen ggf hinsichtlich der Höhe der Vergütung differenzieren (§ 17d Abs 3 S 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz <KHG>). Für die Frage, was kodiert werden darf, spielen derartige Erwägungen aber von vorneherein keine Rolle, weil Bewertungen und Bewertungsrelationen bei der Auslegung des OPS außer Betracht zu bleiben haben (vgl BSG aaO).
d) Zwischenzeitliche Änderungen und Anpassungen des OPS müssen bei der Auslegung ebenfalls unberücksichtigt bleiben. Dies gilt erst recht, soweit entsprechende Vorhaben wie der von der Beklagten in Bezug genommene Vorschlag zur "Weiterentwicklung" des OPS des Kompetenz-Centrums für Psychiatrie und Psychotherapie sowie des MD und GKV-Spitzenverbandes nicht umgesetzt wurden.
2. Der Zinsanspruch folgt aus § 15 Abs 1 S 4 des Vertrags nach § 112 Abs 2 Nr 1 SGB V – Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung – für Nordrhein-Westfalen.
3. Kostenentscheidung und Streitwertfestsetzung beruhen auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bzw §§ 63 Abs 2 S 1, 52 Abs 3 S 1, 47 Abs 1 S 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Senat hat davon abgesehen, dem Kläger die Kosten aufzuerlegen, soweit dieser die Klage in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bzgl der Zinsen für den 16.04.2019 zurückgenommen hat. Denn der Kläger ist damit lediglich in Bezug auf die Nebenforderung (§ 43 Abs 1 GKG) und insoweit auch nur für einen einzelnen Tag unterlegen (§ 155 Abs 1 S 3 VwGO).
4. Anlass, gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision zuzulassen, besteht nicht. Zwar behaupten die Beteiligten, noch in einer Reihe von Parallelverfahren über dieselbe Rechtsfrage zu streiten. Indes lässt sich die streitige Auslegungsfrage - wie ausgeführt - ohne weiteres und zweifelsfrei aus Wortlaut und Systematik des OPS-Kode beantworten (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160 Rn 8a). Dass es sich um mehr als ein "Sonderproblem" zwischen den Beteiligten handelt, ist nicht erkennbar. Vielmehr haben Rechtsfragen dazu, wie eine konkrete, für ein Kalenderjahr geltende normenvertragliche Krankenhaus-Vergütungsvorschrift auszulegen ist, idR keine grundsätzliche Bedeutung (vgl BSG, Beschluss vom 19.07.2012 - B 1 KR 65/11 B, amtl Ls zu 1, zitiert nach juris).