L 8 SO 79/22 B ER

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 31 SO 122/22 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 SO 79/22 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 17. November 2022 wird zurückgewiesen.

 

Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

 

Gründe:

 

I.

 

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Weiteren: Ast.) einen Anspruch auf ein Darlehen für Mietschulden hat, ohne sich vor Anrufung des Sozialgerichts an den örtlichen Sozialhilfeträger, den Antrags- und Beschwerdegegner (im Weiteren: Ag.), zu wenden.

 

Die am ... 1967 geborene Ast. beantragte am 9. April 2015 bei dem zuständigen Rentenversicherungsträger erfolglos die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung (Bescheid der Beklagten vom 21. Oktober 2015, Widerspruchsbescheid vom 15. September 2016). Klage, Berufung, Nichtzulassungsbeschwerde und Wiederaufnahmeantrag blieben ohne Erfolg (zuletzt Verwerfung des Antrags auf Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens mit noch nicht rechtskräftigem Beschluss des mit denselben Berufsrichtern besetzten 3. Senats des Landessozialgerichts [LSG] Sachsen-Anhalt vom 2. Januar 2023 - L 3 R 209/22 WA -).

 

Zum Einkommen der Ast. ist aus der Rentensache nur bekannt, dass die Ast. seit dem Tod ihres Ehemannes im Januar 2015 Leistungen aus dessen Versicherung bezieht. Zumindest bis Juli 2016 bezog die Klägerin diese Rente aufstockende Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II). Die Ast. hat weder gegenüber dem Ag. noch gegenüber dem Sozialgericht oder dem Senat konkrete Angaben zu ihrem Einkommen oder den Kosten für Unterkunft und Heizung gemacht.

 

Ausweislich der Akten aus dem Verfahren L 3 R 209/22 WA war die Ast. Ende des Jahres 2016 ohne festen Wohnsitz und hielt sich überwiegend bei G., R.-Str. in T., auf. Im Juni 2019 teilte die Ast. dort mit nun in der L.-Str. in T. zu wohnen. Am 24. März 2020 teilte die Ast. telefonisch in der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Magdeburg mit, seit dem 20. März 2019 bis voraussichtlich 1. April 2020 bei Familie S. in S. zu wohnen. Am 23. Oktober 2020 teilte die Ast. dort die im Aktivrubrum dieses Beschlusses genannte Wohnadresse per E-Mail mit und verwendet diese Adresse seither in ihrer Korrespondenz mit den Gerichten. Nach ihren Angaben gegenüber dem in der Rentensache beauftragten Sachverständigen bei der Untersuchung am 12. Oktober 2020 teilt sich die Ast. diese Wohnung mit einer Freundin.

 

Ohne vorher den Ag. zu kontaktieren hat die Ast. am 17. Oktober 2022 bei dem Sozialgericht sinngemäß den Antrag gestellt, ihr vorläufig ein Darlehen zur Abwendung der Kündigung ihrer Mietwohnung zu gewähren. Sie sei schon zweimal wegen einer Leistungsverweigerung durch die Sozialbehörden wohnungslos gewesen. Seit dem Jahr 2015 sei sie arbeitslos und nicht mehr vermittelbar, weil sie körperlich stark eingeschränkt sei. Sie hat gegenüber dem Sozialgericht die Auffassung mitgeteilt, ihr Rentenverfahren sei neu aufgenommen worden. Es gebe keine „rechtskräftige Kündigung und ihr Mietvertrag sei gültig“. Es bestehe bei ihr eine besondere Härte.

 

Der Ag. hat im erstinstanzlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 9. November 2022 die Auffassung vertreten, nicht zuständig zu sein. Ein Antrag auf Gewährung eines Darlehens nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) liege diesem nicht vor. Nach dortigem Kenntnisstand sei der Mietvertrag mit der Ast. von Vermieterseite gekündigt worden. Dieser habe kein Interesse an der Fortsetzung des Mietverhältnisses. Die Ast. werde gebeten, zur Prüfung einer Darlehensgewährung eine Bestätigung des Vermieters über die Aufhebung der Kündigung und den aktuellen Bescheid oder einen Kontoauszug für die Witwenrente vorzulegen. Ein Wohngeldanspruch der Ast. sei durch die zuständige Behörde geprüft und abgelehnt worden.

 

Das Sozialgericht hat den Antrag der Ast. mit Beschluss vom 17. November 2022 abgelehnt und insoweit Informationen aus anderen dort anhängig gewesenen Verfahren verwertet: Die Ast. habe bis einschließlich Juni 2019 Leistungen nach dem SGB II bezogen und mit der Rentenanpassung zum 1. Juli 2020 eine Witwenrente in Höhe von 762,42 € monatlich und Wohngeld in Höhe von 83,00 € monatlich bezogen. Seit Oktober 2020 bewohne die Ast. mit einer Frau, die im Bezug von Leistungen nach dem SGB II stehe, die im Rubrum genannte Mietwohnung. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf Bewilligung von Wohngeld sei nach Anhörung der Ast. an das zuständige Verwaltungsgericht verwiesen worden. Für die von der Ast. begehrte einstweilige Anordnung fehle bereits das allgemeine Rechtsschutzinteresse, da die Ast. dem Ag. vor der Antragstellung bei dem Sozialgericht keine Gelegenheit gegeben habe, sich mit dem Begehren zu befassen. Auf das Erfordernis einer vorherigen Antragstellung bei der Behörde sei die Ast. bereits mehrfach hingewiesen worden. Es sei hier kein Grund ersichtlich, ausnahmsweise vom Erfordernis eines vorherigen Antrags beim zuständigen Leistungsträger abzusehen. Denn selbst dann, wenn anzunehmen sein sollte, dass eine sofortige gerichtliche Entscheidung erforderlich sei, sei diese Zeitnot allein auf Grund des Verhaltens der Ast. eingetreten. Lediglich ergänzend werde die Ast. von Seiten des Gerichts darauf hingewiesen, dass die Gewährung eines Darlehens zur Begleichung der Mietkaution oder von Mietrückständen bereits Gegenstand einstweiliger Rechtsschutzverfahren gewesen sei (S 29 SO 20/21 ER, S 31 SO 10/22 ER und S 31 SO 37/22 ER). Die Anträge seien jeweils mit rechtskräftigen Beschlüssen abgelehnt worden. Auch Beschlüsse des einstweiligen Rechtsschutzes erwüchsen, soweit ein Rechtsmittel gegen diese nicht mehr möglich sei, in Rechtskraft. Ein erneuter Antrag sei unzulässig, wenn dieser bei unveränderter Sach- und Rechtslage lediglich wiederholt werde (Hinweis auf LSG für das Land-Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. November 2016 - L 9 132/16 B -, juris, RdNr. 6; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zu Sozialgerichtsgesetz [SGG], 13. Aufl. 2020, § 86b RdNr. 45a). So liege der Fall hier. Die Ast. habe lediglich ihren bisherigen Vortrag wiederholt. Die Kammer weise auch noch einmal darauf hin, dass die Ast. nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis nach dem Vierten Kapitel des SGB XII gehöre. Die Ast. habe weder die Regelaltersgrenze erreicht noch sei bei ihr durch den zuständigen Rentenversicherungsträger eine volle Erwerbsminderung festgestellt worden. Von einer erneuten Beiladung des Jobcenters sei im vorliegenden Verfahren abgesehen worden, da es der Ast. zuzumuten sei, dort zunächst einen Leistungsantrag zu stellen. Zum anderen bestehe nach summarischer Prüfung weder gegenüber dem Ag. noch gegenüber dem Jobcenter S. ein Leistungsanspruch. Hierzu werde auf die Ausführungen im Beschluss der Kammer vom 13. Juli 2022 (S 31 SO 68/22 ER) Bezug genommen.

 

Gegen den ihr am 23. November 2022 zugestellten Beschluss hat die Ast. am 12. Dezember 2022 Beschwerde beim LSG Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung hat sie mitgeteilt „keine Leistungen von 2015-2022 nach SGB II“ bezogen zu haben. Das sei gelogen und unwahr. Sie habe sehr wohl einen Wohngeldanspruch. Seit dem Jahr 2015 erhalte sie keinerlei Leistungen. Sie wolle endlich ihre Rente oder eine vernünftige Unterstützung. Ihr Körper sei zu krank zum Arbeiten. Sie hat ein Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin H. vom 22. September 2022 übersandt, dem zu entnehmen ist, die Ast. leide seit vielen Jahren an einer chronischen Erkrankung des Bewegungsapparates. Sie müsse regelmäßig Schmerzmedikamente einnehmen. Wegen dieser Erkrankung sei sie aus ärztlicher Sicht „auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr verfügbar“. Eine Besserung sei nicht zu erwarten. Im Übrigen hat sie einen Befundbericht desselben Arztes, bei dem Sozialgericht in der Rentensache eingegangen am 1. Oktober 2019, übersandt, zu dem auf Blatt 36 bis 38 der Gerichtsakte Bezug genommen wird. Zuletzt hat sie mit ihrem am 4. Januar 2023 bei dem Senat eingegangenen Schriftsatz mitgeteilt, wahrscheinlich würde ihr eine Nachzahlung des Wohngeldes schon reichen.

 

Die Ast. beantragt sinngemäß,

 

den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 17. November 2022 aufzuheben und ihr im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig ein Darlehen für die Kosten der Unterkunft zu bewilligen.

 

Der Ag. beantragt,

 

die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Die Ast. trage weder in sachlicher noch rechtlicher Hinsicht Gründe vor, die Zweifel an der Entscheidung des Sozialgerichts begründeten.

 

Im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen ist, Bezug genommen.

 

II.

 

Die Beschwerde der Ast. hat keinen Erfolg.

 

Die Beschwerde ist nach § 172 Abs. 1 SGG statthaft, da sie nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen ist. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die begehrte Verpflichtung des Ag. den Schwellenwert in § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG überschreitet. Die Beschwerde ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG).

 

Der Senat hatte den Wohngeldträger nicht zum Verfahren beizuladen. Nach den Ausführungen des Sozialgerichts ist das insoweit im Rechtsweg zuständige Verwaltungsgericht durch Verweisung eines früheren Antragsverfahrens bereits mit dieser Frage befasst. Im Übrigen ist im Rahmen der Beiladung nach § 75 Abs. 5 SGG, unabhängig davon, unter welchen Bedingungen die Verpflichtung eines Beigeladenen im zweiten Rechtszug möglich sein kann, eine Verpflichtung des Wohngeldträgers nicht möglich.

 

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 und 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht die isolierte Anfechtungsklage die zutreffende Klageart ist, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte; einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Nach Satz 4 dieser Vorschrift gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Abs. 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend.

 

Die Ast. hat bereits ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht. Es ist für den Senat nicht erkennbar, woraus sich bei der von der Ast. bezogenen Witwenrente für eine von zwei Personen bewohnte Wohnung eine Deckungslücke ergeben haben kann. Grund und Höhe eines Mietrückstandes hat die Ast. nicht mitgeteilt. Im Übrigen wird nach § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf den angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts vom 17. November 2022 Bezug genommen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.

 

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).

 

Klamann                                  Fischer                                   Hüntemeyer

Rechtskraft
Aus
Saved