L 3 BA 6/22

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 46 BA 36/21
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 BA 6/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Bei einem einheitlichen Klagegegenstand bleibt bei einer versehentlichen doppelten Eintragung (zunächst für die Klage, dann für die Klagebegründung) kein Raum für zwei gerichtliche Entscheidungen in der Hauptsache. Von der doppelten Erhebung der Gerichtskosten kann in dieser Konstellation auf Grund unrichtiger Sachbehandlung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG abgesehen werden.

 

Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 7. März 2022 im Verfahren S 46 BA 36/21 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 3. Januar 2022 im Verfahren S 46 BA 37/21 wird zurückgewiesen.

 

Die Klägerin trägt die Kosten des Klageverfahrens S 46 BA 37/21 und des hierzu geführten Berufungsverfahrens. Den Beigeladenen sind Kosten nicht zu erstatten.

 

Von der Erhebung der Gerichtskosten im Verfahren S 46 BA 36/21 wird für beide Instanzen auf Grund unrichtiger Sachbehandlung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz abgesehen. Die außergerichtlichen Kosten tragen die Beteiligten für das Verfahren S 46 BA 36/21 selbst.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

 

 

Tatbestand:

 

Die Beteiligten streiten erneut über die Feststellung der Sozialversicherungspflicht sowie nun die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 24.814,85 € für die Beigeladene zu 1. vom 1. Januar bis zum 30. November 2015 und den Beigeladenen zu 2. vom 1. Januar 2015 bis zum 16. Februar 2016.

 

Die klagende Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 30. Mai 2006 gegründet. Das Stammkapital von 25.000 € hielten zunächst die Beigeladene zu 1. (*1966) und ihr Sohn, der Beigeladene zu 2. (*1985), jeweils zur Hälfte. Mit Vereinbarung vom 8. April 2008 übertrugen beide Beigeladenen von ihren Anteilen am Stammkapital jeweils 250,00 € an T.H., der mit 500,00 € nun insgesamt 2 Prozent am Stammkapital hielt.

 

Die Beigeladene zu 1. war ausweislich ihres Versicherungsverlaufs zum Bescheid nach § 149 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) vom 3. Juni 2015 bis zum März 1998, dem letzten mit rentenrechtlichen Zeiten belegten Monat, arbeitslos und bezog Leistungen der Arbeitsförderung. Sie war ausweislich der von der Beklagten übersandten Bescheinigung bis Juni 1996 bei der D-Kasse familienversichert. Nach einem Bescheid der T-Kasse vom 11. Februar 2004 war die Beigeladene zu 1. in einer ab dem 2. März 1998 ausgeübten Tätigkeit nicht versicherungspflichtig tätig. Ausweislich der Eintragung im Handelsregister vom 21. August 2006 war sie Geschäftsführerin der Klägerin, bis sie in der Gesellschafterversammlung vom 7. Juni 2013 mit Wirkung zum 30. Juni 2013 abberufen wurde. Im Anschluss daran, d.h. in dem im vorliegenden Rechtsstreit maßgebenden Zeitraum, war die Beigeladene zu 1. bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Unternehmen am 30. November 2015 durchgehend als Assistentin der Geschäftsführung für die Klägerin tätig.

 

Die vorgelegte Gewerbeanmeldung für den Beigeladenen zu 2. vom 25. Mai 2010 bezieht sich auf ein Gewerbe unter der Anschrift der Klägerin, ohne Angabe der Klägerin oder der Handelsregisternummer. Der Beigeladene zu 2. hat mehrere Bestätigungen über eine Kranken- bzw. Pflegeversicherung bei privaten Versicherungsunternehmen zur Gerichtsakte gereicht: der B-Kasse für den Zeitraum vom 1. Januar 2003 bis zum 30. April 2010, der C-Versicherungfür den Zeitraum vom 1. Mai bis zum 31. Dezember 2010 und der S-Versicherung für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2011. Hierzu wird auf Blatt 226 bis 228 Bd. II der Gerichtsakten Bezug genommen. In der Gesellschafterversammlung vom 7. Juni 2013 wurde der Beigeladene zu 2. zum Geschäftsführer der Klägerin berufen. Zum Geschäftsführeranstellungsvertrag vom 7. Juni 2013 mit der Vereinbarung eines monatlichen Gehalts in Höhe von 2.200,00 € wird auf Blatt II 31 bis II 32 der Verwaltungsakten zur Betriebsprüfung im Jahr 2015 verwiesen. Auf dem Feststellungsbogen im Rahmen der zweiten Betriebsprüfung gab der Beigeladene zu 2. mit Datum vom 24. Mai 2019 an, seine tatsächliche wöchentliche Arbeitszeit für die Klägerin betrage 60 Stunden.

 

Auf der Grundlage der bei der Klägerin vom 13. April bis zum 1. Oktober 2015 durchgeführten Betriebsprüfung stellte die Beklagte fest, dass für die Beigeladene zu 1. seit dem 8. April 2008 als Geschäftsführerin bzw. Assistentin der Geschäftsführung und für den Beigeladenen zu 2. seit dem 1. Juli 2013 als Geschäftsführer ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bei der Klägerin auf Grund des Gesellschaftsanteils von jeweils nur 49 Prozent bestehe und forderte Beiträge für Zeiten ab dem 1. Januar 2011 zu allen Zweigen der Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 56.834,61 € für die jeweiligen Zeiträume der Versicherungspflicht - unter Berücksichtigung einer Verjährung von Beiträgen für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2010 - nach. Die Beiträge wurden für die Beigeladene zu 1. der D-Kasse und für den Beigeladenen zu 2. der IKK classic zugeordnet (Bescheid vom 23. Oktober 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2016). Die hiergegen vor dem Sozialgericht Magdeburg am 24. März 2016 erhobene Klage (S 10 R 198/16) stützte die Klägerin auf Feststellungen verschiedener Sozialversicherungsträger aus dem Zeitraum von 2004 bis 2011 (Bescheid der T-Kasse vom 11. Februar 2004, Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 23. April 2004, Bescheid der Beklagten vom 2. Mai 2011 und Schreiben der Beklagten vom 26. Mai 2011). Im Übrigen machte die Klägerin dort geltend, die Beigeladenen seien privat kranken- bzw. pflegeversichert und hätten ein Gewerbe angemeldet. Es sei von einer selbstständigen Tätigkeit der Beigeladenen auszugehen. Die Lohnsteueraußenprüfungen hätten keine Beanstandungen ergeben. Eine rückwirkende Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung könne einen Leistungsanspruch nicht mehr begründen.

 

Mit notariell beurkundetem Geschäftsanteilsübertragungs- und Abtretungsvertrag vom 15. Februar 2016 übertrugen T.H. und die Beigeladene zu 1. dem Beigeladenen zu 2. ihre Geschäftsanteile.

 

Auf der Grundlage der weiteren vom 24. April bis zum 23. Juli 2019 durchgeführten Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2018 stellte die Beklagte nach Anhörung der Klägerin fest, dass die Beigeladene zu 1. vom 1. Januar bis zum 30. November 2015 als Assistentin der Geschäftsführung und der Beigeladene zu 2. vom 1. Januar 2015 bis zum 16. Februar 2016 als Gesellschafter-Geschäftsführer auf Grund eines Gesellschaftsanteils von jeweils nur 49 Prozent in einem versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bei der Klägerin standen. Die Beklagte forderte Beiträge zu allen Zweigen der Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 24.814,85 € (für die Beigeladene zu 1. vom 1. Januar bis zum 30. November 2015 und für den Beigeladenen zu 2. vom 1. Januar 2015 bis zum 16. Februar 2015) nach. Die Beiträge wurden in dem Bescheid für beide Beigeladenen der AOK Sachsen-Anhalt zugeordnet (Bescheid vom 23. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2021).

 

Nach einer Beiladung wie im Klageverfahren S 46 BA 37/21, das der vorliegenden Berufung zugrunde liegt, führte das Sozialgericht im Verfahren S 10 R 198/16 am 12. November 2020 die mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Beigeladenen zu 2. und des Ehemannes der Beigeladenen zu 1. (der auch der Vater des Beigeladenen zu 2. ist) unter Vorlage einer von beiden Beigeladenen unterzeichnete Vollmacht vom 15. Oktober 2020 durch. Das Sozialgericht wies auf diese mündliche Verhandlung die Klage im Verfahren S 10 R 198/16 mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 12. November 2020 ab. Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, die Beigeladenen seien in ihrer Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer/-in bzw. mitarbeitende Gesellschafterin (Assistentin der Geschäftsführung) im streitigen Zeitraum abhängig beschäftigt und deshalb in der Sozialversicherung versicherungspflichtig gewesen. Das Urteil mit Gründen ist dem mit der Vollmacht vom 15. Oktober 2020 versehenden Vertreter gegen Empfangsbekenntnis, unterzeichnet eingegangen bei dem Sozialgericht am 15. Dezember 2020, übersandt worden.

 

Unter dem Aktenzeichen des Sozialgerichts Magdeburg S 46 BA 36/21 ist dann eine am 29. Juni 2021 erhobene Klage der Klägerin zum Bescheid vom 23. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2021 registriert worden. Die am 2. Juli 2021 bei dem Sozialgericht eingegangene Klagebegründung zu der am 29. Juni 2021 erhobenen Klage ist als eigenständiges Klageverfahren mit dem Aktenzeichen des Sozialgerichts S 46 BA 37/21 registriert worden.

 

Das Sozialgericht hat im Verfahren S 46 BA 37/21 mit Beschluss vom 15. September 2021 die Beiladungen zu 1. und 2. bewirkt und die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 3. Januar 2022 abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 23. Juli 2018 [gemeint ist der Bescheid vom 23. Juli 2019] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2021 sei rechtmäßig. Der Begründung des Urteils des Sozialgerichts vom 12. November 2020 im Verfahren S 10 R 198/16 sei nichts hinzuzufügen. Der Gerichtsbescheid ist der Klägerin gegen (ein nicht zurückgereichtes) Empfangsbekenntnis übersandt worden. Dem Beigeladenen zu 2. ist der Gerichtsbescheid (ohne Hinweis auf seine Geschäftsführerstellung oder die Klägerin) am 8. Januar 2022 mit Postzustellungsurkunde zugestellt worden.

 

Die Klägerin hat am 7. Februar 2023 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt unter Angabe des Aktenzeichens des Sozialgerichts S 46 BA 37/21 eingelegt. Sie mache die Aufhebung des Bescheides vom 23. Juli 2018 [gemeint ist der Bescheid vom 23. Juli 2019] und des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2021 geltend. Zur Begründung ihres Rechtsmittels hat sie ihr Vorbringen wiederholt und vertieft.

 

Das Sozialgericht hat die Klägerin und die Beklagte (eine Beiladung ist dort nicht erfolgt) im Verfahren S 46 BA 36/21 mit richterlichem Schreiben vom 7. Februar 2022 zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört und - nach Hinweis der Beklagten auf die bereits erfolgte Entscheidung im Verfahren S 46 BA 37/21 zum Bescheid vom 23. Juli 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2021 - mit Gerichtsbescheid vom 7. März 2022 die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 23. Juli 2018 [gemeint ist der Bescheid vom 23. Juli 2019] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2021 erneut abgewiesen. Der Gerichtsbescheid ist der Klägerin mit Postzustellungsurkunde am 10. März 2022 zugestellt worden.

 

Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte auf Grund der gerügten Zuordnung der Kranken- und Pflegeversicherung der Beigeladenen zur AOK Sachsen-Anhalt ein angenommenes Teilanerkenntnis dahingehend abgegeben, dass die zuständige Krankenkasse für die Beigeladene zu 1. die D-Kasse und für den Beigeladenen zu 2. die I-Kasse ist. Von der Geltendmachung einer hierdurch bei Berücksichtigung des höheren Zusatzbeitrags eigentlich entstehenden höheren Beitragsnachforderung hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat durch Erklärung zu Protokoll Abstand genommen.

 

Zur Begründung ihres Rechtsmittels hat die Klägerin ihr Vorbringen aus der ersten Instanz wiederholt und vertieft.

 

Die Klägerin beantragt,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 3. Januar 2022 im Verfahren S 46 BA 37/21 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 7. März 2022 im Verfahren S 46 BA 36/21 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2021 und des Teilanerkenntnisses vom 13. Juli 2023 aufzuheben.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 3. Januar 2022 zurückzuweisen.

 

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid vom 3. Januar 2022 und ihren Bescheid unter Berücksichtigung des Teilanerkenntnisses vom 13. Juli 2023 für rechtmäßig.

 

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

 

Die Bundesagentur für Arbeit, die D-Kasse und die I-Kasse (bzw. die diesen zugehörigen Pflegekassen) haben auf Anfrage des Senats eine Beiladung nicht beantragt.

 

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten aus dem Berufungsverfahren, den Verfahren vor dem Sozialgericht Magdeburg S 10 R 198/16, S 46 BA 36/21 und S 46 BA 37/21 sowie der Verwaltungsakten der Beklagten ergänzend Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

 

Entscheidungsgründe:

 

Die zulässige Berufung der Klägerin richtet sich bei zutreffender Auslegung auch gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 7. März 2022 im Verfahren S 46 BA 36/21. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass es sich selbst bei zwei bei unterschiedlichen Gerichten eingehenden Schriftsätzen zu demselben Streitgegenstand um ein einheitliches Verfahren handelt (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21. Februar 2023 - VIII ZB 75/22 -, juris, RdNr. 10). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Im vorliegenden Verfahren ist dieses Ergebnis umso zwingender, als eine Klageschrift und eine Klagebegründung als eigenständige Klageverfahren registriert worden sind. Auch unter dem Gesichtspunkt der anderweitigen Rechtshängigkeit geht das Verfahren S 46 BA 36/21 nicht dem Verfahren S 46 BA 37/21 vor, weil die zweite Registrierung mit der bereits im Verfahren S 46 BA 36/21 angekündigten Klagebegründung erfolgt ist, der Fehler also allein in der Sphäre der Justiz liegt und die Klägerin nicht die Absicht zum Ausdruck gebracht hat, zwei Klagen anhängig machen zu wollen. Das Sozialgericht hätte die dort verbliebene Akte aus dem Verfahren S 46 BA 36/21 ohne Entscheidung zur Ergänzung der Akte aus dem Verfahren S 46 BA 37/21 formlos an das LSG abgeben müssen.

 

Das entsprechend auch als Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 7. März 2022 auszulegende Rechtsmittel ist im Sinne der Aufhebung dieses Gerichtsbescheides zulässig und begründet. Über den Streitgegenstand ist vollumfänglich vom Sozialgericht bereits mit Gerichtsbescheid vom 3. Januar 2022 entschieden worden. Die Bindung aus § 202 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 318 Zivilprozessordnung lässt eine zweite Entscheidung über denselben Streitgegenstand nicht zu, sondern bindet den Richter an die erste Entscheidung.

 

In Bezug auf den Gerichtsbescheid vom 3. Januar 2022 und die angefochtenen Bescheide ist die Berufung unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 23. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2021 und des Teilanerkenntnisses vom 13. Juli 2023 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Beklagte hat zu Recht für die Beigeladene zu 1. vom 1. Januar bis zum 30. November 2015 und den Beigeladenen zu 2. vom 1. Januar 2015 bis zum 16. Februar 2016 Beiträge in Höhe von insgesamt 24.814,85 € zur Sozialversicherung nachgefordert.

 

Im Rahmen der Betriebsprüfung konnte die Beklagte gemäß § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV) über die Versicherungspflicht der Beigeladenen in der Sozialversicherung durch Verwaltungsakt gegenüber der Klägerin entscheiden. Die Statusfeststellung im Bescheid der Beklagten vom 23. Oktober 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2016 stellt einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar, der über den Prüfzeitraum dieses Bescheides hinausgehende Wirkung hat (vgl. zur Statusfeststellung als Dauerverwaltungsakt: BSG, Urteil vom 29. März 2022 - B 12 KR 1/20 R -, juris, RdNr. 13). Der Klage bleibt bereits deshalb der Erfolg versagt, weil rechtserhebliche Änderungen, die Gegenstand einer Aufhebung des Bescheides vom 23. Oktober 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2016 mit Wirkung vor dem 30. November 2015 (Beigeladene zu 1.) bzw. dem 16. Februar 2016 (Beigeladener zu 2) hätten sein können, im Sinne des § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) nicht erkennbar sind. Vielmehr erstrebt die Klägerin lediglich erneut die Feststellung, dass die Beigeladenen zu keinem Zeitpunkt versicherungspflichtig bei ihr beschäftigt gewesen sind. Hierzu wird auf das rechtskräftige Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. November 2020 im Verfahren S 10 R 198/16 verwiesen, in dem die Entscheidung der Beklagten für rechtmäßig erachtet wurde, dass die Beigeladene zu 1. als Assistentin der Geschäftsführung und der Beigeladene zu 2. als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin jeweils mit einem Gesellschaftsanteil von 49 Prozent am Stammkapital in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig gewesen sind.

 

Selbst wenn man den Bescheid der Beklagten vom 23. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2021 und des Teilanerkenntnisses vom 13. Juli 2023 im Sinne einer erneuten Feststellung der Sozialversicherungspflicht der Beigeladenen einer Überprüfung unterziehen will, führt dies nicht zu einem anderen Ergebnis, sodass es auf das Verhältnis der Bescheide aus beiden Betriebsprüfungen nicht in rechtserheblicher Weise ankommt.

 

Versicherungspflichtig sind im Recht der Arbeitsförderung, in der gesetzlichen Krankenversicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung insbesondere Arbeiter und Angestellte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [Arbeitsförderung - SGB III]; § 5 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V]; § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI; § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch [Soziale Pflegeversicherung - SGB XI]). Auch die Umlagen nach § 7 des Gesetzes über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (AAG) knüpfen an das Beschäftigungsverhältnis an (§ 1 AAG).

 

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist eine Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV).

 

Eine Beschäftigung in diesem Sinne setzt eine persönliche Abhängigkeit vom Arbeitgeber voraus (vgl. zu einem Geschäftsführer mit 25 v.H. des Stammkapitals: BSG, Urteil vom 7. Juli 2020 - B 12 R 17/18 R -, juris, RdNr. 16 m.w.N.). Ob bei einer Person in leitender Stellung ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt, richtet sich danach, ob diese selbst ihr nicht genehme Weisungen rechtlich verhindern kann. Sie muss die Rechtsmacht haben, selbst die Geschicke des Unternehmens bestimmen zu können (vgl. BSG, Urteil vom 7. Juli 2020 - B 12 R 17/18 R -, juris, RdNr. 16f.). Demgegenüber sind die Kriterien zu Vorgaben, „wie“, „wann“ und „wo“ gearbeitet wird, bei Personen in leitender Position nicht geeignet, zu der maßgebenden Abgrenzung beizutragen (vgl. für eine Lehrtätigkeit z.B. BSG, Urteil vom 28. Juni 2022 - B 12 R 3/20 R -, juris, RdNr. 18 m.w.N.). Für die Beigeladene zu 1. ist eine Weisungsunterworfenheit nach diesen Kriterien gegenüber der Klägerin als Assistentin der Geschäftsführung offenkundig. Für den Beigeladenen zu 2. ergibt sich dasselbe Ergebnis unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG zu Gesellschafter-Geschäftsführern mit einer Minderheitsbeteiligung ohne Sperrminorität, der sich der Senat anschließt und die auch für eine Gesellschaft mit einer Mehrheit der Geschäftsanteile in Hand einer Familie gilt (vgl. statt aller BSG, Urteil vom 13. Dezember 2022 - B 12 R 3/21 R -, juris, RdNr. 13ff. m.w.N.).

 

In Bezug auf eine Versicherungsfreiheit in der Gesetzlichen Krankenversicherung auf Grund einer anderweitigen selbstständigen Erwerbstätigkeit (§ 5 Abs. 5 SGB V) lassen die Angaben der Klägerin und der Beigeladenen keine Feststellung zu, dass diese im streitgegenständlichen Zeitraum ab dem 1. Januar 2015 in einer weiteren Tätigkeit überwiegend selbstständig tätig waren. Damit kommt es auch nicht darauf an, dass für den Beigeladenen zu 2. ggf. noch ein Einzelunternehmen als Gewerbe angemeldet war.

 

Die Höhe der nachgeforderten Beiträge ist von der Klägerin nicht beanstandet worden und weist auch aus Sicht des Senats keine Berechnungsfehler auf. Die während des Berufungsverfahrens zunächst von der Beklagten in den Raum gestellte Neuberechnung der Krankenversicherungsbeiträge zu Lasten der Klägerin ist nach der Erklärung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens.

 

Die Kostenentscheidung im Verfahren S 46 BA 37/21/L 3 BA 6/22 beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 und § 155 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Das Teilanerkenntnis der Beklagten wirkt sich nicht im Sinne einer Verringerung der Beitragsnachforderung aus und ist damit als nur geringes Obsiegen der Klägerin zu werten. Die Beigeladenen haben selbst keine Anträge gestellt und sich damit auch nicht in ein Kostenrisiko begeben, § 162 Abs. 3 VwGO.

 

Für die Kosten des Klageverfahrens S 46 BA 36/21 sind die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz erfüllt. Nach dieser Vorschrift werden Kosten nicht erhoben, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären. Es muss insoweit ein schwerer Mangel im Sinne einer eindeutigen und unrichtigen Sachbehandlung durch das Gericht vorliegen (vgl. BSG, Beschluss vom 29. Dezember 2011 - B 13 SF 3/11 S -, juris, RdNr. 8ff.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, weil zu Lasten der Hauptbeteiligten zu demselben Streitgegenstand zwei Klageverfahren geführt worden sind, ohne dass die Beteiligten insoweit ein Verschulden trifft. Die Klägerin hat bereits mit Klageerhebung am 29. Juni 2021 mitgeteilt, eine Klagebegründung folge. Die Beklagte hat sowohl im Verfahren S 46 BA 37/21 nach Mitteilung der Registrierung eines zweiten Klageverfahrens als auch im Verfahren S 46 BA 36/21 im Rahmen der Anhörung zur Entscheidung durch (weiteren) Gerichtsbescheid auf die Überschneidung der Verfahren S 46 BA 36/21 und S 46 BA 37/21 unmissverständlich hingewiesen.

 

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.

Rechtskraft
Aus
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