1. Ein nach dem Unfall angeblich bestehender Erstschaden ist nach dem Maßstab des Vollbeweises festzustellen (BSG, 17. Februar 2009, B 2 U 18/17 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 31 Rn. 15).
2. Eine Verstärkung der Beschwerden in deutlichem zeitlichen Abstand nach dem Unfall spricht im Allgemeinen gegen eine Unfallursächlichkeit der später festgestellten Befunde.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Auffahrunfalles vom 20. Mai 2010 als Arbeitsunfall.
Der 1967 geborene Kläger erlitt am 20. Mai 2010 auf dem Weg von seiner beruflichen Tätigkeit als angestellter Arzt (seit 1.12.2009) im Städtischen Klinikum D. nach Hause einen Auffahrunfall. Der Kläger gab u.a. an, der Airbag sei dabei nicht ausgelöst worden.
Der Kläger stellte sich am 26. Mai 2010 bei dem Durchgangsarzt (D-Arzt) Dr. Z1. vor. Zum Unfallhergang gab er dort an, er sei von einem anderen Pkw von hinten angefahren worden. Der D-Arzt befundete eine nach rechts deutlich eingeschränkte Beweglichkeit der Halswirbelsäule (HWS), einen Bewegungsschmerz der Lendenwirbelsäule (LWS) und einen Hörverlust (Bericht vom 31. Mai 2010). Er diagnostizierte eine Prellung und nach HNO-Konsil eine Prellung des Innenohres. Es bestehe Arbeitsunfähigkeit seit dem 20. Mai 2010. Die Röntgenaufnahmen der HWS, der LWS und des Dens (dornförmigen knöchernen Fortsatz des zweiten Halswirbels) ergaben keine knöchernen Verletzungen.
Bei dem HNO-Arzt T. gab der Kläger am 26. Mai 2010 eine subjektive Hypakusis (Schwerhörigkeit) links, einen diskret intermittierenden Schwindel, keinen Tinnitus, kein Erbrechen und ein Druckgefühl im linken Ohr an. Der HNO-Arzt befundete einen diskret geröteten Gehörgang links und äußerte den Verdacht einer Labyrinthkontusion. Ein Tonschwellenaudiogramm vom 26. Mai 2010 und ein Krankenaktenauszug betreffend die HNO-ärztliche Behandlung am 28. Mai 2010 wurden beigezogen.
Die Neurologin M1 stellte am 26. Mai 2010 eine nach rechts eingeschränkte Beweglichkeit der HWS, Schmerzen der HWS sowie Schmerzen und ein brennendes Gefühl im Bereich der LWS bei L5 rechts und S1 fest.
Am 27. Mai 2010 wurde eine MRT der HWS und LWS durchgeführt. Der Radiologe Prof. Dr. L1. hielt fest, es seien keine Frakturen und keine diskoligamentären Verletzungen nachweisbar. Es beständen minimale Protrusionen im Bereich L4/5 und L5/S1 mit Kontakt zur Nervenwurzel S1 und L5 sowie eine geringe Neuroforamenstenose im Bereich L4/5 und mäßig bei L5/S1.
Am 1. und 7. Juni 2010 stellte sich der Kläger bei der HNO-Ärztin G. vor. Dort schilderte er den Unfallhergang ergänzend dahingehend, er sei mit dem Kopf an die linke Seitenscheibe geprallt. Zudem gab er an, er habe danach Druck und einen Tinnitus im linken Ohr verspürt. Er habe seitdem einen kurzzeitigen, rezidivierenden Schwindel und Ohrenschmerzen links, wobei Letztere rückläufig gewesen seien. Die Ärztin diagnostizierte eine Schallempfindungsschwerhörigkeit links, einen Tinnitus links sowie eine unfallunabhängige Otitis externa acuta (Gehörgangsentzündung) links und äußerte den Verdacht auf eine Contusio labyrinthi.
Am 14. und 28. Juni 2010 befand sich der Kläger bei Prof. Dr. D. in der HNO-Klinik des Universitätsklinikums L. nach dessen Bericht vom 8. Juli 2010 in Behandlung. Dort wurde am 6. Juni 2010 ein MRT des Schädels durchgeführt. Der Radiologe Prof. Dr. H1. vertrat die Ansicht, nicht nachweisbar seien eine intrakranielle Blutung, Traumafolgen oder Flüssigkeit in den Nasennebenhöhlen (NNH). Es liege eine seitensymmetrische Darstellung der Bogengänge/Cochlea ohne Hinweis auf eine traumatische Alteration vor. Eine Felsenbeinfraktur könne im MRT nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden.
Die Beklagte holte betreffend die Jahre 1999 bis 2010 ein Vorerkrankungsverzeichnis von der privaten Krankenversicherung des Klägers ein. Danach war der Kläger vor dem Unfall u.a. wie folgt in ärztlicher Behandlung und erhielt Kranken- bzw. Krankenhaustagegeld: im Juni 2000 wegen einer Verletzung der Nerven und des Rückenmarks in Halshöhe infolge eines Unfalles, im August bis September 2003 wegen einer Bandscheibenverlagerung, von Anfang April bis Mitte Juli 2005 wegen einer Osteochondrose der Wirbelsäule im Lumbosakralbereich, einer Prellung der Hüfte, einer Bandscheibenverlagerung und Lumboischialgie, ununterbrochen seit 22. Juni 2008 bis 31. Oktober 2009 wegen lumbaler Bandscheibenschäden mit Radikulopathie, Bandscheibenverlagerung, Lumboischialgie, Kompression von Nervenwurzel und Nervenplexus bei Bandscheibenschäden und Polyneuropathie. Der Kläger erhielt zur Behandlung der Radikulopathie vom 27. Juli bis 3. September 2009 Krankengymnastik.
Mit Bescheid vom 25. Februar 2011 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 20. Mai 2010 als Versicherungsfall ab. Zur Begründung führte sie aus, es seien zu keinem Zeitpunkt Verletzungsfolgen nachgewiesen worden. Frische Verletzungen des Schädels und der Wirbelsäule seien bildtechnisch ausgeschlossen worden. Die Schwindelbeschwerden, Gleichgewichtsprobleme, der Tinnitus und die Schall-empfindungsstörung des linken Ohres seien daher nicht auf das Ereignis zurückzuführen.
Dagegen erhob der Kläger am 27. März 2011 Widerspruch und begründete diesen damit, bei ihm hätten sich die typischen Symptome einer traumatisch bedingten Contusio labyrinthi linkes Ohr, einer traumatisch bedingten HWS-Distorsion und einer traumatisch bedingten Prellung der LWS entwickelt. Auch sei ein Konsil des Neurochirurgen empfohlen und realisiert worden. Vor dem Unfall habe er keine der beschriebenen Gesundheitsstörungen gehabt. Er legte zudem ein Gutachten des Prof. Dr. Dr. H2. vom 9. Februar 2011 vor, der als wesentliche Unfallfolgen eine HWS-Distorsion mit Bewegungseinschränkung und begleitenden Kopf- und Nackenbeschwerden feststellte. Weiterhin legte der Kläger ein HNO-fachärztliches Gutachten von Prof. Dr. P. vom 25. November 2011 vor, der einen Ursachenzusammenhang jedenfalls zwischen der Schallempfindungsschwerhörigkeit sowie dem Tinnitus links und dem Auffahrunfall sah.
Die Beklagte zog das Gutachten betreffend den am Fahrzeug des Klägers entstandenen Schaden bei. Sie holte eine beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. F2., Facharzt für HNO, vom 29. September 2011 ein, der eine Begutachtung auf HNO-ärztlichem Fachgebiet mit zusätzlicher Abklärung der HWS-Beschwerden empfahl.
Die Beklagte holte von Priv.-Doz. Dr. M2. ein Gutachten auf HNO-ärztlichem Fachgebiet vom 11. April 2012 ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, nach dem Auffahrunfall seien keine Schädelfrakturen und keine äußeren Verletzungen befundet worden. Er diagnostizierte eine geringe kombinierte Schwerhörigkeit links, einen nicht otogen bedingten Tinnitus und nicht otogen bedingten Schwindel. Die Hochtonschwerhörigkeit (Schallempfindungsschwerhörigkeit) links sei gering. Sprach- und Tonaudiometrie korrelierten nicht. Am rechten Ohr bestehe eine Normacusis. Eine Schalleitungsschwerhörigkeit sei bei äußerer Gewalteinwirkung auf den Schädel infolge einer Gehörknöchelkettenunterbrechung oder Trommelfellverletzung denkbar. Bei äußerer Gewalteinwirkung auf den Schädel sei auch eine beidseitige Hochtonschwerhörigkeit infolge eines Lärmtraumas denkbar. Er konnte einen Zusammenhang zwischen den auf seinem Fachgebiet vorliegenden Beschwerden und dem Auffahrunfall nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erkennen. Die Schalleitungskomponente der Schwerhörigkeit links sei am ehesten entzündlich oder infektbedingt.
Mit Schreiben vom 4. März 2012 lehnte der Kläger das Gutachten im Voraus ab und verwies dazu auf seine schwere Erkältung während der gutachterlichen Untersuchung am 13. Februar und 2. März 2012 sowie eine schwere akute Sinusitis mit Fieber. Dies belegte der Kläger mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 27. Februar 2012 für drei Tage. Priv.-Doz. Dr. M2. stellte keine akute Erkrankung des Klägers während seinen Untersuchungen fest.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. April 2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und begründete dies weiterhin damit, ein unfallbedingter Erstgesundheitsschaden sei im Bereich des linken Ohres und der HWS nicht im Vollbeweis nachgewiesen. Dabei stützte sie sich im Wesentlichen auf die Ausführungen von Dr. F1. sowie Priv.-Doz. Dr. M2..
Der Kläger hat am 17. Mai 2013 vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau Klage erhoben und sein Begehren auf Anerkennung des Ereignisses vom 20. Mai 2010 als Arbeitsunfall weiterverfolgt. Dazu hat er sich gegen das Gutachten von Priv.-Doz. Dr. M2. gewandt. Er hat darauf verwiesen, er sei mit dem Schädel an das linke Fenster geprallt. Unter Hinweis auf die Beurteilungen von Prof. Dr. Dr. H2. und Prof. Dr. P. hat er betont, der linksseitige Tinnitus mit Schallempfindlichkeitsstörung und Hörverlust sowie die HWS-Distorsion seien Unfallfolgen.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens durch den Facharzt für HNO-Heilkunde Dr. H3. vom 22. Januar 2014. Dieser hat nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 17. Januar 2014 die Angaben des Klägers wiedergegeben, dass die Beschwerden unmittelbar nach dem Unfall aufgetreten seien. Allerdings habe er nur das Druckgefühl direkt nach dem Trauma bemerkt. Das Ohrgeräusch sei ebenso wie die Schwindelsymptomatik erst einige Tage später hinzugetreten. Eine stationäre Therapie habe er abgelehnt, da es ihm peinlich gewesen sei, sich stationär an seiner Arbeitsstelle behandeln zu lassen. Andere Therapieoptionen hätten sich ihm nicht aufgezeigt. Bei dem Vorfall sei er mit der linken Schädelseite an die Seitenscheibe der Fahrertür geprallt. Eine Bewusstlosigkeit verneinte der Kläger. Er könne sich auch nicht mehr erinnern, ob das Auto schon gestanden habe oder noch leicht gerollt sei, als das hintere Auto im Stau auf ihn auffuhr.
Dr. H3. hat am linken Ohr eine pantonale Schallempfindungsschwerhörigkeit mit leichter Schalleitungskomponente und einen Tinnitus im tiefen Frequenzbereich diagnostiziert. Er hat ausgeführt, bei dem Unfallereignis könne es prinzipiell zu einem stumpfen Innenohrtrauma mit Schädigung cochleärer und/oder vestibulärer Gebiete gekommen sein. Diese Verletzung entspreche nach der einschlägigen Literatur in ihrer Pathologie und Ausprägung einem Innenohr-Lärmtrauma. Kennzeichen sei eine Haarzellschädigung. Diese manifestiere sich regelmäßig im hohen Frequenzbereich und könne neben einer Hörminderung auch ein Ohrgeräusch verursachen. Haarzellschädigungen im mittleren oder gar tiefen Frequenzbereich seien selten und bedürften einer erheblichen Gewalteinwirkung. Auch der Ort der Einwirkung sei entscheidend, da Anpralltraumen im Bereich des Hinterkopfes im Vergleich zu seitlichen Gewalteinwirkungen eher geeignet seien, eine stumpfe Innenohrtraumatisierung zu verursachen. Die Hörstörung sei immer in vollem Umfang ohne Latenz von Stunden oder gar Tagen sofort präsent.
Eine Schallleitungsschwerhörigkeit sei in keinem Fall Folge einer Innen-ohrtraumatisierung. Für eine gegebenenfalls zeitgleich auftretende Mittelohr-Pathologie, beispielsweise Zerreißung des Trommelfells oder Unterbrechung der Gehörknöchelchen sei eine erhebliche Gewalteinwirkung zu fordern. Abgesehen davon, dass eine solche Traumatisierung mit erheblichem akuten Hörverlust und akuter Schwindelsymptomatik verbunden wäre, die ungeachtet der vom Kläger vorgetragenen Scham zu Diagnostik und Therapie führen würde, sei das Trauma in Bezug auf Stärke und Lokalisation nicht geeignet, die beklagten Beschwerden zu verursachen. Schließlich spreche auch die erhebliche Diskrepanz zwischen tonaudiometrisch und sprachaudiometrisch ermitteltem Hörverlust gegen eine periphere, d. h. in den Haarzellen lokalisierte Schädigung. Gleiches gelte für die Ohrgeräusche, die kein Kriterium einer traumatischen Ursache erfüllten. Weder sei es im hohen Frequenzbereich lokalisiert noch zeige die Verdeckungskurve ein Konvergenzverhalten. Schließlich sei es auch deutlich überschwellig verdeckbar und zeige keine konstante Reproduzierbarkeit. Abschließend gäben auch die Schwindeluntersuchungen keinen Hinweis auf eine periphere Schädigung. Prof. Dr. P. habe sich nicht bzw. unzureichend mit dem Kausalzusammenhang beschäftigt. Eine Diskussion der Kausalität finde bei ihm nicht statt. Aber auch die Untersuchung bei diesem habe bestätigt, dass es keinen Hinweis für eine Schädigung des peripheren Vestibulär-Apparates gebe. Dr. H3. hat eine kombinierte Schallempfindungs-/Schallleitungsschwerhörigkeit links sowie einen tieffrequenten Tinnitus links festgestellt. Weiterhin seien subjektive Schwindelbeschwerden ohne Ursache auf dem Gebiet der HNO-Heilkunde festzustellen. Dr. H3. hat ausdrücklich festgestellt, dass sämtliche Erkrankungen auf dem HNO-Fachgebiet nicht durch den angeschuldigten Unfall verursacht worden seien. Ausdrücklich hat er sich den Schlussfolgerungen von Prof. Dr. M2. angeschlossen.
Zudem hat das Sozialgericht von Prof. Dr. Z2. ein fachorthopädisch-traumatologisches Gutachten vom 7. April 2014 eingeholt, wobei diesem keine Röntgenaufnahmen vorlagen. Dort hat der Kläger u.a. angegeben, mit der linken Kopfseite „irgendwie“ schräg an die Seitenscheibe gestoßen zu sein. An Details des Unfallgeschehens hat sich der Kläger nicht mehr erinnern können. Im Moment des Unfalles sei er mit seinen Gedanken „woanders gewesen“. Erneut hat er angegeben, er könne nicht sagen, ob sein Fahrzeug noch nach vorne geschoben worden sei.
Prof. Dr. Z2. hat eine eingeschränkte Seitdrehung und Seitneigung der HWS nach rechts bei erheblicher Muskelabwehrspannung und Schmerzangabe festgestellt. Gegenüber dem Sachverständigen hat der Kläger auf weiter bestehende Beschwerden der HWS sowie der LWS hingewiesen. Außerdem leide er noch an Schwindel. Gleichwohl hat der Kläger bestätigt, dass die Beschwerden in der HWS erst einige Tage nach dem Unfall aufgetreten seien.
Prof. Dr. Z2. hat darauf hingewiesen, dass man als einzigen orthopädischen Befund am 26. Mai 2010 (also sechs Tage nach dem Unfallgeschehen) eine eingeschränkte Beweglichkeit nach rechts in der HWS festgestellt habe. Weiterhin seien Bewegungsschmerzen in der LWS sowie ein Hörverlust angegeben worden. Am gleichen Tage sei auch eine HNO-ärztliche Untersuchung erfolgt. Nach Ansicht von Prof. Dr. Z2. hat sich die Frage gestellt, ob bei dem Unfall überhaupt eine ernsthafte Verletzung habe entstehen können. Eine entsprechende Einwirkung sei hier nicht zu sichern und ergebe sich auch nicht aus den Schäden am Fahrzeug. Der Kläger habe sich bei der heutigen Untersuchung an nichts erinnern können. Prellmarken o. ä. an der linken Kopfseite seien zu keinem Zeitpunkt gesichert worden. Soweit in der Literatur eine Beschleunigungsverletzung der HWS diskutiert werde, erfolge diese mit einer Extensionsbewegung des Kopfes nach hinten sowie anschließend nach vorne. Aus diesem Grunde sei biomechanisch der Anstoß des Kopfes seitlich an der Seitenscheibe einem solchen Unfallgeschehen biomechanisch nicht zuzuordnen. Wie der Kläger bestätigt habe, seien die Airbags nicht ausgelöst worden.
Zusammenfassend hat Prof. Dr. Z2. ausgeführt, der Kläger habe, wenn überhaupt, höchstens eine leichte HWS-Zerrung erleiden können. Dies sei aber durch nichts bewiesen. Eine mutmaßliche leichte HWS-Distorsion vom Grad I heile nach wenigen Wochen folgenlos aus.
Der Kläger hat darauf hingewiesen, dass er vor dem Unfall nicht an einem Tinnitus gelitten habe. Danach seien eine Schwerhörigkeit und der Tinnitus überall bestätigt worden. Angesichts der stets gleichbleibenden Befunde könne eine Simulation bezüglich der Schwerhörigkeit ausgeschlossen werden.
Das Sozialgericht hat weiter Beweis gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben durch Einholung eines Gutachtens von dem Facharzt für HNO-Heilkunde Prof. Dr. Z3. vom 26. Mai 2016. Dieser hat unter anderem darauf hingewiesen, dass am 26. Mai 2010 im Klinikum D. bezüglich der pantonalen Schwerhörigkeit keine Schallleitungskomponente festgestellt worden sei, aber sodann bei der Untersuchung durch die HNO-Ärztin Grube am 7. Juni 2010 eine kombinierte hochgradige Schallleitungs-/ Schallempfindungsschwerhörigkeit. Am 26. Mai 2010 sei von der HNO-Klinik D. ausdrücklich kein Tinnitus bescheinigt worden. Seiner Ansicht nach hat eine mittelgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit links sowie ein kompensierter chronischer Tinnitus Grad II bestanden. Aufgrund des zeitlichen Zusammenhanges seien beide Erkrankungen als Folge des Verkehrsunfalles anzusehen. Bei dem Tinnitus sei es typisch, dass dieser vom Betroffenen nicht sofort nach dem Unfall, sondern erst mit einer Verzögerung von einigen Tagen wahrgenommen werde, da hier das Geräusch von anderen Symptomen/Verletzungen überlagert werde. Bezüglich des Schwindels sei zu sagen, dass zum Zeitpunkt der Untersuchung in der HNO-Klinik am 1. März 2016 keine Störung des peripheren Vestibularorgans nachgewiesen worden sei. Die Schallempfindungsschwerhörigkeit könne „selbstverständlich“ durch die Gewalteinwirkung ausgelöst werden. Dazu passend sei das Ohrgeräusch. Die Gewalteinwirkung sei ausreichend. Bezüglich der Latenzzeit sei festzustellen, dass die Hörminderung sofort nach dem Unfall eingetreten sei. Zusammenfassend hat er eingeschätzt, die mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit links und der Tinnitus links seien Folgen des Ereignisses vom 20. Mai 2010.
Die Beklagte hat eine Stellungnahme von Dr. F1. vom 22. Juli 2016 vorgelegt. Dieser hat darauf hingewiesen, dass das Gutachten von Prof. Dr. Z3. schwer nachvollziehbar sei. Es sei bereits zu fragen, welchen Zusammenhang Prof. Dr. Z3. seiner Bewertung der Hauptursache zugrunde lege. Dies gelte insbesondere unter Berücksichtigung des Hinweises auf das Werk von Feldmann/Brusis, Das Gutachten des Hals-Nasen-Ohrenarztes. Dort sei anderes ausgeführt, als von Prof. Dr. Z3. zugrunde gelegt. Weder die Form der Schwerhörigkeit noch der Tinnitus passten zum Unfallmechanismus. Ein Recruitment links sei insbesondere in den Gutachten von Priv.-Doz. Dr. M. und Dr. H3. nicht festgestellt worden. Wenn man die Ansicht von Prof. Dr. Z3. zugrunde lege, dass der zeitliche Zusammenhang für einen ursächlichen Zusammenhang spreche, so sei die erste Inanspruchnahme am 26. Mai 2010 erfolgt, also 6 Tage nach dem Unfall. Dies werde vom Kläger auch selbst bestätigt. Hier hätten mehrere Werktage und die mögliche Klinikbereitschaft des Wochenendes ungenutzt zwischen Unfall und Erstvorstellung gelegen. Auch habe die Polizei einen Verkehrsunfall ohne Personenschaden festgestellt. Am 26. Mai 2016 sei ein Tinnitus ausdrücklich ausgeschlossen worden. Am 28. Mai 2010 sei bereits ein „gesicherter Hörsturz“ festgestellt worden. Auch die tiefe Frequenz des Tinnitus spreche gegen eine Unfallfolge. Das gleiche gelte für das Gehörbild.
In einer erneuten Stellungnahme hat Prof. Dr. Z3. darauf hingewiesen, dass bedauerlicherweise in der von ihm selbst zitierten Literaturstelle von Feldmann eine veraltete Auffassung wiedergegeben werde. Insoweit hat er auf verschiedene neuere Studien hingewiesen, die die Auffassung zu stumpfen Schädeltraumata in jenem von ihm zitierten Lehrwerk widerlegen würden. Danach könnten nicht nur im lärmtypischen Frequenzbereich, sondern im gesamten Frequenzbereich Schädigungen sowohl der äußeren als auch der inneren Haarzellen mit erheblichen Hörverlusten eintreten. Zwar werde in einer Arbeit von Brusis aus dem Jahre 2011 eine C5-Senke als typisches Zeichen eines stumpfen Schädeltraumas beschrieben. Jedoch besage der Ausdruck „typisch“ naturgemäß nicht, dass es neben diesen typischen Zeichen nicht noch andere Zeichen, im vorliegenden Falle auch Tieftonhörverluste, geben könne. Da es sich auch um eine Schädigung der inneren Haarzellen handeln könne, seien überschwellige Tests zum Nachweis eines Recruitments im Rahmen der Beweisführung naturgemäß nicht erforderlich. Der weitere von Dr. F1. angesprochene Aspekt bedürfe ebenfalls einer Diskussion. Zweifellos beständen Widersprüche zwischen den Aussagen des Klägers sowie den in den Akten vorliegenden Dokumenten. Er selbst habe keine Zweifel an der Richtigkeit der Aussagen des Klägers zum Zeitverlauf gehabt. Dr. F1. weise hier zu Recht auf Ungereimtheiten hin. Es sei eine rechtliche Frage und Aufgabe des Gerichts, die Feststellungen für die Grundlage der Bewertung zu treffen. Komme das Gericht zu der Überzeugung, dass die Notiz des HNO-Arztes vom 26. Mai 2010, der Kläger leide zwar an einem Hörverlust, nicht jedoch einem Tinnitus, Grundlage der Bewertung sein solle, so sei der Tinnitus keine Unfallfolge. Etwas Anderes gelte für den Hörverlust. Prof. Dr. Z3. hat abschließend die MdE unter Berücksichtigung des Tinnitus und des Hörverlustes insgesamt auf 15 vom Hundert geschätzt.
Mit Urteil vom 14. Juni 2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und sich zur Begründung im Wesentlichen den Gutachten von Priv.-Doz. Dr. M2., Dr. H3. und Prof. Dr. Z2. angeschlossen. Die Gutachten von Prof. Dr. Z3., Prof. Dr. Dr. H2. und Prof. Dr. P. überzeugten nicht. Diese seien teilweise für Zivilgerichte unter anderen Voraussetzungen erstellt worden. Prof. Dr. Z3. arbeite nicht ansatzweise heraus, welche Gewalteinwirkung im vorliegenden Fall stattgefunden haben solle.
Mit der am 4. September 2017 eingelegten Berufung gegen das ihm am 9. August 2017 zugestellte Urteil des Sozialgerichts verfolgt der Kläger die Anerkennung des Ereignisses vom 20. Mai 2010 als Arbeitsunfall weiter. Er hat zusätzlich vorgetragen, bei dem Auffahrunfall habe er eine (geringe) Lateralisierung des Dens axis nach links und eine Steilstellung der HWS und LWS erlitten. Auch habe er bereits am 26. Mai 2010 an einem Tinnitus gelitten, weshalb auch eine Kortisontherapie durchgeführt worden sei.
Aus dem Gutachten des Ingenieurbüros D2 und K. ergebe sich, dass die Radaußenverkleidung hinten links zerbrochen worden sei. Damit sei nachgewiesen, dass der Aufprall hinten links stärker gewesen sei als im Übrigen Bereich des Hecks.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 14. Juni 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 25. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. April 2013 aufzuheben und
festzustellen, dass das Ereignis vom 20. Mai 2010 ein Arbeitsunfall mit den Schäden einer Contusio labyrinthi, Schwerhörigkeit und Tinnitus des linken Ohrs, einer Halswirbelsäulendistorsion und einer Lendenwirbelsäulenprellung ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt die Entscheidung des Sozialgerichts.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. Z4.. Dieser hat am 18. August 2020 eine deutliche Bewegungseinschränkung der HWS nach rechts festgestellt. Er hat ausgeführt, nur ein Frontalzusammenstoß sei mit einer stärkeren Beschwerdesymptomatik und einer verlängerten Beschwerdedauer verbunden. Strukturelle Verletzungen der HWS vom Typ 1 und 2 heilten in der Regel folgenlos aus. Typ 3 betreffe Nackenbeschwerden und neurologische Ausfälle sowie Typ 4 Nackenbeschwerden und Frakturen und Verrenkungen. Im vorliegenden Fall entsprächen die Beschwerden Typ 2. Eine Verletzung der HWS sei insgesamt nicht wahrscheinlich zu machen. Eine schwere Kontusion des Kopfes sei unwahrscheinlich. Dagegen sprächen die erst nach sechs Tagen aufgenommene Behandlung, die fehlenden äußeren Verletzungszeichen an Kopf und HWS, das Fehlen einer Commotio-Cerebri-Symptomatik sowie ein unauffälliges Kopf-MRT. Der vom Kläger beklagte Schwindel, Hörverlust und Tinnitus sei daher nicht mit Wahrscheinlichkeit auf das versicherte Ereignis zurückzuführen. Die Beschwerdesymptomatik an der HWS sei durch den mittlerweile aufgetretenen erheblichen Verschleiß verursacht. Insoweit stimme er den Ausführungen von Prof. Dr. Z2. zu.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und nach § 151 Abs. 1 SGG auch fristgerecht eingelegt worden. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143 SGG).
Die Berufung ist nicht begründet. Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG), denn er hat gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Feststellung des Auffahrunfalles vom 20. Mai 2010 als Arbeitsunfall.
Versicherte können die Feststellung eines Versicherungsfalls, hier eines Arbeitsunfalls, beanspruchen, wenn ein solcher eingetreten ist (vgl. BSG, 5. Juli 2011, B 2 U 17/10 R, SozR 4-2700 § 11 Nr. 1, Rn. 15 f.). Nach § 8 Abs. 1 S. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Daher muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis vorliegen und dieses einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; zu dem Vorstehenden BSG, 27. November 2018, B 2 U 28/17 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 68 Rn. 14). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Der Kläger hat keinen Arbeitsunfall erlitten, da ein unfallbedingter Gesundheits(erst)schaden nicht feststellbar ist.
Der Kläger hat bei dem Unfall weder eine HWS-Distorsion bzw. Verletzungen der HWS (dazu bei 1) noch eine Lendenwirbelsäulenprellung (dazu bei 2) erlitten. Auch eine Contusio labyrinthi, die Schwerhörigkeit und der Tinnitus des linken Ohrs sind nicht auf den Unfall zurückzuführen (dazu bei 3).
Grundsätzlich ist bezüglich aller Beschwerden festzustellen, dass sich der Kläger erst sechs Tage nach dem Unfall ärztlich vorgestellt hat. Zwar ist zu berücksichtigen, dass der Kläger als Arzt beruflich sehr belastet war. Allerdings wäre eine ärztliche Untersuchung bei ihm jederzeit in der Klinik des Arbeitgebers ohne Zeitverzug durch eine Anreise durchführbar gewesen, so dass die fehlende Vorstellung gegen ernsthafte Verletzungen spricht. Hinzu kommt, dass der Kläger als Arzt Symptome einer Verletzung besser einordnen kann als ein Laie. Nicht bewiesen und auch fernliegend sind die Ausführungen des Klägers bei Dr. H3., eine stationäre Therapie habe er abgelehnt, da es ihm peinlich gewesen sei, sich stationär an seiner Arbeitsstelle behandeln zu lassen; andere Therapieoptionen hätten sich ihm nicht aufgezeigt. Der Senat hat keine Zweifel, dass es dem Kläger nach rund fünf Monaten Tätigkeit in der Klinik bekannt war, dass dort auch ambulante Untersuchungen vorgenommen wurden. Schließlich haben sein Beruf und die Probezeit den Kläger auch nicht gehindert, sich ab dem 26. Mai 2010 sehr intensiv (ambulant) untersuchen zu lassen. Ein Unterschied zu den Tagen zuvor ist nicht erkennbar oder behauptet. Mangels zeitnaher Befunde bestehen daher bereits grundsätzliche Zweifel am Vorliegen von Unfallschäden, wie zuletzt Dr. Z4. ausgeführt hat, der die Verhältnisse vor Ort als ehemaliger Kollege des Klägers sehr gut kennt.
Zudem hat Dr. Z4. am 26. Mai 2010 eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Jedoch ist der Kläger nach dem Unfall zunächst seinem Beruf noch nachgegangen. Dies spricht für eine Verstärkung der Beschwerden in deutlichem zeitlichen Abstand nach dem Unfall und damit gegen eine Unfallursächlichkeit der am 26. Mai 2010 festgestellten Beschwerden.
1) Zwar wird in dem Gutachten des Prof. Dr. Dr. H2. vom 9. Februar 2011 als wesentliche Unfallfolge u.a. eine HWS-Distorsion mit Bewegungseinschränkung festgestellt. Auch Dr. Z4. hat am 26. Mai 2010 eine HWS-Distorsion festgestellt. In seinem späteren Gutachten ist Dr. Z4. aber zu dem Ergebnis gekommen, eine Verletzung der HWS sei insgesamt nicht wahrscheinlich zu machen. Letzterem schließt sich der Senat an.
Zum einen ist kein Hergang feststellbar, der zu einer Verletzung der HWS führen könnte. Prof. Dr. Z2. hat ausgeführt, es sei bei dem Heckaufprall „… mit Mühe höchstens, wenn überhaupt, zu einer leichten HWS-Distorsion …“ gekommen. Dies überzeugt in der Bewertung des Sachverhaltes. Der vorhandene Schaden ist jedoch nach dem Maßstab des Vollbeweises festzustellen (BSG, 17. Februar 2009, B 2 U 18/17 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 31 Rn. 15; LSG Sachsen-Anhalt, 13. Oktober 2020, L 6 U 23/19, Rn. 29, juris).
Zutreffend hat Prof. Dr. Z2. darauf hingewiesen, soweit in der Literatur eine Beschleunigungsverletzung der HWS diskutiert werde, folge diese mit einer Extensionsbewegung des Kopfes nach hinten sowie anschließend nach vorne. Aus diesem Grunde ist biomechanisch der Anstoß des Kopfes seitlich an der Seitenscheibe einem solchen Unfallgeschehen nicht zuzuordnen. Dies entspricht der einschlägigen Fachliteratur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall- und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 482). Auch Dr. Z4. hat ausgeführt, nur ein Frontalzusammenstoß sei mit einer stärkeren Beschwerdesymptomatik und einer verlängerten Beschwerdedauer verbunden. Damit spricht der Hergang - soweit feststellbar - gegen eine Verletzung der HWS.
Zudem hat Prof. Dr. Z2. nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, der Kläger habe, wenn überhaupt, höchstens eine leichte HWS-Zerrung erleiden können. Dies ist aber nicht bewiesen. Eine mutmaßliche leichte HWS-Distorsion vom Grad I heile - so Prof. Dr. Z2. - nach wenigen Wochen folgenlos aus. Ähnlich hat sich Dr. Z4. geäußert. Es entspricht der Fachliteratur, dass bei einem Trauma des Grades I (oder selbst Grad II) die eventuellen Gesundheitsstörungen innerhalb von maximal 14 Tagen ausheilen (so auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 489). Die dauerhaften und unveränderten Beschwerden des Klägers müssen daher andere Ursachen haben.
Ein Dauerschaden kommt auch nur bei in der Kernspintomographie nachgewiesenen Strukturverletzungen in Betracht (Verletzungen Grad III; vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 489). Solche konnten im MRT am 27. Mai 2010 nicht festgestellt werden- Der Radiologe Prof. Dr. L1. hat ausgeführt, es seien keine Frakturen und keine diskoligamentären Verletzungen nachweisbar.
Kein Arzt außer dem Kläger führt die Steilstellung der HWS auf den Unfall zurück. Dr. Z4. hat einen Unfallzusammenhang ausdrücklich und überzeugend verneint.
Eine Simulation hat kein Arzt und insbesondere kein Gutachter bei dem Kläger festgestellt, so dass die diesbezüglichen Ausführungen des Klägers ins Leere gehen.
Ob die am 26. Mai 2010 geschilderte Beschwerdesymptomatik an der HWS auf den mittlerweile aufgetretenen erheblichen Verschleiß zurückzuführen ist, wie Dr. Z4. nachvollziehbar darlegt, kann offenbleiben. Das Fehlen von Alternativursachen würde nicht ausreichen, um die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs zu begründen; es reicht also nicht aus, dass das Unfallgeschehen ggf. als zwanglose Erklärung der Krankheitsentwicklung „übrig“ bleibt (BSG, 9. Mai 2006, B 2 U 1/05 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 Rn. 20).
2) Auch bezüglich der LWS ist kein Hergang feststellbar, der zu einer Prellung führen könnte. Die LWS war durch den Autositz geschützt; ein stärkerer Druck im PKW ist nicht vorstellbar; hierfür gibt auch der Vortrag des Klägers keinen Anhaltspunkt. Prellmarken u.ä. am Rücken wurden nie festgestellt oder behauptet.
Auch in dem nachfolgenden MRT der LWS wurden keine unfallbedingten Befunde gesichert. Der Radiologe Prof. Dr. L1. hielt fest, es seien keine Frakturen und keine diskoligamentären Verletzungen nachweisbar. Allerdings bestand eine minimale Protrusion im Bereich L4/5 und L5/S1 mit Kontakt zur Nervenwurzel S1 und L5 sowie eine geringe Neuroforamenstenose im Bereich L4/5 und mäßig bei L5/S1. Diese auch degenerativ erklärbaren Veränderungen können die Beschwerden des Klägers verursachen.
Für eine degenerative Ursache spricht, dass der Kläger zuvor bereits wegen Beschwerden der LWS arbeitsunfähig gewesen war (Anfang April bis Mitte Juli 2005 wegen einer Osteochondrose der Wirbelsäule im Lumbosakralbereich, ununterbrochen vom 22. Juni 2008 bis 31. Oktober 2009 wegen lumbaler Bandscheibenschäden mit Radikulopathie, Bandscheibenverlagerung; Lumboischialgie, Kompression von Nervenwurzel und Nervenplexus bei Bandscheibenschäden und Polyneuropathie). Der Kläger erhielt zur Behandlung der Radikulopathie vom 27. Juli bis 3. September 2009 Krankengymnastik. Insoweit trifft es nicht zu, wenn der Kläger in seiner Widerspruchsbegründung vorträgt, er habe vor dem Unfall am 20. Mai 2010 keine Beschwerden gehabt. Es liegt nicht fern, dass diese Beschwerden auch nach dem Unfall wegen derselben Ursache vorlagen.
3) Die pantonale Schallempfindungsschwerhörigkeit mit leichter Schalleitungskomponente (dazu bei a.), der Schwindel (dazu bei b.) und der Tinnitus (dazu bei c.) sind keine Unfallfolgen. Eine Contusio labyrinthi ist nicht feststellbar (auch dazu bei a.).
a) Priv.-Doz. Dr. M. hat ausgeführt, eine Schalleitungsschwerhörigkeit sei bei äußerer Gewalteinwirkung auf den Schädel infolge einer Gehörknöchelkettenunterbrechung oder Trommelfellverletzung denkbar. Dies stimmt mit den den Beteiligten zur Kenntnis gegebenen Auszügen des in dem in den Verfahren mehrfach genannten Werks von Feldmann/Brusis (Das Gutachten des Hals-Nasen-Ohrenarztes, 8. Aufl.) überein. Dort heißt es unter „Hinweis“ (Seite 196): „Die gutachtliche Bewertung des stumpfen Schädeltraumas ohne ohrnahe Fraktur stößt auf Schwierigkeiten. Nicht selten werden Hörstörungen, die schon lange vorher bestanden haben, dem Verletzten aus Anlass des Schädeltraumas erstmals richtig bewusst, und er bringt sie in seinem verständlichen Kausalitätsbedürfnis mit dem Unfall in Verbindung. Nach einem Schädel-Hirn-Trauma erfolgen häufig eine konsiliarische neurologische und HNO-ärztliche Untersuchung, bei der eine eventuell vorbestehende Schwerhörigkeit festgestellt wird, die sich schleichend entwickelt hat und die der Patient bisher nicht bemerkt hat. Sie wird daher häufig als unfallbedingt gedeutet. Entscheidend ist in solch einem Fall, ob der Unfallmechanismus überhaupt zu den Befunden passt“.
Eine ohrnahe Verletzung wurde nie festgestellt und kann darüber hinaus im Hinblick auf die Vielzahl der Untersuchungen ausgeschlossen werden. Die Argumentation des Klägers, er habe vor dem Unfall keine Schwerhörigkeit bemerkt, ist angesichts dieser Ausführungen ebenfalls zweifelhaft. Dies gilt umso mehr, als am 26. Mai 2010 im Klinikum D. noch keine Schwerhörigkeit mit Schallleitungskomponente festgestellt worden ist. Allerdings wurde rund zehn Tage nach dem Unfall von der HNO-Ärztin Grube eine ausdrücklich unfallunabhängige Otitis externa acuta (Gehörgangsentzündung) links festgestellt. Angesichts des bereits von dem HNO-Arzt Thranitz am 26. Mai 2010 festgestellten diskret geröteten Gehörganges links ist nachvollziehbar und überzeugend, dass Priv.-Doz. Dr. M2. die Schalleitungskomponente der Schwerhörigkeit links als am ehesten entzündlich oder infektbedingt eingeordnet hat.
Aber auch bezüglich der Schallempfindungsschwerhörigkeit bestehen Zweifel an der Ursächlichkeit des Verkehrsunfalls. Nach Feldmann/Brusis (a.a.O., Seite 194) wird weiterhin davon ausgegangen, dass eine sogenannte C5 Senke typisch ist. Da diese nach Auffassung aller HNO-Ärzte nachvollziehbar und überzeugend hier nicht vorliegt, ist dies ein weiteres Indiz gegen die Ursächlichkeit des Unfalls für die Beschwerden des Klägers. Ähnliches gilt angesichts des fehlenden Recruitments. Dessen Fehlen mag zwar nicht zwingend gegen eine Kausalität sprechen, wie Prof. Dr. Z3. darlegt. Allerdings verringert dies weiter die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhanges, wie Dr. F1. insoweit unwidersprochen ausführt.
Ebenso werden bei Feldmann/Brusis (Bl. 195) die Ausführungen von Dr. H3. bestätigt, dass eine Hörstörung in der Regel sofort nach dem Unfall in voller Ausprägung vorhanden ist. Hiervon kann sich der Senat - auch im Hinblick auf die Ausführungen bei Feldmann/Brusis hinsichtlich unentdeckter Hörstörungen - überzeugen.
Der Unfallhergang spricht nicht für die Verursachung einer Contusio labyrinthi. Einen Anprall an die Seitenscheibe konnte der Kläger nicht nachweisen. Auch sind später nie eine Contusio labyrinthi oder Folgen einer solchen Einwirkung festgestellt worden. Der Kläger hat gegenüber der Polizei angegeben, er sei unverletzt.
b) Der Tinnitus ist nicht auf den Unfall zurückzuführen. Dagegen spricht bereits, dass dieser bei der Erstuntersuchung am 26. Mai 2010 - also sechs Tage nach dem streitigen Vorfall - nicht festgestellt wurde. Der HNO-Arzt Thranitz hat ausdrücklich festgehalten, dass kein Tinnitus angegeben werde. Zwar wird in dem Konsultationsschein von Dr. L2. vom 26. Mai 2010 ein Tinnitus erwähnt; der Senat misst jedoch der fachärztlichen Untersuchung eine höhere Bedeutung zu. Im Übrigen hat Dr. Z4. am gleichen Tag zwar über eine Hörstörung und einen Drehschwindel, aber nicht über einen Tinnitus berichtet. Zweifel gehen zu Lasten des Klägers.
Prof. Dr. P. und Prof. Dr. Z3. stützen sich für ihre abweichende Auffassung allein auf den zeitlichen Zusammenhang. Soweit letztgenannter meint, die Lücke von einigen Tagen sei erklärbar, da hier das Geräusch von „anderen Symptomen/Verletzungen“ überlagert worden sei, so verkennen seine pauschalen Ausführungen, dass die Beschwerden des Klägers über mehrere Tage so gering waren, dass er keinen Arzt aufgesucht hat. Es überzeugt nicht, dass der Kläger in diesen sechs Tagen keinen Tinnitus verspürt und diesen nicht einmal bei der ärztlichen Untersuchung angegeben haben soll. Letztlich hat Prof. Dr. Z3. seine Ansicht auch in seiner ergänzenden Stellungnahme weitgehend revidiert: Komme das Gericht zu der Überzeugung, dass die Feststellungen am 26. Mai 2010, der Kläger leide nicht an einem Tinnitus, Grundlage der Bewertung sein solle, so sei der Tinnitus keine Unfallfolge. Der Senat hat keinen Grund, an den mehrfachen ärztlichen Feststellungen dieses Inhalts zu zweifeln.
Prof. Dr. Dr. H2. nennt überhaupt keine Begründung für den Unfallzusammenhang. Dies überzeugt nicht.
c) Ähnlich wie bei b) spricht die zeitliche Lücke gegen einen Ursachenzusammenhang zwischen dem Schwindel und dem Unfall. Der Kläger hat bei Prof. Dr. Z3. bestätigt, dass er diesen erst zwei Tage nach dem Unfall bemerkt habe. Prof. Dr. P. stützt sich allein auf diesen nicht feststellbaren zeitlichen Zusammenhang, Prof. Dr. Dr. H2. nennt überhaupt keine Begründung für den Unfallzusammenhang. Dies überzeugt anders als die Ausführungen bei Prof. Dr. Z3., Priv.-Doz. Dr. M2. und Dr. H3. nicht.
Hinzu kommt, dass Prof. Dr. P. den Schwindel fachfremd auf HWS-Beschwerden zurückführt (dazu bereits bei 1). Eine zentral-vestibuläre Störung verneint er ebenfalls; Prof. Dr. Z3. hat dies indirekt dadurch bestätigt, dass er auf seinem Fachgebiet keinen Schwindel diagnostiziert hat. Ausdrücklich hat er darauf hingewiesen, dass bei seiner Untersuchung keine Störung des peripheren Vestibularorgans festgestellt worden sei. Auch Priv.-Doz. Dr. M. hat in seinem Gutachten den Schwindel als nicht otogen bedingt bewertet.
4) Es besteht auch kein Anhalt für eine Gefäßdissektion. Dr. O. hat bei seiner zeitnahen Untersuchung am 2. Juli 2010 einen altersentsprechenden Duplexbefund ohne Korrelat zur vorliegenden Klinik festgestellt.
Es sind auch keine sonstigen Verletzungen wie eine Zerrung oder Prellung dokumentiert. In den Unterlagen der Polizei wird bei der Aufnahme des Unfalls ausdrücklich kein Personenschaden festgehalten. Mit Prof. Dr. Z2. geht der Senat davon aus, dass eine entsprechende schädigende Einwirkung nicht im Vollbeweis zu sichern ist; sie ergibt sich auch nicht aus den Schäden am Fahrzeug.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).