L 6 U 100/19

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 46 U 123/17
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 100/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

 

Die Berufung wird zurückgewiesen.

 

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand:

 

Streitig ist, ob weitere Gesundheitsstörungen als Folgen eines Arbeitsunfalls anzuerkennen und deshalb Verletztengeld sowie anschließend Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 20 vH zu zahlen sind.

 

Laut Unfallanzeige vom 8. April 2015 geriet der 1958 geborene Kläger am 21. März 2015 während versicherter Tätigkeit gegen 00:30 Uhr wegen Unstimmigkeiten betreffend die Arbeitszeitorganisation mit einer Kollegin in Streit, die im Verlauf handgreiflich wurde; der Kläger fiel zu Boden. Der von ihm noch am selben Tag um 9:18 Uhr aufgesuchte D-Arzt Privatdozent (PD) Dr. D. (Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie des Städtischen Klinikums M.) diagnostizierte eine Kopfprellung. Im CT des Kopfes zeigten sich keine intrakraniellen Blutungen und keine Frakturen (ebenso CT-Befund vom 13. Mai 2015). Im Nachschaubericht vom 15. April 2015 stellte PD Dr. D. die Diagnosen Rippenserienfraktur 7-9 links, stumpfes Bauchtrauma und Prellung Schädel/Thorax. Nach der Epikrise der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie vom selben Tag wurden ein Pneumothorax bzw. eine Schädigung innerhalb des Bauchraumes radiologisch bzw. sonographisch ausgeschlossen. Am 24. April 2015 konnte der Radiologe Dr. R. eine Rippenfraktur nicht eindeutig nachvollziehen. Ein MRT des Kopfes vom 29. Mai 2015 ergab nach der Auswertung der Radiologin Dr. E. einen im Wesentlichen unauffälligen Befund.

 

In ihrem Verlaufsbericht zur psychologischen Krisenintervention nach Gewaltereignis vom 14. Januar 2016 hielt Dipl.-Psych. S1 einen deutlichen Rückgang der psychischen Beschwerden (Angst vor dem Alleinsein, Schreckhaftigkeit, Vermeidungsverhalten, negative Stimmungslage, Schlafstörungen) fest.

 

Aus einem MRT der Halswirbelsäule (HWS) vom 3. Mai 2016 gingen nach der Auswertung des Radiologen Dr. E. deutliche Osteochondrosen unterhalb des dritten Halswirbelkörpers mit Bandscheibenprotrusionen und spinalen Einengungen hervor (ebenso die Auswertung des MRT vom 4. September 2019 durch Dr. Z. ähnlich MRT der Lendenwirbelsäule [LWS] vom selben Tag).

 

Zwecks Feststellung und Bewertung von Unfallfolgen holte die Beklagte Gutachten ein: In seinem psychiatrischen Gutachten vom 4. August 2016 diagnostizierte Prof. Dr. F. eine Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion. Eine vermutlich anfänglich bestehende posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) habe sich zurückgebildet. Die MdE belaufe sich auf 30 vH. Bis März 2016 sei die Erwerbsfähigkeit des Klägers wegen der PTBS auf unter drei Stunden täglich gemindert gewesen. Seitdem könne dieser aufgrund der Anpassungsstörung bis März 2017 drei bis sechs Stunden täglich arbeiten; danach seien etwaige psychische Veränderungen höchstwahrscheinlich nicht mehr als Unfallfolgen zu betrachten. Der Kläger habe u.a. davon berichtet, dass sein Arbeitgeber ihm im Dezember 2015 gekündigt habe, er im Alter von sieben Jahren Opfer eines sexuellen Übergriffs geworden und seine Ehefrau, die eine Magenoperation hinter sich habe, schwer krank sei.

 

Im neurochirurgischen Befundbericht vom 14. August 2016 stellten die Dres. M., P. und P. die Arbeitsdiagnosen Protrusionen und Bandscheibenvorfall sowie degenerative Veränderungen der HWS unterhalb C3/4 sowie Dysbalance im Sinne eines komplexen myofaszial-skelettalen Schmerzsyndroms.

 

Laut Abschlussbericht Dipl.-Psych. S1s vom 26. August 2016 seien die psychischen Beschwerden des Klägers weiter abgeklungen. Die Unklarheit hinsichtlich der beruflichen Zukunft stelle nach wie vor einen Belastungsfaktor dar, der seine vorhandenen Bewältigungskapazitäten erneut übersteigen könne.

 

In seinem mund-, kiefer- und gesichtschirurgischen Gutachten vom 18. Oktober 2016 diagnostizierte Dr. Dr. Z. eine nicht objektivierbare Hypästhesie im Bereich der linken Gesichtshälfte, eine Myalgie der Kaumuskulatur beiderseits (links ] rechts) und vom Nacken her ziehende parietale Kopfschmerzen links. Für diese Gesundheitsstörungen sei eine MdE um 5 vH anzusetzen.

 

In seinem unfallchirurgischen Gutachten vom 6. Januar 2017 gelangte Prof. Dr. W. zu dem Ergebnis, Folgen des Schädel-Hirn-Traumas ersten Grades, der nicht dislozierten Rippenfrakturen sowie der Prellung der linken Gesichtshälfte seien nicht verblieben. Den Röntgenbildern des Thorax vom 30. März 2016 seien keine deutlichen Residuen der abgelaufenen Rippenserienfraktur links zu entnehmen. Die MdE sei unter Berücksichtigung aller Fachgebiete ab dem 19. Januar 2016 um 10 vH zu veranschlagen. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe bis zum 28. Januar 2016 bestanden.

 

In ihrer beratenden Stellungnahme vom 15. Februar 2017 schätzte die Fachärztin für psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. F. ein, die Chronifizierung und Verschlimmerung der depressiven Erkrankung seien auf unfallfremde Faktoren zurückzuführen; eine MdE liege nicht vor. Auf die von ihm mitgeteilten unfallfremden Ursachenfaktoren sei Prof. Dr. F. nicht hinreichend eingegangen. Daneben bestünden degenerative HWS-Veränderungen als konkurrierende Ursachen der Schmerzchronifizierung. Bereits in den Berichten vom 14. Januar und 26. August 2016 sei auf eine deutliche Beschwerderegredienz bzw. psychische Belastung durch eine unklare berufliche Perspektive hingewiesen worden.

 

Mit Bescheiden vom 17. Februar 2017 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 21. März 2015 in der Sache als Arbeitsunfall an und lehnte einen Anspruch auf Verletztenrente ab, da dessen Folgen keine MdE um mindestens 20 vH bedingten. Die seit Anfang 2016 sukzessiv chronifizierende depressive Erkrankung sei nicht auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Über den 31. Januar 2016 hinaus habe keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bestanden.

 

Den hiergegen am 10. März 2017 erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2016 als unbegründet zurück.

 

Am 24. Juli 2017 hat der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Magdeburg Klage erhoben und sich hierzu auf das Gutachten Prof. Dr. F.s gestützt.

 

Nach der vom Kläger u.a. vorgelegten Auswertung des Thorax-CT vom 7. März 2018 durch Dr. Z. hat diese keine Frakturzustände der Rippen sichern können.

 

           

 

Das SG hat von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie S2 das Gutachten vom 30. Juli 2019 eingeholt. Diesem gegenüber hat der Kläger u.a. angegeben, er jogge gelegentlich, betreibe einmal pro Woche Wassergymnastik und gehe zweimal wöchentlich ca. 10-15 km spazieren. Er beschäftige sich gern mit Menschen und reise auch gern. Im Fernsehen verfolge er aus Interesse an Politik vor allem Nachrichtensendungen auf Deutsch, Französisch und Englisch, schaue aber auch Tierdokus und Actionfilme. Während seiner Armeezeit sei er Boxchampion in der Gewichtsklasse bis 60 kg gewesen. Der sexuelle Missbrauch im Alter von sieben Jahren, bei dem es weder zu einer Gewaltanwendung noch Penetration gekommen sei, habe ihn im weiteren Lebensverlauf in keiner Weise beeinträchtigt. Mit seiner Ehefrau, die seit Jahren Magenprobleme habe und schon zweimal operiert worden sei, gebe es viel Streit. Da er selbst keine Sozialleistungen mehr bekomme, reiche auch das Geld nicht. Zum Arbeitsunfall vom 21. März 2015 hat der Kläger klarstellend erklärt, die Kollegin habe ihn mittels eines Judogriffs von hinten zu Boden gebracht. Als er dort gelegen habe, sei sie mit ihrem Partner, der sie von der Arbeit habe abholen wollen, rausgegangen.

 

Der Sachverständige hat neben einer frei beweglichen HWS einen unauffälligen neurologischen Befund ohne Lähmungen, Reflexdifferenzen oder Innervationsbeeinträchtigungen der Gesichtsmuskulatur erhoben. Das Denken des Klägers sei inhaltlich auf eine kausale Zuordnung sämtlicher Beschwerden zum Ereignis vom 21. März 2015 und ihm deshalb vermeintlich zustehende Entschädigungsleistungen fixiert. Dabei bestehe ein massiver Widerspruch zwischen der Schmerzangabe von bis zur Stufe 9 auf einer Skala von 0-10 und dem Fehlen jeder erkennbaren schmerzbedingten Beeinträchtigung im Rahmen der Exploration und der Untersuchung. Diagnostisch liege beim Kläger eine leichtgradige depressive Episode (lCD-10 F32.0), ein chronisches multilokuläres Schmerzsyndrom im Bewegungsapparat (ICD-10 R52.2), eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (lCD-10 F45.41) in Form chronischer Spannungskopfschmerzen (lCD-10 G44.2) und atypischer Gesichtsschmerzen links (ICD-10 G50.1L) sowie ein unspezifisches HWS- und LWS-Syndrom bei multiplen degenerativen Veränderungen und Bandscheibenvorwölbungen (lCD-10 M53.1, M54.4) vor. Keine dieser Gesundheitsstörungen sei ursächlich auf den Arbeitsunfall vom 21. März 2015 zurückzuführen, womit auch keine MdE resultiere. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe entsprechend den Berichten vom 14. Januar und 26. August 2016 spätestens Ende Januar 2016 geendet.

 

Hinsichtlich der depressiven Symptomatik mit Teilsymptomen einer PTBS, deren Diagnosekriterien schon mangels hinreichender Einwirkung nie erfüllt gewesen seien, sei nicht nachvollziehbar, dass der Kläger unfallbedingt für Jahre aus dem seelischen Gleichgewicht geraten sei. Dies gelte umso mehr, als es sich bei ihm um einen erfahrenen Kampfsportler handele, der am 21. Januar 2013 eine Kollegin, von der er sich provoziert gefühlt habe, selbst geohrfeigt habe, wofür er nach seinen Angaben strafrechtlich verurteilt worden sei. Entscheidend für die Symptomatik sei ein Kränkungserleben des Klägers, der mehrfach auf eine mangelnde Entschuldigung, Zuwendung sowie Verantwortungs- und Kostenübernahme durch die Kollegin, den Arbeitgeber bzw. die Beklagte hingewiesen habe. Hinzu komme die von ihm beschriebene finanzielle und partnerschaftliche Problematik. Der Kläger habe auch freimütig eingeräumt, mit der Begründung einer zunehmenden gesundheitlichen Beeinträchtigung seine aus drei Kindern, deren Partnern sowie fünf Enkelkindern bestehende gesamte Familie nach Deutschland holen zu wollen. Abgesehen davon habe er eine ausgeglichene Stimmungslage, einen lebhaften und humorvollen Rapport und keine Einschränkungen der affektiven Schwingungsfähigkeit oder des Antriebs gezeigt. Eine unfallbedingte Symptomatik sei Ende Januar 2016 vollständig zurückgegangen.

 

Auch die chronische Schmerzstörung stehe in keiner Weise mit dem Unfallereignis in Zusammenhang. Das Ausmaß der geklagten Schmerzen sei zweifellos deutlich aggraviert und auch nicht mit der Ablehnung einer medikamentösen Dauerbehandlung sowie den bislang ausgesprochen spärlich ergriffenen Behandlungsmaßnahmen in Einklang zu bringen. Anhaltende Schmerzen seien insbesondere nicht durch erlittene Rippenfrakturen begründbar, die bildgebend knöchern vollständig konsolidiert und damit ausgeheilt seien. Entsprechendes gelte bezüglich der Kopf- und Gesichtsschmerzen, die als chronischer Spannungskopfschmerz mit atypischem Gesichtsschmerz bestünden. Bildgebend seien keine traumatischen Veränderungen am Gehirn, an Knochen oder im Bereich des Gesichts nachweisbar. Die HWS- und LWS-Beschwerden beruhten unzweifelhaft auf den bildgebend gesicherten degenerativen Veränderungen einschließlich Einengung verschiedener Nervenaustrittslöcher sowie Bandscheibenvorwölbungen, wohingegen Verletzungszeichen wie Frakturen oder Knochenmarködeme auch insoweit fehlten.

 

           

 

Mit Gerichtsbescheid vom 4. November 2019 hat das SG die Klage abgewiesen und sich hierzu auf Dr. Dr. Z., Prof. Dr. W., Dr. F. und den gerichtlichen Sachverständigen gestützt. Diese hätten überzeugend dargelegt, dass der Arbeitsunfall entgegen Prof. Dr. F. weder auf orthopädisch/chirurgischem noch psychischem Gebiet zu anhaltenden Schäden geführt habe.

 

Gegen den ihm am 7. November 2019 zugegangenen Gerichtsbescheid hat der Kläger am 9. Dezember 2019 (Montag) beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt und sich weiter auf Prof. Dr. F. bezogen. Auch die vom gerichtlichen Sachverständigen gestellten Diagnosen seien entgegen dessen Bewertung als unfallbedingt anzusehen.

 

Der Kläger beantragt,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 4. November 2019 aufzuheben, unter Abänderung der Bescheide der Beklagten vom 17. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2017 eine Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie chronische Kopfschmerzen als weitere Folgen des Arbeitsunfalls vom 21. März 2015 festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, ihm deshalb über den 31. Januar 2016 hinaus Verletztengeld sowie anschließend Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 vH zu zahlen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie verteidigt die Entscheidung des SG.

 

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch den Senat ohne mündliche Verhandlung erklärt.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der von der Beklagten beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung des Senats.

 

Entscheidungsgründe:

 

Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 (Sozialgerichtsgesetz) SGG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch ansonsten zulässige Berufung hat keinen Erfolg, worüber der Senat mit Zustimmung der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte.

 

Die Bescheide der Beklagten vom 17. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2017 beschweren den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Weder eine Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren noch chronische Kopfschmerzen sind als Folgen des Arbeitsunfalls vom 21. März 2015 feststellbar (nachfolgend unter 1.). Ein darauf gestützter Anspruch auf Verletztengeld über den 31. Januar 2016 hinaus bzw. nachfolgend auf Verletztenrente scheidet daher aus (hierzu unter 2.). Die erlittenen Unfallschäden bedingen auch sonst keine rentenberechtigende MdE (unter 3.).

 

1. Nachgewiesene Gesundheitsstörungen sind einem Arbeitsunfall (als zusätzliche Schäden/Folgen) grundsätzlich dann zuzurechnen, wenn zwischen dem Unfallereignis und ihnen – entweder direkt oder vermittelt durch einen beim Arbeitsunfall eingetretenen Gesundheitserstschaden – ein Ursachenzusammenhang im Sinne von § 8 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) besteht. Maßgeblich ist dabei eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, bei der mehr für als gegen eine Verursachung spricht und ernste Zweifel ausscheiden, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann. Die bloße Möglichkeit einer Verursachung genügt dagegen nicht. Erst wenn feststeht, dass ein bestimmtes Ereignis eine naturwissenschaftliche Ursache für einen Erfolg (hier die als weitere Unfallfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen) ist, stellt sich in einem zweiten Schritt die Frage nach einer wesentlichen Verursachung des Erfolgs durch das Ereignis. Grundlage der Würdigung des Ursachenzusammenhanges sind dabei nur die Tatsachen, die nach dem Maßstab des Vollbeweises festgestellt werden können. Insoweit ist eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich, die selbst vernünftige Zweifel nicht zulässt (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 17. Februar 2009 – B 2 U 18/07 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 31; Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 17; Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 27/04 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 15).

 

Ausgehend hiervon ist es nicht hinreichend wahrscheinlich, dass es im Wesentlichen durch den Arbeitsunfall vom 21. März 2015 zu einer längeren depressiven Reaktion im Sinne der von Prof. Dr. F. bis März 2017 wirkenden Anpassungsstörung, einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren oder zu chronischen Kopfschmerzen gekommen ist. Es bestehen insoweit jeweils bereits ernste Zweifel an der naturwissenschaftlichen Ursächlichkeit, bei deren Beurteilung zu prüfen ist, ob der Unfall gedanklich außer Betracht bleiben kann, ohne dass auch die Gesundheitsstörung notwendig entfällt (BSG, Urteil vom 17. Februar 2009 – B 2 U 18/07 R – a.a.O.; Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 27/04 R – a.a.O.). Dies ist hier deshalb nicht der Fall, weil sich eine Beeinflussung der genannten Krankheitsbilder durch den Arbeitsunfall nicht feststellen lässt.

 

Auf eine frühere depressive Symptomatik erscheint ein anhaltender unfallbedingter Einfluss schon deshalb nicht (mehr) nachvollziehbar, weil Dipl.-Psych. S1 bereits am 14. Januar 2016 einen deutlichen Rückgang der psychischen Beschwerden ausmachte, die laut ihrem Bericht vom 26. August 2016 noch weiter abgeklungen waren. Als entscheidenden unfallunabhängigen Belastungsfaktor stellte sie auf eine fehlende berufliche Perspektive des Klägers ab. Dieser Umstand ist neben einer Belastung durch die Erkrankung der Ehefrau des Klägers im Hinblick auf einen verneinten Unfallzusammenhang auch von Prof. Dr. F. hervorgehoben worden, wobei der Gutachter weder begründet hat noch sonst ersichtlich ist, warum dies entsprechend seiner Prognose vom 4. August 2016 erst nach März 2017 gelten soll. Hierauf hat unter dem 15. Februar 2017 bereits Dr. F. zutreffend hingewiesen, deren Schlussfolgerung angesichts der Darlegungen des Sachverständigen S2 umso nachvollziehbarer ist. Denn auch diesem gegenüber hat der Kläger u.a. vom ehemaligen Arbeitgeber enttäuschte Erwartungen, finanzielle Probleme, Versorgungswünsche sowie Partnerschaftskonflikte bestätigt und darüber hinaus eingeräumt, mittels behaupteter Verschlechterung des Gesundheitszustandes dem gewünschten Zuzug seiner gesamten Familie nach Deutschland Nachdruck verleihen zu wollen. Angesichts der Gesamtheit dieser unfallunabhängigen Faktoren überzeugt der sachverständige Schluss, das Ereignis vom 21. März 2015 als ungeeignet einzuschätzen, relevanten Einfluss auf die beim Kläger verbliebene depressive Symptomatik zu nehmen. Das gilt auch angesichts dessen, dass diesem der Umgang mit körperlicher Aggression durchaus vertraut ist.

 

Gegen eine Verursachung der chronischen Schmerzstörung durch den Arbeitsunfall spricht vor allem das Fehlen erklärender Verletzungszeichen. Anhaltende Schmerzen sind insbesondere nicht durch erlittene Rippenfrakturen begründbar, die Dr. R. bereits am 24. April 2015 nicht mehr eindeutig abgrenzen konnte. Das entspricht den Auswertungen der bildgebenden Befunde vom 30. März 2016 durch Prof. Dr. W. und vom 7. März 2018 durch Dr. Z.. Abgesehen davon ist auch das vom Kläger als submaximal beschriebene Schmerzausmaß weder mit seinen Angaben zur Medikamenteneinnahme noch den fehlenden einschlägigen Therapiemaßnahmen zu vereinbaren und weist entsprechend den überzeugenden Darlegungen des gerichtlichen Sachverständigen auch sonst keinen objektivierbaren Bezug zum Unfallereignis auf. Umgekehrt ist beim Kläger u.a. auf Grundlage der MRT vom 4. September 2019 neben einem unfallunabhängigen HWS- auch ein ebensolches LWS-Syndrom belegt, die ohne weiteres Schmerzen bedingen können.

 

Hinsichtlich chronischer Kopfschmerzen ist ein Unfallzusammenhang ebenfalls unwahrscheinlich. Gegen einen solchen spricht bereits der Ausschluss traumatischer Hirnveränderungen durch die CT vom 21. März sowie 13. Mai 2015, der von Dr. E. anhand des Kopf-MRT vom 29. Mai 2015 ausdrücklich bestätigt worden ist. Abgesehen davon drängt sich eine unfallunabhängige Erklärung auf. Denn die vom Sachverständigen S2 als Spannungskopfschmerz eingeordnete Symptomatik ist mit dem komplexen myofaszial-skelettalen Schmerzsyndrom kompatibel, von dem die Dres. M., Prüßing und Pleifer unter dem 14. August 2016 ausgegangen sind. Grundlage hierfür sind die durch die MRT der HWS vom 3. Mai 2016 und 4. September 2019 beim Kläger gesicherten degenerativ verursachten Bandscheibenvorwölbungen und spinalen Einengungen.

 

2. Sind die geltend gemachten Gesundheitsstörungen damit nicht als weitere Unfallfolgen anzuerkennen, lassen sich darauf auch keine Ansprüche auf Verletztengeld über den 31. Januar 2016 hinaus bzw. nachfolgend auf Verletztenrente stützen. Denn hierfür wäre nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 bzw. § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Voraussetzung, dass wegen der Unfallfolgen Arbeitsunfähigkeit bzw. eine MdE um mindestens 20 vH besteht, was aus den o.g. Gründen nicht der Fall ist. Dass unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit entsprechend den gleichlautenden Beurteilungen Prof. Dr. W.s und des Sachverständigen S. auch sonst spätestens Ende Januar 2016 geendet hat, ist insbesondere angesichts des von Dipl.-Psych. S1 unter dem 14. Januar 2016 mitgeteilten deutlichen Beschwerderückgangs nachvollziehbar.

 

3. Die unstrittig in Form der Thorax/Bauch- und Schädelprellung sowie der Rippenfrakturen erlittenen Unfallschäden bedingen nach der plausiblen Bewertung Prof. Dr. W.s keine MdE um mindestens 20 vH. Dass erstere folgenlos ausgeheilt sind, ergibt sich schon aus der Epikrise der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie des Städtischen Klinikums M. vom 15. April 2015, laut der ein Pneumothorax bzw. eine Schädigung innerhalb des Bauchraumes radiologisch und sonographisch ausgeschlossen wurden. Entsprechendes gilt nach den bildgebenden Befunden vom 24. April 2015, 30. März 2016 und März 2018 für die Rippenfrakturen bzw. angesichts der jeweils unauffälligen CT- und MRT-Befunde vom 21. März sowie 13. und 29. Mai 2015 mit Blick auf die Schädelprellung.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor, da die Entscheidung auf gesicherter Rechtslage und tatsächlicher Einzelfallbewertung beruht, ohne dass der Senat von einem der in dieser Norm bezeichneten Gerichte abweicht.

Rechtskraft
Aus
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