Sozialgerichtliches Verfahren - Sachverständigenvergütung – „Nachbefundung“ radiologischer Unterlagen – Antragsprinzip – Stundenansatz - erforderlicher Zeitaufwand - Plausibilitätsprüfung - Gutachtenauftrag - Benennung der voraussichtlichen Kosten oder eines Höchstbetrags - keine verbindliche Zusage über Vergütungshöhe
1. Die sog. „Nachbefundung“ radiologischer Unterlagen ist nicht gesondert erstattungsfähig, wenn diese bereits im Beurteilungsteil des Gutachtens ausgewertet worden sind.
2. Aus dem Antragsprinzip folgt lediglich eine Begrenzung des maximal festzusetzenden Entschädigungsbetrags auf die beantragte Entschädigung (Rechnungsbetrag). Eine Bindung an einzelne Berechnungselemente des Antrags, die letztlich nur der Begründung des Antrags zuzurechnen sind, besteht nicht. Das Gericht ist deshalb nicht an die geltend gemachten Einzelpositionen einschliesslich des Stundenansatzes gebunden und berechtigt einen Austausch bzw. Änderungen vornehmen.
Die Entschädigung für das Gutachten vom 11. Januar 2022 wird auf 4.984,11 Euro festgesetzt.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe
I.
Mit Beweisanordnung vom 1. September 2021 wurde der Erinnerungsführer von dem Berichterstatter des 12. Senats mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens zur Feststellung der Erwerbsfähigkeit des Klägers auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beauftragt. Auf dem Empfangsbekenntnis hinsichtlich des Erhalts der Akten beantragte der Erinnerungsführer die Erhöhung des Kostenvorschusses auf 4.900,00 Euro und machte zur Begründung geltend, dass eine weitere radiologische Diagnostik notwendig sei. Nach Einzahlung des Kostenvorschusses durch den Kläger teilte der Berichterstatter dem Erinnerungsführer mit Verfügung vom 21. Oktober 2021 mit, dass die Begutachtung unter Beachtung eines Kostenvorschusses in Höhe von 4.900,00 Euro durchgeführt werden könne. Mit Schreiben vom 30. November 2021 beantragte der Erinnerungsführer eine Erhöhung des Kostenvorschusses auf 6.300,00 Euro und führte zur Begründung aus, dass die Durchführung von psychometrischen und Schmerzassessmentverfahren erforderlich sei. Nach Einzahlung des weiteren Kostenvorschusses durch den Kläger teilte der Berichterstatter dem Erinnerungsführer mit Schreiben vom 6. Januar 2022 mit, dass einer Begutachtung nunmehr nichts im Wege stehe. Nach persönlicher Untersuchung des Klägers am 30. November 2021 erstattete der Erinnerungsführer am 11. Januar 2022 das angeforderte Gutachten, welches ohne Anlagen 38 Seiten umfasst.
Mit Kostenrechnung vom gleichen Tage machte der Erinnerungsführer eine Entschädigung in Höhe von 6.215,76 Euro geltend. Diese setzt sich wie folgt zusammen:
Aktenstudium |
4,32 Stunden |
388,80 Euro |
Untersuchung |
3,5 Stunden |
315,00 Euro |
Beurteilung/Beantwortung der Beweisfragen |
26,51 Stunden |
2.385,90 Euro |
Diktat und Durchsicht/Korrektur |
6,72 Stunden |
604,80 Euro |
Psychometrische und Schmerzassessmentverfahren |
6,5 Stunden |
585,00 Euro |
Nachbeurteilung Fremdradiologie |
0,92 Stunden |
82,80 Euro |
Gesamtaufwand gerundet |
48,50 Stunden |
4.365,00 Euro |
Radiologische Diagnostik |
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728,83 Euro |
Bilddokumentation |
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5,00 Euro |
Schreibauslagen |
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109,50 Euro |
Aufwendung für Post und Telekommunikationsdienstleistungen |
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15,00 Euro |
Mehrwertsteuer 19 % |
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992,43 Euro |
Gesamtrechnungsbetrag |
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6.215,76 Euro |
Unter dem 4. Februar 2022 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (UdG) die Sachverständigenvergütung auf 5.091,21 Euro fest. Für die Abfassung der Beurteilung und die Beantwortung der Beweisfragen seien nur 13,33 Stunden in Ansatz zu bringen. Die entsprechende Beurteilung befinde sich auf den Seiten 18 bis 37 des Gutachtens. Die Höhe des Vorschusses sei unerheblich. Die Anforderung eines Kostenvorschusses habe lediglich den Sinn, sicherzustellen, dass durch Einzahlung des entsprechenden Betrages kein Kostenrisiko für den Staatshaushalt entstehe. Hinsichtlich des Aktenstudiums wurden 5,40 Stunden und für Diktat und Korrektur 8 Stunden anerkannt. Gerundet ergaben sich damit ein Zeitaufwand von 38 Stunden.
Hiergegen hat der Erinnerungsführer am 7. März 2022 Antrag auf richterliche Festsetzung nach § 4 Abs. 1 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) gestellt. Der Beurteilungsteil umfasse eine Zeichenanzahl von 46.797 Anschlägen. Teile man diese durch die Zeichendichte von 2.700 Anschlägen pro 1,5 Seiten, so ergäbe dies einen Aufwand für die Abfassung der Beurteilung von 17,33 Stunden.
Der UdG hat dem Antrag nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Der Erinnerungsgegner ist der Auffassung, dass das Gutachten mit 5.239,96 Euro zu entschädigen sei. Der Beurteilungsteil sei auf Blatt 18 bis 37 des Gutachtens enthalten. Der ursprüngliche Zeitaufwand von 26,51 Stunden sei nach Sichtung des Gutachtens nicht nachvollziehbar. Im Hinblick auf die Ausführungen des Sachverständigen in seinem Antrag vom 2. März 2022 bestünden aber gegen einen Zeitansatz von 17,33 Stunden keine Einwände. Zu widersprechen sei dem UdG hinsichtlich der Erhöhung des Zeitaufwandes in den Positionen „Aktenstudium“ und „Diktat und Durchsicht/Korrektur“. Die Angaben des Sachverständigen seien grundsätzlich als richtig zu unterstellen. Daher sei eine Erhöhung des Zeitaufwandes unzulässig und mit einer Plausibilitätsprüfung nicht vereinbar.
II.
Auf die nach § 4 Abs. 1 JVEG zulässige Erinnerung wird die Entschädigung für das Gutachten vom 11. Januar 2022 auf 4.984,11 Euro festgesetzt.
Bei der Entscheidung sind alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie angegriffen worden sind. Die gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG stellt keine Überprüfung der vom Kostenbeamten vorgenommenen Berechnung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung. Bei der Kostenfestsetzung durch den Kostenbeamten handelt es sich um eine lediglich vorläufige Regelung, die durch den Antrag auf gerichtliche Kostenfestsetzung hinfällig wird. Bei der Festsetzung ist das Gericht daher weder an die Höhe der Einzelansätze noch an den Stundenansatz oder an die Gesamthöhe der Vergütung in der Festsetzung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder den Antrag der Beteiligten gebunden; es kann nur nicht mehr festsetzen, als beantragt ist. Eine Reduzierung der von dem UdG festgesetzten Vergütung ist dagegen möglich.
Nach § 8 Abs. 1 JVEG erhalten Sachverständige als Vergütung
1. ein Honorar für ihre Leistungen (§§ 9 bis 11 JVEG),
2. Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG),
3. Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG) sowie
4. Ersatz für sonstige und besondere Aufwendungen (§§ 7 und 12 JVEG).
Soweit das Honorar nach Stundensätzen zu bemessen ist, wird es nach § 8 Abs. 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten gewährt (Satz 1); die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet, wenn mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich waren (Satz 2 Halbs. 1). Maßgeblich für die Vergütung des Sachverständigen ist nach der Konzeption des JVEG daher nicht die tatsächlich aufgewandte, sondern gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 JVEG die für die Erstattung des Gutachtens erforderliche Zeit.
Die erforderliche Zeit ist nach einem abstrakten Maßstab zu ermitteln, der sich an dem erforderlichen Zeitaufwand eines Sachverständigen mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher Arbeitsintensität orientiert. Nach pflichtgemäßem Ermessen hat das Gericht nachzuprüfen, ob der Zeitansatz erforderlich war (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Juni 2021 – L 1 JVEG 1016/20 –; BVerfG, Beschluss vom 26. Juli 2007 - 1 BvR 55/07; BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2003 - X ZR 206/98, jeweils zitiert nach Juris; Hartmann/Toussaint in Kostenrecht, 50. Auflage 2020, § 8 JVEG Rn. 39). Zu berücksichtigen sind die Schwierigkeiten der zu beantwortenden Fragen unter Berücksichtigung der Sachkunde auf dem betreffenden Gebiet, der Umfang des Gutachtens und die Bedeutung der Streitsache (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2003 - X ZR 206/98). Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich benötigte Zeit richtig sind, wenn sich diese in einem gewissen Toleranzbereich bewegen (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Februar 2018 - L 1 JVEG 1189/16; ThürLSG, Beschluss vom 13. August 2013 - L 6 SF 266/13 E, zitiert nach Juris). Die Toleranzgrenze beträgt 15 v. H. Werden die üblichen Erfahrungswerte allerdings um mehr als 15 v. H. überschritten, ist eine Plausibilitätsprüfung anhand der Kostenrechnung und der Angaben des Sachverständigen durchzuführen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 28. Juni 2021 – L 1 JVEG 1016/20 –, vom 14. Februar 2018 - L 1 JVEG 1189/16 und 21. März 2019 - L 1 JVEG 1072/18, zitiert nach Juris). In der Sozialgerichtsbarkeit haben sich detaillierte Erfahrungswerte für den erforderlichen Zeitaufwand herausgebildet. Es ist allgemein anerkannt, dass bei einem Überschreiten dieser Werte von mehr als 15 v. H. eine Plausibilitätsprüfung zu erfolgen hat (Binz/Dörndorfer/Zimmermann, Kommentar zum GKG, FamGKG, JVEG, 5. Auflage 2021, § 8 JVEG Rn. 14 m.w.N.). Nur so lässt sich die erforderliche Rechtssicherheit im Rahmen der Vergütungsfestsetzung sicherstellen, und die mit der Festsetzung der Vergütung betrauten Urkundsbeamten der Geschäftsstelle werden in die Lage versetzt, zu prüfen, ob der gesetzlich vorgesehene Vergütungsrahmen eingehalten worden ist.
Unerheblich ist zunächst, dass in der Beweisanordnung bzw. in dem Anschreiben als Vorschuss für das Gutachten nach § 109 SGG ein Betrag von 6.300,00 Euro festgelegt worden ist. Hierbei handelt es sich abstrakt lediglich um einen Vorschuss, der die individuellen Besonderheiten der jeweiligen Gutachtenerstellung (noch) nicht in Blick nehmen kann. So sind insbesondere Zeiten, die für die Abfassung der Beurteilung anfallen, noch gar nicht absehbar. Ein Gutachtenauftrag in Kenntnis der voraussichtlichen Kosten beinhaltet - genauso wie die Mitteilung des Gerichts an den Sachverständigen, dass über einen bestimmten Höchstbetrag (ohne vorherige Mitteilung und Genehmigung durch das Gericht) nicht hinausgegangen werden dürfe - keine verbindliche Zusage einer Honorierung in oder bis zu dieser Höhe. Die Anforderung eines Kostenvoranschlags hat lediglich den Sinn und Zweck, zum einen dem Kläger eine Entscheidungsgrundlage zu liefern, ob er seinen Antrag gemäß § 109 SGG auch in Kenntnis des Umstands aufrecht erhält, welche Kosten er voraussichtlich zu tragen hat und ob er dieses Kostenrisiko eingehen will. Zum anderen wird dem Gericht eine verlässliche Grundlage für die Anforderung des Kostenvorschusses im Rahmen eines Antrags gemäß § 109 SGG gegeben, um sicherzustellen, dass bei einer möglicherweise eintretenden Zahlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit des Klägers kein Kostenrisiko für den Staatshaushalt entsteht (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Januar 2021 - L 1 JVEG 1295/19, Juris Rn. 18).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist für das Gutachten angesichts der übersandten Unterlagen sowie unter Berücksichtigung der üblichen Erfahrungswerte nach der Rechtsprechung des Senats ein Zeitaufwand von 37 Stunden erforderlich. Der streitige Zeitaufwand für die Abfassung der Beurteilung ist mit 13,33 Stunden anzusetzen (hierzu unter 1.). Der zeitliche Aufwand für Diktat und Korrektur beträgt 8,00 Stunden (hierzu unter 2.). Der Zeitansatz für das Aktenstudium ist mit 5,4 Stunden zu beziffern (hierzu unter 3.). Die übrigen Positionen sind zwischen den Beteiligten nicht streitig und auch von Amtswegen nicht zu beanstanden.
1. Grundsätzlich umfasst die Beurteilung die Beantwortung der vom Gericht gestellten Beweisfragen und die nähere Begründung, also den Teil des Gutachtens, den das Gericht bei seiner Entscheidung verwerten kann, um ohne medizinischen Sachverstand seine Entscheidung begründen zu können, also die eigentlichen Ergebnisse des Gutachtens einschließlich ihrer argumentativen Begründung. Die Beurteilung kann sich dabei durchaus an mehreren Stellen eines Gutachtens - ohne Reduzierung unter bestimmte Unterschriften (z. B. Zusammenfassung, Beurteilung etc.) - befinden.
Ausgehend von diesen Grundsätzen umfasst der Beurteilungsteil des Gutachtens hier 20 Seiten. Der Beurteilungsteil im Sachverständigengutachten beginnt auf Seite 18 und endet auf Seite 37 unten. Er umfasst damit 20 Seiten.
Der Senat geht davon aus, dass ein medizinischer Sachverständiger mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung für die gedankliche Erarbeitung durchschnittlich eine Stunde für ca. 1 1/2 Blatt benötigt (vgl. Senatsbeschluss vom 21. März 2019 - L 1 JVEG 1072/18, zitiert nach Juris; ThürLSG, Beschluss vom 12. September 2014 - L 6 SF 477/14 B). Zu beachten ist, dass es sich dabei nur um einen Anhaltspunkt für die angemessene Stundenzahl handelt, um den Kostenbeamten im Normalfall eine sinnvolle Bearbeitung zu ermöglichen. Wesentlich für die Berechnung der Vergütung ist nach dem Gesetz nicht die Seitenzahl, sondern der erforderliche Zeitansatz, der nur eingeschränkt über die Seitenzahl berechnet wird. Maßgebend ist daher im Zweifelsfall der im Einzelfall erkennbare Arbeitsaufwand des Sachverständigen, der im Gutachten zum Ausdruck kommt. Insofern ist in begründeten Sonderfällen durchaus eine Abweichung sowohl positiv wie negativ bei dem genannten Ansatz in Erwägung zu ziehen. Eine Einschränkung auf bestimmte „Normseiten“, die manche Landessozialgerichte vornehmen (vgl. zum Beispiel LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 18. Mai 2015 - L 12 SF 1072/14 E, zitiert nach Juris: 2.700 Anschläge; Bayerisches LSG, Beschluss vom 14. Mai 2012 - L 15 SF 276/10 B: 1.800 Anschläge), kommt allerdings mangels gesetzlicher Grundlage nicht in Betracht (vgl. Senatsbeschluss vom 21. März 2019 - L 1 JVEG 1072/18, zitiert nach Juris, ThürLSG, Beschluss vom 26. März 2012 - L 6 SF 132/12 E, zitiert nach Juris).
Eine Erhöhung des Zeitaufwandes ergibt sich vorliegend auch nicht aus weiteren, insbesondere denjenigen vom Erinnerungsführer geltend gemachten Umständen. Dieser beruft sich darauf, dass im Beurteilungsteil eine Zeichenanzahl von 46.797 Anschlägen vorhanden ist, was eine Zeichendichte von 2.700 Anschlägen pro 1,5 Seiten ergäbe. Dies ist nach der Senatsrechtsprechung nicht zu berücksichtigen. Des Weiteren weist der Senat darauf hin, dass zwar das Schriftbild im Beurteilungsteil durchaus dicht gedrängt ist. Jedoch finden sich auf den 20 Seiten nicht nur ausschließlich Ausführungen zur Beurteilung. So ist z. B. auf Seite 23 in der Mitte die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und die damit verbundene Verpflichtung der Berücksichtigung von Leitlinien wiedergegeben. Auf Seite 24 werden überwiegend Ausführungen eines Gerichts zur Beurteilung von Schmerzzuständen durch einen Orthopäden referiert. Teilweise werden auch an einigen Stellen im Beurteilungsteil Diagnosen anderer Ärzte nachrichtlich wiedergegeben. Daher ist es in einer Gesamtschau nicht gerechtfertigt, den Zeitansatz für den Beurteilungsteil zu erhöhen.
Der vom Sachverständigen geltend gemachte Zeitaufwand für die „Nachbefundung“ der radiologischen Unterlagen der Radiologie M vom 29. November 2021 kann nicht anerkannt werden. Zunächst ist die verwandte Begrifflichkeit „Nachbefundung“ zumindest missverständlich. Denn die radiologischen Aufnahmen wurden am 29. November 2021 erstellt und lagen dem Erinnerungsführer bei Abfassung des Sachverständigengutachtens am 11. Januar 2022 damit bereits vor. Im Beurteilungsteil des Gutachtens wird insoweit unter Verwendung der radiologischen Befunde auf die Einschränkungen im Bereich der Halswirbelsäule usw. eingegangen. Insoweit besteht kein Raum für eine gesonderte Erstattung einer Nachbefundung der radiologischen Befunde. Es kann vorliegend auch nicht die Rede davon sein, dass vorliegend eine Vielzahl radiologischer Befunde auszuwerten war und aufgrund dessen ein gesonderter zeitlicher Ansatz gerechtfertigt ist. Denn aus den Ausführungen auf Seite 15 des Gutachtens ergibt sich, dass ausschließlich die radiologische Diagnostik vom 29. November 2021 bezüglich Lendenwirbelsäule, Halswirbelsäule und linkes Schultergelenk bzw. rechtes Schultergelenk und rechte Hand vorlag. Eine Vordiagnostik im Original lag nicht vor.
2. Für Diktat und Korrektur des Gutachtens ist von einem Umfang von 40 Seiten auszugehen. Nach der Rechtsprechung des Senats ist in der Regel für Diktat, Durchsicht und Korrektur eines Gutachtens unter Berücksichtigung der Schreibweise von einem Zeitaufwand von 1 Stunde für ca. 5 bis 6 Seiten auszugehen. Dies führt zu einem Zeitansatz von 8 Stunden.
3. Für das Aktenstudium ist ausgehend von übersandten Akten im Umfang von 432 Blatt von einem Zeitansatz von 5,4 Stunden (80 Blatt pro Stunde) auszugehen.
Der Senat folgt insoweit nicht der Auffassung des Erinnerungsgegners, dass die Positionen „Aktenstudium“ und „Diktat und Durchsicht/Korrektur“ hinsichtlich des geltend gemachten Zeitaufwandes des Sachverständigen nicht entgegen seiner eigenen Einschätzung erhöht werden dürfen. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Senat bei der Festsetzung weder an die Höhe der Einzelansätze noch an den Stundenansatz oder an die Höhe der Vergütung im Antrag der Beteiligten gebunden, er kann nur nicht mehr festsetzen, als beantragt ist. Dabei ist jedoch nicht auf die einzelnen Positionen, sondern nur auf den Gesamtbetrag (Rechnungsbetrag) abzustellen. Eine Bindung an einzelne Berechnungselemente des Antrags, die letztlich nur der Begründung des Antrags zuzurechnen sind, besteht nicht. Innerhalb des beantragten Gesamtbetrages ist das Gericht deshalb nicht an die geltend gemachten Einzelpositionen einschließlich des Stundenansatzes gebunden und berechtigt einen Austausch bzw. Änderungen vornehmen (OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14. August 2017 – 2 L 98/13 –, Juris; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 26. Juni 2012 – L 15 SF 423/09 –, Juris; Schneider, JVEG, 3. Auflage 2018, § 4 Rn. 48). Das Gericht hat daher eine vollumfassende Prüfung des Entschädigungs- oder Vergütungsanspruchs vorzunehmen. Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass bestimmte Positionen höher in Ansatz gebracht werden, als vom Sachverständigen geltend gemacht. Damit geht auch kein Verstoß gegen die Grundsätze der Plausibilitätskontrolle einher.
Der Zeitansatz für die Untersuchung des Klägers in Höhe von 3,5 Stunden begegnet keinen Bedenken. Ebenso ist der Ansatz von 6,5 Stunden für die Auswertung der psychometrischen und Schmerzassessmentverfahren nicht zu beanstanden. Die Auswertung der vorgenommenen Testungen und Assessmentverfahren kann im Anschluss an die Untersuchung des Klägers losgelöst von dessen Anwesenheit vorgenommen werden. Anhaltspunkte dafür, dass zwingend eine Auswertung der Testverfahren vor Entlassung des Klägers erforderlich war, bestehen nicht. Die Entscheidung darüber hat allein der Sachverständige nach fachlichen Kriterien zu treffen. Angesichts der Vielzahl der durchgeführten Testungen und Assessmentverfahren ist ein Zeitraum von 6,5 Stunden nicht zu beanstanden.
Daraus folgt, dass unter Anlegung der üblichen Maßstäbe für die Erstattung des Gutachtens von einem Zeitaufwand von gerundet 37 Stunden (5,4 + 3,5 + 13,33 + 8,0 + 6,5 = 36,73) auszugehen ist. Die beantragten 48,5 Stunden überschreiten damit den Toleranzrahmen, so dass eine abweichende Festsetzung zu erfolgen hat.
Schlussendlich ergibt sich folgender Entschädigungsanspruch:
Zeitaufwand (37 Stunden x 90 Euro) |
3.330,00 Euro |
Radiologische Diagnostik |
728,83 Euro |
Bilddokumentation |
5,00 Euro |
Schreibauslagen |
109,50 Euro |
Post und Telekommunikation |
15,00 Euro |
Mehrwertsteuer |
795,78 Euro |
Gesamtbetrag |
4.984,11 Euro |
Die Entschädigung für das Sachverständigengutachten vom 11. Januar 2022 war damit entsprechend des Entschädigungsantrages auf 4.984,11 Euro festzusetzen. Eine darüber hinaus bereits geleistete Vergütung ist vom Erinnerungsführer zurückzuzahlen.
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).