Verhängung einer Verschuldensgebühr wegen missbräuchlicher Rechtsverfolgung
Die gerichtliche Durchsetzung eines inhaltlich identisch gelagerten Überprüfungsantrages nach § 44 SGB X ist als rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG anzusehen, wenn keine inhaltlich neuen Aspekte für das Überprüfungsbegehren vorgebracht werden und nur das Vorbringen aus einem rechtskräftig abgeschlossenem Gerichtsverfahren wiederholt wird, ohne sich überhaupt mit den früheren Ausführungen des Senats auseinanderzusetzen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 10. März 2022 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Dem Kläger werden Verschuldenskosten in Höhe von 1.000,00 Euro auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Überprüfung von Bescheiden der Beklagten im Zusammenhang mit einem Arbeitsunfall vom 22. Oktober 2002.
Der 1944 geborene Kläger befand sich am 22. Oktober 2002 frühmorgens auf dem Weg zur Arbeit. Auf der A4 Richtung F1 geriet sein Pkw ins Schleudern und überschlug sich mehrfach. Der Kläger wurde in das Kreiskrankenhaus R eingeliefert und bis zum 25. Oktober 2002 stationär behandelt. Diagnostiziert wurden eine mediale Clavicula-fraktur links und eine Prellung und Stauchung der Hals- und Brustwirbelsäule. Zunächst erfolgte eine konservative Therapie. Im Rahmen einer erneuten stationären Behandlung vom 29. Oktober bis 6. November 2002 wurde eine Claviculatrümmerfraktur links mit erheblicher Dislokation diagnostiziert. Deshalb erfolgte am 30. Oktober 2002 ein operativer Eingriff mit Reposition und Verplattung. Am 14. August 2003 wurde radiologisch eine Lockerung der Platte festgestellt. Daraufhin wurde eine Revisionsoperation mit Plattenentfernung und erneuter Plattenosteosynthese am 12. September 2003 im Kreiskrankenhaus M1 vorgenommen.
Am 22. November 2002 stellte sich der Kläger bei einer HNO-Fachärztin vor und gab an, unter Ohrgeräuschen zu leiden. Seinen Angaben zufolge sind diese erstmals am 22. Oktober 2002 für drei Stunden vorübergehend aufgetreten, und dann wieder am 4. November 2002, während der Behandlung in E1. Ärztliche Dokumentationen hierzu sind nicht vorhanden. Des Weiteren befand sich der Kläger aufgrund von Schlaf- und Angststörungen seit Mitte Januar 2003 in Behandlung eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie.
Mit formlosem Bescheid vom 13. Februar 2003 stellte die Beklagte fest, dass der vom Kläger beklagte Tinnitus keine Unfallfolge sei. Hiergegen legte der Kläger fristgerecht Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 19. Mai 2003 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 22. Oktober 2002 als Arbeitsunfall und unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bis zum 11. April 2003 an. Hiergegen legte der Kläger ebenfalls Widerspruch ein. Beide Widersprüche wurden mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2004 durch die Beklagte zurückgewiesen. Dagegen hat der Kläger am 16. August 2004 beim Sozialgericht Gotha Klage erhoben (S 17 U 389/05).
Auf Veranlassung der Beklagten erstellten der HNO-Arzt B1, der Neurologe und Psychiater S1 und der Orthopäde T1 Zusammenhangsgutachten. Der HNO-Arzt B1 verneinte in seinem Gutachten vom 10. November 2003 auf seinem Fachgebiet das Vorliegen von Unfallfolgen. Der Neurologe und Psychiater S1 verneinte in seinem Gutachten vom 19. November 2003 auch das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung. Von unfallbedingten Albträumen sei aber auszugehen. Die Unfallfolgen auf seinem Fachgebiet seien mit 10 v. H. zu bewerten. Der Orthopäde T1 bezifferte in seinem Gutachten vom 10. November 2003 die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf orthopädischem Fachgebiet auf 20 v. H. bis zum 30. September 2005.
Daraufhin erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 11. Oktober 2004 das Ereignis vom 22. Oktober 2002 erneut als Arbeitsunfall an und gewährte eine Rente als vorläufige Entschädigung in Form einer Gesamtvergütung bis zum 30. September 2005. Sollte nach Ablauf des Zeitraumes noch eine nach dem Gesetz zu entschädigende MdE vorliegen, erhalte der Kläger auf formlosen Antrag (nicht Widerspruch gegen diesen Bescheid) eine Rente gemäß der dann bestehenden MdE. Mit weiterem Bescheid vom 21. Oktober 2004 wurde die Wiedererkrankung des Klägers vom 11. September 2003 bis zum 13. Januar 2004 als Unfallfolge anerkannt. Gegen beide Bescheide legte der Kläger jeweils Widerspruch ein, die mit Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 2005 durch die Beklagte zurückgewiesen wurden.
Hiergegen hat der Kläger vor dem Sozialgericht Gotha Klage erhoben. Mit Beschluss vom 20. September 2006 hat das Sozialgericht dieses Verfahren mit dem Verfahren S 17 U 389/05 verbunden.
Das Sozialgericht Gotha hat umfangreiche Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte und ein HNO-ärztliches Gutachten von S2 eingeholt. Diese gelangte in ihrem Gutachten vom 25. Juli 2008 zu dem Ergebnis, dass eine Zunahme der vorbestehenden Schwerhörigkeit sich im Vergleich zur Erstuntersuchung vom 22. Oktober 2002 nicht objektivieren lasse. Der Tinnitus könne nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit als Unfallfolge interpretiert werden. Ferner hat das Sozialgericht ein nervenfachärztliches Gutachten bei M2 in Auftrag gegeben. Dieser bejaht in seinem Gutachten vom 17. Oktober 2009 als Folge des Unfalls eine posttraumatische Belastungsstörung mit der unmittelbaren Folge einer depressiven Entwicklung. Die MdE sei mit 40 v. H. einzuschätzen. Dieser Einschätzung hat der Beratungsarzt der Beklagten S3 in seiner Stellungnahme vom 18. Januar 2010 widersprochen. Aus einem Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse ergebe sich, dass der Kläger von Mai bis Juni 2002 wegen einer somatoformen Störung arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Dies werde in dem Gutachten nicht berücksichtigt. Die Anamnese- und Befunderhebung sei unvollständig. Die diagnostischen Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung würden nicht ausreichend abgearbeitet. Die Höhe der vorgeschlagenen MdE sei nicht nachzuvollziehen.
Mit Urteil vom 15. Februar 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass Unfallfolgen auf HNO-ärztlichem Fachgebiet nicht festzustellen seien. Auf unfallchirurgischem Fachgebiet habe die Beklagte bis zum 30. September 2005 eine MdE von 20 v.H. im Einklang mit den vorliegenden Gutachten anerkannt. Auf psychiatrischem Fachgebiet bestünden ebenfalls keine Unfallfolgen. Das Gericht folge insoweit der beratungsärztlichen Stellungnahme von S3 vom 18. Januar 2010. Das Gutachten von M2 gehe weder auf die dokumentierte Vorerkrankung ein, noch arbeite er die diagnostischen Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung ab. Es fehle auch an einem Vermeidungsverhalten des Klägers, zum Beispiel beim Autofahren.
Der Senat hat im anschließenden Berufungsverfahren ein orthopädisches Gutachten von Z vom 10. Juni 2012 eingeholt. Dieser beschreibt darin eine Claviculafraktur links mit operativer Versorgung bei sekundärer Dislokation der Fraktur und nachfolgender Bildung eines Falschgelenks, ein Schultersyndrom links mit deutlichen Funktionseinschränkungen und eine primär unfallbedingte Stauchung der Halswirbelsäule mit Hals-Nacken-Syndrom, ein sekundäres Halswirbelsyndrom, ein sekundäres Brustwirbelsyndrom und eine sekundäre Seitausprägung der Wirbelsäule als Unfallfolgen. Dies bedinge eine MdE auf seinem Fachgebiet von 40 v. H.
Ferner hat der Senat ein psychiatrisches Gutachten von F2 vom 15. Oktober 2012 eingeholt. Eine depressive Anpassungsstörung sei kausal auf das Unfallgeschehen zurückzuführen, die mit einer MdE von 20 v. H. zu bewerten sei.
Daraufhin hat der Senat eine Zusammenhangsbegutachtung bei K, A und E2 in Auftrag gegeben. Der Orthopäde A gelangt in seinem Gutachten vom 4. November 2014 zu dem Ergebnis, dass Folge des Unfallereignisses vom 22. Oktober 2002 eine leichte Halswirbelsäulendistorsion ohne strukturelle Schädigung, eine Prellung der Brustwirbelsäule ohne strukturelle Schädigung bei anlagebedingten degenerativen Veränderungen und eine dislozierte mediale Claviculafraktur links seien. Des Weiteren sei ein chronifiziertes Schmerzsyndrom anzunehmen. Hierzu sei im psychiatrischen Hauptgutachten weiter Stellung zu nehmen. Die bestehende unfallbedingte Funktionsstörung im Bereich des linken Schultergürtels sei entsprechend den Erfahrungssätzen mit einer MdE von 20 v. H. zu bewerten.
Der HNO-Arzt E2 gelangte in seinem Gutachten vom 10. September 2014 (beim Senat eingegangen am 6. Februar 2015) zu dem Ergebnis, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Ohrschädigungen des Klägers und dem Unfallereignis vom 22. Oktober 2002 zwar nicht auszuschließen, keinesfalls aber mit der geforderten Wahrscheinlichkeit zu sichern sei. Es sei von einer bereits vor dem Unfall bestehenden Einschränkung des Hörvermögens des Klägers auszugehen. Soweit für die Empfindungsschwerhörigkeit beidseits und den chronischen Tinnitus links das Unfallereignis vom Kläger verantwortlich gemacht werde, könne keiner der Mechanismen, die zu einer Schädigung wie beim Kläger führen könnten, hinreichend wahrscheinlich gemacht werden. Zeichen einer relevanten Schädelprellung seien unmittelbar nach dem Unfallereignis nicht dokumentiert. Insbesondere seien keine Verletzungen des Schädels beschrieben. Ein stumpfes Trauma der Halswirbelsäule sei als mögliche Ursache von Ohrschädigungen grundsätzlich umstritten. Aus den Einschätzungen der behandelnden Ärzte ergebe sich jedoch, wenn überhaupt, nur ein geringes Halswirbelsäulentrauma 1. Grades, welches nicht geeignet sei, die geklagte Symptomatik zu verursachen. Gegen eine Ohrschädigung durch das Unfallereignis vom 22. Oktober 2002 spreche vor allem der zeitliche Verlauf. Nachweislich habe sich der Kläger erstmals am 22. November 2002 wegen Ohrgeräuschen in fachärztliche Behandlung begeben. Auch unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers, dass er bereits am 1. Tag für drei Stunden ein vorübergehendes Ohrrauschen gehabt habe, könne von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit nicht ausgegangen werden. Ohrgeräusche, die nach einem vollständig beschwerdefreien Intervall von Tagen aufträten, könnten nicht mehr mit der geforderten Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis bezogen werden.
In seinem nervenärztlichen Gutachten vom 11. Februar 2015 gelangt der Sachverständige K zu dem Ergebnis, dass als Folge des Unfallereignisses eine posttraumatische Belastungsstörung Typ I mit episodisch-paroxysmaler Angst einhergehend mit einer agoraphoben Symptomatik und einer chronifizierten leichten depressiven Episode anzunehmen sei. Bei dem Kläger bestehe weiterhin die Symptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung. Zudem seien die Kriterien einer chronischen Schmerzstörung erfüllt. Von einer konkurrierenden Kausalität, einer Schadensanlage oder Vorerkrankung könne nicht ausgegangen werden. Die Diagnose einer somatoformen Störung als Ursache der Arbeitsunfähigkeit vom 29. Mai bis zum 20. Juni 2002 bleibe unklar. Die exakte Anamneseerhebung ergebe keinen Hinweis auf eine konkurrierende Kausalität. Die vorhandene akzentuierte Persönlichkeitsstruktur habe sich durch die Folgen des Unfallereignisses nicht verändert. Aufgrund der nervenärztlichen und orthopädischen Funktionsstörungen halte er eine Gesamt-MdE von 30 v. H. für angemessen. Zu berücksichtigen sei, dass die orthopädisch beschriebene MdE auch die Schmerzkomponente erfasse.
Der Kläger machte geltend, dass das Gutachten des Sachverständigen E2 nicht überzeugend sei. Der Sachverständige gehe davon aus, dass eine Schwerhörigkeit schon vor dem Unfall vorhanden gewesen sei. Dies sei aber nicht der Fall gewesen. Vor dem Unfall seien weder eine Schwerhörigkeit noch ein Tinnitus vorhanden gewesen. Die Auswertung der bildgebenden Befunde durch E2 sei nicht zutreffend. Aus diesen ergebe sich, dass an entscheidenden Stellen der Halswirbelsäule strukturelle Verletzungen gesichert seien. Es fehlten Schnittbilder von den Segmenten C1 und C2. Diese seien nicht durchgeführt worden. Daher könne nicht ausgeschlossen werden, dass auch an diesen Segmenten strukturelle Verletzungen entstanden seien. Das Unfallgeschehen sei geeignet gewesen, Hörverlust und Tinnitus hervorzurufen. Das orthopädische Gutachten von A überzeuge insofern nicht, als es davon ausgehe, dass es nicht zu strukturellen Schädigungen gekommen sei. Solche Schädigungen könnten nicht mit Röntgenaufnahmen dargestellt werden. Es bedürfe hierfür der Nachweisführung mittels MRT oder CT. Es könne nicht zu seinem Nachteil gereichen, dass notwendige Untersuchungen nicht durchgeführt worden seien bzw. die Dokumentation nicht vollständig sei. Nicht ausreichend berücksichtigt werde auch die Verkürzung des linken Schultergürtels. Ein biomechanisches Gutachten sei erforderlich, um zu klären, welche Folgen ein solcher Unfall haben könne.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 29. Mai 2015 hat der Sachverständige K ausgeführt, dass sämtliche Akten den Zusatzgutachtern A und E2 vorgelegt worden seien. Hinweise auf eine Aggravation oder Simulation hätten sich beim Kläger nicht ergeben.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 8. Juni 2015 hat der orthopädische Zusatzgutachter A ausgeführt, dass die Einholung eines unfallanalytischen Gutachtens nicht erforderlich sei. Von der Schwere der Pkw-Schädigung könne nicht auf bestimmte Verletzungsfolgen geschlossen werden. Diese Verletzungsfolgen müssten vielmehr selbst gesichert werden. Festzuhalten sei, dass beim Kläger keine strukturelle Schädigung an der Halswirbelsäule zu sichern sei. Es könne zu einer mikrostrukturellen Schädigung gekommen sein. Derartige Schädigungen würden jedoch erfahrungsgemäß nach wenigen Tagen oder Wochen ausheilen. Unfallfolgen seien diesbezüglich nicht zu erwarten. Soweit der Kläger der Auffassung sei, dass sich Röntgenaufnahmen zum Ausschluss einer traumatischen Schädigung nicht eigneten, sei dies nicht zutreffend. Auf Röntgenaufnahmen könnten im Wesentlichen knöcherne Strukturen mit Strukturveränderungen festgestellt werden. Der Kläger selbst weise auf ein MRT vom 28. März 2003 hin. In diesem seien keine traumatischen Schädigungen bzw. Strukturverletzungen festgestellt worden. Genauso wenig sei eine Verletzung der oberen Kopfgelenke gesichert worden. Ausgewertet werden könnten nur die vorliegenden Befunde. Der Hauptgutachter K habe ausgeführt, dass das Schmerzsyndrom adäquat im Rahmen der Beurteilung der orthopädischen Funktionsstörung bewertet sei. Die ausführlich beschriebene Funktionsstörung der linken Schulter sei mit einer MdE von 20 v. H. zu bewerten.
Der Sachverständige E2 hat in einer ergänzenden Stellungnahme vom 10. Juli 2015 bestätigt, dass die ihm auf Seite 1 seines Gutachtens aufgeführten Akten bei der Abfassung zur Verfügung gestanden haben. Er habe in seinem Zusatzgutachten ausführlich dargelegt, warum erhebliche Anhaltspunkte dafür sprächen, dass die beidseitige Schwerhörigkeit bereits vor dem Unfallereignis vom 22. Oktober 2002 bestanden habe. Eine sich langsam entwickelnde Schwerhörigkeit werde erfahrungsgemäß längere Zeit kompensiert und bleibe vom Betroffenen zunächst unbemerkt. Die von ihm festgestellten Hinweise auf eine Aggravation seien ausführlich dargelegt in seinem Zusatzgutachten. Dass andere Gutachter keine Aggravation festgestellt hätten, entkräfte dies nicht.
Abschließend hat der Hauptgutachter K in einer weiteren Stellungnahme vom 5. August 2015 ausgeführt, dass auch unter Einbeziehung des weiteren Vortrags des Klägers und von Beklagtenseite eine Gesamt-MdE von 30 v. H. angemessen sei.
In der mündlichen Verhandlung am 29. Oktober 2015 im Verfahren L 1 U 656/10 hat die Beklagte ein vom Kläger angenommenes Teilanerkenntnis abgegeben und als Unfallfolgen anerkannt: „Mittelstarke eingeschränkte Beweglichkeit im linken Schultergelenk nach knöchern verheiltem verschobenen Schlüsselbeinbruch links, Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung Typ 1 mit traumaassoziierten Angstäquivalenten und phobischen Symptomen einhergehend mit einer leichten depressiven Episode.“ Zugleich hat sie sich bereit erklärt, die gewährte Gesamtvergütung vom 12. April 2003 bis zum 30. September 2005 nach einer MdE i. H. v. 30 v. H. zu berechnen.
Daraufhin hat der Senat im Verfahren L 1 U 656/10 durch Urteil vom 29. Oktober 2015 die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 15. Februar 2010 zurückgewiesen. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, dass der Kläger nicht beantragen könne, dass Schwindelanfälle und geistige Leistungsminderung sowie Tinnitus und Gehörschaden sowie größere Bewegungseinschränkungen der Schulter, strukturelle Schädigung und Bewegungseinschränkung der Hals- und der Brustwirbelsäule weitere Folgen des Arbeitsunfalles vom 22. Oktober 2002 seien. Des Weiteren habe der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Verletztenrente ab dem 1. Oktober 2005. Die Klage bezüglich der Gewährung einer Verletztenrente aus Anlass des Unfallereignisses vom 22. Oktober 2002 auf Dauer sei mangels vorliegender Verwaltungsentscheidung durch die Beklagte bereits unzulässig. Das Urteil des Senats ist rechtskräftig geworden.
Daraufhin erließ die Beklagte in Ausführung ihres Teilanerkenntnisses vom 29. Oktober 2015 am 8. März 2016 einen Ausführungsbescheid und gewährte dem Kläger für den Zeitraum vom 12. April 2003 bis 30. September 2005 eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v. H. und setzte den Rentenanspruch insgesamt auf einen Betrag von 30.818,67 € fest. Darüber hinaus wurde ein Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente verneint. Ferner wurde als Folge des Arbeitsunfalles zusätzlich anerkannt:
„Mittelstark eingeschränkte Beweglichkeit im linken Schultergelenk nach knöchern verheiltem verschobenen Schlüsselbeinbruch links, Symptome einer posttraumatischen (nach dem Unfall aufgetretenen) Belastungsstörung Typ I mit traumaassoziierten Angstäquivalenten (Angststörung) und phobischen Symptomen (andauernde Angst) mit leichten depressiven Episoden“.
Hiergegen legte der Kläger am 29. März 2016 Widerspruch ein. Durch Bescheid vom 8. Juni 2016 gewährte die Beklagte dem Kläger ab dem 1. Oktober 2005 eine Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 30 v. H. Erneut wurden die Unfallfolgen festgelegt. Ausdrücklich festgestellt wurde, dass die Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule bei degenerativen Veränderungen derselben nicht Folge des Arbeitsunfalles vom 22. Oktober 2002 sei. Hiergegen legte der Kläger am 17. Juni 2016 ebenfalls Widerspruch ein. Durch Bescheid vom 29. Juli 2016 setzte die Beklagten Zinsen nach § 44 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) für den Zeitraum 1. November 2005 bis 30. Juni 2016 in Höhe von 28.581,50 € fest. Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 8. März 2016 wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 2016 zurück. Es wurde festgestellt, dass der Bescheid vom 8. Juni 2016, mit welchem eine Rente auf unbestimmte Zeit rückwirkend ab 1. Oktober 2005 nach einer MdE von 30 v.H. gewährt worden war, ebenfalls Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden sei. Hiergegen hat der Kläger am 18. Juli 2016 beim Sozialgericht Gotha Klage erhoben (Az.: S 10 U 2625/16). Die Klage war darauf gerichtet, auch Beeinträchtigungen an der Hals- und Brustwirbelsäule als Unfallfolgen anzuerkennen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Gotha am 23. November 2018 hat der Kläger die Klage zurückgenommen.
Mit Schreiben vom 14. Februar 2019 stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag bezüglich der Folgen aus dem anerkannten Arbeitsunfall vom 22. Oktober 2002. Er wiederholte insoweit den gesamten aktenkundigen Behandlungsverlauf und sein bisheriges Vorbringen. Durch Bescheid vom 16. April 2019 lehnte die Beklagte den Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 8. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2016 gemäß § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger keinen neuen Sachverhalt vorgetragen habe und auch keine neuen medizinischen Erkenntnisse vorlägen, die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung vom 8. Juni 2016 aufkommen ließen. Ausdrücklich berief sich die Beklagte auf die Bestandskraft des Bescheides vom 8. Juni 2016. Hiergegen hat der Kläger Widerspruch erhoben. Diesen hat die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2019 zurückgewiesen. Die Rücknahme des Bescheides sei nach § 44 Abs. 1 SGB X zu Recht abgelehnt worden. Im Überprüfungsantrag sei lediglich der medizinische Sachverhalt erneut vorgetragen und auf bereits aktenkundige Unterlagen verwiesen worden. Weder seien neue Tatsachen oder Beweismittel vorgetragen worden, noch seien Änderungen der Rechtslage ersichtlich.
Hiergegen hat der Kläger fristgerecht beim Sozialgericht Gotha Klage erhoben. Das Sozialgericht hat den Radiologen B2 und den Unfallchirurgen T2 mit der Erstellung von Sachverständigengutachten beauftragt. B2 führt in seinem Sachverständigengutachten vom 16. Januar 2021 aus, dass sowohl in der unfallzeitpunktnahen MRT-Untersuchung der HWS als auch in der CT-Kontrolluntersuchung 18 Jahre nach dem Unfall sich ein altersgerechter HWS-Befund darstelle. Eine frisch traumatisch bedingte Läsion liege zu keinem Zeitpunkt vor. Der HWS-Befund sei altersgemäß degenerativ, jedoch nicht vorauseilend oder posttraumatisch beendet. Die MRT-Untersuchung der Halswirbelsäule vom 28. März 2003 schließe eine unfallbedingte Strukturschädigung der HWS vollbeweislich aus. Dass CT der Brustwirbelsäule vom 26. Oktober 2020 ergebe als unfallbedingtes Schadensbild ausschließlich die Claviculafraktur links, die nach interkurrenter Pseudoarthrose und Restosteo-synthese residualfrei ausgeheilt sei. Anschlussarthropathien hätten sich nicht entwickelt. T2 führt in seinem Gutachten vom 24. Januar 2001 aus, dass der Schlüsselbeinbruch links ohne der Altersnorm vorauseilende Verschleißveränderungen in den angrenzenden Gelenken in anatomisch korrekter Stellung fest knöchern konsolidiert verheilt sei. Unfallfolgen im Bereich der Wirbelsäule seien nicht festzustellen.
Durch Urteil vom 10. März 2022 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 16. April 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2019 sei rechtmäßig ergangen. Der ursprüngliche Bescheid vom 8. Juni 2016 sei weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht zu beanstanden. Aus der Schwere des Unfalls lasse sich nichts für die dauerhaften Unfallfolgen herleiten. Nach § 34 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) habe der Kläger einen Anspruch auf umfassende Heilbehandlung. Der Kläger habe keinen unfallbedingten Gesundheitsschaden erlitten, der eine Heilbehandlung über den 12. April 2003 hinaus rechtfertigen würde. Die Beklagte habe alle unfallbedingten Gesundheitsschäden einer Heilbehandlung zugeführt. Die Wirbelsäulenverletzungen an der Halswirbelsäule seien keine Unfallfolgen. Dies folge aus den Gutachten von T2 und B2. Ablehnungsgründe bezüglich der Sachverständigen seien zu spät gestellt worden.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er macht geltend, dass die eingeholten Gutachten ungeeignet seien. Die Schäden an der Halswirbelsäule seien unfallbedingt. Die gesundheitlichen Schäden seien insgesamt mit einer MdE von 60 bis 70 v.H. zu berücksichtigen. Sollte dies anerkannt werden, könne auf die berechtigten Folgeerkrankungen (Miktionsstörung, Leberzirrhose) verzichtet werden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 10. März 2022 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 16. April 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2019 zu verpflichten, ihren Bescheid vom 8. März 2016 bzw. 8. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2016 teilweise zurückzunehmen und als weitere Unfallfolge aus dem Ereignis vom 22. Oktober 2002 „Beeinträchtigungen an der Wirbelsäule, Hals- und Brustwirbelsäule, Kopf, Hörschaden und Tinnitus“ festzustellen und ihm eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 60 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie darauf, dass die Unfallfolgen in dem gerichtlichen Verfahren L 1 U 656/10 ausführlich ermittelt worden seien. Darüber hinaus nimmt sie Bezug auf die Begründung in ihren angefochtenen Bescheiden.
Der Vorsitzende des Senats hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 25. Mai 2023 auf die Erfolglosigkeit der Berufung hingewiesen und angekündigt, dass der Senat darüber beraten werde, Verschuldenskosten nach § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i. H. v. 1.000,00 Euro zu verhängen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens, des Verfahrens S 10 U 2625/16, L 1 U 656/10 und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 SGG). Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens und auch des erstinstanzlichen Verfahrens ist ausschließlich das Begehren des Klägers gerichtet auf Aufhebung des für den Kläger negativen Überprüfungsbescheides vom 16. April 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2019 und die Verpflichtung der Beklagten, ihre bindenden Bescheide vom 8. März 2016 und 8. Juni 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2016 insoweit zurückzunehmen, als darin weitere Unfallfolgen wie strukturelle Verletzungen an der Halswirbelsäule ausdrücklich als Unfallfolge abgelehnt worden sind und auf dieser Grundlage weitere Unfallfolgen anzuerkennen und eine höhere Verletztenrente als zugesprochen zu gewähren. Nach ganz überwiegender Auffassung ist beim gerichtlichen Rechtsschutz im Rahmen von Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X als richtige Klageart eine kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage anzusehen. Dabei zielt die Anfechtungsklage auf die Aufhebung des Überprüfungsbescheides, die Verpflichtungsklage auf die Aufhebung des Ausgangsbescheides und die Leistungsklage auf die Verurteilung zur dann zu beanspruchenden Leistung (für das Unfallversicherungsrecht zuletzt BSG, Urteil vom 30.01.2020 - B 2 U 2/18 R, Rn. 9 des Urteils; Baumeister, in: juris-PK zu § 44 SGB X, Rn. 154; jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Beklagte ist bei Erlass der Bescheide vom 8. März 2016 bzw. 8. Juni 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2016 weder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, noch hat sie das Recht unzutreffend angewandt. Vielmehr hat sie zu Recht nur die ausdrücklich genannten Unfallfolgen festgestellt. Die Anerkennung weiterer Unfallfolgen sowie die Gewährung einer höheren Verletztenrente hat sie demgegenüber zu Recht abgelehnt, weil der Kläger hierauf keinen Anspruch hat.
§ 44 SGB X ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen eine ausnahmsweise Abweichung von der Bindungswirkung (Bestandskraft) unanfechtbarer und damit für die Beteiligten bindend gewordener sozialrechtlicher Verwaltungsakte (§ 77 SGG), um damit materielle Rechtmäßigkeit herzustellen. Sinn und Zweck des § 44 SGB X ist nicht, die Fristenregelungen im Zusammenhang mit der Frage der Bestandskraft von Entscheidungen der Verwaltung oder auch der Gerichte auszuhebeln und die mit der Bestandskraft bezweckte Rechtssicherheit und den Rechtsfrieden in das Belieben der Beteiligten zu stellen. Wegen des Ausnahmecharakters dieser Vorschrift ist eine Durchbrechung der Bestandskraft nur unter ganz eingeschränkten Voraussetzungen möglich. Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X muss bei der bestandskräftig gewordenen Entscheidung entweder das Recht unrichtig angewandt worden sein (1. Alternative) oder die Behörde muss bei Erlass des bestandskräftig gewordenen Verwaltungsaktes von einem Sachverhalt ausgegangen sein, der sich nachträglich aufgrund des Bekanntwerdens neuer Tatsachen als unrichtig erwiesen hat (2. Alternative).
Bei der ersten Alternative handelt es sich um eine rein rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der bestandskräftig gewordenen Entscheidung, bei der es auf den Vortrag neuer Tatsachen nicht ankommt und die von Amts wegen zu erfolgen hat (vgl. BSG, Urteil vom 05.09.2006 - B 2 U 24/05 R, BSGE 97, 54 = BeckRS 2007, 40679). Eine Überprüfung in diesem Sinn bedeutet jedoch nicht, dass eine vollständige Überprüfung des Sachverhalts mittels neuer Ermittlung des Sachverhalts und neu einzuholender Gutachten durchzuführen wäre. Vielmehr ist lediglich aus rein rechtlicher Sicht zu würdigen, ob der, der bestandskräftig gewordenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt, rechtlich zutreffend beurteilt und in nicht zu beanstandender Weise bewertet worden ist.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte bei Erlass der bindend gewordenen Bescheide das Recht falsch angewandt haben sollte. Das hat auch der Kläger nicht behauptet.
Die Beklagte ist bei Erlass der bindend gewordenen Bescheide auch nicht von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen hat. Für die zweite Alternative kommt es - im Gegensatz zur ersten Alternative - auf die Benennung neuer Tatsachen bzw. Beweismittel und ein abgestuftes Verfahren an (vgl. BSG, Urteil vom 05.09.2006, a.a.O.). Ergibt sich bei diesem Verfahren nichts, was für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnte, darf sich die Verwaltung ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung berufen. Werden zwar neue Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen und neue Beweismittel benannt, ergibt aber die Prüfung, dass die vorgebrachten Gesichtspunkte tatsächlich nicht vorliegen oder für die frühere Entscheidung nicht erheblich waren, darf sich die Behörde ebenfalls auf die Bindungswirkung stützen (Bay. LSG, Urteil vom 19.11.2014 - L 15 VS 4/13, BeckRS 2015, 71345).
Für das vorliegende Verfahren bedeutet dies Folgendes:
Der Kläger hat keine neuen Tatsachen vorgetragen, so dass die Beklagte zu Recht eine Überprüfung unter Hinweis auf die Bestandskraft des Bescheides abgelehnt hat. Die Beklagte ist nicht aus eigener Initiative wieder in eine volle Sachprüfung eingestiegen. Das Sozialgericht war daher bereits aus Rechtsgründen gehindert, erneut Sachverständige mit der Erstellung von Gutachten zur Klärung der Kausalitätsfrage zu beauftragen. Hat eine Behörde unter zutreffender Anwendung des § 44 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 SGB X eine erneute Sachprüfung und Sachentscheidung zu Recht abgelehnt, kann sich das Gericht über diese Entscheidung nicht hinwegsetzen und den gesamten Sachverhalt einer wiederholten Prüfung insbesondere durch Einholung neuer Gutachten unterziehen. Denn § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X verlangt von einer Behörde nur, entsprechend dem Umfang des Vorbringens des Versicherten in eine erneute Prüfung einzutreten und den Antragsteller zu bescheiden (BSG, Urteil vom 5. September 2006 – B 2 U 24/05 R –, BSGE 97, 54-63). § 44 SGB X gibt nur der Verwaltung selbst, nicht aber dem Gericht die Möglichkeit, sich über eine frühere negative Entscheidung zugunsten des Antragstellers hinwegzusetzen und den gesamten Sachverhalt einer erneuten Prüfung zu unterziehen (Bay. LSG, Urteil vom 07.11.2019 - L 20 KR 323/19 und Beschluss vom 31.03.2022 - L 2 U 258/17; jeweils juris). Entsprechend dem Umfang des Vorbringens des Versicherten muss sie in eine erneute Prüfung eintreten und den Antragsteller bescheiden. Daher bestand vorliegend keine Veranlassung, weiter tätig zu werden. Darüber hinaus haben auch die vom Sozialgericht eingeholten Gutachten erneut bestätigt, dass Unfallfolgen im Bereich der Wirbelsäule nicht festzustellen sind. Auch dies bestätigt die Richtigkeit der Entscheidung der Beklagten zu den Unfallfolgen. Aus den Ausführungen der Sachverständigen B2 und T2 ergibt sich, dass bzgl. der Unfallfolgen und deren Bewertung keine Änderung eingetreten ist. Da medizinischerseits keine neuen Befunde bzw. Erkenntnisse vorliegen, beschränken sich ihre Ausführungen darauf, erneut die Richtigkeit der insbesondere im Berufungsverfahren L 1 U 656/10 erfolgten Auswertung der Befunde zu bestätigen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Der Senat hat im Rahmen seines Ermessens von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, nach § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG dem Kläger Verschuldenskosten aufzuerlegen. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass er den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist. Eine entsprechende Belehrung des Klägers ist durch den Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung vom 25. Mai 2023 erfolgt. Die Rechtsverfolgung ist im vorliegenden Fall auch missbräuchlich. Ein Missbrauch ist unter anderem dann anzunehmen, wenn die Klage oder das Rechtsmittel offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und die Erhebung der Klage oder die Einlegung des Rechtsmittels von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss (vgl. u. a. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2002 - 2 BvR 1255/02 zu der vergleichbaren Regelung des § 34 BVerfGG; siehe etwa auch Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. Februar 2019 - L 19 AS 1178/18 - Rn. 40). Vorliegend ist die Fortführung des Verfahrens - Aufrechterhaltung der Berufung - völlig aussichtslos gewesen. Maßstab ist nicht die konkrete subjektive Sicht des Klägers, sondern die eines verständigen Beteiligten. Ist ein Beteiligter durch einen Rechtsanwalt vertreten, ist auf dessen Einsichtsfähigkeit abzustellen (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 9. November 2005 - L 1 R 4140/04; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. Mai 2009 - L 17 U 91/07).
Dem Kläger ist in der mündlichen Verhandlung vom 25. Mai 2023 darlegt worden, dass sein gesamtes Vorbringen bereits im früheren Berufungsverfahren L 1 U 656/10 erörtert worden ist. Neue Gesichtspunkte sind nicht im Ansatz dargelegt worden. Die gerichtliche Durchsetzung eines inhaltlich identisch gelagerten Überprüfungsantrages nach § 44 SGB X ist als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn - wie hier - keine inhaltlich neuen Aspekte für das Überprüfungsbegehren vorgebracht werden. Der Kläger hat es auch unterlassen, auf die in den Gründen des Senatsurteils vom 29. Oktober 2015 im Verfahren L 1 U 656/10 dargelegten Umstände, die einer Anerkennung weiterer Unfallfolgen entgegenstehen, zu reagieren. Die Klägerseite hat es nicht einmal für notwendig gehalten, sich überhaupt mit den früheren Ausführungen des Senats oder den besonderen verfahrensrechtlichen Anforderungen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X auseinanderzusetzen.
Die Höhe der Kostenbeteiligung hat der Senat im Rahmen seines Ermessens anhand des geschätzten Kostenaufwandes für die Fortführung des Berufungsverfahrens festgesetzt. Danach erscheint dem Senat die Auferlegung verursachter Verfahrenskosten von 1.000,00 Euro - auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers - als angebracht. Der Senat hat dabei berücksichtigt, dass es sich bei § 192 SGG um eine Schadensersatzregelung handelt (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 192 Rn. 1a und Rn. 12 m.w.N.), die bei Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung das Privileg der staatlich finanzierten Kostenfreiheit des sozialgerichtlichen Verfahrens entfallen lässt und dazu führt, dass der Beteiligte die tatsächlichen Kosten für die weitere Bearbeitung des Rechtsstreits zu tragen hat (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08. Dezember 2016 - L 4 U 575/16 und Urteil vom 24. Februar 2017 - L 4 U 632/16 - jeweils m.w.N.). Als verursachter Kostenbetrag gilt dabei mindestens der Betrag nach § 184 Abs. 2 SGG, somit für Verfahren vor dem LSG ein Betrag von mindestens 225,00 Euro. Im Übrigen können die anfallenden Gerichtskosten geschätzt werden. Dabei sind neben den, bei der Abfassung des Urteils entstehenden Kosten sämtlicher Richter und Mitarbeiter, auch die allgemeinen Gerichtshaltungskosten zu berücksichtigen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 192 Rn. 14). Diese Kosten liegen in der Regel bei mindestens 1.000,00 Euro (vgl. hierzu z.B. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. Dezember 2016 - L 4 U 575/16; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21. Januar 2014 - L 2 AS 975/13). Allein für das Absetzen des Urteils durch den Berichterstatter sind Richterarbeitsstunden anzusetzen. Hinzu kommen die durch die Mitbefassung der weiteren Berufsrichter verursachten weiteren Richterarbeitsstunden. Der Wert einer Richterstunde wurde bereits 1986/1987 mit 350 bis 450 DM (dies entspricht ca. 180 bis 230 Euro) angesetzt (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. Februar 2019 - L 19 AS 1178/18 - Rn. 42; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. September 2021 – L 3 R 251/21).
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht vorliegen.