L 10 KR 173/22 KH

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 9 KR 1188/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 KR 173/22 KH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 5/23 R
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 23.11.2020 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.093,52 € festgesetzt.

 

Tatbestand:

 

Die Klägerin begehrt die Erstattung vermeintlich überzahlter Krankenhausvergütung.

 

Die Beklagte betreibt ein Plankrankenhaus (iSd § 108 Nr 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch <SGB V>). Dort wurde vom 08.11.2016 bis 15.11.2016 Herr I. W. (* 00.00.1946,  00.00.2016) unter der Diagnose einer sekundären bösartigen Neubildung der Leber und der intrahepatischen Gallengänge (ICD-10 GM: C78.7) vollstationär behandelt. Dieser war bei der klagenden Krankenkasse gegen Krankheit versichert. Die Beklagte erteilte der Klägerin über die Kosten der Krankenhausbehandlung eine Rechnung (vom 28.11.2016), in der sie ua den OPS 8.982.1 (Palliativmedizinische Komplexbehandlung, mindestens 7 und höchstens 13 Behandlungstage) kodierte und hierauf aufbauend ein Zusatzentgelt ZE60.01 (iHv 1.134,36 €) berechnete.

 

Die Klägerin beglich diese Rechnung am 13.12.2016 zunächst vollständig, leitete sodann aber eine „Vollprüfung“ der kodierten Hauptdiagnose, Prozeduren und Zusatzentgelte durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein. Der MDK kam zu dem Ergebnis, dass die Beklagte zu Unrecht den OPS 8.982.1 kodiert und das Zusatzentgelt ZE60.01 abgerechnet habe (gutachtliche Stellungnahmen vom 09.05.2017 und 17.04.2018). Die Klägerin forderte die Beklagten daraufhin erfolglos zur Erstattung von 1.093,52 € auf.

 

Am 06.08.2019 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) Köln erhoben.

 

Sie hat geltend gemacht, zwei Gutachten des MDK hätten bestätigt, dass verschiedene Mindestvoraussetzungen des OPS 8.982.1 nicht erfüllt gewesen seien und die Beklagte deshalb das ZE60.01 nicht hätte abrechnen dürfen. So fehle es hinsichtlich des erforderlichen palliativmedizinischen Basisassessments an einem ergänzenden Untersuchungsinstrument. Weiter sei der bei Aufnahme erstellte Behandlungsplan unvollständig und an den wöchentlichen Teambesprechungen seien nicht sämtliche Berufsgruppen beteiligt gewesen; zudem fehle eine ausreichende Dokumentation der Behandlungsergebnisse. Schließlich gehe aus den vorgelegten Behandlungsunterlagen nicht hervor, dass jeweils mindestens zwei der einschlägigen Therapiebereiche mit insgesamt sechs Stunden pro Woche stattgefunden hätten. Die Verfallsfrist des § 325 SGB V (idF des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes <PpSG> vom 11.12.2018, BGBl I 2394; fortan: alter Fassung <aF>) stehe der Geltendmachung ihrer Erstattungsforderung nicht entgegen, weil sie wegen einer unzulässigen echten Rückwirkung verfassungswidrig sei.

 

Die Klägerin hat beantragt,

 

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.093,52 € nebst 2 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 10.06.2017 zu zahlen.

 

Die Beklagte hat beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Sie hat geltend gemacht, die Klägerin hätte den Klageanspruch gemäß § 325 SGB V aF bis zum 09.11.2018 geltend machen müssen, da dieser vor dem 01.01.2017 entstanden sei. Die Vorschrift sei auch nicht verfassungswidrig. Im Übrigen seien sämtliche Mindestmerkmale des OPS 8.982.1 erfüllt.

 

Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 23.11.2020). Die Klägerin habe den Klageanspruch zum Zeitpunkt der Klageerhebung gemäß § 325 SGB V aF nicht mehr geltend machen dürfen, denn dieser sei im Jahr 2016, also vor dem 01.01.2017 entstanden, und nicht bis zum 09.11.2018 gerichtlich geltend gemacht worden. Ab dem 10.11.2018 könne die Klageforderung daher nicht mehr geltend gemacht und insbesondere auch nicht im Klagewege durchgesetzt werden. § 325 SGB V aF sei mit Blick auf die einseitige Benachteiligung der Krankenkassen zwar rechtspolitisch umstritten, verfassungsrechtliche Bedenken bestünden dagegen – insbesondere wegen der fehlenden Grundrechtsfähigkeit der Krankenkassen – nicht.

 

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 23.12.2020 eingelegten Berufung.

 

Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Klageverfahren, insbesondere zur Verfassungswidrigkeit des § 325 SGB V aF.

 

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 23.11.2020 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.093,52 € nebst 2 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 10.06.2017 zu zahlen.

 

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die angegriffene Entscheidung für rechtmäßig.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten sowie der Patientendokumentation Bezug genommen, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die zulässige Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des SG Köln vom 23.11.2020, über die der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, nachdem beide Beteiligten ihr Einverständnis hiermit erklärt haben (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>), ist unbegründet.

 

I. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

 

Die Klage ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Bei einer auf Zahlung der (Rest-)Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhauses bzw eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse oder umgekehrt bei einer auf Erstattung einer gezahlten Vergütung gerichteten Klage einer Krankenkasse gegen ein Krankenhaus oder eines Krankenhausträgers handelt es sich um einen sog Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (vgl etwa BSG, Urteil vom 17.06.2000 - B 3 KR 33/99 R, juris Rn 14; Urteil vom 23.07.2002 - B 3 KR 64/01 R, juris Rn 13), sodass es eines Vorverfahrens nicht bedurfte und eine Klagefrist nicht einzuhalten war.

 

Die Klage ist aber unbegründet. Zwar stand der Klägerin der mit der Klage geltend gemachte Erstattungsanspruch dem Grunde nach zu, weil die Beklagte das Zusatzentgelt ZE60.01 zu Unrecht abgerechnet hat; die Mindestvoraussetzungen des OPS-Kodes waren nicht vollständig erfüllt (dazu 1). Dem mit der Klage geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch steht aber die Ausschlussfrist des § 325 SGB V aF entgegen (dazu 2).

 

1. Die Beklagte war nicht berechtigt, für den Behandlungsfall des Versicherten auch den OPS 8-982.1 zu kodieren und damit das Zusatzentgelt ZE60.01 abzurechnen (zur Ermittlung der abzurechnenden Vergütung nach dem DRG-System anhand ua der zu kodierenden OPS ausf BSG, Urteil vom 08.11.2011 - B 1 KR 8/11 R, juris Rn 15 ff).

 

Der OPS 8-982 setzt folgende Mindestmerkmale voraus:

 

„Durchführung eines standardisierten palliativmedizinischen Basisassessments (PBA) zu Beginn der Behandlung

Ganzheitliche Behandlung unter Leitung eines Facharztes mit der Zusatzweiterbildung Palliativmedizin zur Symptomkontrolle und psychosozialen Stabilisierung ohne kurative Intention und im Allgemeinen ohne Beeinflussung der Grunderkrankung von Patienten mit einer progredienten, fortgeschrittenen Erkrankung und begrenzter Lebenserwartung, ggf. unter Einbeziehung ihrer Angehörigen

Aktivierend- oder begleitend-therapeutische Pflege durch besonders in diesem Bereich geschultes Pflegepersonal

Erstellung und Dokumentation eines individuellen Behandlungsplans bei Aufnahme

Wöchentliche multidisziplinäre Teambesprechung mit wochenbezogener Dokumentation bisheriger Behandlungsergebnisse und weiterer Behandlungsziele

Einsatz von mindestens zwei der folgenden Therapiebereiche: Sozialarbeit/Sozialpädagogik, Psychologie, Physiotherapie/Ergotherapie, künstlerische Therapie (Kunst- und Musiktherapie), Entspannungstherapie und Durchführung von Patienten-, Angehörigen- und/oder Familiengesprächen mit insgesamt mindestens 6 Stunden pro Patient und Woche patientenbezogen in unterschiedlichen Kombinationen (Die Patienten-, Angehörigen- und/oder Familiengespräche können von allen Berufsgruppen des Behandlungsteams durchgeführt werden.)“

 

Der OPS 8-982.1 ist dabei zu kodieren bei mindestens 7 bis höchstens 13 Behandlungstagen.

 

Mit Erfolg rügt die Klägerin, dass an der wöchentlichen Teambesprechung mit wochenbezogener Dokumentation bisheriger Behandlungsergebnisse und weiterer Behandlungsziele nicht sämtliche Berufsgruppen beteiligt waren sowie Behandlungsziele und -ergebnisse nicht ausreichend dokumentiert sind (dazu a) und aus den vorgelegten Behandlungsunterlagen nicht hervorgeht, dass jeweils mindestens zwei der einschlägigen Therapiebereiche mit insgesamt sechs Stunden pro Woche stattgefunden hätten (dazu b). Den weiteren Einwänden der Klägerin war daher nicht weiter nachzugehen.

 

a) Die Dokumentation der wöchentlichen Teambesprechung sowie der bisherigen Behandlungsergebnisse und weiteren Behandlungsziele genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen.

 

Eine wochenbezogene Dokumentation bisheriger Behandlungsergebnisse und weiterer Behandlungsziele erfordert nach allgemeinem Sprachgebrauch eine planvolle, geordnete zielgerichtete Zusammenfassung. Es geht um die konzentrierte Darstellung eines strukturierten Dialogs (der wöchentlichen Teambesprechung) nach fachärztlicher Behandlungsleitung, teilnehmenden Berufsgruppen, Ausgangspunkt (bisherige Behandlungsergebnisse) und Ergebnis der Besprechung (weitere Behandlungsziele). Inhalte haben alle Berufsgruppen (ärztliche Behandlung, die vier benannten Therapiebereiche, Pflege, Sozialdienst), nicht nur die bislang tätig gewordenen Therapiebereiche beizusteuern. Die Therapiebereiche, die in der vergangenen Woche seit der letzten Teambesprechung den jeweiligen Versicherten behandelt haben, haben erreichte und damit zugleich ggf (noch) nicht erreichte, aber schon angestrebte konkrete Behandlungsergebnisse mitzuteilen (so BSG, Urteil vom 19.12.2017 – B 1 KR 18/17 R, amtl Rn 35, dort zum weitgehend gleichlautenden OPS 8-550; zum Ganzen auch Senatsurteil vom 17.08.2022 – L 10 KR 262/21 KH, juris Rn 60 ff). Hieran haben auch die rückwirkend zum 01.01.2013 erfolgten Änderungen und Klarstellungen des früheren Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) nichts geändert. Diese betrafen zum einen lediglich den OPS 8-550 und haben zum anderen insbesondere die Anforderungen an die Dokumentation von Behandlungsergebnissen und -zielen unberührt gelassen (Senat aaO, Rn 63 ff; vgl auch LSG Nds-Brem, Urteil vom 20.07.2021 – L 16 KR 414/20, juris Rn 52).

 

Diesen Maßstäben genügt die Dokumentation der Teambesprechung hier nicht. Stattgefunden hat, wohl aufgrund der Dauer des stationären Aufenthalts, lediglich eine Teambesprechung und zwar am 10.11.2016. Das entsprechende Protokoll ist aktenkundig. Es ist Teil der von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten Behandlungsdokumentation. Insoweit hat der MDK indes zu Recht darauf hingewiesen (vgl insbes die gutachtliche Stellungnahme vom 09.05.2017), dass laut des ebenfalls aktenkundigen Behandlungsplans ua Seelsorge und Psychoonkologie Behandlungsaufträge erhalten hatten. Der Behandlungsplan sieht insoweit wörtlich „psychosoziale Entlastung → therap. Gespräche“ für die Psychoonkologie bzw „psychosoziale Entlastung → pastoralpsych./spirituelle Begleitung“ für die Seelsorge vor. Beide Berufsgruppen waren ausweislich der Teilnehmerliste auch bei der Teambesprechung vertreten. Insoweit fehlt es aber an der Dokumentation bisheriger Behandlungsergebnisse, vor allem aber weiterer Behandlungsziele. Das Teamsitzungsprotokoll hält vielmehr sowohl für die Psychoonkologie wie auch für die Seelsorge unter „Ergebnis“ jeweils fest: „nicht involviert“. Unter „Ziel“ und unter „Maßnahmen“ ist bei beiden nichts vermerkt. Weshalb Psychoonkologie und Seelsorge entgegen der Festlegungen im ursprünglichen Behandlungsplan jeweils „nicht involviert“ waren, lässt sich dem Teambesprechungsprotokoll indes nicht entnehmen, noch weniger, weshalb auf die Definition (weiterer) Ziele nunmehr verzichtet wurde.

 

b) Ebenfalls zu Recht wendet die Klägerin ein, dass nicht erkennbar ist, dass jeweils mindestens zwei der einschlägigen Therapiebereiche mit insgesamt sechs Stunden pro Woche stattgefunden hätten. Lediglich das ärztliche und das Pflegepersonal haben in diesem Zusammenhang berücksichtigungsfähige Patienten- und Angehörigengespräche erbracht (dazu aa). Weitere Therapiebereiche sind nicht zum Einsatz gekommen, insbesondere Physiotherapie (dazu bb) und Sozialdienst (dazu cc) haben jeweils keine zu berücksichtigenden Therapieeinheiten erbracht. Die aktivierend- oder begleitend-therapeutische Pflege muss insoweit außer Betracht bleiben (dazu dd).

 

aa) Aktenkundig sind Patienten- und Angehörigengespräche des ärztlichen (60 min am 08.11.2016, jeweils 20 min am 09.11.2016 und 10.11.2016, jeweils 25 min am 11.11.2016 und 12.11.2016, 15 min am 14.11.2016 und 10 min am 15.11.2016; insgesamt 175 min) und des Pflegepersonals (30 min und 20 min am 08.11.2016, zweimal 20 min und einmal 30 min am 09.11.2016, 30 min, einmal 15 min und zweimal 20 min am 10.11.2016, zweimal 20 min am 11.11.2016, jeweils dreimal 20 min am 12.11.2016 und 13.11.2016 und 20 min am 14.11.2016; insgesamt 385 min). Die Patienten- und Angehörigengespräche erreichen damit in der Summe 560 min. Dies sind zwar mehr als die geforderten sechs Stunden, genügt aber allein nicht, weil der OPS-Kode ausdrücklich den Einsatz von mindestens zwei der dort aufgeführten Therapiebereiche voraussetzt. Angehörigengespräche sind nur ein Therapiebereich, auch wenn verschiedene Berufsgruppen sie führen. Der OPS 8.982 stellt hierzu ausdrücklich klar, dass die Patienten-, Angehörigen- und/oder Familiengespräche von allen Berufsgruppen des Behandlungsteams durchgeführt werden können.

 

bb) Dass Physiotherapie tatsächlich stattgefunden hat, ist nicht ersichtlich.

 

Der diesbezügliche Hinweis des MDK, die Dokumentation insbesondere hinsichtlich der Physiotherapieeinheiten sei widersprüchlich, verfängt allerdings nicht. Der MDK behauptet insoweit, es seien 110 min Physiotherapie für den 08.11.2016 und 40 min für den 15.11.2016 dokumentiert, obwohl Physiotherapie frühestens ab 10.11.2016 erbracht worden und der Versicherte zudem am 15.11.2016 um 03:30 Uhr verstorben sei. Dabei bezieht sich der MDK offenbar auf eine aktenkundige tabellarische Auflistung der von den einzelnen Berufsgruppen jeweils erbrachten Therapieeinheiten. Die vom MDK in Bezug genommenen Minutenzahlen sind allerdings dort nicht als Physiotherapieeinheiten (in der Zeile „Physiotherapie“) vermerkt, sondern als Summe aller in der Spalte für das jeweilige Datum vermerkten Therapieeinheiten, dh einschließlich der Therapiegespräche des ärztlichen und pflegerischen sowie des Sozialdienstes.

 

In der Zeile für die Physiotherapie eingetragen und auch in den aktenkundigen Dokumentationsvordrucken vermerkt sind an Physiotherapie lediglich 10 min für den 14.11.2016. Dies steht in Einklang mit dem Inhalt des Teambesprechungsprotokolls, wonach seinerzeit noch keine Physiotherapie durchgeführt worden ist. IErg muss dieser Eintrag allerdings außer Betracht bleiben, weil nach dem Inhalt des Vermerks („war am schlafen“) offensichtlich keine Physiotherapie stattgefunden hat.

 

cc) Außer Betracht bleiben müssen auch die Eintragungen für den Sozialdienst. Dies gilt für die überwiegende Anzahl der vermerkten Einheiten (namentlich für die 60 min am 10.11.2016, 30 min am 11.11.2016, 25 min am 14.11.2016 und 30 min am 15.11.2016) bereits deshalb, weil nicht nachgewiesen, insbesondere nur ungenügend dokumentiert ist, dass der Sozialdienst diese Einheiten tatsächlich erbracht hat. Zwar ist in den entsprechenden Vordrucken für die og Daten jeweils eine bestimmte Minutenzahl vermerkt, im Übrigen fehlt es jedoch an sämtlichen weiteren, im Vordruck vorgesehenen Angaben. So sind weder Handzeichen angebracht noch der jeweilige Gesprächspartner oder ein Stichwort zum Inhalt vermerkt. Etwas anderes gilt lediglich für ein fünfzehnminütiges Gespräch vom 09.11.2016. Hierzu ist ein Handzeichen angebracht und sind zudem Gesprächspartner und ein Stichwort zum Inhalt vermerkt. Auch dieses Gespräch muss aber unberücksichtigt bleiben, weil nach ebendiesem Vermerk (noch) kein Angehörigengespräch stattfand, sondern lediglich ein Telefonat mit dem Sohn des Versicherten zwecks Terminvereinbarung für den 10.11.2016.

 

dd) Die in der Behandlungsdokumentation für die meisten Behandlungstage (mit Ausnahme nur des 11.11.2016 und 15.11.2016) zusätzlich vermerkte aktivierend- oder begleitend-therapeutische Pflege ist in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht zu berücksichtigen, weil sie nicht zu den Therapiebereichen iSd sechsten Mindestmerkmals zählt. Dies ergibt sich bereits aus der Systematik des Kodes, der die aktivierend- oder begleitend-therapeutische Pflege durch besonders in diesem Bereich geschultes Pflegepersonal als drittes Mindestmerkmal eigens nennt. Die aktivierend- oder begleitend-therapeutische Pflege ist danach stets zu erbringen, kann also nicht durch Therapieeinheiten aus zwei anderen der genannten Bereiche im entsprechenden zeitlichen Umfang ersetzt werden. Ebenso wenig kann die aktivierend- oder begleitend-therapeutische Pflege danach bei der Mindestzahl an Therapieeinheiten iRd sechsten Mindestmerkmals mitzählen, weil es überflüssig wäre, mindestens zwei Therapiebereiche zu verlangen, wenn einer bereits durch die stets zu erbringende aktivierend- oder begleitend-therapeutische Pflege ohnehin abgedeckt wäre. Im Übrigen enthält auch der Wortlaut des sechsten Mindestmerkmals keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Aufzählung der einschlägigen Therapiebereiche nicht abschießend wäre.

 

2. Die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs ist gemäß § 325 SGB V aF ausgeschlossen. Danach ist die Geltendmachung von Ansprüchen der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen ausgeschlossen, die vor dem 01.01.2017 entstanden sind und bis zum 09.11.2018 nicht gerichtlich geltend gemacht wurden (seit 09.06.2021 wortgleich in § 409 SGB V idF des Digitale-Versorgung- und-Pflege-Modernisierungs-Gesetzes <DVPMG> vom 03.06.2021 vom 03.06.2021, BGBl I 1309, bzw ab 20.10.2020 zwischenzeitlich in § 412 SGB V idF des Patientendaten-Schutz-Gesetz <PDSG> vom 14.10.2020, BGBl I 2115).

 

a) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 325 SGB V aF sind erfüllt. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Rückzahlung geleisteter Vergütung. Dieser Anspruch ist auch vor dem 01.01.2017 entstanden. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch im gleichgeordneten Leistungserbringungsverhältnis entsteht bereits im Augenblick der Überzahlung, vorliegend also mit Begleichung der Schlussrechnung der Beklagten (vgl BSG, Urteil vom 21.04.2015 – B 1 KR 7/15 R, amtl Rn 15 mwN). Die Klägerin hat die Rechnung der Beklagten am 13.12.2016 beglichen. Dies hat sie selbst im Rahmen ihrer Berufungsbegründung vorgetragen. Dieses Vorbringen steht auch in Einklang mit dem Inhalt des dem Senat vorliegenden Verwaltungsvorgangs. Danach teilte die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 16.12.2016 mit, sie habe die Rechnung „fristgerecht zur Zahlung angewiesen.“ Dass die Klägerin die Rechnung am 13.12.2016 beglich, entspricht überdies den Feststellungen des SG, zu denen im Berufungsverfahren keiner der Beteiligten etwas Anderslautendes vorgetragen hat. Schließlich hat die Klägerin ihren Erstattungsanspruch auch nicht bis zum 09.11.2018, sondern erstmals mit Klageerhebung am 06.08.2019 gerichtlich geltend gemacht.

 

b) Die gegen § 325 SGB V aF vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken greifen nicht durch. Zwar kommt der Vorschrift sog echte Rückwirkung zu (dazu aa), die Beklagte kann sich auf das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot jedoch nicht berufen (dazu bb). Weiter verstößt die Neuregelung auch nicht gegen das Willkürverbot (dazu cc).

 

aa) Der Rückwirkung von Gesetzen sind unter dem Grundgesetz (GG) enge Grenzen gesetzt. Zu unterscheiden sind dabei Gesetze mit echter Rückwirkung, die grundsätzlich nicht mit der Verfassung vereinbar sind, und solche mit unechter Rückwirkung, die grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig sind (dazu sowie zum Folgenden vgl BVerfG, Beschluss vom 12.11.2015 – 1 BvR 2961/14 ua, amtl Rn 40 ff; Beschluss vom 30.06.2020 – 1 BvR 1679/17 ua, amtl Rn 128 ff; Beschluss vom 07.04.2022 – 2 BvR 2194/21, amtl Rn 75; jeweils mwN).

 

(1) Eine Rechtsnorm entfaltet echte Rückwirkung, wenn sie nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreift. Dies ist insbesondere der Fall, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll ("Rückbewirkung von Rechtsfolgen"). Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition entwertet, etwa wenn belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden ("tatbestandliche Rückanknüpfung").

 

(2) Nach diesen Maßstäben entfaltet § 325 SGB V aF echte Rückwirkung (so auch LSG Bad-Württ, Urteil vom 03.11.2020 L 11 KR 2249/20, juris Rn 25; Kingreen, SGb 2019, 449 <454 f>). Die Vorschrift wurde mit BGBl I Nr 45 vom 14.12.2018 verkündet, bewirkt aber, dass Krankenkassen die von ihr erfassten Rückforderungsansprüche nicht mehr geltend machen können, soweit sie nicht bereits bis zum 09.11.2018 gerichtlich geltend gemacht wurden (vgl BT-Drs 19/5593, S 124: gesetzliche Ausschlussfrist; dazu auch Ricken, NZS 2019, 241 <246 f>). Damit entwertet die Vorschrift diese Ansprüche wirtschaftlich. Die maßgeblichen Tatbestände waren im Zeitpunkt der Verkündung der Neuregelung auch bereits vollständig abgeschlossen, so dass es nicht lediglich um eine tatbestandliche Rückanknüpfung geht. Insbesondere lag der 09.11.2018 als maßgeblicher Stichtag bei Verkündung des PpSG bereits in der Vergangenheit. Den Krankenkassen war es damit bereits im Zeitpunkt der Verkündung nicht mehr möglich, der Ausschlussfrist durch Klageerhebung zu entgehen. Dies gilt erst recht für Fälle, in denen Krankenkassen ihre Rückforderungsansprüche zwar noch vor Verkündung der Neureglung gerichtlich geltend gemacht hatten, jedoch erst nach dem 09.11.2018. Insoweit entwertet die Neuregelung sogar bereits angestellte Bemühungen um gerichtlichen Rechtsschutz.

 

bb) Die Klägerin kann sich auf das Vorliegen dieser echten Rückwirkung – ungeachtet der Frage, ob diese ausnahmsweise verfassungsrechtlich zulässig sein könnte – indes nicht mit Erfolg berufen, weil sich das Rückwirkungsverbot zumindest auch aus den Grundrechten ableitet (dazu <1>), die gesetzlichen Krankenkassen aber nicht unter dem Schutz der Grundrechte stehen (näher dazu <2>; zum Ganzen auch LSG Bad-Württ aaO, Rn 24; Huster/Ströttchen, SGb 2019, 527 <529>; Lamouri in BeckOGK-SGB <Stand: 01.12.2020>, § 412 Rn 6; Bockholdt in Hauck/Noftz, SGB V <Stand: XII/2021>, § 409 Rn 8; Penner in BeckOK-SozR <Stand: 01.09.2022>, § 409 Rn 3; so ausdrücklich auch die Gesetzesbegründung des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drs 19/5593, S 116, dort zu § 109 Abs 5 S 2 SGB V; dazu auch LSG Bln-Bbg, Urteil vom 13.01.2021 – L 1 KR 336/20, juris Rn 34 ff; ebenso BSG, 30.10.2019 – B 6 KA 9/18 R, amtl Rn 23 ff; Urteil vom 22.10.2014 – B 6 KA 3/14 R, amtl Rn 14 ff; allgemein zum Verhältnis des Rückwirkungsverbotes zur Grundrechtsprüfung Brüning, NJW 1998, 1525 <1527 f>; kritisch zur fehlenden Grundrechtsfähigkeit der Krankenkassen Kingreen aaO, S 450 f). Ein allein objektiv-rechtliches Rückwirkungsverbot, auf das sich auch die gesetzlichen Krankenkassen berufen könnten, gibt es dagegen nicht (dazu <3> und <4>). Allein der Umstand, dass die Krankenkassen hinsichtlich ihrer von § 325 SGB V aF erfassten Ansprüche auf die Geltung der vierjährigen Verjährungsfrist vertraut haben mögen (dazu aber Kingreen aaO, S 454 f), macht die Rückwirkung nicht verfassungswidrig, weil damit noch nicht gesagt ist, dass dieses Vertrauen unter dem Grundgesetz schutzwürdig wäre (zum Vertrauensschutz als zugleich Grund und Grenze des Rückwirkungsverbotes vgl BVerfG, Beschluss vom 20.10.1971 – 1 BvR 757/66, juris Rn 40; zuletzt Beschluss vom 10.02.2021 – 2 BvL 8/19, amtl Rn 142; Beschluss vom 11.08.2020 – 1 BvR 2654/17, amtl Rn 16; alle mwN).

 

(1) Die Verfassungsmäßigkeit eines rückwirkenden Gesetzes ist nur dann fraglich, wenn es sich um ein den Bürger belastendes Gesetz handelt. Das grundsätzliche Verbot echt rückwirkender belastender Gesetze beruht auf den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Es schützt das Vertrauen in die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der unter der Geltung des Grundgesetzes geschaffenen Rechtsordnung und der auf ihrer Grundlage erworbenen Rechte. Wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert, bedarf dies einer besonderen Rechtfertigung vor dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten des Grundgesetzes. Die Grundrechte wie auch das Rechtsstaatsprinzip garantieren im Zusammenwirken die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und damit als eine Grundbedingung freiheitlicher Verfassungen (so BVerfG, Beschluss vom 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, amtl Rn 63 mwN; dem folgend BSG, Urteil vom 30.10.2019, aaO Rn 23; Huster/Ströttchen aaO, S 529 f; ähnlich auch BVerfG, Beschluss vom 22.03.1983 – 2 BvR 475/78, juris Rn 55: „Grundrechte und Rechtsstaatsprinzip“; vgl auch abwM RiBVerfG Masing zum Beschluss vom 17.12.2013, aaO Rn 87, 94: „auf subjektive Freiheitssicherung ausgerichtetes Fundament“ des Rückwirkungsverbots“; vgl dazu auch Badura, StaatsR, 7. Aufl 2018, Kap D Rn 53: „tritt grundrechtlich als Abwehrrecht in Erscheinung“; zum Ganzen auch bereits BVerfG, Beschluss vom 07.07.2010 – 2 BvR 748/05 ua, amtl Rn 44; ebenso wohl auch BVerfG, Beschluss vom 25.03.2021 – 2 BvL 1/11, amtl Rn 51, wonach allgemeiner Vertrauensschutz „nicht nur“ objektivrechtlich durch das Rechtsstaatsprinzip garantiert, sondern „zugleich“ eine Dimension der subjektivrechtlichen Grundrechtsverbürgung ist).

 

(2) Die gesetzlichen Krankenkassen sind indes mit Ausnahme der Justizgrundrechte nicht grundrechtsfähig. Vielmehr sind sie, weil sie Körperschaften des öffentlichen Rechts sind (§ 4 Abs 1 SGB V), ihrerseits an die Grundrechte gebunden (Art 1 Abs 3 GG) und können daher nicht zugleich deren Adressaten sein (BVerfG, Beschluss vom 31.01.2008 – 1 BvR 2156/02, juris Rn 3). Die Krankenkassen sind auch nicht – anders als etwa Universitäten oder Rundfunkanstalten – unmittelbar einem durch die Grundrechte geschützten Lebensbereich zuzuordnen. Ihnen ist zwar die Durchführung der gesetzlichen Krankenversicherung anvertraut und sie verfügen insoweit im gesetzlichen Rahmen über Selbstverwaltung. Dies besagt aber nicht, dass sie in dem ihnen übertragenen Aufgabenbereich Träger von gegen den Staat gerichteten Grundrechten sein können. Sie sind nur organisatorisch verselbständigte Teile der Staatsgewalt und üben der Sache nach mittelbare Staatsverwaltung aus (BVerfG, Beschluss vom 09.04.1975 – 2 BvR 879/73, juris Rn 68, 70; Beschluss vom 31.01.2008, aaO Rn 3; Beschluss vom 01.07.2004 – 1 BvQ 20/04, juris Rn 7; Beschluss vom 09.06.2004 – 2 BvR 1248/03 ua, amtl Rn 33 f, 37; zu Krankenkassenverbänden ebenso BVerfG, Beschluss vom 07.06.1991 – 1 BvR 1707/88, juris Rn 2). Ebenso wenig können die Krankenkassen Grundrechte ihrer Mitglieder geltend machen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der einzelne Bürger seine Grundrechte selbst wahrnimmt (BVerfG, Beschluss vom 09.06.2004, aaO Rn. 36). Die Krankenkassen sind nicht Sachwalter der Interessen ihrer Mitglieder, sondern – wie ausgeführt – Teile der mittelbaren Staatsverwaltung (BVerfG, Beschluss vom 31.01.2008, aaO Rn 3; vgl auch Beschluss vom 09.04.1975, aaO Rn 72).

 

(3) Ein allein aus dem Rechtsstaatsprinzip folgendes und deshalb auch die gesetzlichen Krankenkassen begünstigendes, objektiv-rechtliches Rückwirkungsverbot besteht daneben nicht (dafür aber Rixen, SGb 2019, 645 <646 f>; Kingreen aaO, S 452 ; zu § 109 Abs 5 SGB V ebenso Wahl in jurisPK-SGB V, 4. Aufl 2020, § 109 Rn 250; wohl auch Becker in Becker/Kingreen, SGB V, 8. Aufl 2022, § 409 Rn 2; hierzu tendierend auch BVerwG, Urteil vom 14.07.2021 – 3 C 2.20, amtl Rn 22; offen BSG, Urteil vom 30.07.2019 – B 1 A 2/18 R, amtl Rn 16; vgl auch BVerwG, Urteil vom 23.01.2019 – 9 C 2.18, amtl Rn 35; Urteil vom 04.05.2006 – 9 C 3.05, amtl Rn 16).

 

(a) Etwas anderes folgt insbesondere nicht daraus, dass Art 20 Abs 3 GG die Gesetzgebung ohne Einschränkung an die verfassungsmäßige Ordnung sowie die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht bindet (so aber Kingreen aaO, S 452) und diese "Herrschaft des Rechts" erst dann vollständig verwirklicht sei, wenn sie staatliches Handeln lückenlos erfasse (so Rixen aaO, S 648 f). Zwar betrifft die Bindung des Art 20 Abs 3 GG fraglos nicht nur die Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte, sondern auch auf die objektiv-rechtlichen Vorschriften des Grundgesetzes und damit auch die einzelnen Gehalte des Rechtsstaatsprinzips. Damit ist aber der Inhalt dieser einzelnen Gehalte des Rechtsstaatsprinzips nicht bestimmt, insbesondere nicht, ob zu ihnen das hier interessierende Rückwirkungsverbot zählt.

 

(b) Dass das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot allein objektives Recht wäre, lässt sich dem Grundgesetz nicht entnehmen (Rux in BeckOK-GG <Stand: 15.11.2022>, Art 20 Rn 184.1; zweifelnd auch Huster/Ströttchen aaO, S 529). Zwar trifft es zu, dass zu den wesentlichen Elementen des Rechtsstaatsprinzips die Rechtssicherheit gehört (BVerfG, Urteil vom 19.12.1961 – 2 BvL 6/59, juris Rn 49; ähnlich auch bereits BVerfG, Urteil vom 01.07.1953 – 1 BvL 23/51, juris Rn 81; hierauf abstellend auch Kingreen aaO, S 452; Rixen aaO, S 647). Diese Rechtssicherheit soll indes verhindern, dass der rechtsunterworfene Bürger durch die rückwirkende Beseitigung erworbener Rechte über die Verlässlichkeit der Rechtsordnung getäuscht wird (so BVerfG, Beschluss vom 20.02.2002 – 1 BvL 19/97 ua, juris Rn 33; ähnlich auch Beschuss vom 06.07.2010 – 2 BvR 2661/06, amtl Rn 81). Der Staatsbürger soll die ihm gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können; er muss darauf vertrauen können, dass sein dem geltenden Recht entsprechendes Handeln von der Rechtsordnung mit allen ursprünglich damit verbundenen Rechtsfolgen anerkannt bleibt (BVerfG, Urteil vom 19.12.1961, aaO Rn 49). Die Krankenkassen sind aber keine rechtsunterworfenen Bürger und stehen diesen auch nicht gleich, sondern sie sind Teil der (mittelbaren) Staatsverwaltung (dazu oben b/bb<2>).

 

(c) Eine allein objektiv-rechtliche Dimension des Rückwirkungsverbots lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass eine Rückwirkung gegen den sich aus der Rechtssicherheit ergebenen Grundsatz der Unverbrüchlichkeit des Rechts (so aber Kingreen aaO, S 651, unter Verweis auf Maurer in Isensee/Kirchhof, HStR, Bd IV, 3. Aufl 2006, § 79 Rn 43) verstieße. Unabhängig von der verfassungsrechtlichen Herleitung eines solchen weit gefassten Grundsatzes (zweifelnd auch Huster/Ströttchen aaO, S 529) ist eine Loslösung des Rückwirkungsverbots von den Grundrechten systematisch inkonsistent. So ist anerkannt, dass die Verfassungsmäßigkeit eines rückwirkenden Gesetzes nur dann fraglich ist, wenn es sich um ein den Bürger belastendes Gesetz handelt (BVerfG, Beschluss vom 17.12.2013, aaO Rn 63; Beschluss vom 17.01.1979 – 1 BvR 446/77 ua, juris Rn 48; vgl auch Beschluss vom 07.02.1968 – 1 BvR 628/66, juris Rn 25; ähnlich auch Beschluss vom 30.10.2010 – 1 BvR 1993/10, amtl Rn 16; jeweils mwN; ebenso Grzeszick in Dürig/Herzog/Scholz, GG <Stand: I/2022>, Art 20, dort unter VII – Rechtsstaat – Rn 75). Eine den Bürger begünstigende – auch echte – Rückwirkung ist dagegen verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich. Diese Unterscheidung liefe leer, wenn das Rückwirkungsverbot nicht nur die grundrechtsberechtigten Bürger, sondern auch die grundrechtsverpflichteten Träger von Staatsgewalt begünstigte. Denn danach wäre auch eine die Grundrechtsträger begünstigende Rückwirkung letzten Endes unzulässig, soweit sie einen Träger von Staatsgewalt "belastete" (Huster/Ströttchen aaO, S 530; vgl BSG, Urteil vom 30.10.2019, aaO Rn 25).

 

(4) Soweit das BVerwG (Urteil vom 23.01.2019, aaO Rn 35 ff) das Rückwirkungsverbot auf eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft angewandt hat, lag dem eine andere Fallgestaltung zugrunde. Das BVerwG ist davon ausgegangen, das Rückwirkungsverbot schütze auch das Vertrauen in die Verlässlichkeit der unter der Geltung des Grundgesetzes geschaffenen einfachgesetzlichen Rechtsordnung und der auf ihrer Grundlage erworbenen einfach-rechtlichen Rechtspositionen. Zu beurteilen hatte das BVerwG dabei Vorschriften des Kommunalabgabenrechts, die unterschiedslos für alle Abgabenpflichtigen und damit auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts galten (BVerwG, aaO Rn 36). Dies trifft auf die gesetzlichen Krankenkassen vorliegend aber nicht zu. Diese treten den Krankenhäusern zwar im Gleichordnungsverhältnis gegenüber. Dies ändert aber nichts daran, dass sie insoweit nicht wie Private auftreten, sondern allein in Erfüllung ihres öffentlich-rechtlichen Auftrags und dabei spezifischen öffentlich-rechtlich Einbindungen unterliegen (ausführlich dazu BSG, Urteil vom 30.10.2019, aaO Rn 25; Urteil vom 22.10.2014, aaO Rn 28 f).

 

(5) All dies bedeutet nicht, dass der Staat in seinem Binnenbereich gänzlich ungebunden wäre (zum Willkürverbot sogleich cc). Es bedeutet lediglich, dass in Fällen wie dem vorliegenden kein grundsätzliches Verbot echter Rückwirkung besteht, wie es soeben (unter aa) behandelt worden ist. Inwieweit gegenüber anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts, insbesondere den Gemeinden, andere Maßstäbe gelten, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang. Insbesondere von den Gemeinden unterscheiden sich die gesetzlichen Krankenkassen dadurch, dass die Gemeinden verfassungsrechtlich garantiert sind (Art 28 Abs 2 GG), die Krankenkassen als Träger bloß funktioneller Selbstverwaltung dagegen nicht (dazu Noftz in Hauck/Noftz, SGB V <Stand: VII/2019>, § 4 Rn 17 mwN). Eine Verfassungsgarantie des bestehenden Systems der Sozialversicherung oder seiner tragenden Organisationsprinzipien ist dem Grundgesetz nicht zu entnehmen (BVerfG, Beschluss vom 09.04.1975, aaO Rn 71; Beschluss vom 15.12.1987 – 2 BvL 11/86, juris Rn 13; Beschluss vom 09.06.2004, aaO Rn 32; Beschluss vom 18.07.2005 – 2 BvF 2/01, amtl Rn 95), auch nicht Art 87 Abs 2 GG; dieser ist eine Kompetenznorm (BVerfG, Beschluss vom 02.05.1967 – 1 BvR 578, juris Rn 27; Beschluss vom – 1 BvR 178/00, juris Rn 11). Bei der vierjährigen Verjährungsfrist, gegen deren rückwirkende Verkürzung die Klägerin sich wendet, handelt es sich auch nicht selbst um eine verfassungsrechtliche Rechtsposition, sondern sie entstammt dem einfachen Recht.

 

cc) Die Neuregelung verstößt auch nicht gegen das Willkürverbot. Dieses dient als objektives Rechtsprinzip auch dann als Prüfungsmaßstab für eine Norm, wenn Grundrechtsträger nicht betroffen sind. Es erlangt damit auch Geltung gegenüber öffentlich-rechtlichen Körperschaften, soweit diese nicht grundrechtsfähig sind (BVerfG, Beschluss vom 18.07.2005 – 2 BvF 2/01, juris Rn 254). Die Konstruktion eines Grundrechts der betreffenden juristischen Person des öffentlichen Rechts als eines mit der Verfassungsbeschwerde rügefähigen subjektiven Rechts ist nicht erforderlich (BVerfG, Beschluss vom 31.01.2008, aaO Rn 4; Beschluss vom 02.05.1967 – 1 BvR 578/63, juris Rn 30). Es handelt sich um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der schon aus dem Wesen des Rechtsstaates, dem Prinzip der allgemeinen Gerechtigkeit folgt (BVerfG, Beschluss vom 02.05.1967, aaO; Beschluss vom 09.01.2007 – 1 BvR 1949/05, amtl Rn 15).

 

(1) Das Willkürverbot ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für eine gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt. Willkür des Gesetzgebers kann nicht schon dann bejaht werden, wenn der Gesetzgeber unter mehreren möglichen Lösungen nicht die zweckmäßigste oder vernünftigste gewählt hat, vielmehr nur dann, wenn sich ein sachgerechter Grund für die gesetzliche Bestimmung nicht finden lässt (BVerfG, Beschluss 05.10.1993 – 1 BvL 34/81, juris Rn 39; ebenso Huster/Ströttchen aaO, S 531; im Ausgangspunkt auch Wahl aaO, Rn 250).Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall das Willkürverbot oder das Gebot verhältnismäßiger Gleichbehandlung durch den Gesetzgeber verletzt ist, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen (BVerfG, Beschluss vom 18.07.2005 aaO, Rn 126; vgl auch Beschluss vom 05.10.1993, aaO Rn 39; Huster/Ströttchen aaO, S 531: nur eine äußerste Grenze). Für den Bereich des Sozialversicherungs-, insbesondere des Krankenversicherungsrechts betont das BVerfG in stRspr insoweit einerseits die hohe Bedeutung der Funktionsfähigkeit und der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung für das gemeine Wohl, andererseits die diesbezüglich gegebene weitgehende sozialpolitische Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Sozialpolitische Entscheidungen des Gesetzgebers sind anzuerkennen, solange seine Erwägungen weder offensichtlich fehlsam noch mit der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar sind (BVerfG, Beschluss vom 18.07.2005, aaO Rn 127 ff mwN).

 

(2) Diesen Maßstab verletzt § 325 SGB V aF noch nicht. Vielmehr liegen der Neuregelung im Ausgangspunkt zumindest nachvollziehbare Erwägungen des Gesetzgebers zugrunde (dazu auch Bockholdt aaO, § 109 Rn 212c).

 

(a) § 325 SGB V aF war Teil einer umfassenderen Neuregelung der zwischen Krankenhäusern und -kassen geltenden Verjährungsregelungen. Seit 01.01.2019 verjähren gemäß § 109 Abs 5 S 1 SGB V (idF des PpSG) Ansprüche der Krankenhäuser auf Vergütung erbrachter Leistungen sowie Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen nicht mehr in vier, sondern in zwei Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie entstanden sind. Dies gilt auch für Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen, die vor dem 01.01.2019 entstanden sind (§ 109 Abs 5 S 2 SGB V), nicht aber für Ansprüche der Krankenhäuser auf Vergütung erbrachter Leistungen, die vor dem 01.01.2019 entstanden sind (§ 109 Abs 5 S 3 SGB V). Diese Neuregelungen flankiert § 325 SGB V aF.

 

(b) Die Verkürzung der Verjährungsfristen von vier auf zwei Jahre begegnet als solche keinen Bedenken (so im Ausgangspunkt auch Kingreen, aaO S 454, wonach es dem Gesetzgeber unbenommen sei, Verjährungsfristen zu verkürzen). Vorliegend erfolgte die Verkürzung der Verjährungsfrist ausweislich der Gesetzesbegründung mit dem Ziel, die durch Rückforderungen der Krankenkassen – insbesondere solche aufgrund zwischenzeitlich ergangener Rechtsprechung – hervorgerufenen Belastungen der Krankenhäuser zu verringern und zu einer schnelleren Herstellung des Rechtsfriedens zwischen den Beteiligten beizutragen (BT-Drs 19/5593, 115). Eine derartige Befriedung abgeschlossener Abrechnungsfälle ist auch mit Blick auf den Erhalt der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser legitim (Bockholdt aaO, § 109 Rn 212c). Dies gilt namentlich vor dem Hintergrund der Krankenhausvergütung nach Fallpauschalen als einem lernenden System, das darauf angelegt ist, dass die Vertragsparteien zutage tretende Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen mit Wirkung für die Zukunft beseitigen (dazu BSG, Urteil vom 25.11.2010 – B 3 KR 4/10 R, juris Rn 18), wohingegen die vorliegend interessierenden Erstattungsansprüche der Krankenkassen denknotwendig eine rückwirkende Fehlerkorrektur zum Gegenstand haben (dazu Knittel in Krauskopf, SozKV <Stand: VIII/2021>, § 409 Rn 9). Vor diesem Hintergrund verfängt auch das Argument nicht, es sei jedenfalls kein legitimes gesetzgeberisches Anliegen, Krankenhäuser von begründeten Forderungen zu befreien (so aber Kingreen, aaO S 454), denn es verwechselt Mittel (die Fristverkürzung) und Zweck (die Schaffung von Rechtsfrieden).

 

(c) § 325 SGB V aF diente in diesem Zusammenhang ebenfalls einem legitimen Zweck. Die Regelung steht dabei im Zusammenhang mit § 109 Abs 5 S 2 SGB V, der (nur) für Rückforderungsansprüche der Krankenkassen auch bereits laufende Verjährungsfristen von vier auf zwei Jahre verkürzte. Hiermit wollte der Gesetzgeber das Ziel der Neuregelung sichern. Die Gesetzesbegründung (BT-Drs 15/5593, 116) lautet hierzu auszugsweise:

 

„[…] Andernfalls könnte das Ziel der Regelung nur unvollkommen erreicht werden. Nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts wäre die verkürzte Verjährungsfrist mangels anderweitiger Übergangsregelungen erst ab dem Inkrafttreten des [PpSG] zu berechnen. Liefe jedoch die bislang geltende längere Frist früher ab als die verkürzte Verjährungsfrist, wäre die Verjährung mit dem Ablauf der bisherigen Verjährungsfrist vollendet […]. Wenn die verkürzte Verjährungsfrist aufgrund dieser Regelung erst ab dem Inkrafttreten des [PpSG] am 01.01.2019 zu laufen begänne, könnte eine umfassende Befriedung abgeschlossener Abrechnungsfälle nicht erreicht werden, denn bereits auf im Jahr 2016 entstandene Ansprüche hätte auch die verkürzte Verjährungsfrist keine Auswirkung mehr. Diese würden sowohl nach der bisherigen vierjährigen Verjährungsfrist als auch nach der neuen zweijährigen Verjährungsfrist erst am 31.12.2020 verjähren. Vor diesem Hintergrund regelt S 2 in Abweichung von den Grundsätzen des intertemporalen Rechts, dass die Regelung zur Dauer und zum Beginn der verkürzten Verjährungsfrist auf Rückforderungen der Krankenkassen anwendbar ist, die vor dem 01.01.2019 entstanden, nach alter Rechtslage aber noch nicht verjährt sind. […]“

 

§ 325 SGB V aF dient der weiteren Absicherung des Ziels der Neuregelung (Huster/Ströttchen, aaO S 532 f). Die Gesetzesbegründung (BT-Drs 19/5593, S 124) lautet insoweit ua:

 

„[…] Die Regelung zielt auf die Entlastung der Sozialgerichte und der Durchsetzung des Rechtsfriedens, der mit der rückwirkenden Einführung der verkürzten Verjährungsfrist beabsichtigt ist. Verhindert werden soll, dass die Krankenkassen zum Ende des Jahres 2018 zahlreiche gerichtliche Verfahren einleiten, um die Verjährung vermeintlicher Rückzahlungsansprüche aus vormals abgeschlossenen Abrechnungsvorgängen zu hemmen. Vor diesem Hintergrund wird die Durchsetzung entsprechender Rückzahlungsansprüche der Krankenkassen, die eine solche Vorgehensweise bereits angekündigt haben, ausgeschlossen. Rückzahlungsansprüche, die nach dem 01.01.2017 entstanden sind, können nach der Einführung der zweijährigen Verjährungsfrist noch bis zum Ende des Jahres 2019 geltend gemacht werden.“

 

Dass der Gesetzgeber mit seinem Anliegen, die Sozialgerichte zu entlasten und Rechtsfrieden durchzusetzen, gescheitert ist (zur Klagewelle statt vieler Bockholdt aaO, § 409 Rn 6 mwN), macht die Regelung nicht in einem Willkür begründenden Sinne sachwidrig (LSG Bln-Bbg, aaO Rn 43). Nichts anderes folgt daraus, dass zum einen die §§ 109 Abs 5, 325 SGB V aF im ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung noch nicht enthalten waren (BR-Drs 376/18; aA Kingreen, aaO S 455), sondern erst mit Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit eingefügt wurden (BT-Drs 19/5593, S 38, 54), und zum anderen die zweite und dritte Lesung – und damit der für die Ausschlussfrist des § 325 SGB V aF maßgebliche Stichtag – bereits zwei Tage nach der Veröffentlichung der Beschlussempfehlung des Ausschusses (vom 07.11.2018) lagen. Beides entspricht im Grundsatz vielmehr parlamentarischen Gepflogenheiten (vgl §§ 62 Abs 1 S 2 bzw 81 Abs 1 S 2, 84 S 1 Buchst a der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages <GOBT>). Die kurze Frist sticht vorliegend nur deshalb hervor, weil sie iErg wie eine Übergangsfrist wirkte (vgl dazu BSG, Beschluss vom 18.08.2022 – B 1 KR 35/22 B, juris Rn 19). Auch insoweit liegt der verfassungsrechtlich umstrittene Kern des Problems aber nicht in der Kürze der Frist, sondern darin, dass der Stichtag rückwirkend in Kraft trat.

 

(d) Sachwidrigkeit folgt schließlich auch nicht daraus, dass § 325 SGB V aF lediglich Ansprüche der Krankenkassen betrifft (aA Kingreen, aaO S 455). Zwar war sich der Gesetzgeber bewusst, dass er Krankenhäuser und Krankenkassen unterschiedlich behandelt. Diese Ungleichbehandlung war jedoch nicht um ihrer selbst willen Regelungsanliegen, sondern es ging dem Gesetzgeber offenbar darum, zwar sein Regelungsziel – die Verkürzung der Verjährungsfristen – möglichst zeitnah umsetzen, dabei aber die verfassungsrechtlichen Grenzen und insbesondere die Grundrechte der Krankenhausträger zu wahren (so auch Huster/Ströttchen, aaO S 532, dort ua zu § 109 Abs 5 S 2 SGB V). Auf Seiten der Krankenkassen sah der Gesetzgeber – nach Rechtsauffassung des Senats iErg zu Recht – dagegen ausdrücklich keine derartigen verfassungsrechtlichen Probleme, vgl BT-Drs 19/5593, 116:

 

„Eine unzulässige Rückwirkung ist hierin nicht zu erblicken, da die Krankenkassen als Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht grundrechtsfähig sind.“

 

Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, die Erwägung, dass (nur) aufseiten der Krankenhäuser Grundrechte und damit das Rückwirkungsverbot zu beachten seien, sei ihrerseits inkonsistent, weil auch Krankenhäuser in kommunaler Trägerschaft hierdurch begünstigt würden (zu deren fehlender Grundrechtsberechtigung s BVerfG, Beschluss vom 06.10.2016 – 1 BvR 292/16, amtl Rn 16; zum Schutz wie Private am Markt auftretender kommunaler Unternehmen durch das Rückwirkungsverbot wiederum BVerwG, Urteil vom 23.01.2019, aaO Rn 35 f). Selbst wenn mit Krankenhäusern in privater und kommunaler Trägerschaft tatsächlich zu Unrecht Ungleiches gleichbehandelt würde, hätte dies keine Auswirkungen auf die hier allein interessierende Ungleichbehandlung der gesetzlichen Krankenkassen gegenüber (allen) Krankenhäusern (vgl Huster/Ströttchen, aaO S 532, denen zufolge es nicht sachfremd ist, „dass der Gesetzgeber die Beteiligten am Abrechnungsverfahren pauschalierend nach ihrer Rolle im Abrechnungsverhältnis zuordnet“).

 

II. Kostenentscheidung und Streitwertfestsetzung beruhen auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bzw §§ 63 Abs 2 S 1, 52 Abs 1, 47 Abs 1 S 1 Gerichtskostengesetz (GKG).

 

III. Die Revision wird gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zugelassen. Der grds Bedeutung der Rechtssache steht nicht entgegen, dass § 325 SGB V aF durch das PDSG mWv 20.10.2020 inhaltlich völlig neugefasst wurde. Die Vorschrift hat zunächst mit § 412 SGB V idF ebenjenes PDSG und sodann mit § 409 SGB V idF des DVMPG eine wortgleiche Entsprechung gefunden, die weiterhin geltendes Recht ist.

 

IV. Anlass, das Verfahren auszusetzen und die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des § 325 SGB V aF dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, besteht dagegen nicht. Für eine konkrete Normenkontrolle gemäß Art 100 Abs 1 S 1 GG genügt es nicht, wenn bloße Zweifel oder Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit einer Regelung bestehen, vielmehr muss das vorlegende Gericht von der Verfassungswidrigkeit der Norm überzeugt sein (vgl BVerfG, Beschluss vom 06.03.2018 – 1 BvL 1/16, juris Rn 20 mwN). Die Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 325 SGB V aF sind gewichtig, gehen aber – wie ausgeführt – über Zweifel letztlich nicht hinaus.

 

Rechtskraft
Aus
Saved