L 7 AS 524/23 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 19 AS 367/23 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 524/23 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.03.2023 geändert. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.03.2023 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die Hälfte der Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

 

Gründe:

 

I.

 

Antragsteller und Antragsgegner wenden sich mit ihrer Beschwerde jeweils gegen einen Beschluss, mit dem das Sozialgericht Düsseldorf den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Regelbedarf an den Antragsteller für die Zeit vom 27.02.2023 bis zum 30.06.2023 verpflichtet hat. Der Antragsgegner begehrt eine Änderung dieses Beschlusses und die Ablehnung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz. Das Begehren des Antragstellers ist auf die weitergehende Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von Bedarfen für Unterkunft und Heizung gerichtet.

 

Der 1967 geborene Antragsteller übt seit 2004 eine selbstständige Tätigkeit als Betreiber eines Chauffeur-Service aus. Seit 2015 bezog er vom Antragsgegner ergänzende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Zuletzt bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller mit Bescheid vom 15.11.2022 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 17.12.2022 vorläufig Leistungen nach dem SGB II i.H.v. monatlich (502,00 € Regelleistung + 453,00 € Grundmiete + 75,00 € Heizkosten + 75,00 € Nebenkosten =) 1.105,00 € für den Zeitraum vom 01.01.2023 bis zum 31.05.2023. Am 31.01.2023 zahlte der Antragsgegner dem Antragsteller die Leistungen für Februar 2023 aus.

 

Der Antragsgegner ermittelte im Februar 2023 bei einer Internetrecherche ein LinkedIn-Profil des Antragstellers, ausweislich dessen dieser seit 2008 auch als Immobilienvermittler mit der Firma „Y.“ selbstständig tätig ist. Mit interner Verfügung vom 13.02.2023 ordnete der Antragsgegner eine vorläufige Einstellung der Zahlung der Leistungen an den Antragsteller an und teilte dies dem Antragsteller mit Schreiben vom selben Tag mit. Die Einstellung beruhe auf § 40 Abs. 2 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 331 SGB III. Der Antragsteller habe eine Erwerbstätigkeit aufgenommen und könne seinen Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen sichern. Der Antragsteller legte mit Email vom 22.02.2023 „Einspruch“ gegen die Zahlungseinstellung ein. Weder habe er eine Erwerbstätigkeit aufgenommen noch sei er Immobilienmakler.

 

Am 27.02.2023 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Düsseldorf beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in gesetzlicher Höhe seit dem 01.02.2023 zu verpflichten. Er sei nicht in der Immobilienbranche tätig und auch nicht anderweitig in Festanstellung. Die von dem Antragsgegner aufgefundene Homepage sei zwar seine, er habe das dort genannte Unternehmen jedoch bereits 2009 aufgegeben. Eilbedürftigkeit sei gegeben, weil sein zur Existenzsicherung notwendiger Bedarf nicht mehr gedeckt sei. Es bestünden bereits Mietrückstände. Unterstützung bekomme er „in schlechten Zeiten“ von seinen Eltern.

 

Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag abzulehnen. Der Antragsteller habe nie angegeben, für die Firma „Y.“ tätig zu sein. Es seien zudem weitere Konten bekannt geworden, die bislang vom Antragsteller verschwiegen worden seien.

 

Mit Beschluss vom 28.03.2023 hat das Sozialgericht den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 27.02.2023 bis zum 30.06.2023, längstens jedoch bis zu Entscheidung in der Hauptsache, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Gestalt des Regelbedarfs nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Im Übrigen hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Der Antragsteller habe glaubhaft dargelegt, hilfebedürftig zu sein. Dies ergebe sich unter anderem aus dem Kontostand von nur 6,20 € am 08.03.2023. Einen Anordnungsgrund im Hinblick auf die Gewährung von Kosten für Unterkunft und Heizung habe der Antragsteller jedoch nicht glaubhaft gemacht.

 

Der Antragsgegner hat am 06.04.2023 Beschwerde gegen den ihm am 28.03.2023 zugegangenen Beschluss des Sozialgerichts eingelegt und darüber hinaus beantragt, die Vollstreckung der einstweiligen Anordnung auszusetzen. Ein Anordnungsanspruch für Juni 2023 scheide bereits deshalb aus, weil dem Antragsteller Leistungen nur bis zum 31.05.2023 bewilligt worden seien und für den Folgezeitraum kein Weiterbewilligungsantrag existiere. Im Übrigen bestehe kein Anordnungsgrund, weil der Antragsteller angegeben habe, durch seine Eltern unterstützt zu werden. Der Antragsteller versuche systematisch Leistungen zu Unrecht zu erwirken und seinem Vortrag fehle jegliche Glaubwürdigkeit.

 

Mit Bescheid vom 14.04.2023 hat der Antragsgegner den Bewilligungsbescheid vom 15.11.2022 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 17.12.2022 ab dem 01.03.2023 ganz zurückgenommen. Ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bestehe nicht, weil der Antragsteller bedarfsdeckendes Einkommen habe. Der Antragsteller habe in seinem Weiterbewilligungsantrag vom 24.10.2022 fehlerhafte Angaben gemacht. Insbesondere habe er weder angegeben, Inhaber der Firma „Y.“ zu sein noch, regelmäßig Zuwendungen von seinen Eltern zu erhalten. Der Antragsteller hat gegen diesen Bescheid am 25.04.2023 Widerspruch eingelegt.

 

Am 27.04.2023 hat der Antragsteller ebenfalls Beschwerde gegen den Beschluss vom 28.03.2023 eingelegt und beantragt, die Beschwerde und den Vollstreckungsschutzantrag des Antragsgegners zurückzuweisen. Der angegriffene Beschluss sei insoweit zu ändern, als dass der Antragsgegner verpflichtet werde, auch Unterkunftskosten zu gewähren. Der Vermieter habe mit Schreiben vom 27.04.2023 Mietrückstände für März und April 2023 i.H.v. 1.200,00 € geltend gemacht und – sollten diese nicht bis zum 05.05.2023 beglichen werden – bereits jetzt die fristlose Kündigung ausgesprochen. Der Antragssteller hat hilfsweise beantragt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 25.04.2021 gegen den Rücknahmebescheid vom 14.04.2023 anzuordnen. Wegen dem Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes habe das Landessozialgericht hierüber erstinstanzlich zu entscheiden.

 

II.

 

Die Beschwerde des Antragsgegners ist begründet, die Beschwerde des Antragsstellers ist nicht begründet.

 

Der Eilantrag des Antragstellers ist insgesamt abzulehnen. Zunächst hat das Sozialgericht den Antragsgegner zu Unrecht zur Zahlung von Leistungen für die Zeiträume vom 27.02.2023 bis zum 28.02.2023 sowie vom 01.06.2023 bis zum 30.06.2023 verpflichtet, denn der Antrag des Antragstellers auf Erlass auf einer einstweiligen Anordnung war insoweit von vornherein unzulässig. Zwar war der Eilantrag ursprünglich als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung i.S.v. § 86b Abs. 2 SGG statthaft. Insbesondere steht der Statthaftigkeit § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG nicht entgegen. Hiernach ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung i.S.d. § 86b Abs. 2 SGG nur statthaft, soweit ein Fall des Absatzes 1 – Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs bzw. der Anfechtungsklage – nicht vorliegt. Im Falle des Rechtsschutzes gegen eine vorläufige Zahlungseinstellung i.S.v. 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 331 SGB II ist indes kein Fall des § 86b Abs. 1 SGG eröffnet, denn die vorläufige Zahlungseinstellung ist kein Verwaltungsakt i.S.d. § 31 SGB X, sondern ein Realakt (Bindig in: Hauck/Noftz, SGB III, § 331 SGB III, Rn. 12; Düe in: Brand, SGB III, 3. Aufl. 2021, § 331 Rn. 7; Kaminski in: BeckOK Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, 68 Ed., Stand: 01.03.2023, § 331 SGB III, Rn. 18 f.; Bayerisches LSG, Beschluss vom 22.11.2016 – L 11 AS 742/16 B ER – juris, Rn. 8). Nach der Konzeption des Gesetzes erfolgt die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 331 SGB III ohne Erteilung eines Bescheides. Es handelt sich vielmehr um die Statuierung eines Zurückbehaltungsrechts, das die Fälligkeit des sich aus dem Bewilligungsbescheid ergebenden Anspruchs aufhebt und nicht durch Verwaltungsakt geltend gemacht zu werden braucht. Dieser Realakt dient der Vorbereitung eines Aufhebungsbescheides, der dann der Rechtsgrund für die endgültige Leistungseinstellung ist. Mit einer vorläufigen Leistungseinstellung soll im Vorfeld einer Aufhebung der Bewilligungsentscheidung im Fall des Wegfalls der gesetzlichen Leistungsvoraussetzungen das Auflaufen einer Erstattungsforderung vermieden werden (vgl. hierzu LSG NRW, Beschlüsse vom 02.03.2021 – L 2 AS 269/21 B – und vom 07.04.2014 – L 19 AS 389/B ER –).

 

Für die Zeiträume vom 27.02.2023 bis zum 28.02.2023 sowie vom 01.06.2023 bis zum 30.06.2023 fehlt es jedoch an einem Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers. Für die Zeit vom 27.02.2023 bis zum 28.02.2023 folgt dies daraus, dass der Antragsgegner die Leistungen des Antragstellers für Februar 2023, die gemäß § 42 Abs. 1 SGB II monatlich im Voraus erbracht werden, am 31.01.2023 vollständig ausgezahlt hat. Für den Zeitraum vom 01.06.2023 bis zum 30.06.2023 ergibt sich das Fehlen eines Rechtsschutzbedürfnisses daraus, dass insoweit noch keine Vorbefassung des Antragstellers vorliegt (vgl. hierzu Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 86b SGG, Stand: 08.03.2023, Rn. 356). Aus der Begrenzung  des durch den Bescheid vom 15.11.2022 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 17.12.2022 geprägten Bewilligungszeitraums bis zum 31.05.2023 folgt für den ursprünglichen Leistungsantrag des Antragstellers nämlich eine Zäsurwirkung (vgl. hierzu BSG, Urteile vom 23.11.2006 – B 11b AS 1/06 R –und vom 02.07.2009 – B 14 AS 54/08 R), so dass der Antragsteller gehalten ist, durch Stellung eines Fortzahlungsantrags i.S.v. § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB II ein neues Verwaltungsverfahren beim  Antragsgegner einzuleiten.

 

Der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts ist auch für den Zeitraum vom 01.03.2023 bis zum 31.05.2023 im Sinne einer Ablehnung des Eilantrags zu ändern. Der nach den vorstehenden Ausführungen ursprünglich statthafte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist mit dem Erlass des Aufhebungsbescheides vom 14.04.2023 unstatthaft und damit unzulässig geworden. In Anbetracht des nunmehr erlassenen Verwaltungsaktes und des Entfallens der aufschiebenden Wirkung deshiergegen erhobenen Widerspruchs des Antragstellers (vgl. hierzu § 39 Nr. 1 SGB II) hat der Antragsteller sein Ziel, die ursprüngliche Bewilligung wieder aufleben zu lassen, mit einem Antrag nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG SGG zu verfolgen (vgl. hierzu Bayerisches LSG, Beschluss vom 07.03.2013 – L 7 AS 77/13 B PKH –; Bayerisches LSG, Beschluss vom 22.11.2016 – L 11 AS 742/16 B ER – juris, Rn. 11; Kallert in: Gagel, SGB III <Stand: 76 EL Dezember 2019>, § 331 SGB III, Rn. 18 f.; vgl. auch Düe in: Brand, SGB III, 7. Aufl. 2015, § 331 Rn. 8; Kaminski in: BeckOK Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, 68 Ed. <Stand: 01.03.2023>, § 331 SGB III, Rn. 18).

 

Dass der Antragsteller mit Schriftsatz vom 27.04.2023 nunmehr beantragt hat, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 25.04.2021 gegen den Rücknahmebescheid vom 14.04.2023 anzuordnen, führt zu keinem anderen Ergebnis, denn dieser Antrag ist nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens und damit nicht in diesem Verfahren zu berücksichtigen. Wird im Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht der Verfahrensgegenstand um Streitgegenstände erweitert, über die das Sozialgericht noch gar nicht entscheiden konnte, ist der Antrag insoweit unzulässig (vgl. Wahrendorf in: Roos/Wahrendorf/Müller, <Stand: 01.02.2023>, § 86b SGG, Rn. 267; vgl. BSG, Urteil vom 31.07.2002 – B 4 RA 113/00 R –; Beschluss des Senats vom 14.02.2022 – L 7 AS 1828/21 B ER  – ;vgl. hierzu auch den Rechtsgedanken des § 157 SGG). Diese Voraussetzungen liegen hier allein deshalb vor, weil der Bescheid vom 14.04.2023 zum Zeitpunkt der Entscheidung des Sozialgerichts noch gar nicht ergangen war. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 25.04.2021 ist auch nicht entsprechend der Vorschriften der §§ 153 Abs. 1, 96 SGG Gegenstand des Beschwerdeverfahrens geworden. Zwar ändert der Bescheid vom 14.04.2023 den Bewilligungsbescheid vom 15.11.2022 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 17.12.2022 ab. Der Eilantrag des Antragstellers war aber nicht gegen diese zum Zeitpunkt der Antragstellung am 27.02.2023 bereits bestandskräftigen Bescheide, sondern vielmehr gegen die vorläufige Zahlungseinstellung und auf eine Zahlung aus ihnen gerichtet. Die vorläufige Zahlungseinstellung selbst ist indes kein Verwaltungsakt, der durch den Bescheid vom 14.04.2023 hätte geändert werden können. In einem Hauptsacheverfahren wäre der Anspruch des Antragstellers im Wege einer Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG geltend zu machen gewesen, weil der Antragsgegner eine durch Verwaltungsakt bewilligte Leistung nicht erbracht hat (vgl. hierzu LSG NRW, Beschluss vom 02.03.2021 – L 2 AS 269/21 B-). Die im Vorfeld einer unterlassenen Auszahlung erlassenen Bewilligungsbescheide werden nicht Gegenstand einer Leistungsklage, so dass auch ein diese Bewilligungsbescheide abändernder oder ersetzender Bescheid nicht i.S.v. § 96 Abs. 1 SGG verfahrensgegenständlich werden kann.  § 96 Abs. 1 SGG kommt bei echten Leistungsklagen damit im Ergebnis nicht zur Anwendung (vgl. hierzu Klein in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 96 SGG, Stand: 25.04.2023, Rn. 15; Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, § 96 SGG, Rn. 2 f.; vgl. Peters-Sautter-Wolff, SGG, 4. Aufl. 33. Nachtrag, § 96 SGG, II/61-7-).

 

Auch eine „erstinstanzliche“ Zuständigkeit des Senats für den nunmehr gestellten Antrag nach § 86b Abs. 1 SGG ist nicht gegeben. Zuständig für die insoweit statthafte Vollziehungsaussetzung ist das Gericht der Hauptsache, also das Gericht, bei dem die Sache anhängig ist oder – wenn der Antrag nach § 86b Abs. 1 SGG der Erhebung der Klage vorausgeht – anhängig zu machen wäre (vgl. Beschluss des Senats vom 14.02.2022 - L 7 AS 1828/21 B ER –; Bayerisches LSG, Beschluss vom 22.11.2016 – L 11 AS 742/16 B ER – juris, Rn. 13). Eine Klage gegen den Bescheid vom 14.04.2023 in der Gestalt eines etwaigen Widerspruchsbescheides wäre aber nicht von den Sonderregelungen des § 29 Abs. 2 bis 4 SGG für erstinstanzliche Zuständigkeiten des Landessozialgerichts erfasst und damit vor dem Sozialgericht zu erheben. Anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom Antragsteller geltend gemachten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz. Der verfassungsrechtlich verbürgte Anspruch auf effektiven Rechtsschutz ist nämlich normgeprägt und es obliegt dem Gesetzgeber, den Rechtsschutz – wie hier durch das SGG –  als Prozessrechtsordnung – auszugestalten (vgl. BVerfGE 101, 106-132, Rn. 69; 101, 397410 <Rn. 40>). Ein zuständigkeitswidriges Verhalten des Gerichts verlangt Art. 19 Abs. 4 GG indes nicht, selbst wenn dies im Einzelfall für den betroffenen Antragsteller aus prozessökonomischer Sicht wünschenswert erscheint. Erforderlich ist vielmehr, dass sich die Entscheidungsbefugnis des Gerichts aus dem Gesetz ergibt. Dies ist nicht der Fall. Der Antragsteller ist insoweit gehalten – wie von ihm angekündigt – einstweiligen Rechtsschutz bei dem instanziell zuständigen Sozialgericht zu beantragen.

 

Aus den vorstehenden Ausführungen und der nunmehrigen Unzulässigkeit des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung folgt, dass die vom Antragsteller erhobene weitergehende Beschwerde auf eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von Bedarfen für Unterkunft und Heizung keinen Erfolg haben kann.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG und trägt trotz des vollumfänglichen Erfolgs des Antragsgegners unter Veranlassungsgesichtspunkten dem Umstand Rechnung, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zwischenzeitlich zulässig und begründet war. Gemäß § 331 Abs. 2 SGB III hat die Agentur für Arbeit eine vorläufig eingestellte laufende Leistung nämlich unverzüglich nachzuzahlen, soweit der Bescheid, aus dem sich der Anspruch ergibt, zwei Monate nach der vorläufigen Einstellung der Zahlung nicht mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben ist. Maßgeblich für den Fristablauf ist der Zugang des Aufhebungsbescheides, weil dieser gemäß § 39 Abs. 1 SGB X erst mit seinem Zugang gegenüber dem Empfänger wirksam wird. Der Aufhebungsbescheid muss daher, soll er noch fristgemäß zugehen, spätestens an dem Tag des übernächsten Monats zugehen, der datumsmäßig dem Tag der Zahlungseinstellung entspricht (Schaumberg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 3. Aufl., § 331 SGB III,Stand: 20.02.2023, Rn. 37). Dies war hier nicht der Fall. Der Antragsgegner hat die Zahlung zum 13.02.2023 vorläufig ganz eingestellt. Erst mit Bescheid vom 14.04.2023 hat der Antragsgegner die Bewilligungsbescheide aufgehoben. Dass dieser dem Antragsteller noch am selben Tag (einem Freitag) bekanntgegeben wurde, ist angesichts von Postlaufzeiten von mindestens einem Tag auszuschließen. Daraus folgt, dass der Antragsgegner sich gegenüber dem Zahlungsanspruch nicht mehr auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen konnte (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 07.04.2014 – L 19 AS 389/14 B ER –) und der Antragsgegner gehalten war, Leistungen gemäß dem Bescheid vom 15.11.2022 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 17.12.2022 für März und April 2023 unverzüglich nachzuzahlen.

 

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

 

Rechtskraft
Aus
Saved