L 4 SO 17/22 B

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Sozialhilfe
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 30 SO 197/21
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 SO 17/22 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss


Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 13. Januar 2022 aufgehoben.

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Verfahren erster Instanz (S 30 SO 197/21) unter Beiordnung von Rechtsanwältin D., A-Stadt, bewilligt.


Gründe

Die Beschwerde des Klägers vom 15. Februar 2022 mit dem (sinngemäßen) Antrag,

den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 13. Januar 2022, den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 19. Januar 2022, aufzuheben und ihm für das Verfahren erster Instanz (Az.: S 30 SO 197/21) Prozesskostenhilfe zu bewilligen,

ist begründet.

Der Kläger hat Anspruch auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) ist einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf seinen Antrag Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Der Maßstab für die insoweit geforderten Erfolgsaussichten ist im Licht der grundrechtlich garantierten Rechtsschutzgleichheit zu bestimmen. Sie folgt aus dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. dem Rechtsstaatsgrundsatz aus Art. 20 Abs. 3 GG. Gefordert ist hiernach eine Angleichung der Rechtsschutzmöglichkeiten eines Unbemittelten mit denen eines Bemittelten, der seine Erfolgsaussichten unter Berücksichtigung des Kostenrisikos vernünftig abwägt. Eine hinreichende Erfolgsaussicht in diesem Sinne besteht, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Erforderlichkeit und Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist, also eine nicht fernliegende Möglichkeit besteht, das Rechtsschutzziel durch Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes jedenfalls unter Zuhilfenahme aller verfahrensrechtlich vorgesehenen Rechtsbehelfe durchzusetzen (BVerfGE 81, 347 <357>; ständige Rechtsprechung, vgl. insoweit auch: Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 16. April 2019, 1 BvR 2111/17; vom 4. September 2017, 1 BvR 2443/16 und vom 14. Februar 2017, 1 BvR 2507/16 - juris - bei Fragen einer Beweisaufnahme). Hält das Gericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens oder eine andere Beweiserhebung von Amts wegen für notwendig, so kann in der Regel die Erfolgsaussicht auch nicht verneint werden (Schmidt in: Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, Kommentar, 13. Auflage 2020, § 73a Rdnr. 7a). Prozesskostenhilfe darf der unbemittelten Partei von Verfassungs wegen insbesondere auch dann nicht versagt werden, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Februar 2020, 1 BvR 1246/19).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

Nach der oben dargestellten summarischen Prüfung war die von dem Kläger am 22. November 2021 erhobene Untätigkeitsklage zulässig und begründet. Nach § 88 SGG ist in dem Fall, in dem ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, die Klage (Untätigkeitsklage) nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig. Die Sperrfrist von sechs Monaten ist von dem Kläger eingehalten worden. Vorliegend hat der Beklagte den Antrag des Klägers vom 18. Mai 2021 auf Gewährung von Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII), Hilfe zur Pflege, zwar am 18. November 2021 beschieden. Maßgeblich ist jedoch, ob die Entscheidung bekannt gegeben und damit wirksam geworden ist. Die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts erfolgt dabei mit dessen Zugang (Claus in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Auflage, Stand: 15. Juli 2017, § 85 SGG Rdnr. 42; Claus, a.a.O., § 88 SGG Rdnr. 17). Der Bescheid vom 18. November 2021 wurde dem Betreuer am 23. November 2021 und den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 25. November 2021 zugestellt. Es besteht entgegen der von der ersten Instanz vertretenen Rechtsauffassung auch keine Verpflichtung des Klägers, sich vor der Erhebung der Untätigkeitsklage an die Behörde zu wenden und nach dem Verfahrensstand zu erkundigen (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 7. Februar 2013, L 9 AL 367/12 B, zitiert nach juris; Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 15. Februar 2008, L 7 B 184/07 AS, zitiert nach juris; Claus, a.a.O., § 88 SGG Rdnr. 24 m.w.N.). Vorliegend hatte sich die Prozessbevollmächtigte des Klägers am 14. Oktober 2021 (Bl. 16 der Gerichtsakte S 30 SO 197/21) zudem an den Beklagten mit der Aufforderung gewandt, den Antrag bis zum 1. November 2021 zu bescheiden.

Kosten im Beschwerdeverfahren gegen die ablehnende erstinstanzliche Prozesskostenhilfeentscheidung werden nicht erstattet (§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
 

Rechtskraft
Aus
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